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Zweiter Sieg für Marvin Jüngel

Deutsches Spring- und Dressurderby in Hamburg-Klein Flottbek
Von Lena Höfer
Marvin Jüngel und Balou‘s Erbin holten sich ihren zweiten Sieg im Deutschen Springderby. Das ist vorher nur neun anderen Reitern gelungen. Foto: Sportfotos Lafrentz

Mehr als 100.000 Zuschauer haben in diesem Jahr den Weg nach Hamburg-Klein Flottbek auf sich genommen, um dort fünf Tage Spring- und Dressursport zu erleben. Ein großer Teil von ihnen sah auch die Entscheidung im 93. Deutschen Springderby, als Marvin Jüngel sich zum zweiten Mal hintereinander mit seiner Stute Balou’s Erbin das Blaue Band holte.

Zwei der 32 Paare haben den weltberühmten Parcours in Klein Flottbek ohne Fehler absolviert: Frederic Tillmann drehte die 162. Nullrunde in der Geschichte des Derbys, Marvin Jüngel folgte mit der 163. „Wir haben uns die ganze Zeit vorgenommen, möglichst cool an die Sache heranzugehen“, erklärte der junge Sachse. „Heute früh hat sich Balou’s Erbin so entspannt in der Box verhalten – da wusste ich schon, dass es gut werden könnte, dass ich nur entspannt bleiben muss. Und das hat super geklappt.“

Frederic Tillmann musste zuerst ins Stechen, riskierte alles, war unglaublich schnell unterwegs und leistete sich am letzten Sprung, der Mauer, einen Fehler. Im Schritt mit einer Hand auf dem Oberschenkel ritt der Titelverteidiger Marvin Jüngel vor 27.500 Zuschauern zur letzten Runde des Tages ein. Fokussiert, konzentriert und mit eiserner Ruhe blieb er erneut fehlerfrei. Lediglich zwei Zeitfehler schlugen am Ende zu Buche.

„Balou’s Erbin hat so mitgekämpft, es war ein unbeschreibliches Gefühl“, strahlte der 22-jährige Jüngel. „Ich hatte das Glück, dass ich wie im vergangenen Jahr wieder als zweiter Reiter ins Stechen gehen konnte, und habe Frederic gesehen. Ich habe gewusst, dass ich an seine Zeit niemals herangekommen wäre. Da war für mich klar: Ruhe bewahren und fehlerfrei reiten.“ Marvin Jüngel ist damit der zehnte Reiter, der mindestens zweimal hintereinander das Derby gewonnen hat, und mit seinen 22 Jahren der Jüngste in dieser Liste der Mehrfachsieger.

Frederic Tillmann sorgte ebenfalls für Furore. Er ist der erste Reiter, der mit vier gebrochenen Rippen fehlerfrei den Derbyparcours absolviert hat. Der Franzose Emeric George hatte mit seiner Stute Dune du Ru die zweite Derbyqualifikation gewonnen. Am Sonntag platzierte er sich mit der schnellsten Vierfehlerrunde auf Platz drei.

Bester Schleswig-Holsteiner war Simon Heineke. Der Bereiter des Stalls Moorhof in Wedel, Kreis Pinneberg, war in der zweiten Qualifikation Vierter und kam im Finale mit dem Holsteiner Cordillo auf den fünften Platz. Das Paar hatte einen Abwurf am Einsprung zu Pulvermanns Grab.

Derbydebüt für Mathies Rüder

Ein Held des 93. Deutschen Springderbys war Stefan Jensen aus Bosbüll, Kreis Nordfriesland. Nach dem letzten Hindernis riss er die Hände in die Höhe und freute sich unbändig. Auf seinem 18-jährigen Cyrus L hat er den Derbyparcours ohne Hindernisfehler absolviert, aber leider sieben Zeitstrafpunkte kassiert. Trotzdem war der 52-Jährige überglücklich: „Die sieben Zeitstrafpunkte sind völlig egal, ich bin so begeistert. Es war ein großer Traum von mir, hier fehlerfrei zu reiten. Und mein Pferd hatte so viel Spaß“, sagte Jensen, der am Ende Siebter wurde.

Bemerkenswert war auch der Auftritt von Mathies Rüder. Der 18-jährige Fehmaraner feierte sein Derbydebüt und musste nach einem guten Auftakt die zweite Qualifikation abbrechen, da das Gebiss seines zwölfjährigen Holsteiner Hengstes For Freedom EKT gebrochen war. Reiten durfte er aufgrund seines guten Ergebnisses aus der ersten Qualifikation trotzdem. Das Paar kam mit acht Fehlern auf einen tollen zehnten Platz und war damit noch platziert. Einen Patzer mehr hatte Christian Hess aus Heidmühlen, Kreis Segeberg. Er kam mit Claron und 16 Fehlerpunkten auf den 16. Platz.

Nicht so gut lief der Sonntag für die zwei norddeutschen Damen. In der ersten Qualifikation lag die 22-jährige Hamburgerin Elisa Marlene von Hacht auf Patz drei, in der zweiten Qualifikation wurde sie Zweite. Am Sonntag schied sie dann aus, genau wie Janne Friederike Meyer-Zimmermann, der mit Electric Joy die Bahnschranken zum Verhängnis wurden. „Da darf man jetzt nicht enttäuscht sein“, sagte die Pinnebergerin. „Es ist schade, ich glaube, den Rest hätten wir gut geschafft, aber das nützt nichts. Deswegen ist das Derby ja auch besonders: Es kann einen überall erwischen.“ Doch der Wallach ist erst neun Jahre alt und hatte vorher zwei fehlerfreie Runden in den Qualifikationen gezeigt. Auch im Finale war er brav den Wall hinuntergelaufen. Das Paar wird man also im Derbypark wiedersehen.

Schreckmoment im Großen Preis

Mit einem extrem spannenden Stechen wurde der Große Preis von Hamburg beendet. 14 der 50 Starter waren fehlerfrei geblieben und hatten sich für das Stechen qualifiziert. Sie lieferten sich einen Kampf um Sekundenbruchteile, den der Brasilianer Yuri Mansur gewann. Hinter dem Schweizer Olympiasieger Steve Guerdat platzierte sich als bester deutscher Reiter der Europameister von 2021, André Thieme aus Mecklenburg-Vorpommern, auf Platz drei. Bundestrainer Otto Becker hatte nicht mit so vielen Nullfehlerritten gerechnet, erklärte er: „Der Parcours war schwer, aber fair.“

Mansur hatte die elfjährige Miss Blue-Saint Blue Farm gesattelt und erfüllte sich neun Jahre nach seinem ersten Start in Hamburg einen Traum: „Das Turnier hier in Hamburg ist mit uns brasilianischen Reitern eng verbunden“, sprudelte es aus dem stolzen Sieger. „Früher haben wir uns die Übertragungen aus Hamburg immer und immer wieder im Fernsehen angesehen. Als ich dann das erste Mal hier war, war das für mich schon etwas absolut Besonderes.“ Und jetzt dieser Sieg.

Während des Großen Preises sorgte der Sturz des Iren Trevor Breen für Schreckminuten auf dem Derbyplatz. Sein Pferd hatte den Absprung zu einem der Oxer nicht gefunden und war gestürzt. Der erfahrene irische Springprofi wurde mit einem Krankenwagen ins Krankenhaus gefahren, wo ein Bruch an der Halswirbelsäule diagnostiziert wurde. Er wird aber voraussichtlich keine bleibenden Schäden davontragen.

Im Speedderby wurde jedes Paar von den etwa 24.000 Zuschauern lautstark gefeiert. Marieke Reimers aus Mehlbek, Kreis Steinburg, und Lordillo S waren in diesem Jahr in 104,70 s unschlagbar. Das Paar ließ die Zweitplatzierten Robert Bruhns aus Brandenburg und Cellisto AR fast 7 s hinter sich. Den vielleicht größten Jubel aber genoss der Drittplatzierte: der 69-jährige Karl-Heinz Markus mit seiner selbst gezogenen Fiona. Der Rentner aus dem Emsland bekam tosenden Applaus.

Katharina Haas siegt im Viereck

Im Viereck war es ebenfalls spannend und „ganz schön anstrengend“, wie die Siegerin des 64. Deutschen Dressurderbys am Ende feststellte. Katharina Haas war aus Österreich angereist und sicherte sich souverän den Sieg. Im Finale mit Pferdewechsel erreichte die 30-Jährige die beiden besten Bewertungen, allerdings nicht mit ihrem eigenen Pferd Let It Be NRW, sondern mit den beiden Fremdpferden.

Siegerin im 64. Deutschen Dressurderby wurde die Österreicherin Katharina Haas mit ihrem Let it Be NRW. Foto: Reitsport-Hellmann

Am besten war sie mit dem 13-jährigen Royal Dream von Finalkonkurrentin Sarah Waldsperger unterwegs. „Alle Pferde waren echt fair und gut zu reiten. Die meisten Fehler sind mir tatsächlich mit meinem eigenen Pferd passiert, ich weiß auch gar nicht so genau, warum“, resümierte Haas. Aber sie könne sich gut auf andere Pferde einstellen, im Alltag reite sie rund zehn Pferde täglich. Haas gewann auch den Fairnesspreis per Zuschauervoting.

Im Derby verwies sie den in Dänemark lebenden Deutschen Maik Kohlschmidt auf Platz zwei und Sarah Waldsperger aus Wentorf, Kreis Herzogtum Lauenburg, auf Platz drei. Letztere sagte über das Finale: „Es war spannend, ein schönes Erlebnis. Ich habe mich gefreut und bin eigentlich davon ausgegangen, dass mein Pferd für alle sehr angenehm zu reiten sein wird.“ Ihr Pferd, der 13-jährige Royal Classic-Sohn Royal Dream, gehört ihrer Schwester.

Zum ersten Mal gab es im Ponydressurderby einen männlichen Sieger, den 14-jährigen Mats Buck aus Nordrhein-Westfalen. Mit seinem Pony Dancing Sun HF verwies er seine Konkurrentinnen Emily Schirrmacher und Ava Müller auf die Plätze. „Es war abnormal“, sagte der Ponyderbysieger. „Wenn man da hineinreitet und sieht, dass die Ränge bis oben hin voll sind, überall sitzen Leute, das ist ein superschönes Gefühl.“ Neben dem Gewinn des Blauen Bandes war sein Highlight die Siegerehrung auf dem großen Derbyplatz: „Das war wirklich die beste Siegerehrung, die ich bisher hatte.“

Leonie Ottmar ist U25-Siegerin

Die 23-jährige Leonie Ottmar aus Flensburg sicherte sich vor Leonie Sahm und Kim Burschik das Blaue Band im U25-Dressurderby. „Hier in Hamburg zu gewinnen, das ist ein Traum“, sagte die Siegerin und zögerte kurz: „Nein, davon habe ich noch nicht mal geträumt, das ist mehr als ein Traum!“ Mit dem achtjährigen Don Horatio, im Besitz ihrer Trainerin Vera Fürst, hatte sich die studierte Biologie- und Lebensmitteltechnologin ins Finale der besten Drei mit Pferdewechsel geritten. „Ich habe zwar noch nie ein solches Finale mit Pferdewechsel geritten, aber ich saß schon auf vielen verschiedenen Pferden“, erzählte sie. So habe sie schon ein bisschen Übung damit, sich schnell auf andere Pferde einzustellen. „Ich war während des ganzen Finales unheimlich fokussiert. Am Ende ist die ganze Anspannung von mir abgefallen und der Adrenalinpegel wieder gesunken. Da war ich dann schon kaputt, aber unheimlich happy. Es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht.“

Die 23-jährige Leonie Ottmar aus Flensburg gewann das Blaue Band im U25-Dressurderby. Foto: Reitsport-Hellmann

Neben dem Sport war auch die Zucht wieder Teil der Veranstaltung: Elf Holsteiner Fohlen kamen auf dem Derbyplatz zur Versteigerung. Zur Preisspitze avancierte Espartaco, ein Sohn des Ermitage Kalone. Die einstige Derbysiegerin Carassina von Concerto II (Thomas Kleis) ist die Großmutter des Hengstes, der für 20.500 € nach Österreich wechselte. Für die Auktion seien aufgrund technischer Schwierigkeiten mit dem Online-Bietersystem erschwerte Bedingungen entstanden. Einem insgesamt positiven Ergebnis mit einer Verkaufsquote von 100 % und einem Durchschnittspreis von rund 13.050 € habe dies aber nicht im Weg gestanden.

Erspartaco von Ermitage Kalone erzielte den höchsten Preis bei der Holsteiner Fohlenauktion auf dem Derbyplatz. Foto: Janne Bugtrup

Derbychef Volker Wulff hatte viel Spaß bei seiner letzten Auflage des Turniers: „Es war einfach mega! Wir hatten so viele Menschen im Derbypark wie noch nie“, resümierte er. Genau waren es 104.000 und damit mehr als jemals zuvor. Das 93. Deutsche Spring- und Dressurderby war das letzte, das von dem Team von En Garde Marketing um und mit Wulff organisiert und veranstaltet wurde. Mit einem Rückblick auf die vergangenen 25 Jahre erklärte Wulff: „Ich würde diese 25 Derbyjahre als Buch beschreiben. Ein Buch, das sich selbst geschrieben hat und das wir mitschreiben konnten. Ein Buch voller Emotionen, Liebe, Hoffnung, Zuversicht und Aktivitäten. Natürlich waren auch Enttäuschungen dabei. Ein buntes Buch, das wir jetzt nach 25 Jahren schließen.“ Natürlich seien im Team in den vergangenen Tagen schon einige Tränen geflossen, aber er wünsche dem Derby alles Gute für die Zukunft. pm

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