Die Dr.-Silvius-Wodarz-Stiftung kürt 2025 die Roteiche zum Baum des Jahres. Diese Wahl erinnert an die Arbeit von Dr. Silvius Wodarz, einem Forstmann aus Schleswig-Holstein, der viele Jahre lang die Forstwirtschaftsschule in Bad Segeberg leitete. Er wollte den Menschen den Wald näherbringen und sagte: „Man muss die Bäume nicht neu erfinden, man muss sie nur neu entdecken.“
Seit 1989 wird jedes Jahr ein Baum des Jahres ausgewählt. Dieser Baum wird aufgrund aktueller forstpolitischer und waldbaulicher Herausforderungen ausgesucht. In den letzten Jahren gab es immer wieder Bäume, die eine wichtige Rolle im Klimawandel und der Walderhaltung spielen. Mit welchen Baumarten können wir die zahlreichen Ökosystemleistungen des Waldes auch für die zukünftigen Generationen im Klimawandel sicherstellen? 2025 fiel die Wahl auf die Roteiche (Quercus rubra). Die Wirtschaftsbaumart ist in der Lage, in vielerlei Hinsicht den Waldumbau im Wandel des Klimas zu unterstützen. Die Stiftung wählte sie, weil sie hilft, den Wald zukunftsfähig zu gestalten und die natürlichen Leistungen des Waldes für kommende Generationen zu sichern.
Willkommene Baumart im Klimawandel
Die Roteiche steht für Vielfalt und Resilienz. Der dringend notwendige Waldumbau auf unterschiedlichen Standorten in Deutschland sollte mit einer Fülle an Baumarten, Waldstrukturen und waldbaulichen Methoden gelingen. Vielfalt im Wald ermöglicht es, die umfangreichen Ökosystemleistungen des Waldes auch für die Enkelgeneration aufrechtzuerhalten. Die Roteiche bietet vielfältige ökologische, aber auch wirtschaftliche Eigenschaften, die das betriebliche Risiko zu vermindern helfen. Die Roteiche ist trockentolerant, beansprucht geringe Standortgüten, ist im Wachstum unseren Eichen voraus und liefert wertvolles Rohholz. Sie verträgt sich gut mit anderen Baumarten und tritt häufig in Mischwäldern auf. Georg Schirmbeck, Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates, sagt über die Roteiche: „In Zeiten des Klimawandels gewinnt diese Baumart zunehmend an Bedeutung für die deutsche Forstwirtschaft. Ihre Fähigkeit, auch auf trockenen Standorten zu gedeihen und den sich ändernden klimatischen Bedingungen zu trotzen, macht sie zu einem wertvollen Bestandteil unserer Wälder.“
Ein Hauch von Indian Summer
Die Roteiche stammt ursprünglich aus Ostamerika. Seit mehr als 100 Jahren ist die Nothern Red Oak auch bei uns in Schleswig-Holstein beheimatet. Die älteste uns bekannte Roteiche steht allerdings in Sachsen im 1778 angelegten Schlosspark in Dessau. Ihr Alter wird auf 250 Jahre geschätzt. Das Höchstalter beläuft sich für die Roteiche auf 300 bis 500 Jahre.
Die Roteiche erhält ihren Namen aus der markanten Rotfärbung der gezackten und spitz gelappten Blätter im Herbst. Die Blattlänge reicht mit 25 cm an die eines Lineals heran. Ihre leuchtende Blattfärbung macht sie zu einem idealen Waldrandgestalter und prägendes Element des Erholungswaldes. Der bis zu 35 m hoch werden Laubbaum lässt die typische Eichenborke unserer heimischen Eichenarten, der Stiel- und Traubeneiche, vermissen. In der Jugend ist die Rinde glatt und grau. Im Alter verlaufen tiefe Rillen durch unregelmäßige Borkenplatten. Die Roteiche hat zwei Triebe, einen männlichen und einen weiblichen. Sie treibt Mitte April bis Mai aus. Ab einem Alter von 25 bis 50 Jahren beginnen die jungen Eichen Früchte zu tragen. Die Eicheln sind 3 cm lang. Die Kappen sind abgerundet und stehen in einem flachen Becher. Sie reifen nicht im Jahr des Austriebs, sondern erst im darauffolgenden August. Die Licht liebende Baumart bildet zunächst eine Pfahlwurzel aus, die sich später zu einer Herzwurzel verzweigt.
Liebt Licht und den gemischten Wald
Die Roteiche ist in der modernen, zukunftsfähigen Forstwirtschaft eine willkommene Baumart. Das forstliche Interesse an der Roteiche erwachte bereits im 19. Jahrhundert. Ihr Einzug unter die Nutzbaumarten begann zunächst als Alleebaum. Sie ist unempfindlich gegenüber Streusalz und bereicherte öffentliche und private Parkanlagen durch bizarre Wuchsformen und ihre feurigen Blattfarben im Spätsommer. Seit 1880 begleitete die ebenfalls noch junge Forstwissenschaft gezielt Pflanzversuche mit der Roteiche. Es galt, die Roteiche im 19. Jahrhundert zu einem festen Bestandteil der forstlichen Praxis werden zu lassen. Die Forstwissenschaftler und Praktiker Karl Gayer sprachen sich bereits im frühen 20. Jahrhundert für den gemischten Wald aus. Sie sahen darin einen Organismus, der die vielfältigen Erwartungen der Gesellschaft am ehesten erfüllen könne. Die Roteiche passt gut in das damals schon visionäre waldbauliche Leitbild. Als Lichtbaumart liebt sie die Vergesellschaftung mit anderen Baumarten. Geeignete Mischbaumarten sind der Spitzahorn, die Winterlinde, die Vogelkirsche oder auch die Hainbuche. Infolge ihres tief reichenden Wurzelwerkes gilt sie als sturmfest. Sie gedeiht auf einer großen Standortamplitude und findet ihren Standort auf Kies- und Sandböden, aber auch auf nährstoffreichen Lehmen. Die Roteiche meidet Staunässe und sauerstoffarme, verdichtete Böden. Die Baumart verträgt keine Überflutung. Auf flachgründigen Rankern oder Rendzinen kommt sie ebenfalls nicht vor. Nur wenige Insektenarten finden ein Habitat in der Roteiche. Demgegenüber zeigen Roteichenbestände eine reichhaltige Pilzflora. Auf mageren Böden neigt das Falllaub zu Rohhumusauflagen. Daher ist es ratsam, die Baumart mit anderen Baumarten zu vergesellschaften. Auf mageren Böden kommt die Roteiche gut zurecht. Daher dient sie zur Renaturierung von Haldenstandorten. In sandigen Lagen vermag die Roteiche in Riegeln quer zur Hauptwindrichtung gepflanzt und vergesellschaftet mit der Kiefer sogar Waldbrände zu hemmen. Die Roteiche selbst hat sich Waldbränden angepasst: Nach einem Inferno treiben ruhende Knospen aus Stammfuß und Wurzelhals.
Lieferant von wertvollem Rohholz
Das Holz der Roteiche reicht annähernd an die Qualität unserer heimischen Eichenarten. Im Zuwachs ist sie den Heimatlern sogar überlegen. Da Thyllen das Kernholz nicht zusetzen, lässt es ungehindert Feuchtigkeit passieren. Daher finden sich zum Beispiel keine Weinfässer aus Roteiche. Der Kern ist rotbraun, das Splintholz grau. Das Holz dient ausschließlich dem Innenbereich. Möbel, Wandtäfelungen, Treppen oder Türen, Dielen oder Fußböden werden aus Roteiche gefertigt.
Eine Bereicherung für unseren Wald
Die Roteiche ist infolge ihrer großen Standortamplitude, ihrer Trockenresilienz und ihrer Ertragsfähigkeit eine geeignete Ergänzung unserer heimischen Baumarten. Sie dient dem Waldumbau im Klimawandel. In Mischwäldern findet sie auch mit maßvollem Anteil zunehmend in Schleswig-Holstein ihren Platz: ein Neuankömmling, den wir gern willkommen heißen. Es lohnt sich, über die Roteiche im Verbund mit anderen Baumarten nachzudenken.