Seit Monaten berichten wir von immer weiter steigenden Rinder-Schlachtviehpreisen und auch davon, dass die Spitze bald erreicht sein werde. Doch immer wieder werden nicht nur wir, sondern auch sämtliche Marktteilnehmer von immer wieder neuen Preisaufschlägen überrascht. Viele Rinderhalter haben ihre Schlachttiere vor Weihnachten abgeliefert, um die guten Preise des Weihnachtsgeschäftes mitzunehmen. Erfahrungsgemäß fallen die Preise danach, da besonders im Jungbullenbereich zu Jahresanfang erst einmal ein Nachfrageloch entsteht. Eigentlich. Aktuell stellt sich die Lage etwas anders dar: Selbst für die derzeit gemäßigte Nachfrage nach Rindfleisch stehen nicht genug Schlachttiere auf der Angebotsseite zur Verfügung. In der Folge sind die Notierungen zu Jahresbeginn noch einmal deutlich angestiegen.
Rinderbestände weiter rückläufig
Die Rinderbestände in Deutschland gehen seit Jahren zurück. Dies bestätigen auch die neuesten Zahlen der November-Viehzählung des abgelaufenen Jahres. Der Gesamtbestand an Rindern ist somit im Vergleich zum November 2023 von 10,8 auf 10,5 Millionen Rinder zurückgegangen. Dies entspricht einer Reduzierung von 3,5 % (In Schleswig-Holstein sind es sogar –5,4 %). Besonders dramatisch ist die Lage im Mastbullenbereich. Hier beträgt der Rückgang im Bereich der männlichen Rinder zwischen ein und zwei Jahren satte 8,3 %. Dementsprechend bleibt das Angebot an schlachtreifen Jungbullen weiterhin knapp beziehungsweise wird sich noch weiter verknappen. Da die Rinderbestände nicht nur in Deutschland sinken, sondern ausnahmslos in ganz Europa, lassen sich die fehlenden Schlachttiere auch nicht mal so eben aus dem benachbarten Ausland ergänzen.
Verbrauchernachfrage für Rindfleisch angestiegen
Der Verbrauchernachfrage nach Rindfleischprodukten im Lebensmitteleinzelhandel ist im abgelaufenen Jahr (Januar bis November) immerhin um 5,2 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen. Dies ist zwar nicht mit dem Verbraucherliebling Geflügelfleisch vergleichbar, liegt aber trotzdem über den Prognosen und vor allem über den Zuwächsen bei den Fleischalternativen (+4,9 %). Den insgesamt rückläufigen Fleischkonsum müssen die Schweinehalter allein verbuchen.
Harter Wettbewerb zwischen den Schlachtbetrieben
Die großen Schlachtbetriebe haben relativ wenige Möglichkeiten, auf diese geringe Stückzahl im Angebotsbereich flexibel zu reagieren. Denn die Personalknappheit ist das größte Problem der Schlacht- und Zerlegebetriebe. Werden hier Schlachtbänder vorübergehend stillgelegt, ist das entsprechende Personal weg und steht dann bei einem Hochfahren des Betriebes nicht mehr zur Verfügung. Dementsprechend ist eine gleichmäßige Auslastung für die Schlachtbetriebe unabdingbar. Diese Situation führt zu einem regelrechten Kampf der Schlachtereien um die Schlachttiere, der über den Preis ausgetragen wird. Dies ist sicherlich zunächst deutlich zum Vorteil der Rinder haltenden Landwirte. Langfristig allerdings wird es zu einer weiteren Reduzierung der Schlachthaken, also zu Standortschließungen führen und in der Folge zu immer längeren Transportwegen, höheren Transportkosten und einer immer größeren Marktmacht einzelner Schlachthäuser und -konzerne kommen. Nur lässt sich dieses Rad schwer anhalten.