Mitten in Europa tobt ein mörderischer Krieg, der täglich viele Menschenleben kostet. Diese Tatsache möchte man mittlerweile gern verdrängen, da man genug von den Kriegsnachrichten aus der Ukraine hat. Der Konflikt hatte hierzulande in vielen Bereichen eine Kostensteigerung zur Folge. Auf der anderen Seite sind auch die Einnahmen in der Landwirtschaft gestiegen, da die Preise für viele landwirtschaftliche Produkte erhöht wurden. So stiegen die Kurse für Getreide und Ölfrüchte im vorigen Jahr deutlich an, da entsprechende Lieferungen aus der Ukraine ausgeblieben sind. Der ausgehandelte Getreidedeal sorgte jedoch dafür, dass die Ausfuhr über ukrainische Häfen möglich wurde. Daneben haben sich auch neue Lieferstrecken über den Landweg aufgetan. Der zwischenzeitliche Mangel ist mittlerweile einem Angebotsdruck gewichen. Vor allem Weizen, Körnermais und Raps kommen in umfangreichen Mengen aus der Ukraine in die EU.
Offene EU-Grenze
Die sonst üblichen Einfuhrregelungen für Getreideimporte in die EU sind ausgesetzt worden. Dies macht sich aktuell besonders in den östlichen EU-Ländern bemerkbar. Die Kurse für Marktfrüchte sind dort in den vergangenen Wochen deutlich unter Druck geraten. Die bislang vorherrschende Solidarität mit der Ukraine ist einer Protestbewegung gegen die Importe gewichen. Aufgrund der Stimmungslage musste bereits der polnische Landwirtschaftsminister seinen Posten räumen. Ende voriger Woche haben Polen, Ungarn und die Slowakei die Einfuhr von Getreide und anderen Agrargütern aus der Ukraine gestoppt. Dies soll die inländischen Landwirte vor einem weiteren Preisverfall schützen. Betroffen ist auch der Transit solcher Produkte in andere EU-Mitgliedstaaten. Die EU-Kommission will den Freihandel mit der Ukraine um ein weiteres Jahr verlängern. Im Gegenzug sollen die Landwirte in den östlichen EU-Ländern eine Ausgleichsprämie aus der Krisenreserve erhalten. Das ukrainische Landwirtschaftsministerium äußerte in einer Erklärung Verständnis für die schwierige Situation der polnischen Landwirte. Die Ukraine erinnerte jedoch daran, dass mit Polen eine Vereinbarung abgeschlossen wurde, Weizen, Mais, Sonnenblumenkerne und Raps bis zum 1. Juli 2023 nur per Transit durch Polen in die westlichen EU-Staaten zu transportieren. Jetzt sollen diese Abkommen neu verhandelt werden.
Stimmung gekippt
Viele der östlichen EU-Staaten haben die Ukraine bislang großzügig im Kampf gegen den russischen Aggressor unterstützt. Dies zeigt die Furcht dieser Länder vor dem großen Nachbarn im Osten. Die Bereitschaft des Einzelnen, dafür auch finanzielle Einbußen in Kauf zu nehmen, ist jedoch begrenzt. Die Stimmung kippt schnell, besonders wenn Populisten zu Wort kommen. Die aktuelle Entwicklung wirft viele Fragen auf, vor allem im Zusammenhang mit dem möglichen Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union. Da auch Bulgarien und Rumänien Schritte planen, um Lieferungen aus der Ukraine in die EU zu begrenzen, sollten sich die Angebotsmengen hierzulande demnächst begrenzen. Ein weiterer Aspekt ist, dass Russland das erst jüngst verlängerte Getreidelieferabkommen infrage stellt. Moskau sieht seine Forderungen nicht erfüllt und verlangt ein Ende der Handelssanktionen sowie die Möglichkeit, wieder am internationalen Zahlungssystem teilzunehmen.
An den hiesigen Märkten sorgte diese Nachricht bis Ende voriger Woche kaum für Ausschläge. Die Großhandelskurse und Matif-Notierungen für Raps und Weizen gaben sogar nochmals etwas nach. Die jüngste Entwicklung sollte jedoch den weiteren Preisrückgang der hiesigen Getreidepreise stoppen. Dennoch muss man weiter auch den weltweiten Getreidemarkt betrachten. Die jüngste USDA-Schätzung hat die globale Weizenernte nochmals niedriger eingeschätzt. Russland exportiert jedoch vorerst weiterhin große Mengen und sorgt für Angebotsdruck. Eine jetzt eingeführte Preisuntergrenze der russischen Regierung für ihre Weizenverkäufe, sollte aber den Preisspielraum nach unten begrenzen. Zum Wochenbeginn zeigen sich steigende Tendenzen am hiesigen Getreidemarkt.