Einer Wiederzulassung des Herbizidwirkstoffs Glyphosat steht nichts mehr im Wege. Zwar hat es heute (16. November) erneut keine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten für eine Zulassungsverlängerung gegeben, jedoch auch nicht für eine Ablehnung. Beobachter erwarten nun einhellig, dass die Europäische Kommission ihren eigenen Vorschlag umsetzen und eine Verlängerung der Zulassung beschließen wird. Die aktuell gültige Genehmigung läuft am 15. Dezember aus.
Derweil erklärte ein Sprecher der Bayer AG, die EU-Kommission habe bestätigt, dass sie Glyphosat für die Verwendung in der EU für weitere zehn Jahre genehmigen werde. „Diese erneute Genehmigung ermöglicht es uns, Landwirten in der gesamten Europäischen Union weiterhin eine wichtige Technologie für die integrierte Unkrautbekämpfung zur Verfügung stellen zu können“, so der Unternehmenssprecher.
Deutschland enthält sich
Dem Vernehmen nach hat sich Deutschland auch im Berufungsausschuss des Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (ScoPaff) der Stimme enthalten. Aufgrund der Intervention der FDP, die sich anders als die Grünen für eine Verlängerung ausgesprochen haben, hatte sich Deutschland schon in der ersten Runde im ScoPaff Mitte Oktober nicht positioniert. Unterdessen hieß es aus Brüsseler Kreisen, dass Italien seine Position gewechselt habe. Während der Vertreter Roms im Oktober noch für eine Verlängerung votiert hatte, soll er sich nun enthalten haben.
Erneut hat aber die einfache Mehrheit der EU-Länder für den Vorschlag votiert. Dagegen stimmten lediglich Österreich, Kroatien und Luxemburg, während sich neben Deutschland und Italien auch Belgien, Bulgarien, Frankreich, Malta und die Niederlande enthielten. Bekanntlich bedarf es zur Billigung des Kommissionsvorschlages einer qualifizierten Mehrheit von 55 % der Mitgliedstaaten. Diese müssen zugleich aber 65 % der EU-Bevölkerung abdecken.
Keine Bedenken der Efsa
Die für Glyphosat federführende Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) hatte im Juli aus wissenschaftlicher Sicht keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine erneute Zulassung vorgebracht. Bei der Risikobewertung der Auswirkungen von Glyphosat „auf die Gesundheit von Menschen und Tieren sowie auf die Umwelt wurden keine kritischen Problembereiche festgestellt“, so die Behörde im Sommer. In das Ergebnis war auch die Bewertung der Europäischen Chemikalienagentur (Echa) aus dem Vorjahr eingeflossen. Diese hatte festgestellt, dass die Kriterien für eine Einstufung als karzinogener, mutagener oder reproduktionstoxischer Stoff nicht erfüllt sind.
Die Efsa wies – wie allerdings in der Regel auch bei anderen Pflanzenschutzmitteln üblich – auf Datenlücken hin. Nicht alle Fragen hätten abschließend geklärt werden können. Hierzu gehörten Aspekte des ernährungsbedingten Risikos für die Verbraucher sowie die Bewertung der Risiken für Wasserpflanzen. Gleiches gelte für das Thema Biodiversität.
Sieg für die Fakten
Christine Schneider (CDU), Mitglied im Umwelt- und Agrarausschuss des EU-Parlaments und für das Thema zuständige Abgeordnete der EVP-Fraktion erklärte: „Das Ergebnis ist ein Sieg von Fakten in einer emotional geführten Debatte. Wir wollen selbstverständlich den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduzieren, aber solange es keine funktionierenden Alternativen gibt und in Europa Krieg herrscht, werden wir keine Gesetze unterstützen, die Landwirte an der Produktion von Lebensmitteln hindern.“ Ein vollständiges Verbot von Glyphosat würde sich negativ auf die Lebensmittelproduktion und die Preise auswirken. Schon jetzt litten viele Menschen unter den gestiegenen Lebensmittelpreisen. Ein Verbot von Glyphosat würde diese Situation noch verschlimmern.
Pflanzenschutzanwendungsverordnung anpassen?
In Deutschland ist der Einsatz von Glyphosat aufgrund der Pflanzenschutzanwendungsverordnung ab 1. Januar 2024 trotz der Entscheidung der EU-Kommission verboten. Ob das Bundeslandwirtschaftsministerium reagiert und die Verordnung anpasst, ist unklar. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) kritisierte: „Man reibt sich schon die Augen, dass die EU-Kommission ihren Plan für eine zehnjährige Verlängerung von Glyphosat weiter durchziehen will – obwohl eine klare Mehrheit der EU-Bevölkerung dagegensteht“, so Özdemir. Er hätte gerne mit einem klaren „Nein“ gestimmt. Sein Ministerium musste sich letztlich in Brüssel enthalten, weil es im Bundeskabinett keine gemeinsame Position gab. Das BMEL werde nun prüfen, was aus der Entscheidung der Kommission folge und welche nationalen Handlungsmöglichkeiten es gebe. age/rq