Innerhalb der EU gab es für ausgewählte Länder in den vergangenen Monaten Einfuhrbeschränkungen für ukrainischen Weizen, Mais, Raps und Sonnenblumenkerne. Der Transit durch die fünf Nachbarländern der Ukraine (Bulgarien, Ungarn, Polen, Rumänien, Slowakei) war möglich, der Import als solcher jedoch nicht. Die Länder hatten sich für diese Regelung eingesetzt, da die Getreidepreise im Land, und eben auch für die heimische Ware, sehr stark gefallen waren. Hintergrund war, dass die Zölle und Mengenbeschränkungen für Importgetreide aus der Ukraine nach dem Beginn des Krieges ausgesetzt wurden. Die Einfuhrmengen aus der Ukraine in den entsprechenden Nachbarländern stiegen parallel an.
Doch nun droht die Transitlösung der EU auszulaufen. Freitag, 15. September, ist das entscheidende Datum. In der vergangenen Woche hat die EU-Kommission keine Entscheidung getroffen und diese vertagt. Es kam weder zu einem klaren Ja noch zu einem klaren Nein. Anfang der Woche herrscht Ungewissheit. Mithilfe einer Koordinierungsgruppe – dabei Vertreter der fünf betroffenen Länder sowie der Ukraine – soll eine Lösung gefunden werden, mit der möglichst alle zufrieden sein werden.
Für und Wider
Der Ausbau der Exportkapazitäten über das Donaudelta und den Hafen Konstanza in Rumänien soll laut dem EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis weiter unterstützt werden. Dies würde Getreide für den Weltmarkt bedeuten. Wünschenswert wäre Dombrovskis‘ Meinung nach eine monatliche Ausfuhrmenge von 4 Mio. t ukrainischem Getreide über das Donaudelta. Er ist überzeugt, dass dieses Ziel bis Jahresende erreicht wird. Die EU sieht darin den Vorteil, dass die großen Getreidemengen nicht in Polen oder Ungarn ankommen und damit Einfuhrbeschränkungen vermieden werden könnten.
Mindestens Polen und Ungarn denken über eine nationale Strategie nach, mit der Importe verboten würden, käme es nicht zu einer Anschlusslösung.
Dem gegenüber stehen die Interessen der Ukraine. Sie verhehlt nicht, dass eine Klage vor der Welthandelsorganisation (WTO) ein nächster Schritt sein könnte, blieben die EU-Märkte nicht geöffnet. Sie ist also gegen eine Fortführung der Transitlösung.
EU-Agrarkommissar hat seine Meinung
Als sehr aufwendige Möglichkeit wird vom EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski die Verschiffung von Getreide aus der Ukraine über baltische, polnische sowie deutsche Ost- und Nordseehäfen gesehen. Wojciechowski ist Pole und unterstützt die Verlängerung des Lieferverbotes, sprich der Transitlösung in den fünf Ländern. Er erwägt zudem eine finanzielle Unterstützung seitens der EU. So könnten ukrainische Händler 30 €/t Getreide bekommen, um die höheren Kosten auszugleichen, die beim Getreideexport in die klassischen Importländer Afrikas und Asiens entstehen. Die ukrainischen Drittlandsexporte könnten sich auf etwa 20 Mio. t Getreide belaufen. Die Belastung für den EU-Haushalt würde sich auf rund 600 Mio. € summieren. Man könnte dies Transportsubventionen nennen, die im EU-Haushalt so natürlich nicht eingeplant sind. Die Brisanz des Themas wird deutlich, wenn man eine weitere Option betrachtet: Eine wahrscheinlich doppelt so teure Maßnahme wäre der Aufkauf von ukrainischem Getreide durch die EU. Auch diese Option wurde von der EU-Kommission in Erwägung gezogen. Das aufgekaufte Getreide könnte den Bedürftigen in Drittländern zugutekommen oder für das Welternährungsprogramm der UN genutzt werden. Es bleibt abzuwarten, welche Entscheidung die Koordinierungsgruppe befürwortet und welche Entscheidung die EU-Kommission treffen wird. Klar ist: Wenn ukrainische Seehäfen weiterhin durch Russland blockiert werden, sind die Exporte von ukrainischem Getreide mit einem extrem hohen Aufwand verbunden. Kommt es zu keiner weiteren Verlängerung der Transitlösung, werden aller Voraussicht nach ab dem 16. September die Einfuhrmengen in den entsprechenden fünf Ländern wieder deutlich steigen und die Preise dürften unter Druck geraten.