Er war der Kreative und ein klassisch ausgebildeter Maler, sie seine rechte Hand, Planerin, Mitorganisatorin und Projektumsetzerin – zusammen prägten sie als Künstlerpaar die Kunstgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts. Vor allem mit ihren Großprojekten wie dem verhüllten Reichstagsgebäude in Berlin oder dem verpackten Triumphbogen in Paris sorgten sie für Aufsehen, Diskussionen und Emotionen, auch nach ihrem Tod: Christo und Jeanne-Claude. In einer einzigartigen Ausstellung auf der Museumsinsel Schloss Gottorf in Schleswig lässt sich bis zum 3. September ihr künstlerisches Werden und Wirken entdecken.
Eine Ausstellung, die in vielerlei Hinsicht besonders ist: „Es ist das erste Mal überhaupt, dass im Norden Christo und Jeanne-Claude in einer großen Werkschau zu sehen sind. Das gab es weder in Hamburg noch in Schleswig-Holstein bislang zu sehen“, erklärte Kurator Dr. Ingo Borges zur Eröffnung der Ausstellung. Diese ist normalerweise im Kunstpalast Düsseldorf beheimatet und wird zum vierten Mal in einem musealen Kontext gezeigt. Und: „Zum ersten Mal wird das in Frankreich entstandene Frühwerk von Christo im Kontext mit Arbeiten internationaler Weggefährten wie Arman, Lucio Fontana, Yves Klein und anderen präsentiert.“
Ermöglicht wurde diese Ausstellung durch die Unterstützung der Hauptleihgeber Ingrid und Thomas Jochheim, die die weltweit umfangreichste Sammlung des Künstlerpaares besitzen und mit Christo und Jeanne-Claude über viele Jahre befreundet waren. Christo wurde am 13. Juni 1935 als Christo Wladimirow Jawaschew in Gabrowo, Bulgarien, geboren. Jeanne-Claude kommt am selben Tag als Jeanne-Claude Marie Denat in Casablanca, Marokko, auf die Welt. Christo studierte an der Kunstakademie in Sofia Malerei, Bildhauerei, Architektur und angewandte Kunst.
1956 flüchtete er nach dem Ungarischen Volksaufstand aus Bulgarien. Über Wien und Genf kam er nach Paris, wo er sich 1958 niederließ. Mit Porträtaufträgen bestritt Christo seinen Lebensunterhalt, die ihn unter anderem in das Haus der Eltern von Jeanne-Claude führten. Dort porträtierte er Jeanne-Claudes Mutter Précilda de Guillebon. Christo und Jeanne-Claude wurden 1960 ein Paar. Christos Jahre in Frankreich waren geprägt durch seine Auseinandersetzung mit den Stilen der Klassischen Moderne. Zu den vielen Künstlern, die ihn inspirierten, gehörten unter anderem Jean Dubuffet, Lucio Fontana, Helena Vieira da Silva oder Alberto Burri sowie eine Gruppe von Mitstreitern, die seinerzeit vom Kunstkritiker Pierre Restany als Nouveaux Réalistes bezeichnet wurde. Zu der Gruppe gehörten Künstler wie Yves Klein, Arman, César oder Niki de Saint Phalle, von denen ebenfalls Werke in der Ausstellung zu sehen sind. Christo wurde aber nie ein vollständiges Mitglied, was unter anderem von Restany verhindert wurde, dem Christos Arbeiten zu „künstlerisch“waren.
Doch trug die vielfältige Umgebung dazu bei, dass Christo eine eigenständige künstlerische Sprache entwickelte. Dazu gehörten auch das Verhüllen und Verpacken kleinerer Gegenstände, wie Zeitschriften, Münztelefon, Wandleuchter oder Dosen und Ölfässer. Das Verpacken erfolgte jedoch nicht willkürlich, sondern nach formalen Grundsätzen. So wie ein Maler seine Farben komponiert, arrangierte Christo präzise die Schnüre und arbeitete an der Form seiner Verpackungsskulpturen. Neben dem Verpacken faszinierte ihn ebenfalls schon früh die zylindrische Form von Ölfässern. Bereits kurz nach seiner Ankunft in Paris begann er, mit den Fässern zu arbeiten, sie zu stapeln, in Gruppen anzuordnen, wobei er einzelne Fässer verhüllte und die Oberfläche übermalte. Diese Faszination spiegelt sich in der von Christo und Jeanne-Claude seit 1977 geplanten, bis dato unverwirklichten Großskulptur „Mastaba“ in der Wüste von Abu Dhabi wider.
Die Mastaba ist eine altägyptische architektonische Vorform der Pyramide. Würde das Projekt realisiert, entstünde mit 410.000 vor Ort produzierten, verschiedenfarbigen Ölfässern die größte zeitgenössische Skulptur der Welt, die aus dem Weltraum sichtbar wäre. Es wäre zudem das einzige Großobjekt des Künstlerpaares, das auf Dauer angelegt würde.
Kleiner im Umfang, aber nicht weniger spektakulär war die erste größere Arbeit der beiden in Paris. Der Bau der Berliner Mauer im August 1961 veranlasste Christo und Jeanne-Claude dazu, am 27. Juni 1962 die Rue Visconti im Pariser Stadtteil Saint-Gemain-des-Près unerlaubterweise, spontan mit einer Wand aus Ölfässern zu verschließen, die sie mit „Rideau de fer“ (Eiserner Vorhang) betitelten.
Mit dem Umzug nach New York 1964 schlugen die beiden einen neuen künstlerischen Weg ein. Es entstanden die ersten Ideen zur Verpackung ganzer Bauwerke in Europa und den USA. Alle Projekte wurden akribisch geplant, von Christo gezeichnet in Collagen und Druckgrafiken lebendig, die er mit Plänen, Fotografien und Materialproben kombinierte. Die Vorbereitungen, Genehmigungen, Verhandlungen dauerten oft Jahrzehnte. Die Idee zum verhüllten Reichstag entstand bereits Anfang der 1970er, realisiert wurde sie erst 1995. Die Präsentation der Werke dagegen dauerte nur wenige Tage und sorgte für viele Diskussionen um Sinn und Unsinn.
„Viele finden die Irrationalität, die Absurdität unserer Projekte zum Verrücktwerden. Das ist genaus der Grund, warum wir sie machen“, lautet ein Zitat des Paares. Was blieb, waren die Zeichnungen und die Fotografien unter anderem von Fotograf Wolfgang Volz als Erinnerungen, mit denen sich das Paar finanzierte. Ansonsten nahmen sie kein Geld an, weder als Spende noch in sonstiger Form, denn sie wollten zeitlebens künstlerisch frei sein, ohne jemandem ein Mitspracherecht einräumen zu müssen. 24 Großprojekte konnte das Paar verwirklichen, für 46 gab es keine Genehmigung. Der Weg war ihr Ziel. Ihre Kunst selbst verfolgte kein Ziel, beinhaltete keine Botschaften: „Sie machten es für sich selbst und nur, weil sie es sehen wollten. Ihre Werke waren Emotion pur“, erinnert sich Ingrid Jochheim. „Unsere Kunst dient keinem Zweck. Sie gehorcht keiner Moral. Sie ist absolut frei“, so Christos und Jeanne-Claudes Devise. Weitere Informationen unter: schloss-gottorf.de