StartNachrichtenAgrarpolitikTimmermans warnt vor „historischem Fehler“

Timmermans warnt vor „historischem Fehler“

EU-Nachhaltigkeitsziele kommen auf den Prüfstand
Von Dr. Robert Quakernack/age
Frans Timmermans. Foto: Imago

Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und seiner Auswirkungen auf die Agrarmärkte und die Lebensmittelversorgung wird die Europäische Kommission ihre Nachhaltigkeitsstrategien einer erneuten Prüfung unterziehen. Das hat EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski im Anschluss an den informellen Agrarrat vergangene Woche angekündigt.

Man müsse jetzt dafür sorgen, dass die Agrarproduktion in Europa gesichert werde, erklärte der Pole. Die Ziele der Nachhaltigkeitsstrategien würden im Kontext der Lebensmittelversorgung und der neuen Situation in den nächsten Wochen geprüft. In diesem Zusammenhang verwies Wojcie­chows­ki auf Flächenstilllegungen und die Möglichkeit, auf den Brachen Proteinpflanzen anzubauen.

Ein Kurswechsel deutet sich zudem in Sachen privater Lagerhaltung (PLH) von Schweinefleisch an. Auch diese Maßnahme wollte der EU-Agrarkommissar nicht mehr ausschließen, genauso wie einen Einsatz der Krisenreserve. Die Kommission prüfe die Möglichkeit von Interventionsmaßnahmen, vor allem für Schweinefleisch, so der Pole. Er stellte zudem den Einsatz des Europäischen Mechanismus zur Krisenvorsorge und Krisenreaktion im Bereich der Ernährungssicherheit (EFSCM) und der angekündigten Expertengruppe für die Krise am Schweinemarkt in Aussicht.

Der geschäftsführende Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, hat Anfang der Woche hingegen davor gewarnt, wegen des Ukraine-Krieges die im Green Deal geplanten Maßnahmen zu stoppen. Nach Ansicht des Niederländers, der hauptverantwortlicher Kommissar für den Green Deal ist, wäre es ein „historischer Fehler“, wenn die Europäische Union ihre Nachhaltigkeitsvorhaben nun verlangsamen oder sogar ganz begraben würde.

Agrarmärkte im Blick

Quer durch die Mitgliedstaaten wurden vergangene Woche Forderungen laut, für eine ausreichende Absicherung der Ernährungsgrundlagen zu sorgen. Der französische Bauernverband (FNSEA) appellierte an Brüssel, die Ernährungssouveränität wieder zur „obersten Priorität“ zu machen. Als Erstes müsse der in Verbindung mit der Farm-to-Fork-Strategie zu erwartende Rückgang der Agrarproduktion „grundlegend“ infrage gestellt werden. Stattdessen müsse die Nahrungsmittelerzeugung in der Gemeinschaft ausgeweitet werden, allerdings auf nachhaltige Weise. Unmittelbar verabschieden sollte sich die Politik laut FNSEA von den Vorgaben GAP zur Stilllegung von Flächen.

Energiepreise steigen

Die polnische Agrarbranche sieht angesichts der durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Verwerfungen an den Agrar- und Energiemärkten ebenfalls – zumindest vorläufig – keinen Spielraum zur Umsetzung des Green Deal und der Farm-to-Fork-Strategie. Die Organisation der Verbände der Agrarproduktion (FBZPR) forderte die EU-Kommission auf, das Inkrafttreten der Strategien zu verschieben und das europäische Emissionshandelssystem auszusetzen. Die polnische Branchenvereinigung befürchtet, dass der Krieg die Energiepreiskrise weiter anheizen wird. Das dürfte sich nochmals preissteigernd auf den Düngermarkt auswirken.

Auch von der Iberischen Halbinsel kamen Forderungen nach einem schnellen Handeln, um die Versorgung mit Lebens- und Futtermitteln in der EU sicherzustellen. Nach Einschätzung von Spaniens Landwirtschaftsminister Luis Planas ist es geboten, die Prioritäten der GAP zu ändern. Deren Vorgaben müssten flexibler gestaltet werden, um die Produktion in den Mitgliedstaaten zu erhöhen. Außerdem müssten die Importregeln an die aktuelle Situation angepasst werden, so Planas. Gleichlautende Forderungen stellte der spanische Bauernverband Asaja. Nach dessen Ansicht wurde mit den ersten Kriegstagen „die Inkonsequenz der GAP-Ansätze“ deutlich. Portugals Landwirtschaftsministerin Maria do Céu Antunes erinnerte daran, dass die GAP ursprünglich begründet worden sei, um die Nahrungsmittelversorgung in Europa sicherzustellen. Dieses Ziel sei jetzt wieder wichtig. Das Produktionspotenzial der Mitgliedstaaten müsse konsequent genutzt werden. 

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