Die Landestagung der Arbeitsgemeinschaft der Rinderspezialberatung und der Landwirtschaftskammer ist als jährlich wiederkehrende Veranstaltung Magnet für Landwirtinnen und Landwirte sowie Beraterinnen und Berater.
Ute Volquardsen, Präsidentin der Landwirtschaftskammer, begrüßte zur alljährlichen Vortragsveranstaltung. Traditionell beginnt die Landestagung mit einem Rückblick auf das vorige Wirtschaftsjahr und dem Überblick über die Vollkostenauswertungen der Betriebe der Rinderspezialberatung. Volquardsen nutzte die Gelegenheit, dem jüngst berufenen Prof. Dr. Andreas Melfsen zur Professur Verfahrenstechnik in der Tierproduktion an der Fachhochschule Kiel zu gratulieren, und übergab im Anschluss an Prof. Dr. Kathrin Mahlkow-Nerge, die die Moderation der Veranstaltung übernahm. Den Auftakt machte Dr. Thomas Bahr (Agrarberatung Mitte e. V.) mit der Präsentation der Vollkostenauswertung des Wirtschaftsjahres 2023/2024, eine ausführliche Zusammenfassung folgt in der nächsten Woche.
Es folgten drei Impulsvorträge zum Thema der diesjährigen Landestagung „Lohnen sich Investitionen in Tierwohl und CO2-Effizienz?“.
Lösungen gegen Emissionen
Wie können bautechnische Lösungen für mehr Tierwohl und CO2-Effizienz aussehen? – Dieser Frage widmete sich Prof. Dr. Andreas Melfsen und klärte zunächst die Begrifflichkeiten Tierwohl und Tiergerechtheit. Während Tierwohl den Zustand des Tieres selbst beschreibt, bezieht sich Tiergerechtheit auf die Qualität der Haltungsbedingungen. Tierwohl kann also über bauliche Verbesserungen der Tiergerechtheit, sei es in der Ermöglichung von mehr Bewegungsfreiheit oder einer geeigneteren Fressplatzgestaltung, unterstützt werden. Diese und weitere Maßnahmen für mehr Tiergerechtheit können jedoch zu baulich bedingt höheren Emissionswirkungen führen, da ein höheres Platzangebot im Stall oder auf Auslaufflächen genau wie ungenügend gemanagte Einstreubereiche die emittierende Fläche vergrößern kann und so trotz eines Mehrs an Tierwohl die CO2-Effizienz auf den ersten Blick reduziert wird.
Durch mehr Tierwohl zeige sich jedoch auch weniger Stress bei den Tieren und folglich seien insgesamt höhere Leistungen, verbesserte Langlebigkeit und folglich weniger Notwendigkeit zur Remontierung zu erwarten, so Melfsen. Dies führt dann wiederum zu verbesserter CO2-Effizienz, da unter anderem weniger Jungvieh aufgezogen werden muss.
Direkte bauliche Lösungen für die Minderung von Treibhausgasen wie Lachgas und Methan aus der Landwirtschaft, die zu großen Anteilen aus dem Wirtschaftsdüngermanagement stammen, können schon durch die Verlegung der Güllelagerung gegeben sein. Wird mit Gülleaußenlagern inklusive gasdichter Haube gearbeitet, werden Emissionen eingespart.
Ein weiterer wichtiger baulicher Aspekt betrifft die Gestaltung der potenziell emittierenden Flächen, die durch Reduzierung der Verschmutzung auch weniger Schadgase wie Ammoniak emittieren. Als Beispiel nennt Melfsen den Bau erhöhter, durch Trennbügel getrennter Fressplätze. Die erhöhte Standfläche wird weniger durch Kot und Harn verunreinigt.
Zusätzlich zur Einsparung von Emissionen darf aber das Tierwohl auch baulich nicht aus dem Blick geraten, sei es bei Optimierung des Luftwechsels, des Dachaufbaus oder der Neigung des Daches, um Hitzestressstunden zu reduzieren. Eine bisher noch nicht sehr weit verbreitete Möglichkeit bieten hier mehrschichtige Gründächer, die durch Evapotranspiration kühlend wirken. Ergänzend kann auf technische Lösungen wie Ventilatoren gesetzt werden, die aber nicht notwendigerweise die Ursachen des Wärmeeintrags kompensieren könnten. Baulich könne eine Grundlage geschaffen werden, das Management sorge dann für das Tierwohl, so Melfsen abschließend.
Milchwirtschaft und Nachhaltigkeit
Welche Wege geht die Milchwirtschaft beim Thema Nachhaltigkeit? – „Welchen Weg geht Arla?“, ergänzte Dr. Thomas Kröber (Arla Foods Deutschland GmbH) und zeigte in seinem Vortrag ebendiesen Weg auf. Arla ist eine Genossenschaft und legt großen Wert auf nachhaltige Produktion und Bezifferung dieser Nachhaltigkeit durch die Berechnung des CO2-Fußabdrucks der Milch. Dieses Vorgehen ist unter anderem der Nachfrage nach Nachhaltigkeitskennzahlen aus dem Lebensmitteleinzelhandel und der Milch verarbeitenden Industrie geschuldet. Außerdem sieht sich Arla verpflichtet, ihren Teil zu nationalen und EU-Klimazielen beizutragen.
Die wissenschaftlich abgeleitete Berechnung des CO2-Fußabdrucks offenbart zunehmend eine Reduktion der ausgestoßenen CO2-Äquivalente je Kilogramm fett- und eiweißkorrigierter Milch. Mit dem Leitspruch „It’s not the cow, it’s the how” verweist Kröber auf den großen Einfluss des Managements und Betriebs auf die CO2-Produktion. Denn es ist nicht die Kuh, sondern vor allem das Management um sie herum, das zu mehr Nachhaltigkeit führen kann. In diesem Sinne hat Arla auf ihren Betrieben regelmäßige Klimachecks etabliert, die sich auf eine jährliche Datenerfassung mittels umfangreichen Fragenkatalogs stützt.
In 240 Fragen werden vor allem Daten zur Herde und der Tierhaltung an sich, zur Landnutzung und zu den eingesetzten Futtermitteln erfasst. Zum CO2-Fußabdruck gebe es eine Faustregel, so Kröber, die laute: „Alles, was in den Betrieb einfließt, hat einen CO2-Fußabdruck und alles, was den Betrieb verlässt, verlässt den Betrieb auch wieder mit einem CO2-Fußabdruck.“ Dies gilt auch für die sogenannten Treiber der Emissionen auf den Betrieben, zum Beispiel das aus der Pansenfermentation stammende Methan, Emissionen aus der Fütterung, hier insbesondere die Herkunft und Produktionsweise sowie den Umgang mit Wirtschaftsdüngern.
Über diese und weitere Informationen etwa zur Milchleistung beziehungsweise dem Erstkalbealter wurden die „Big 5“ abgeleitet, die universelle Themen umschreiben, die optimiert den CO2-Fußabdruck senken können und für alle Betriebstypen anwendbar sind. Zu den „Big 5“ gehören die Futter- und Proteineffizienz der Herde, die Kuhsterblichkeit, der Verbrauch an Düngemitteln und die Landnutzung. In ihnen finden sich Stellschrauben wieder, die sich positiv auf die CO2-Emissionen auswirken können, sei es durch den Einsatz nachhaltig produzierter Futtermittel, bessere Haltungsbedingungen und erhöhte Nutzungsdauer oder den nachhaltigen Einsatz von Düngemitteln.
Für die Betriebe der Arla kann sich ein guter CO2-Fußabdruck auch monetär lohnen, da bei 80 erreichten Punkten 2,40 ct/kg fett- und eiweißkorrigierter Milch zusätzlich ausgezahlt werden.
Kombination Vollweide und AMS
Kann die Kombination aus automatischem Melken und Vollweide eine nachhaltige Alternative sein? – Über seine Erfahrungen dazu berichtete Jörg Riecken (Landwirt aus Großbarkau) in einem Impulsvortrag. Der Weg zur Vollweide ergab sich laut Riecken aus dem Wunsch nach verbesserter Klauengesundheit und weniger Aufwand für die Klauenpflege.
Seine Herde mit 140 Holstein-Friesian-Kühen läuft von April bis Oktober auf der Weide und produziert rund 11.770 kg Milch je Kuh und Jahr. In der weidefreien Zeit werden die Kühe auf dem Grünhof in einem geförderten Tierwohlstall mit 10%iger Unterbelegung gehalten. Der Weg zur Weidehaltung brachte zudem eine Änderung im Abkalbemanagement, denn die Kühe kalben im Block über vier Monate im Herbst ab. Bis Heiligabend seien bereits 100 Abkalbungen durch, berichtet Riecken.
Durch die Weidehaltung aller Tiere über viele Monate hat sich besonders die Klauengesundheit verbessert. „Ich habe eigentlich keine Mortellaro mehr“, beschreibt Riecken die Situation. Färsen kämen das erste Mal zum ersten Trockenstellen in den Klauenstand.
Neben dem tiergesundheitlichen und damit auch Tierwohlaspekt sei vor allem die Arbeitseffizienz deutlich gestiegen. Zwar ergibt sich durch die saisonale Abkalbung eine Arbeitsspitze, diese ist jedoch so gelagert, dass die eigenen Arbeiten in der Außenwirtschaft abgeschlossen sind. Zeit für die Außenwirtschaft, bauliche Maßnahmen und Erholung nimmt Riecken sich in der Zeit zwischen März und Mitte September.
Durch die Ausnutzung der herausragenden Grasqualität in Frühjahr und Sommer ergibt sich für die Herde des Grünhofs eine sehr gute Grundfutterleistung von 5.000 bis 6.000 kg. Vor dem Start in die Weidesaison werden die Kühe während der ersten Laktationshälfte schon im Stall voll ausgefüttert. Die Milchleistung wird dann von April bis Juni durch das junge, nährstoffreiche Gras hochgehalten. Mit sinkendem Bedarf in der Spätlaktation bietet das Gras im Sommer weiterhin genug Inhaltsstoffe, um die Kühe leistungsgerecht zu versorgen. Als „Dürrepuffer“ empfiehlt Riecken, Maissilage bereitzustellen.
Das Melken der Tiere wird während der gesamten Laktation durch drei Melkroboter geleistet. Kühe, die nicht ausreichend ausgemolken sind, werden nicht auf die Weiden entlassen, sondern mittels Drei-Wege-Tor in einen Separationsbereich geleitet. Sobald sie den Melkroboter erneut aufgesucht haben und ausgemolken sind, dürfen die Kühe auf die Tages- oder Nachtweide.
Insgesamt beschreibt Riecken, dass sich durch die Vollweide das Tierwohl gesteigert habe, sei es durch gesündere Klauen oder die wenigen Fälle von Verletzungen wie Technopathien. Im Sinne der Nachhaltigkeit ist die Weide ebenso wertschöpfend, da Ammoniakemissionen und Energieverbräuche durch Diesel vergleichsweise reduziert sind.
Fazit
Die Vortragenden konnten mit ihren Impulsen einige Fragen aufwerfen, die im Anschluss an eine Kommunikationspause in einer Podiumsdiskussion beantwortet wurden. Die Ergebnisse der Podiumsdiskussion werden im zweiten Teil der Berichterstattung aufgegriffen.