Anfang Juli hat der Bundesrat das Düngegesetz (DüG) mehrheitlich abgelehnt. Hauptargument der CDU-geführten Länder gegen die Stoffstrombilanz ist laut dem schleswig-holsteinischen Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) die damit verbundene Bürokratie.
Schwarz verweist darauf, dass das Wirkungsmonitoring und die einzelbetrieblichen Nährstoffbedarfsermittlungen ähnliche Ziele verfolgten und damit eine doppelte Datenerhebung gegeben sei. Im Gegensatz zum Monitoring sei die Stoffstrombilanz-Verordnung (StoffBilV) jedoch nicht durch EU-Recht vorgeschrieben, sondern eine nationale Regelung, die nach Ansicht der elf Bundesländer und des Deutschen Bauernverbandes einen hohen bürokratischen Aufwand für Landwirtschaft und Verwaltung mit sich brächte. Ist dem so? Fünf zentrale Gründe, weshalb Düngegesetz und Stoffstrombilanzierung notwendig sind:
1. Bürokratieabbau und Datenvalidität
Im Gegensatz zu den Ausführungen der Mehrheit der Länderagrarminister ist die jetzige Düngeverordnung (DüV) das „Bürokratiemonster“ mit all den spezifischen Dünge-Bedarfswerten bis hin auf die Ebene der Sorten beim Winterweizen. Zudem sind die Bedarfswerte für die Düngung bei vielen Kulturen 10 bis 20 % zu hoch angesetzt (Taube, Berichte über Landwirtschaft 2023). Die Aufzeichnungspflicht der geltenden Düngeverordnung ist fehleranfällig und für einen wirkungsvollen Vollzug auch deshalb nicht ausreichend, weil vom Betrieb Pauschalwerte aus den Anhängen der DüV genutzt werden, die weiterhin Spielräume für Nährstoffüberschüsse zulassen.
Grundsätzlich hat eine solche Tiefe der Datenerhebung den Staat nicht zu interessieren, wenn es kostengünstigere Lösungen für den Bürger gibt. Deshalb ist die belegbasierte Stoffstrombilanz – entsprechend der Buchführung – nichts anderes als ein „Controlling“ darüber, was in den Betrieb hinein- und was herausgeht. Jedes erfolgreiche Unternehmen jenseits der Landwirtschaft nennt dieses Procedere „Controlling“ und nicht „Bürokratie“.
Die plausible Strategie im Sinne von Bürokratieabbau lautet daher: Stoffstrombilanz umgehend für alle Betriebe für Stickstoff und Phosphor verbindlich gestalten und mit dem nächsten Nitratbericht die EU-Kommission mit professioneller Unterstützung der Wissenschaft überzeugen, dass das „Bürokratiemonster“ der aktuellen DüV nicht effizient ist und durch die StoffBilV abgelöst wird.
Das ist wissenschaftlich fundiert, schafft nachhaltige Entlastung von Bürokratie und hebt den aktuellen Flickenteppich von Bundesländern mit Meldeverordnung wie Niedersachsen und Schleswig-Holstein und solchen ohne Meldeverordnung im Rahmen der DüV auf. Leider haben es das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) und die Bundesregierung in den letzten Jahren versäumt, diese strategische Perspektive in Richtung von weniger Aufzeichnungspflichten für die Landwirtschaft deutlich zu machen.
2. Verursachergerechtigkeit
Der landwirtschaftliche Berufsstand fordert eine stärkere Verursachergerechtigkeit. So sollen gewässerschonend wirtschaftende Betriebe von den strengeren Maßnahmen der DüV in „Roten Gebieten“ ausgenommen werden. Die EU-Kommission hat im Vertragsverletzungsverfahren wegen Nicht-Einhaltung der Nitratrichtlinie deutlich gemacht, dass sie von Deutschland dafür ein robustes, rechtssicheres, vollzugstaugliches und auf kontrollierbaren Daten beruhendes System erwartet.
Hierfür ist aus Sicht der Wissenschaft (u.a. UBA Schrift 200/2020; Wissenschaftlicher Beirat für Düngungsfragen, 2023) wie des BMEL die Stoffstrombilanz mittelfristig das entscheidende Instrument, da diese belegbasiert ist und Nährstoffströme in und aus dem Betrieb transparent und überprüfbar abbildet. Damit könnten umgehend zum Beispiel entsprechend des „120/120-Modells“ (UBA, 2020) die guten Betriebe von Auflagen in „Roten Gebieten“ befreit werden.
Durch die Ablehnung des Bundesrates vergeht wertvolle Zeit für die Umsetzung der Verursachergerechtigkeit, von der fehlenden Plausibilität einer Befreiung von Betrieben jenseits der Daten aus der Stoffstrombilanz ganz zu schweigen.
3. Fehlendes Wirkungsmonitoring
In der EU-Nitratrichtlinie heißt es: „Die Mitgliedstaaten sorgen für die Aufstellung und Durchführung geeigneter Überwachungsprogramme, damit die Wirksamkeit der in diesem Artikel vorgesehenen Aktionsprogramme beurteilt werden kann.“ Man kann darüber streiten, ob das Wirkungsmonitoring ein guter Ansatz ist. Da es jedoch noch von der letzten Bundesregierung mit der Kommission vereinbart wurde, riskiert man weiteres Ungemach, wenn erneut Verzögerungen aufträten.
4. Kompatibilität mit EU-Wasserrahmenrahmenrichtlinie
Die EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) zielt auf einen guten ökologischen und chemischen Zustand unserer Gewässer ab. Deutschland erreicht diesen Gewässerzustand vielfach nicht. Dies hat auch der neue Nitratbericht bestätigt. Deutschland befindet sich deshalb weiterhin in einem Pilotverfahren der EU-Kommission. Es droht kurzfristig ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen Nicht-Einhaltung der WRRL mit der gleichen Prozedur wie bei Nitrat. Die StoffBilV zielt auf einen effizienten Umgang von Nährstoffen, Stickstoff und Phosphor, in der Landwirtschaft ab und ist damit ein wesentlicher Baustein, um zukünftig einen guten chemischen Zustand der Gewässer zu erreichen.
Gerade die Phosphorüberschüsse der Landwirtschaft stellen jedoch ein Problem für der Zielerreichung der WRRL dar und die DüV regelt diese Überschüsse nicht. Vielmehr geht die DüV aktuell von völlig veralteten Standard-Bodenwerten für Phosphor aus, die doppelt so hoch festgesetzt sind wie es der guten fachlichen Praxis laut Verband deutscher landwirtschaftlicher Untersuchungs- und Forschungsanstalten (VDLUFA, 2018) entspricht.
Wir haben es also mit einem nahezu vollständigen Regelungsdefizit zu tun, was die Phosphor-Überschüsse und die gute fachliche Praxis sowie die Phosphor-Düngung betrifft. Dies muss umgehend geändert werden und der maximale P-Saldo entsprechend der DüV 2017 auf 4,3 kg je Hektar in der anstehenden StoffBilV begrenzt werden. Gerade im Nordwesten Deutschlands werden diese Salden mehrfach überschritten – ein völlig inakzeptabler Zustand.
5. Glaubwürdigkeit
Durch die Ablehnung des Düngegesetzes im Bundesrates, droht eine weitere, gegebenenfalls jahrelange Verzögerung mit den zuvor genannten Risiken. Der Vermittlungsausschuss würde vermutlich erst im Oktober dieses Jahres über das Düngegesetz entscheiden, also nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Je nach Ausgang dieser Wahlen droht eine Blockade oder ein Scheitern der Verhandlungen, sodass Teile des DüG eventuell auf die nächste Legislaturperiode geschoben würden. Das ist nicht im Sinne guter Landwirtschaft.