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Strategie zur Zukunft der Niederungen

Land will bis 2023 Eckpunkte für an den Klimawandel angepasste Wasser- und Landwirtschaft entwickeln
Von Iris Jaeger
Kerstin Fuhrmann vom Eider-Treene-Verband erläutert Minister Jan Philipp Albrecht die wasserwirtschaftlichen Zusammenhänge auf den Niederungsflächen bei Meggerdorf  Foto: Iris Jaeger

Um die Zukunft der Niederungen in Schleswig-Holstein sowie um bereits laufende Projekte in der Region ging es vorige Woche bei einem Besuch des Umwelt- und Landwirtschaftsministers, Jan Philipp Albrecht (Grüne), beim Schöpfwerk Sandschleuse in Meggerdorf. Dort stellte er die Niederungsstrategie 2100 vor, für die zusammen mit den Akteuren aus Wasserwirtschaft, Landwirtschaft und Naturschutz bis 2023 Lösungen erarbeitet werden sollen, um den Herausforderungen des Klimawandels mit steigendem Meeresspiegel, schwankenden Wasserständen sowie zunehmenden Starkregenereignissen zu begegnen. „Und um eine gute Perspektive für die Niederungen zu entwickeln“, so Albrecht.

Das Großschöpfwerk Sandschleuse ist eines von 50 Schöpfwerken des Eider-Treene-Verbandes, das in der Region seit Jahrzehnten dafür sorgt, dass die Niederungsflächen bewohn-, befahr- und bewirtschaftbar bleiben. Es ist weitestgehend digitalisiert, hat ein Einzugsgebiet von zirka 28.000 ha und eine Leistung von
25 m3/s, „was eine sehr große Förderleistung ist“, erklärte Stephan Schwarz, zurzeit kommissarischer Geschäftsführer des Verbandes, den Anwesenden. „Dabei ist es uns wichtig, nur so viel wie nötig zu pumpen, damit die Flächen nass bleiben und Sackungen weitestgehend vermieden werden“, erläuterte zuvor Schöpfwerksmeister und ­Maschinenkonstrukteur ­Matthias Urbahns, der für die Betreuung von Technik und Gebäuden zuständig ist.
Neben dem Schöpfbetrieb ist der Verband auch für die Gewässerunterhaltung, den Hochwasserschutz und die Deichunterhaltung zuständig sowie für die Verwaltung und technische Betreuung der Mitgliedsverbände. „Vielen Menschen ist nicht mehr bewusst, was hier für Herausforderungen zu stemmen sind und täglich gestemmt werden“, sagte Albrecht anerkennend. Insbesondere die Niederungsbereiche – Flächen, die 2,5 m unter Normalnull liegen und gut ein Fünftel der Landesflächen ausmachen – seien auf leistungsfähige und funktionierende Entwässerungsanlagen angewiesen. Und die Herausforderungen würden für die in die Jahre gekommenen Anlagen aus den 1950er bis 1970er Jahren immer größer.
Der durch den Klimawandel steigende Meeresspiegel sowie zunehmende Starkregenereignisse, aber auch klimabedingte Veränderungen der Niederungsböden mit entsprechenden Treibhausgas­emissionen erforderten eine Anpassung der bisherigen Wirschaftsweisen von Wasser- und Landwirtschaft, um die ­Region als Lebens- und Wirtschaftsraum sowie die von Generationen nutzbar gemachten Flächen zu erhalten. „Wir müssen handeln“, betonte der Minister.
Ein Drittel der Niederungsbereiche wird von ehemaligen Mooren gebildet, die größtenteils für die Landwirtschaft entwässert wurden, um die Menschen nach dem Krieg ausreichend mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Was seinerzeit wichtig und richtig gewesen sei, sei heute für ein Fünftel der Treibhausgas­emissionen in Schleswig-Holstein verantwortlich. Die Vernässung dieser Böden sei biologischer Klimaschutz, so Albrecht.
Um diese Niederungsflächen dennoch für die landwirtschaftliche Nutzung sowie als Lebens- und Kulturraum zu erhalten, gleichzeitig der Biodiversität und dem Gewässer- und Klimaschutz den Stellenwert einzuräumen, den sie brauchten, sei es notwendig, eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, die eine nachhaltige, wasserwirtschaftlich sinnvolle und finanziell abgesicherte Entwässerung organisiere. „Das ist eine ­Mammutaufgabe der Daseinsvorsorge“, so Albrecht.

„Wir wollen eine Win-win-win-Situation“

Die funktioniere aber nur, wenn alle betroffenen Akteure in diese Strategie mit eingebunden würden, und genau das solle mit der ­Niederungsstrategie 2100 des Landes erreicht werden, so der Minister weiter. Entsprechende Eckpunkte wurden bereits abteilungsübergreifend von Wasserwirtschaft, Klima- und Naturschutz sowie Landwirtschaft festgelegt und mit dem dafür eingerichteten Projektbeirat beraten. „Vor allem mit den Wasser- und Bodenverbänden, die die Entwässerung gewährleisten, aber besonders auch mit den nutzenden Landwirtinnen und Landwirten, mit den Menschen, die hier wohnen, aber auch den Akteuren, die sich um das Thema Klimaschutz, Gewässerschutz und Naturschutz kümmern, müssen wir gemeinsam an dieser Strategie arbeiten, um auch künftig eine Wertschöpfung in den Niederungen zu ermöglichen.“ Dabei müsse auch über neue Nutzungsformen wie die Paludikultur auf den Moorflächen nachgedacht werden, um den Kohlenstoffausstoß der Moorflächen zu reduzieren. „Wir wollen eine Win-win-win-Situation, wissen aber, dass das eine enorme, vor allem finanzielle Herausforderung wird“, so Albrecht.
„Diese drei Wins werden ohne die Landwirte, die die Flächen in den Niederungen pflegen und bewirtschaften, aber nicht funktionieren“, betonte Jan Rabeler, Marschenverbandsvorsitzender und Eiderstedter Oberdeichgraf. Es freue ihn, als Marschenverbandsvorsitzender an der Strategieentwicklung teilnehmen zu können: „Wir konnten in dieser Runde trotz Corona relativ flott Eckpunkte voranbringen und sie so zusammenschreiben, dass alle damit leben können. Nun geht es darum, die ganze Sache mit Leben zu füllen“, so Rabeler. Die enormen Kosten müssten dabei auf alle Schultern verteilt werden, „das können die Menschen, die hier wohnen, nicht alleine stemmen.“
Und auch Dr. Lennart Schmitt, Leiter der Umweltabteilung des Bauernverbandes Schleswig-Holstein und Mitglied im Projektbeirat, forderte die finanzielle Unterstützung durch das Land, um die Nutzer zu entlasten und die Kosten aufzuteilen. Zudem sei es wichtig, den Freiwilligkeitsgrundsatz für die Landwirte zu wahren. „Für uns beim Bauernverband knüpft die Niederungsstrategie 2100 daran an, wie wir Landwirtschaft und Moorschutz zusammenbringen können. Dafür haben wir vom Verband aus ein Posititionspapier gestaltet, das viele der Forderungen aufgreift“, so Schmitt. Man nehme die Veränderungen wahr, mittlerweile stünden viele Klimaschutzleistungen im Vordergrund, die bisher durch die Landwirte und Landnutzenden hier finanziert worden seien. Bei den Klimaaspekten gehe es aber auch um Gemeinwohlleistungen, die honoriert werden müssten.

Fotos: Iris Jaeger
Fotos: Iris Jaeger


Die Landwirte seien auf den Niederungsstandorten grundsätzlich bereit, auf freiwilliger Basis mehr für den Klima- und Naturschutz zu tun, vorausgesetzt, es bestünden für sie eine wirtschaftliche Perspektive und Planungssicherheit. Die brauche es auch für die vom Land vorgeschlagene Paludikultur (land- und forstwirtschaftliche Nutzung nasser Hoch- und Niedermoore, wie beispielsweise der Anbau von Schilf für Dachreet, die energetische Verwertung von Niedermoorbiomasse, die Nutzung von Röhrichten für neue Baustoffe oder die Kultivierung von Torfmoosen als Torfersatz in ­Substraten für den Gartenbau). „Das sehen wir beim Verband noch skeptisch, solange es dafür noch keine klaren Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen gibt, die eine langfristige Planungssicherheit gewährleisten.“ Auch müsse es möglich sein, Flächen zu tauschen. Da wünschten sich die Landwirte mehr Flexibilität.

Sorgekoog-Projekt

Wie komplex die wasserwirtschaftlichen, hydrologischen, bodenkundlichen sowie klimatischen Zusammenhänge in den Niederungen tatsächlich sind, zeigte Kerstin Fuhrmann, ­Verbandsingenieurin, stellvertretende kommissarische Geschäftsführerin und Projektleiterin beim Eider-Treene-Verband anhand des Sorgekoog-Projektes in der Eider-Treene-Sorge (ETS)-Niederung. Mit einer Größe von rund 8.300 ha und einem Einzugsgebiet von rund 12.000 ha stehe der Sorgekoog seit Jahrhunderten stellvertretend für die übrigen Niederungsgebiete in der ETS-Region. „Es ist eine durch Wasser- und Landwirtschaft geprägte Kulturlandschaft. Wasser- und Landwirtschaft arbeiten dabei seit Jahrzehnten kooperativ und gut mit dem Naturschutz zusammen“, betonte Fuhrmann. Durch die Bewirtschaftung der Niederungsflächen hätten sich viele Wiesenvogelbestände etablieren können. Auch eine 2019 durchgeführte Agrarstrukturanalyse habe gezeigt, dass die Landwirtschaft eine für die regionale Wertschöpfung nicht unerhebliche Bedeutung habe.
Dabei wirtschafteten die Landwirte unter erschwerten Bedingungen auf Grenzstandorten, die durch Geländehöhenverluste und schwankende Wasserstände mit teils auch im Sommer übersättigten Böden gekennzeichnet seien. Der Geländehöhenverlust betrage auch in langjährig aufgestauten Gebietsbereichen durchschnittlich 0,7 cm pro Jahr. Die Untersuchungen hätten des Weiteren gezeigt, dass es keinen Zusammenhang zwischen Grabenwasserstand und dem Wasserstand auf den Flächen gebe, es sich dabei um zwei unabhängig voneinander bestehende Systeme handele. Die Wasserstände reagierten unabhängig voneinander auf Niederschläge und Verdunstung. Wichtig sei, das Wassermanagement in den Niederungen flexibel zu gestalten, um auf Hochwasserereignisse reagieren zu können, so Fuhrmann. Aber auch die sackungsgefährdeten Gebiete müssten hinsichtlich der Wasserstände optimiert werden. Sie wünsche sich eine Fortsetzung der ganzheitlichen Untersuchungen auch hinsichtlich der Treibhausgasminderungspotenziale der Böden sowie eine ergebnisoffene Diskussion, die alle einbeziehe.
Das wünscht sich auch Landwirt Jan Koll aus Meggerdorf, einer der Landwirte, die sich tagtäglich mit den erschwerten Arbeitsbedingungen auf den Niederungsflächen auseinandersetzen müssen. Ihm sei der Erhalt der Kulturlandschaft sehr wichtig. Seit Jahrzehnten engagierten sich die Landwirte in der Region für den Wiesenvogelschutz. Höhere Wasserstände, wie sie der Naturschutz fordere, würden dieses Engagement gefährden und zusätzliche Kosten verursachen. Die Bewirtschaftung sei jetzt schon arbeits-, zeit- und kostenintensiv und ohne finanzielle Unterstützung nicht machbar. „Wenn die Politik Veränderung will, muss das gut überdacht sein, denn mit unüberlegten Handlungen kann man auch viel kaputt machen“, so Koll.

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