Marktverwerfungen durch das Auftreten der Afrikanischen Schweinepest (ASP) und resultierende Exportbeschränkungen sind bis heute bundesweit spürbar. Von ASP-Sperrzonen betroffenen Schweinehaltern droht immenser wirtschaftlicher Schaden. Die Empfehlungen der Europäischen Union sahen in der Vergangenheit ein generelles Verbot der Freilandhaltung und das Untersagen von Auslaufhaltungen in ASP-Sperrzonen vor. Das ist nun anders. Eine Expertengruppe hat „Leitlinien zur Auslauf- und Freilandhaltung von Hausschweinen“ entwickelt. Diese präzisieren, unter welchen Bedingungen diese Haltungsarten in ASP-Sperrzonen weiterhin möglich sind.
Nach der Landwirtschaftszählung 2020 halten rund 7,5 % der Betriebe in Deutschland ihre Schweine in Haltungen „mit Zugang zu einem Auslauf“. Rund zwei Drittel davon (4,9 %) sind Ökobetriebe. Der Anteil an ökologisch gehaltenen Schweinen am gesamten Schweinebestand liegt bei knapp 1 %.
Erzeugnisse aus Schweinefleisch dürfen nur als „bio“ oder „öko“ ausgelobt werden, wenn sie nach geltendem EU-Öko-Rechtsrahmen zertifiziert sind. Darin wird neben konkreten Mindestflächenvorgaben für Innen- und Außenbereiche sowie Gestaltungsvorgaben für Freilandhaltungen unter anderem festgestellt, dass Freiland- beziehungsweise Auslaufhaltung ein spezifischer Grundsatz der ökologischen Schweinefleischerzeugung ist. Die Tiere müssen ständigen Zugang zu Freigelände – vorzugsweise zu Weideland – haben, auf dem sie sich bewegen können, wann immer die Witterungsbedingungen und jahreszeitlichen Bedingungen und der Zustand des Bodens dies erlauben, es sei denn, es gelten mit dem EU-Recht im Einklang stehende Einschränkungen und Pflichten zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier. Abweichungen von den Mindestvorgaben zu den Auslaufflächen beziehungsweise der maximal zulässigen Überdachung dieser Flächen bei der Ökoschweinehaltung sind daher bei behördlich angeordneten Tiergesundheitsmaßnahmen im Zusammenhang mit der ASP für einen begrenzten Zeitraum zulässig.
Auch in konventionellen Betrieben wurde in den vergangenen Jahren viel an der Umstellung auf Haltungen mit zusätzlichem Auslauf gearbeitet. Entsprechende Programme und Labels, bei denen die Schweine verpflichtend Zugang zu Auslauf haben, werden zudem vonseiten der Verbraucher immer mehr gefordert.
Risiko für Auslauf- und Freilandhaltungen
Das ASP-Virus kann von Wildschweinen auf Hausschweine sowohl durch direkten als auch indirekten Kontakt übertragen werden. Die hohe Widerstandsfähigkeit des Erregers begünstigt die Übertragung beispielsweise durch rohe oder unzureichend erhitzte Schweinefleischprodukte, kontaminierte Futtermittel, Fahrzeuge, Kleidung und Werkzeuge. Grundsätzlich kann für Hausschweinebestände (insbesondere Klein- und nichtkommerzielle Haltungen) in der Nähe ASP-infizierter Wildschweine in betroffenen europäischen Ländern von einem höheren Risiko eines ASP-Eintrags ausgegangen werden. Ursächlich sind in diesem Zusammenhang vor allem unzureichende Biosicherheitsmaßnahmen und menschliches Fehlverhalten.
Mit Blick auf die Auslauf- und Freilandhaltung von Hausschweinen galt daher auf Ebene der EU lange Zeit die Meinung, dass diese in ASP-Sperrzonen unzulässig sei. In den Jahren 2022/2023 erfolgte jedoch auf EU-Ebene eine Neubewertung. Danach ist die Freiland- und Auslaufhaltung von Schweinen in ASP-Sperrzonen grundsätzlich vertretbar, sofern eine betriebsindividuelle Risikobewertung der zuständigen Veterinärbehörde nicht dagegenspricht und wirksame Maßnahmen zum Schutz vor biologischen Gefahren auf dem Betrieb umgesetzt werden.
Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) stuft in seiner „Qualitativen Risikobewertung zur Einschleppung der Afrikanischen Schweinepest in Auslauf- und Freilandschweinehaltungen in Deutschland“ (Stand August 2023) das Risiko eines ASP-Viruseintrags in diese Haltungsformen in ASP-Sperrzonen als höher ein denn bei geschlossener Stallhaltung. Grundsätzlich ist dennoch die Genehmigung der Freiland- und Auslaufhaltung von Schweinen aus Sicht des FLI vertretbar, soweit die Anforderungen der Schweinehaltungshygieneverordnung (SchHaltHygV) eingehalten und gegebenenfalls weitere Biosicherheitsmaßnahmen ergriffen werden. Nur unter dieser Bedingung könne das Risiko eines ASP-Eintrages auch in Freiland- und Auslaufhaltungen innerhalb der Sperrzonen II oder III (wenn auch Wildschweine betroffen sind) als vernachlässigbar eingestuft werden.
Während Auslaufhaltungen anzeigepflichtig sind, handelt es sich bei Freilandhaltung um genehmigungspflichtige Haltungen nach der SchHaltHygV mit entsprechenden ordnungsrechtlichen Auflagen. Diese müssen den tiergesundheitsrechtlichen Bestimmen entsprechen und unter anderem die Möglichkeit der „Absonderung“ der Tiere von einem möglichen Seuchengeschehen sicherstellen. Betrieben, die in einem Gebiet liegen, das durch Schweinepest bei Haus- oder Wildschweinen gefährdet ist, kann die zuständige Behörde die Freiland- oder Auslaufhaltung untersagen oder sie mit Auflagen verbinden.
Maßnahmen zum Schutz vor biologischen Gefahren
Das neue Tiergesundheitsrecht der EU (Animal Health Law (AHL)) ist seit dem 21. April 2021 in allen Mitgliedstaaten anzuwenden. Seitdem stehen insbesondere Tierhalter und mit Tieren arbeitende Personen, aber auch Tierärzte in der besonderen Verantwortung, den „Schutz vor biologischen Gefahren“ sicherzustellen; unabhängig von der Betriebsgröße und Haltungsform. Besondere Schutzmaßnahmen gelten darüber hinaus, wenn der Ausbruch der ASP bei Schweinen festgestellt wurde.
Auf nationaler Ebene sind Vorgaben zur Biosicherheit in Schweinehaltungen im Tiergesundheitsgesetz (TierGesG), in der SchHaltHygV und in der Schweinepest-Verordnung geregelt. Gemäß AHL muss der Tierhalter (in den relevanten Rechtsakten als „Unternehmer“ bezeichnet) über Kenntnisse zu Tiergesundheit und Tierseuchen verfügen und sich der Verbreitungsgefahren von Tierseuchen bewusst sein.
Maßnahmen zum physischen Schutz – unter anderem Umzäunung, Einfriedung, Reinigung, Desinfektion – müssen durch ihn umgesetzt werden. Im Seuchenfall sind die Leistungen der Tierseuchenkassen und der EU abhängig von der Einhaltung rechtlicher Vorgaben. Maßnahmen zum Schutz vor biologischen Gefahren gehören zu den wichtigsten Präventionsinstrumenten, die den Tierhaltern und anderen mit Tieren arbeitenden Personen zur Verhinderung der Einschleppung, Entwicklung und Ausbreitung von Tierseuchen zur Verfügung stehen.
Das AHL sowie das TierGesG verpflichten daher die Tierhalter, wirksame Biosicherheitsmaßnahmen umzusetzen. Auch wenn der Schutz vor Tierseuchen Investitionen erfordert, sollten der daraus resultierende Rückgang an Seuchenausbrüchen und die Vermeidung der wirtschaftlichen, emotionalen und tierschutzrelevanten Folgeschäden die Tierhalter motivieren, diese Investitionen zu tätigen.
Leitlinien unterstützen bei ASP-Bedingungen
Vor dem Hintergrund der Neubewertung auf EU-Ebene wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft im August 2022 eine Expertengruppe gegründet, deren Auftrag es war, Bedingungen festzulegen, unter denen Auslauf- und Freilandhaltungen in ASP-Sperrzonen als vertretbar einzustufen sind. Die vorliegenden Leitlinien stellen somit eine Hilfestellung für Tierhalter und Behörden dar, um bereits in seuchenfreien Zeiten betriebsindividuell Biosicherheitsmaßnahmen zu optimieren.
Die Leitlinien sollen:
– dazu beitragen, das Bewusstsein von Tierhaltern, mit Tieren arbeitenden Personen und Tierärzten für die Biosicherheitsmaßnahmen und die Eigenverantwortung bei deren Einhaltung zu schärfen
– helfen, die Biosicherheitsmaßnahmen auf die jeweiligen spezifischen Betriebsverhältnisse und Seuchensituation abzustimmen mit dem Ziel, ein akzeptables Risikoniveau für die jeweilige Auslauf- beziehungsweise Freilandhaltung unter ASP-Bedingungen zu erreichen
– mögliche, gegebenenfalls risikoorientiert gestaffelte zusätzliche Biosicherheitsmaßnahmen im Zu-sammenhang mit einem ASP-Geschehen und die damit verbundene mögliche Risikominderung aufzeigen
– Tierhaltern, Tierärzten und zuständigen Behörden eine Handreichung für die Vorabplanung, Optimierung und Umsetzung solcher Biosicherheitsmaßnahmen im konkreten Einzelfall in den Betrieben geben
– dazu beitragen, das Risiko der Einschleppung und Verbreitung insbesondere der ASP in die Schweinehaltungen zu vermindern,
– Wege aufzeigen, grundsätzlich Auslauf- beziehungsweise Freilandhaltungen auch in ASP-Sperrzonen, nach qualitativer Risikobewertung, zu ermöglichen.
Im Fokus der Leitlinien stehen zehn Handlungsbereiche, die in Form einer Maßnahmentabelle dargestellt sind:
1. Kenntnisse, Sensibilisierung, Unterweisungen
2. Umzäunung, Einfriedung
3. Betriebsgelände inklusive Tierbereich
4. Zutrittsregelungen, Hygieneschleuse (Personen)
5. Fahrzeugverkehr
6. Materialien (Einstreu, Futtermittel, Dung, Mist, Kadaver)
7. Tierverkehr
8. Überwachung Tiergesundheit
9. Tiergesundheitsbesuche, tierärztliche Bestandsbetreuung
10. Schädlingsmonitoring und gegebenenfalls -bekämpfung
Die rechtliche Grundlage für die beschriebenen Biosicherheitsmaßnahmen bilden im Wesentlichen das AHL sowie die SchHaltHygV, wobei risikoorientiert weitere Maßnahmen vorgeschlagen werden. Darüber hinaus sind verstärkte Maßnahmen zum Schutz vor biologischen Gefahren benannt, die sich in ASP-Sperrzonen ergeben (gemäß DUV (EU) 2023/594, DEV (EU) 2020/687 oder SchwPestV).
Ziel ist es, mithilfe der Leitlinien den größtmöglichen Schutz des individuellen Betriebes zu erreichen und dadurch auch andere Betriebe zu schützen. pm/EAFH
Die EAFH-Leitlinien zum Download
Info
Seit der erstmaligen Feststellung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in Deutschland im September 2020 traten bei Wildschweinen bisher mehr als 5.500 Fälle in Teilen von Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen auf. Zudem gab es bisher acht Ausbrüche in Hausschweinehaltungen in den Bundesländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg und Niedersachsen.
Grafik: ASP-Ausbreitung in Deutschland und Westpolen
Beteiligte Institutionen
Die Expertengruppe „Auslauf- und Freilandhaltung von Hausschweinen unter ASP-Bedingungen“ (EAFH) setzt sich zusammen aus: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, Friedrich-Loeffler-Institut, Landvolk Niedersachsen (in Vertretung für: Deutscher Bauernverband, Deutscher Raiffeisenverband, Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands, Bundesverband Rind und Schwein), Ministerium für Ernährung, ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Niedersächsische Tierseuchenkasse und Thünen-Institut für ökologischen Landbau.
Kontakt: Dr. Wiebke Scheer
wiebke.scheer@landvolk.org