Während der Grünen Woche wurde in Berlin viel über die Inflation der Lebensmittelpreise und die Entwicklung der Agrarpreise diskutiert. Alle Beteiligten waren sich einig, dass neben der Ernährungssicherung auch die Einkommenslage der Landwirte, der Klimaschutz und die Artenvielfalt beachtet werden müssten. So viele Ziele gleichzeitig im Blick zu behalten, ist für alle Beteiligten nicht einfach, da die Sichtweise oftmals unterschiedlich ist.
Die Preise für Lebensmittel sind im Jahr 2022 so stark gestiegen wie noch nie. Neben den hohen Energiepreisen sorgte vor allem die Teuerung für Nahrungsmittel für eine hohe Inflation. Während die Verbraucher sich fragen, ob und wann die Preise für den Wocheneinkauf wieder sinken, verzeichnen die Landwirte bereits wieder rückläufige Erlöse, vor allem für Feldfrüchte.
Reduzierte Agrarpreise
Die Ernährungsindustrie sieht noch wenig Spielraum für Preisrücknahmen bei Lebensmitteln. Sie verweist auf die hohen Preise für die bislang einkauften Rohstoffe. Auch die rückläufigen Energiepreise kommen nur zögernd beim Endverbraucher an. Schnellere Entlastung sollten hier jedoch die Strom- und Gaspreisbremsen der Bundesregierung bringen. Der Arbeitskräftemangel und die erhöhten Lohnkosten werden die Wirtschaft jedoch dauerhaft belasten. Auch die Sprecher der Agrarverbände machen vorerst wenig Hoffnung auf günstige Nahrungsmittelpreise. Trotz der jüngsten Entspannung sehen auch sie weiterhin vergleichsweise hohe Kosten für Energie, Dünge- und Futtermittelpreise. Als regelrechte Inflationsbremse sehen viele Beobachter die Preisentwicklung bei Bioprodukten. Diese sind im Preis deutlich weniger gestiegen. Doch auch Biobauern brauchen auskömmliche Preise, da geringere Erträge je Hektar erzielt werden als im konventionellen Anbau. Die Verbraucher sind jedoch deutlich kostenbewusster geworden. Gerade für hochpreisige Produkte sind die Umsätze zurückgegangen. Bioprodukte werden jetzt eher im günstigen Discounter als im Fachmarkt gekauft. Nachhaltigkeit und Umweltschutz bleiben somit auch in Krisen- und Inflationszeiten ein Thema beim Einkauf.
Aktuell befürchten vor allem die Milchbauern wieder Preisabschläge. Angesichts der rückläufigen Großhandelspreise für Milchprodukte werden auch Abschläge beim Milchgeldauszahlungspreis befürchtet. Die Kurse würden dann wieder unter dem jüngsten Rekordniveau liegen. Einige Interessenverbände fordern bereits staatlichen Eingriffe, um die Preise auf dem aktuellen Stand zu halten oder um eine Mengenregulierung einzuführen. Andere Beobachter sehen eher eine Normalisierung der Marktlage. Die Preisspitzen werden sowohl bei den Erlösen als auch bei den Kosten gekappt. Die Preise regeln die Mengenentwicklung – solange der Staat nicht eingreift. Diskutiert wird jetzt, EU-Verordnungen in Kraft zu setzen, die die Mengenlieferungen an die Meiereien und die Auszahlungspreise festlegen sollen. Dies wird bereits in Frankreich umgesetzt. Ferner gäbe es die Möglichkeit, ein Verbot für Verkäufe unter den Herstellungskosten einzuführen.
Ruf nach mehr Staat?
Auch die Kurse für Schlachtschweine bewegen sich auf einem relativ hohen Niveau. Doch auch hier sorgen hohe Futter- und Energiekosten für eine schmale Rendite. Während sich die Mischfutterkurse zuletzt wieder etwas nach unten bewegt haben, sind die Ferkelkurse merklich gestiegen. Der deutliche Bestandsabbau in der Sauenhaltung sorgt für ein immer kleineres Ferkelangebot. Die hiesige Fleischwirtschaft hat bereits die Befürchtung, dass die Schweineproduktion vor Ort bald nicht mehr den Bedarf decken kann. Dabei ist bereits berücksichtigt, dass die Schweinefleischnachfrage hierzulande sinkt. Obwohl der Selbstversorgungsgrad weiter hoch bleibt, kann bereits jetzt der Bedarf an Edelteilen wie Kotelett, Filet und Schinken nicht aus heimischer Produktion gedeckt werden. Auch hier gibt es den Ruf nach mehr Planungssicherheit. Es müssten Verträge zwischen Ferkelbauern und Mästern ebenso abgeschlossen werden wie zwischen Mästern und Metzgern. Andernfalls bleiben auch alle gut gemeinten Regionalversprechen auf der Strecke.