Artenschwund, Vermüllung, Munitionslasten und Eutrophierung – die Herausforderungen beim Schutz der Meere sind komplex. Um über mögliche Lösungen zu diskutieren, luden der schleswig-holsteinische EU-Parlamentarier Rasmus Andresen und die Landtagsabgeordnete Silke Backsen von den Grünen vergangene Woche Sonnabend zum Meeresschutzkongress ins Kieler Landeshaus.
„Wir wollen nicht nur ins Gespräch kommen, sondern in Handlungsoptionen“, präzisierte Andresen. Aus Brüssel gehe der Blick in Sachen Meeresschutzpolitik nicht nur Richtung Mittelmeer, sondern auch Richtung Nord- und Ostsee. Ihm sei ein Anliegen, Menschen zu vernetzen, die jetzt schon im Meeresschutz engagiert seien. Er plädierte dafür, Debatten sachlich zu führen, mahnte aber auch, dass zügig Maßnahmen zum besseren Meeresschutz notwendig seien.
Backsen erläuterte, das insbesondere Nord- und Ostsee stark ge- und benutzt würden. „Wir Schleswig-Holsteiner haben eine große Verantwortung, beide Meere zu schützen“, betonte sie. Dies müsse deutlich stärker und besser als aktuell geschehen. Aus ihrer Sicht kann der Schutz von Meeresökosystemen nur international gelingen. Dennoch müssten auch regionale und nationale Maßnahmen vorangehen. Backsen zeigte sich überzeugt: „Eine starke Wirtschaft kann nur mit einer intakten Natur funktionieren.“
Sebastian Unger, Meeresbeauftragter der Bundesregierung, sprach von einer „globalen Dreifachkrise“, die sich vor allem in den Meeren widerspiegle: Klimakrise, Verschmutzung und Artensterben. „Klimaschutz ist Meeresschutz, weil die Meere einen Großteil der Erwärmung aufnehmen, aber auch die Meere werden wärmer und saurer“, so Unger. Ziel des Naturschutzes sei es, Seegraswiesen in den Meeren zu renaturieren, aber auch Salzwiesen an den Küsten.
„Wir haben 1,6 Millionen Tonnen Altmunition in den Meeren verklappt – davon 300.000 Tonnen in der Ostsee“, unterstrich er die riesige Herausforderung der Munitionsbergung. Die Munition korrodiere. Manche Stoffe fänden sich mittlerweile in den Lebensmitteln, die aus dem Meer kommen. Er erklärte: „Man hat das Thema lange vor sich hergeschoben, weil niemand eine direkte Verantwortung hatte.“ Jetzt soll es mit einem Sofortprogramm der Bundesregierung losgehen. Nach einem Pilotprojekt 2024 solle 2025 die Bergung im größeren Maßstab beginnen.
Unger erläuterte, dass in Deutschland zwar schon mehr als 40 % der Meeresgebiete unter Schutz stünden. Die Gebiete würden aber nicht gut gemanagt. „Wir brauchen mehr Nullnutzungszonen, mindestens zehn Prozent der gesamten Meeresfläche“, so seine Forderung.
Er erklärte, dass das Umweltministerium das Vorhaben Nationalpark Ostsee unterstütze. Aber es müsse mit den Beteiligten vor Ort funktionieren. Zuletzt kündigte Unger eine Meeresschutzstrategie der Bundesregierung an, die aktuell in der Entwicklung stecke.
Franziska Saalmann, Meeresbiologin und Campaignerin bei Greenpeace, monierte „viel zu viele Nutzungen, die das Meer an den Rand des Kollapses bringen“. Die aktuellen Schutzgebiete schützten nicht. Die Ostsee sei in einem katastrophalen Zustand. Mit einem Nationalpark und zugehörigem Management könnten die Schutzgebiete aus ihrer Sicht ihrem Namen „endlich gerecht werden“. Saalmann warnte, dass sich die Todeszonen durch Nährstoffeinträge ausbreiteten und die Fischbestände kollabierten. „Wir müssen die Nährstoffeinträge mindestens halbieren, sonst ist die Ostsee vielleicht nicht mehr zu retten“, prophezeite die Campaignerin.
Greenpeace fordert, auf 50 % der Schutzgebietsflächen die wirtschaftliche Nutzung komplett zu verbieten und Grundschleppnetze abzuschaffen. Saalmann kritisierte zudem den „überdimensionierten LNG-Ausbau“ und die Pläne für Kohlenstoffspeicherung im Meeresboden.
Etwas moderater waren anschließend die Worte von Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne). Er erklärte: „Wir überprägen nicht nur unsere Kulturlandschaften menschlich, sondern auch unsere Meeresgebiete. Wir müssen unsere Meeresgebiete sich selbst mehr erholen lassen.“ Dass der Mensch der Natur in den Meeren keinen Raum gebe, sei für ihn auch ein ethisches Problem. „Wenn wir unsere Meere komplett nutzen, können wir den Brasilianern nicht abverlangen, dass diese ihren Regenwald schützen“, so Goldschmidt.
Nach seiner Einschätzung ist Umweltschutz auf der abstrakten Ebene sehr beliebt. Im Konkreten werde es aber oft schwierig. Keiner wolle den ersten Schritt machen, dabei müssten die Probleme der Munitionslasten, die Erholung der Fischbestände und die Reduktion der Nährstoffeinträge gleichzeitig angegangene werden.
Mit Blick auf die Pläne zum Nationalpark Ostsee bezeichnete er den Konsultationsprozess als Gesprächsangebot. Dabei seien auch viele Gegenargumente vorgetragen worden. Dennoch zeigte er sich enttäuscht, dass dort teilweise unkonstruktiv und mit Polemik aufgetreten worden sei.