Die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein ist eine akkreditierte Einrichtung der beruflichen Bildung im Programm Erasmus+ der Europäischen Union. Auf dieser Grundlage fand auch in diesem Frühling wieder ein Austausch schwedischer und deutscher Berufsschüler und Lehrkräfte im Bereich Forstwirtschaft statt. Besondere Dynamik gewinnt die Partnerschaft zwischen der Lehranstalt für Forstwirtschaft in Bad Segeberg und dem Naturbruksgymnasium Svenljunga dadurch, dass nun auch die Verwaltung der „Grünen Berufe“ in Westergötland Erasmus+-akkreditiert ist.
Bereits im Herbst 2022 fand eine Schulung deutscher Forstwirtauszubildender durch schwedische Lehrkräfte in Bad Segeberg statt. Über diese Grundlagenschulung am neuen Forstmaschinensimulator der Landwirtschaftskammer war bereits im Bauernblatt zu lesen. Im März kamen dann einige schwedische Forstwirtschaftslehrer mit einer Auswahl ihrer Schüler zurück nach Bad Segeberg. Zusammen mit den Auszubildenden aus Schleswig-Holstein und Hamburg nahmen die jungen Schweden drei Wochen am praktischen und teilweise auch am theoretischen Unterricht teil und lernten dadurch die Forstwirtschaft in Deutschland kennen.
Beide Länder haben eine lange forstwirtschaftliche Tradition auf wissenschaftlicher Grundlage, unterscheiden sich aber dennoch in vielen Fragen des Waldbaus und der Forsttechnik. Einzelbaumnutzung und kahlschlagsfreie Waldbewirtschaftung sowie die Grenzen des Großmaschineneinsatzes konnten auf diese Weise durch die schwedischen Gäste erlebt werden. Und es wurde deutlich, welche Bedeutung die gesellschaftlichen Anforderungen an die Bewirtschaftung des Waldes haben.
Gegenbesuch in Schweden
Einen ähnlichen Lernprozess konnten einige Wochen später auch die deutschen Forstwirtauszubildenden in Schweden machen. Wie sind die Herangehensweisen im borealen Wald? Wie wird Forstwirtschaft betrieben, wenn die Landschaft fast nur aus Fichten- und Kiefernwäldern besteht? Spätestens im Rahmen
der abschließenden Fachexkursion wurden die Unterschiede mehr als deutlich. So besuchte die Gruppe eine Mitarbeiterin des schwedischen Staatsforstbetriebes „Sveaskog“ im Norden Dalarnas, die alleine für 100.000 ha Wald zuständig ist, in dem 120-jährige, als erntereif definierte Kiefern einen Durchmesser von 20 cm und eine Höhe von 16 m haben. Und während bei uns Nutzungssätze von 4 oder 5 fm Holz pro Jahr und Hektar möglich sind, liegt der Nutzungssatz in der dortigen Region bei 0,2 fm. Hinzu kommen noch spezielle Rechte der Sami als indigene Volksgruppe, auf die besondere Rücksicht genommen werden muss. Für deutsche Forstwirte eine ganz neue Welt!
Stück erlebtes Europa
Insgesamt waren die sieben Wochen in Schweden für die fünf Auszubildenden aus Schleswig-Holstein und die begleitenden Lehrkräfte aus den bewährten Lerninhalten zusammengesetzt. Während der ersten Woche war, begleitet durch drei Forstlehrer aus Deutschland, die ganze Berufsschul-Abschlussklasse der Lehranstalt für Forstwirtschaft in Svenljunga und genoss dort ein abwechslungsreiches Unterrichts- und Exkursionsprogramm.
In den darauffolgenden vier Wochen lernten die sechs Erasmus+-Teilnehmenden viel zur Arbeit mit dem Forwarder oder Kurzholz-Rückezug, und arbeiteten damit selbst im schwedischen Wald. Auch dort gab es gemeinsame Unterrichtseinheiten mit den schwedischen Schülern in Svenljunga.
In den zwei letzten Wochen wurden verschiedene schwedische Landschaften und deren Wälder, aber auch Stockholm und die Berge besucht. Ein unerwartetes Highlight war der spontane Besuch der Forst-Maschinen-Expo in Stockholm Anfang Juni.
Ob die Tatsache, dass in der gesamten Austauschzeit nur zwei Tage mit Regen zu verzeichnen waren, als persönliches Glück oder böse Folge des Klimawandels empfunden wurde, sei dahingestellt. Auf jeden Fall spielten die Themen Trockenheit, Borkenkäfer und Waldbrand eine ständige Rolle während des Schwedenaufenthaltes. Praktische Arbeiten und Fachexkursionen, Freizeitgestaltung in der Natur, englische Kommunikation und vieles mehr ergaben eine Fülle von neuen Eindrücken und einen großen Gewinn an Wissen und Können. Es war ein Stück erlebtes Europa, von dem allelange zehren werden.
Neue Pläne
Unter den Leitmotiven Nachhaltigkeit und Digitalisierung sollen auch in Zukunft die Projekte der Forstschulpartner aus Schleswig-Holstein und Svenljunga fortgesetzt werden. Dabei spielt zunehmend auch der Austausch von Unterrichtsmethoden eine wichtige Rolle – angefangen mit der Nutzung des Forstmaschinensimulators.
Über ein standardisiertes System des Self-Assessments, also der Einschätzung des eigenen Lernfortschrittes, konnten bereits in Schweden, aber auch bei der Auszubildendengruppe 2023 aus Deutschland deutliche Fortschritte in der Maschinenbedienung durch ein spezielles Lernprogramm am Simulator nachgewiesen werden. Für die schwedischen Lehrkräfte und Schüler werden zunehmend auch Aspekte der Einzelbaumnutzung und Motorsägenarbeit sowie einer kahlschlagsfreien Waldbewirtschaftung interessant. Hier zeichnen sich auch in Schweden gesellschaftliche Wünsche ab, die Einfluss auf die derzeitige hocheffiziente, aber auch sehr massenorientiert und hochtechnische Nutzung des Waldes in Skandinavien Einfluss nehmen können.
Mehr Auslandsaufenthalte
Die Erasmus+-Akkreditierung beider Partner bietet über den Beruf Forstwirt/Forstwirtin hinaus auch anderen Grünen Berufen hervorragende Möglichkeiten eines Austausches. Erste Kontakte im Bereich der Landwirtschaft und des Gartenbaus konnten bereits vermittelt werden, und es wäre sehr wünschenswert, wenn daraus vorbereitende Besuche mit dem Ziel entstehen könnten, dass auch jungen Menschen oder Ausbildern dieser Berufszweige Zeiten im Ausland ermöglicht werden würden. EU-Mittel zu deren Unterstützung stehen bereit.