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Käse trifft Wein in Kiel

Von langer Tradition ist das Treffen süddeutscher Winzer mit norddeutschen Käserinnen und Käsern Mitte Juli am Kieler Bootshafen geprägt.

Auch in diesem Jahr lädt die beliebte Veranstaltung zum Kombinieren der Käsespezialitäten aus Kuh-, Schaf- und Ziegenmilch mit den verschiedensten Weinen in Rot, Weiß oder Rosé ein.

Auch Fleischliebhaber und Biertrinker werden an den zahlreichen Ständen ihre Lieblingskombination finden. Das sommerliche Genussfestival mit Livemusik in maritimer Atmosphäre stimmt bereits auf den nachfolgenden Bootshafen-Sommer ein.

Bewegung, Naturerfahrung und soziales Lernen

In den Natur- und Waldkindergärten in Schleswig-Holstein erleben Kinder die Natur mit allen Sinnen, und das bei Wind und Wetter im Wald. Unterstützt werden sie dabei von den Landesforsten und aktuell der Forstabteilung der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein (LKSH).

In Schleswig-Holstein gibt es über 50 Wald- und Naturkindergärten. Deren Träger sind zumeist Elternvereine, Kirchengemeinden oder die Arbeiterwohlfahrt. Sie finanzieren sich über öffentliche Zuschüsse, Beiträge der Eltern, zum Teil aber auch über private Spenden. Darüber hinaus wird die Mehrzahl der Kindergärten von Revierförstern der Landesforsten vor Ort betreut. Sie begleiten die Kindergruppen in den Wald, geben Tipps und Anregungen, stellen Spiel- und Bastelmaterial aus der Natur bereit und treffen Vorsorge zur Vermeidung von Unfällen im Wald. Auch die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald unterstützt die Waldkindergärten aktiv.

Waldkindergärten bringen viel Positives

Die Kinder im Waldkindergarten verbringen den ganzen Tag in ihrem „Revier“. Aber auch andere Kindertagesstätten bieten zum Beispiel Projekttage im Wald an. Spielend erlernen die Kinder frühzeitig, wie in der Natur eines mit dem anderen zusammenhängt. Der Aufenthalt im Wald bei Wind und Wetter lässt die Kleinen schon früh ein Grundverständnis für die Schlüsselrolle des Waldes im Naturhaushalt, die natürlichen Gesetzmäßigkeiten und eigene Wertvorstellungen vom richtigen Umgang mit der Natur entwickeln.

Der Wald als Lebensraum bietet den Kindern auf natürliche Weise die Bedingung für ganzheitliches Lernen. Hier erleben sie den Rhythmus der Jahreszeiten. Der tägliche Aufenthalt in der Natur kann positive Auswirkungen auf die Entwicklung der kindlichen Motorik und Wahrnehmung haben. Schon die Kleinsten müssen über Stock und Stein laufen. Hierdurch wird zum Beispiel die Balance gefördert. Es werden Hügel und Hänge erklommen, es wird auf Bäume geklettert. Folglich wird die Selbsteinschätzung geschult.

Waldkindern mangelt es definitiv nicht an Bewegung, allein schon aufgrund der Weite des zur Verfügung stehenden Raumes. Der intensive Bezug zur Natur und die durch die äußeren Umstände gebotene andere Art des Miteinanders prägen die Kinder und fördern Eigenschaften, die heute überall gefordert werden und doch so vielen Menschen fehlen: soziale Kompetenz, Hilfsbereitschaft, Ausgeglichenheit, vernetztes Denken, Konzentrationsvermögen, um nur einige zu nennen.

Einrichtungsleiterin Nina Meier und Peer Rosenhagen, LKSH, in der DRK-Waldgruppe Klein RönnauFotos: LKSH

Forstabteilung unterstützt Waldkindergärten

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der LKSH haben 500 € für Waldkindergärten in Schleswig-Holstein gesammelt. Ein Betrag in Höhe von jeweils 250 € kommt zum einen der Waldgruppe Winsen des Montessori-Kinderhauses Kattendorf und zum anderen der Waldgruppe der DRK-Kita Immenhuus in Klein Rönnau, beide Kreis Segeberg, zugute.

Der Abteilungsleiter der Forstabteilung, Dr. Gerrit Bub, sowie die Büroleiterin Tanja Scheel besuchten den Waldkindergarten Winsen/Kattendorf. Waldgruppenleiter Markus Einheuser konnte beide von seiner Waldgruppe begeistern. Im Waldkindergarten können bis zu 16 Kinder betreut werden. Unterstützt wird er durch Jana Forstreuter, Försterin der Landesforsten.

Peer Rosenhagen, Fachbereichsleiter LKSH Beratung und Betreuung, ließ sich den Waldkindergarten der DRK-Waldgruppe in Klein Rönnau zeigen. Einrichtungsleiterin Nina Meier erzählte, dass die Waldgruppe bereits im Jahr 2001 entstand. Bis zu 16 Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren können hier den Vormittag verbringen. Die Spende kam auch hier gut an.

Fazit

Der Aufenthalt im Wald fördert auf selbstverständliche Art und Weise die Gesundheit und Sinneswahrnehmung und ist damit ein idealer Erlebnisraum mit unzähligen Möglichkeiten für reale eigene Erfahrungen. Hier können Kinder sehen, staunen, ausprobieren, forschen, erfinden und gestalten. Der Aufenthalt in der Natur kann sich positiv auf die mentale, soziale, psychische und physische Entwicklung von Kindern auswirken und auch das Umweltbewusstsein positiv beeinflussen. Naturerfahrung ist somit eine wichtige Basis für die kindliche Entwicklung. Die Forstabteilung der LKSH sieht den Wald als idealen Lern- und Entwicklungsort und unterstützt die Waldkindergärten in Schleswig-Holstein.

Witterungsbedingt viel Sommergetreide

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Mehr als eine höchstens durchschnittliche Getreideernte hat das Wetter auch in diesem Jahr nicht zugelassen. Auf der Pressekonferenz des Deutschen Bauernverbandes (DBV) am Montag zur Ernteprognose 2024 in Frankfurt erklärte DBV-Präsident Joachim Rukwied: „Die Witterungsbedingungen stellen uns Landwirte in diesem Jahr vor große Herausforderungen. Wir erwarten eine knapp durchschnittliche Ernte mit heterogenen Erträgen.“

Der Deutsche Bauernverband (DBV) geht in seiner Prognose von einer Getreideernte in Höhe von knapp 42 Mio. t aus. Damit liegen die Erwartungen leicht unter dem Vorjahresergebnis (42,2 Mio. t).

Die vielen Niederschläge der vergangenen Monate hatten in vielen Regionen Deutschlands Überschwemmungen, Hochwasser und Staunässe zur Folge. In Kombination mit steigenden Temperaturen lässt das vor allem das Risiko für Pilzbefall in vielen Beständen stark steigen. Die Niederschlagsmengen im vergangenen Herbst hatten bereits für eine verspätete Aussaat bei vielen Kulturen gesorgt. Rukwied verwies darauf, dass eine weitere deutliche Reduzierung der Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln und Wirkstoffen den Anbau von Getreide in Deutschland bedrohe.

Die Gesamtgetreideanbaufläche ist in diesem Jahr leicht zurückgegangen auf 5,98 Mio. ha. Auffällig ist der Zuwachs der Anbaufläche von Sommergetreide. Die Sommerweizenfläche hat sich gegenüber dem Vorjahr von 30.500 ha auf 99.600 ha mehr als verdreifacht. Die Sommergerste hat um 13 % auf 363.300 ha zugelegt. Diese Zunahme der Flächen mit Sommergetreide ist vor allem auf die anhaltenden Niederschläge im Herbst zurückzuführen. Die Anbaufläche für Winterweizen liegt in Deutschland nur bei knapp 2,6 Mio. ha, für Wintergerste bei gut 1,3 Mio. ha.

Beim Winterraps hat die Fläche ebenso wie beim Winterweizen leicht abgenommen. Sie liegt nun bei 1,1 Mio. ha und 6 % unter dem Vorjahr. Einige Regionen hatten massive Probleme mit dem Befall durch den Rapserdfloh und befürchten daher Ertragseinbußen und einen weiteren Rückgang der Anbauflächen fürs kommende Anbaujahr.

Gerade für Kulturen wie Mais, Kartoffeln und Zuckerrüben sind die Monate Juli und August entscheidend. Neben sonnigen Perioden für die Ernte sind auch gelegentliche Niederschläge wünschenswert. Aufgrund der feuchtwarmen Witterung ist der Befallsdruck mit Kraut- und Knollenfäule in den Kartoffeln extrem hoch. Wegen kaum vorhandener Pflanzenschutzmittel drohten hier Ernteausfälle, so der DBV. DBV

Feldtag auf dem Versuchsgut Hohenschulen

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Im Juni fand auf dem Versuchsgut Hohenschulen ein Feldtag statt, auf dem aktuelle Forschungsarbeiten der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) vorgestellt wurden. Die übergreifende Thematik der Forschungsarbeiten lag hierbei auf den Aspekten Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Pflanzenbau.

Hohenschulen wirtschaftet auf etwa 200 ha Betriebsfläche mit Fokus auf Produktionssystemen des konventionellen Pflanzenbaus, die etwa 92 % der landwirtschaftlichen Flächen in Schleswig-Holstein ausmachen. Es wurden jedoch auch Fragestellungen adressiert, die direkte Relevanz und Anschlussfähigkeit zu Produktionssystemen des ökologischen Pflanzenbaus aufweisen.

Hohenschulen stellt zusammen mit den Versuchsgütern Karkendamm (Schwerpunkt konventionelle Milchviehhaltung und Rinderzucht) und Lindhof (ökologischer Landbau/ökologische Milchviehhaltung) eine wesentliche Ressource der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät für Forschung und Lehre dar. Neben klassischen Parzellenversuchen (etwa 4.000 Parzellen pro Jahr) mit teils sehr intensiven Untersuchungen während der Vegetationszeit werden seit vielen Jahren auch Versuche zur teilflächenspezifischen Bewirtschaftung auf dem Versuchsgut durchgeführt.

Die hierfür nötigen Mittel für Sach- und Personalaufwand stammen überwiegend aus Drittmittelprojekten. Neben dem Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung sind weitere Institute der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät sowie der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät auf dem Versuchsgut tätig.

Der Feldtag in Theorie und Praxis

Der Tag gliederte sich in einen Vortragsteil in der Maschinenhalle am Vormittag und geführte Feldrundfahrten zu Versuchsflächen am Nachmittag. Die Mittagspause bot Gelegenheit, sich die technische Ausstattung des Betriebs aus der Nähe anzuschauen: die Parzellenmähdrescher mit direkter Qualitätsmessung beim Drusch mittels Nahinfrarotspektroskopie (NIRS), Parzellendüngetechnik für Gülle und Mineraldünger mit 3-m-Spur-Schleppern sowie moderne Drohnen- und Fernerkundungstechnik. Außerdem war John Deere vor Ort und erläuterte das HarvestLab-Konzept am Großflächendrescher in der Maschinenhalle.

Die Vorträge des Vormittags berichteten überwiegend über bereits abgeschlossene Projekte. Dr. Insa Kühling referierte über Ergebnisse des vom Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung (BMEL) finanzierten Verbundprojektes „THG-ZwiFru“. In diesem Projekt wurden in bundesweit angelegten Versuchen die Effekte des Zwischenfruchtanbaus auf die Treibhausgas (THG)-Bilanz von pflanzenbaulichen Produktionssystemen untersucht.

Die Projektergebnisse belegen erneut die hohe Wirksamkeit des Zwischenfruchtanbaus für den Grundwasserschutz, kamen jedoch im Hinblick auf die THG-Bilanz zu differenzierten Ergebnissen. Auf leichteren, sandigeren Standorten überwog eindeutig der Effekt des Klimaschutzes durch Vermeidung von Stickstoffauswaschung und damit indirekten Lachgasemissionen. Auf Lößböden mit geringer Nitratverlagerungsgefahr kam es nach Zwischenfruchtanbau jedoch durch höhere direkte Lachgasemissionen und gleichzeitig teilweise erhöhten Stickstoff-Düngebedarf zu geringem Klimaschutzpotenzial. Das Projekt gab auch Hinweise darauf, dass die Humuswirksamkeit des Zwischenfruchtanbaus eventuell höher ist als bisher angenommen.

Am Vormittag des Feldtages fanden Vorträge in der Maschinenhalle des Versuchsgutes statt.

Bewertung von Treibhausgasen

In ihrer Präsentation über die Methodik zur Bewertung des Treibhausgas-Haushalts pflanzenbaulicher Produktionssysteme stellte Dr. Dorothee Neukam Ergebnisse aus dem vom BMEL finanzierten Projekt „THG-Emoba“ vor. Dabei wurden prozessorientierte Modellierungen und etablierte THG-Bewertungsansätze aus der Bioenergie untersucht, um verschiedene Methoden zu vergleichen. Ziel war es, die mit zunehmender Produktionsintensität steigenden THG-Emissionen den Klimaschutzwirkungen höherer Erträge gegenüberzustellen und gemeinsam zu bewerten.

Aus zwei weiteren Verbundprojekten zu möglichen Effekten stabilisierter Mineraldünger auf Ammoniak- und Lachgasverluste berichtete Julian Brokötter. Gegenüber dem bereits jetzt in der Praxis nicht mehr eingesetzten nichtinhibierten Harnstoff zeigten inhibierte Harnstoffdünger eine deutlich geringere Ammoniakemission.

Ein Vortrag von Dr. Till Rose befasste sich mit dem Zuchtfortschritt bei Winterweizen. Im BMBF-Verbundprojekt „Briwecs“ wurden hierzu bundesweit Versuche durchgeführt. Es zeigte sich, dass der Zuchtfortschritt auch und gerade unter extensiveren Produktionsbedingungen fortschreitet. Das heißt, neuere Sorten weisen höhere Erträge und Stickstoffeffizienzen auf. Jedoch stagnieren die Erträge in der Praxis seit etwa 20 Jahren durch gegenläufige klimatische Effekte.

Effekte des Zwischenfruchtanbaus

Dr. Iris Zimmermann aus dem Institut für Bodenkunde und Pflanzenernährung befasste sich mit möglichen Effekten des Zwischenfruchtanbaus auf die Durchwurzelung, Nährstoff- und Wasseraufnahme des folgenden Maises. Positive Effekte deuten sich für den oberen Unterboden (unter 60 cm) unterhalb der Krume an, für den tieferen Unterboden konnten bisher keine Effekte gezeigt werden.

In einem weiteren, bald abgeschlossenen Projekt wurden mehrere Hundert Stickstoffsteigerungsversuche zu Silomais im Hinblick auf die optimale Stickstoffdüngungshöhe ausgewertet. Dr. Josephine Bukowiecki konnte zeigen, dass je nach Standort, Vorfrucht und Bodenart gegenüber den Bedarfswerten der Düngeverordnung teilweise deutliche Einsparpotenziale vorhanden sind.

An den Versuchsfeldern wurde unter anderem erklärt, wie Lachgasmessungen durchgeführt werden.

Optimierung der Stickstoffdüngung

Abschließend berichtete der wissenschaftliche Leiter des Versuchsgutes, Prof. Henning Kage, über bisherige und geplante Versuche zur Optimierung der Stickstoffdüngung in seiner Arbeitsgruppe. Wesentliche Beiträge gab es im Bereich der Etablierung biomassebasierter schlag- und teilflächenspezifischer Düngung zu Winterraps sowie der modellgestützten Düngung zu Winterweizen. Geplant ist eine Re-Etablierung des Beratungstools für die Stickstoffdüngung zu Winterweizen. In neuen Projekten, deren Beginn für den Herbst geplant ist, soll ein Fokus auf die teilflächenspezifische Düngung und insbesondere die Datenintegration von Sensorik im Rahmen eines Datenmanagementkonzeptes auf Betriebsebene gelegt werden.

Bei den Feldrundfahrten demonstrierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler direkt an den Versuchsparzellen verschiedene Messinstrumente. Dabei standen unter anderem die gezielte Stickstoffdüngung von Weizen und Raps, die Spektraldatenerhebung mittels Drohnen sowie Wurzelbeobachtungen mit Minirhizotron-Kamera und Fluoreszenzmessungen im Fokus. Auch die Treibhausgasmessung mit der FTIR-Technologie (Fourier-Transform-Infrarotspektroskopie) wurde vorgeführt. Diese Technologie ermöglicht die präzise Identifikation und Quantifizierung von Treibhausgasen. Zudem wurden die Probennahme für Spurengasmessungen zur Analyse im Gas-Chromatografen und zur Bestimmung von Ammoniakemissionen demonstriert.

Weiterhin wurden Bodenfeuchtigkeitsmessungen bis zu einer Tiefe von 160 cm mit Diviner-Sonden gezeigt. Diese messen die Feuchtigkeit in verschiedenen Bodenschichten. Außerdem wurden die Unterschiede der photosynthetisch aktiven Einstrahlung am Rand und in der Bestandesmitte mittels PAR-Sonde (Photosynthetically ­Active Radiation) demonstriert. Die PAR-Sonde misst die für die Photosynthese nutzbare Lichtmenge.

Im Bereich der Pflanzenzüchtung berichteten die Forscherinnen und Forscher über Fortschritte in der Selektion von standortangepassten Quinoa-Linien. Zudem gab es Erläuterungen der bisherigen Ergebnisse zur Unterbodendurchwurzelung verschiedener Zwischenfruchtmischungen. Schließlich erklärten sie den Versuchsaufbau zu Mais mit Untersaaten und Trockenstress.

Fazit

Der Feldtag war mit zirka 200 Teilnehmenden sehr gut besucht, und alle nutzten auf der nachmittäglichen Rundtour die Möglichkeiten zu Nachfragen und Gesprächen mit den beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an den einzelnen Stationen.

Rinder lernen schnell, mit Menschen umzugehen

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Positive Mensch-Tier-Beziehungen in der Nutztierhaltung reduzieren den Stress von Tieren und erleichtern deren Handhabung bei medizinischen Behandlungen, Kotprobennahmen, Besamungen oder Trächtigkeitsuntersuchungen. Eine verbesserte Handhabbarkeit zieht stets auch ein geringeres Verletzungsrisiko sowohl für die Menschen als auch für die Tiere nach sich. Ganz besonders aber trägt eine positive Mensch-Tier-Beziehung zu einem besseren allgemeinen Wohlbefinden der Tiere bei.

Von Natur aus sieht ein Rind in dem Menschen erst einmal ein Raubtier, weshalb der Urinstinkt des Rindes dazu führen müsste, die Flucht anzutreten. Ein Weg, seine Angst vor dem Menschen zu reduzieren, besteht darin, es sein Verhalten aufgrund seiner Erfahrungen ändern zu lassen. Das bedeutet, dass Rinder durch verschiedene Techniken lernen müssen, mit der Anwesenheit von Menschen klarzukommen.

Operante Konditionierung

Eine dafür geeignete Lernmethode ist die Operante Konditionierung. Sie wurde vor allem durch die Arbeit des amerikanischen Psychologen Burrhus Frederic Skinner in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts populär und zielt auf die Verstärkung von Verhaltensweisen durch Belohnungen oder die Verminderung durch Bestrafungen ab.

Als grundlegendes Konzept der Operanten Konditionierung wird eine positive oder negative Verstärkung angesehen. Im ersten Fall wird dem Tier eine Belohnung angeboten, sobald es ein gewünschtes Verhalten zeigt. Dadurch soll die Wahrscheinlichkeit erhöht werden, dass das Tier dieses Verhalten wiederholt zeigt. Bei einer negativen Verstärkung wird ein unangenehmer Reiz entfernt, wenn das Tier ein bestimmtes Verhalten zeigt. Auch dies soll dazu führen, dass das Tier das Verhalten öfter zeigt.

Besonders unerfahrene und ängstliche Rinder bergen immer auch ein größeres Gefahrenpotenzial für den Menschen, wenn sie zwecks Gesundheitsüberwachung, Besamung oder anderer Maßnahmen fixiert werden müssen.

Italienische Studie mit Jungrindern

In einer Studie von Marchesini in einem praktischen Milchkuhbetrieb Nordostitaliens (230 laktierende Kühe, 33 kg Milch pro Kuh und Tag) wurde von Februar bis April 2021 untersucht, ob die Anwendung von Operantem Konditionieren bei Jungrindern effektiv ist. Darüber hinaus sollte herausgearbeitet werden, wie viel Zeit ein Landwirt hierfür aufbringen muss.

Insgesamt wurden 60 Holstein-Jungrinder, aufgeteilt in zwei Altersgruppen (Gruppe „Jung“: n = 29; 291 ± 39 Tage alt; Gruppe „Alt“: n = 31, 346 ± 62 Tage alt) in das Experiment eingebunden.

Die Haltung der Jungrinder erfolgte in einem Laufstall mit Betonspaltenboden in zwei Abteilen mit je 40 Liegeboxen (Matratzen und Stroh) und je 24 Fangfressgitterplätzen. Neben den Haltungsbedingungen war auch die Fütterung beider Gruppen identisch.

Reaktionsbereitschaft auf den Menschen

Es erfolgte eine Unterteilung der 60 Jungrinder entsprechend einem Vermeidungsdistanz-Test (ADT) in drei Klassen, sogenannte RTH-Klassen. RTH bedeutet „Reaktionsbereitschaft auf den Menschen“. Hierfür wurden alle Jungrinder am ersten Versuchstag getestet. Sie standen am Futtertisch und waren im geschlossenen Fangfressgitter fixiert. Eine erfahrene, aber ihnen unbekannte Person näherte sich ihnen frontal mit einer Geschwindigkeit von einem Schritt pro Sekunde, beginnend aus einer Entfernung von etwa 4 m. Dies geschah eine halbe Stunde vor der üblichen TMR-Vorlage und wurde zweimal nacheinander durchgeführt.

Sobald die Rinder versuchten wegzulaufen, stoppte die Person, und die Entfernung von ihrer ausgestreckten Hand bis zum Maul wurde mit einem Laser gemessen. Falls ein Rind die Berührung am Flotzmaul zwar duldete, aber unmittelbar danach fliehen wollte, wurde als Entfernung 0,05 m festgehalten. Wenn hingegen ein Jungrind diese Berührung mindestens 5 s akzeptierte, wurde als Entfernung 0 m dokumentiert.

Auf diese Weise ergaben sich die drei folgenden RTH-Klassen:

RTH-Klasse C: zuversichtlich (n = 20; ADT ≤ 0,45 m),

RTH-Klasse N: neutral (n = 21; ADT > 0,45 und ≤ 1,05 m) und

RTH-Klasse NC: nicht zuversichtlich, zurückhaltend (n = 19; ADT > 1,05 m).

In einem insgesamt zwölf Wochen andauernden Versuch wurde jeweils ungefähr die Hälfte der Jungrinder jeder RTH-Klasse einer Operanten Konditionierungsbehandlung (Tr, n = 31) unterzogen, während die anderen Hälfte als Kontrollgruppe diente, die in kein Training einbezogen wurde (NTr, n = 29) (Tabelle 1).

Die Jungrinder der Versuchsgruppe Tr wurden über neun Wochen in 20 Sitzungen mittels Operantem Konditionieren darauf trainiert, sich einer Person zu nähern und von ihr angefasst zu werden. Dies fand stets nach dem Verteilen der TMR am Futtertisch statt. Bei den ersten drei Sitzungen waren die Tiere noch im Fangfressgitter fixiert, danach nicht mehr.

Acht Sitzungen dienten einem sogenannten Zieltraining. Hierfür wurde ein Stock mit einem am Ende befestigten Tennisball vom Trainer dem Maul des Tieres (von 30 bis 60 cm Entfernung) genähert. Das Jungrind wurde jedes Mal mit der Hand des Trainers belohnt, wenn es das Ziel berührte. Jedes Tier sollte innerhalb von 2 min dreimal das Ziel berühren. Die dafür benötigte Zeit wurde aufgezeichnet. Bei Nichterfüllung der Aufgabe wurde die Anzahl der Berührungen innerhalb von 2 min festgehalten. Anfänglich erfolgte bei allen Tr-Jungrindern eine positive Verstärkung, wobei die Belohnung – je nach Vorliebe – aus einer halben Handvoll Kälberaufzucht-Pellets oder Trockensteherration bestand.

Bei den Jungrindern (n = 11), die sich in Gegenwart von Menschen unwohl fühlten (RTH-Klasse NC), wurde nach ihrer Ablehnung der Futterbelohnung eine negative Verstärkung angewendet. Das bedeutete, dass sich der Trainer einen Schritt vom Tier wegbewegte und seinen Blick vom Tier abwendete (nach unten und zur Seite). Eine positive Verstärkung ersetzte dann eine negative Verstärkung, sobald das Jungrind begann, die Futterbelohnung zu akzeptieren.

Neben dem Zieltraining wurde in sechs weiteren Sitzungen ebenfalls versucht, die Tiere mit der Hand am Flotzmaul zu berühren. Akzeptierten die Jungrinder diese Berührung, wurden sie mit Streicheln belohnt. Wenn sich jedoch ein Tier der Berührung verweigerte, zogen sich die Trainer zurück. 

Schließlich dienten sechs weitere Sitzungen dem Test, ob sich die Tiere am Hinterteil und am Perineum (Bereich zwischen After und Geschlechtsorganen) berühren und sanft am Schwanz greifen ließen. Hier wurde die Dauer vom Ergreifen des Schwanzes bis zum Rückzug des Jungrindes erfasst. Wenn diese Zeitspanne mindestens 15 s betrug, wurde die Aufgabe als vollständig erfüllt angesehen, weil durchschnittlich 15 s benötigt werden, um Blut aus dem Schwanz oder Kot aus dem Rektum zu entnehmen.

Ausgewählte Ergebnisse zusammengefasst

Alle Jungrinder wurden erfolgreich darauf trainiert, die Aufgabe zu erfüllen, das Ziel innerhalb von 2 min dreimal zu berühren. Es reichten fünf Trainingseinheiten aus, um die Trainingszeit signifikant (p < 0,05) von anfänglich fast 40 auf 20 s zu reduzieren. Danach veränderte sich die benötigte Zeit nicht mehr.

Bis zur fünften Sitzung gab es in jeder Sitzung ein oder zwei Rinder, die die Aufgabe nicht innerhalb von 2 min erfüllen konnten, aber ab der sechsten Sitzung schafften es alle Jungrinder. Während das Alter der Tiere hierauf keinen signifikanten Einfluss hatte, zeigten sich aber signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen RTH-Klassen (Tabelle 2).

So benötigten die nicht als zuversichtlich eingestuften Tiere der Klasse NC signifikant mehr Zeit im Gegensatz zu den Jungrindern der anderen beiden RTH-Klassen, um dreimal das Ziel zu berühren. Auch die Streuung zwischen den ängstlicheren Tieren (RTH-Klasse NC) war wesentlich größer als bei den beiden anderen RTH-Klassen. Das betraf die beiden unterschiedlichen Altersstufen gleichermaßen, wobei die jüngeren Jungrinder der RTH-Klassen C und NC insgesamt etwas schneller die Aufgabe erfüllten als die älteren Jungrinder dieser beiden RTH-Klassen.

Weitere bedeutsame Ergebnisse

Am ersten Trainingstag zogen sich 22 % der als zuversichtlich eingestuften Jungrinder (RTH-Klasse C), 36 % der sich dem Menschen gegenüber neutral verhaltenden Jungrinder (RTH-Klasse N) und 50 % der zurückhaltend-ängstlichen Jungrinder (RTH-Klasse NC) jeweils zurück, als ihnen die positive Verstärkung (Futter) nach Erfüllung der Aufgabe angeboten wurde. Diese Tiere benötigten eine negative Verstärkung (vorübergehende Entfernung des Betreuers) als Belohnung.

– Die korrekte Anwendung dieser negativen Verstärkung bei den misstrauischsten Tieren war sehr bedeutsam, um diese Tiere erfolgreich weiter in das Training einzubeziehen.

Die zutraulichen Rinder (RTH-Klasse C) zeigten zu Versuchsbeginn eine niedrigere Vermeidungsdistanz zum Menschen (ADT) als die Tiere der Klassen N und NC (p < 0,001). Diese Distanz wurde durch das Training nicht beeinflusst, aber durch den Zeitraum. Sie verringerte sich im zweiten Versuchszeitraum signifikant im Vergleich zum ersten (p < 0,001).

– Überraschenderweise verringerten auch die nicht trainierten Jungrinder (NTr) ihre Vermeidungsdistanz in ähnlicher Weise, was sich vermutlich auf nichtassoziatives Lernen, etwa Gewöhnung, und soziales Lernen stützt. Darüber hinaus tendieren Rinder als Herdentiere dazu, das Verhalten ihrer Gruppenmitglieder zu imitieren oder sich daran anzupassen, vermutlich aufgrund ihrer Fähigkeit, durch Nachahmung zu lernen.

Anhand eines Vermeidungsdistanz-Tests (in diesem Bild wurde er bei Kühen angewandt) wurden in der Studie Jungrinder auf ihre Reaktionsbereitschaft auf den Menschen hin untersucht und in drei Klassen – zuversichtlich/zutraulich, neutral beziehungsweise nicht zuversichtlich/ängstlich – eingeteilt.

Herbstdüngung mit Klärschlamm oder Kompost

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Wenn die Ernte der Hauptfrucht abgeschlossen ist, fällt der Blick direkt auf die weitere Anbauplanung und damit möglicherweise auch auf die geplante Herbstdüngung. Wird eine Düngung mit Klärschlamm oder Kompost angestrebt, sind neben den allgemeinen Regeln zur Herbstdüngung unter anderem auch Besonderheiten zur Dokumentation der Düngemaßnahmen zu beachten. Die Regelungen zur Herbstdüngung mit Klärschlamm und Kompost werden im folgenden Artikel dargestellt.

Vor allem ist es wichtig, die rechtlichen Rahmenbedingungen gemäß den Entscheidungskriterien der Herbstdüngung 2024 für Düngemittel mit wesentlichem N-Gehalt genau abzuleiten. Hier ergeben sich Unterschiede in der Bewertung von Klärschlamm und Kompost. Zwar ist anders als beim Klärschlamm eine Ermittlung des N-Bedarfs gemäß Rahmenschema Herbst für die Aufbringung von Kompost nicht erforderlich, dennoch muss hier genau auf die richtige Dokumentation geachtet werden, um für die Folgejahre eine rechtssichere Düngebedarfsermittlung vornehmen zu können. Generell stellt sich die Frage, ob zu der angebauten Kultur nach Ernte der vorigen Hauptfrucht überhaupt ein Düngebedarf besteht. Hier kommt es neben weiteren Kriterien unter anderem auf die Vorfrucht und den Aussaatzeitpunkt der nachfolgenden Kultur an.

Genau auf die Vorfrüchte schauen

Beim Klärschlamm kommt es generell darauf an, wie hoch der N-Gehalt in der TM ist. Denn Düngemittel mit einem wesentlichen N-Gehalt (über 1,5 % N/kg in der TM) dürfen auf Ackerland ab der Ernte der vorigen Hauptfrucht bis einschließlich 31. Januar des Folgejahres nicht aufgebracht werden. Abweichend davon dürfen laut Düngeverordnung (DÜV) auf Ackerland Düngemittel mit einem wesentlichen Gehalt an N bis in Höhe des N-Düngebedarfs bis zum 1. Oktober zu Wintergerste nach Getreidevorfrucht (bei Saat auch bis 1. Oktober), Winterraps, Feldfutter und Zwischenfrüchten (Futter/Gründüngung) jeweils mit Leguminosenanteil unter 50 % (bei Saat bis 15. September) aufgebracht werden. Dies gilt für Flächen außerhalb der N-Kulisse.

Nach Klärschlammverordnung (AbfKlärV) dürfen Klärschlämme allerdings nicht zu Feldfutter ausgebracht werden. Die Höhe der Stickstoffdüngung richtet sich nach dem N-Bedarf der Kultur und darf 30 kg NH4-N/ha und 60 kg Gesamt-N/ha nicht überschreiten. Hat ein Schlag eine Historie mit organischer Düngung, ist also langjährig organisch gedüngt worden (mindestens 36 mg P2O5/100 g Boden), liegt kein N-Bedarf im Herbst vor.

Ebenfalls kein N-Bedarf liegt bei folgenden Vorfrüchten vor: Mais (auch bei Winterbegrünung), Kohlarten, Körnerleguminosen, Leguminosengemenge/Kleegras mit Leguminosenanteil über 50 % und Dauergrünland. Für Flächen in der N-Kulisse gibt es abweichende Regelungen. Die Kriterien zur Ermittlung des N-Düngebedarfs nach der Hauptfruchternte werden auch detailliert in den Entscheidungskriterien zur Herbstdüngung 2024 dargestellt (siehe QR-Code).

Es kann vorkommen, dass Klärschlämme laut Analyse weniger als 1,5 % N/ kg in der TM aufweisen. Hat der Klärschlamm laut Analyse also keinen wesentlichen N-Gehalt, ist er von den Regelungen zur Herbstdüngung befreit. Da Kulturen im Herbst aber meist geringe N-Aufnahmen aufweisen, empfiehlt die landwirtschaftliche Fachbehörde aus diesem Grund, eine moderate Herbstdüngung mit Klärschlamm anzustreben, um Auswaschungsverluste während der Sickerwasserperiode zu minimieren.

Stickstoffanrechnung bei Kompost

Kompost hat die Eigenschaft, dass Stickstoff dort zum Großteil organisch gebunden ist. Das führt in der Regel zu einem geringeren Auswaschungspotenzial über die Wintermonate. Gleichzeitig können durch eine Düngung mit Kompost der Boden mit Humus angereichert und folglich das Bodenleben und die Bodenfruchtbarkeit gefördert werden. Eine Stickstoffbedarfsermittlung für die Aufbringung von Kompost im Herbst ist nicht erforderlich.

Bei der Aufbringung von Kompost ist eine Mindestwirksamkeit im Anwendungsjahr von 5 % (Grünschnittkompost: 3 %) anzusetzen. Der sonst übliche Ansatz von 10 % für die N-Nachlieferung aus der organischen Düngung zu den Vorkulturen des Vorjahres ist aufgrund der langsamen N-Nachlieferung von Kompost über drei Anbaujahre aufzuteilen. Hierbei sind im ersten Folgejahr 4 % sowie im zweiten und dritten Folgejahr jeweils 3 % (insgesamt 10 %) anzusetzen.

Kompost und Klärschlamm dokumentieren

Grundsätzlich gilt: Die aufgebrachte Düngemenge muss spätestens zwei Tage nach der Aufbringung aufgezeichnet werden. Die Einhaltung des ermittelten Düngebedarfes mit der dazugehörigen Düngedokumentation und der Sperrzeiten ist direktzahlungsrelevant. Vor diesem Hintergrund muss man sich unter anderem vergewissern, dass eine korrekte Düngedokumentation auf dem Betrieb erfolgt ist.

Für die Dokumentation der Klärschlammaufbringung nach DÜV sind einige wichtige Punkte zu beachten. Anders als bei Wirtschaftsdüngeranalysen werden bei Nährstoffanalysen von Klärschlamm in der Regel prozentuale Werte angegeben (Tabelle 1). Dies kann leicht zu einer falschen Angabe in der Düngedokumentation führen. Daher müssen die Analysewerte für N, NH4 und P2O5 in kg/t Frischmasse (FM) umgerechnet werden.

Hinzu kommt, dass auf den Lieferscheinen häufig die gelieferte Menge in Trockensubstanz (TS) angegeben wird, weil sich daraus die maximal zulässige Aufbringmenge von 5 t TS/ha innerhalb von drei Jahren gemäß Klärschlammverordnung ableiten lässt. In der Düngedokumentation ist jedoch die aufgebrachte Menge in FM (t FM/ha) anzugeben (Tabelle 2).

Bei der Dokumentation der Kompostaufbringung im Herbst ist auf die richtige N-Anrechnung im Frühjahr zu achten. Beispiel: Wird im Herbst 2024 Kompost auf die Fläche aufgebracht, sind im Frühjahr 2025 9 % des N-Gesamtgehaltes (5 % + 4 %) anzurechnen und in den Jahren 2026 und 2027 jeweils 3 %. Eine Ermittlung des N-Bedarfs gemäß Rahmenschema Herbst ist für die Aufbringung von Kompost nicht erforderlich. Die Sperrfrist für die Aufbringung von Kompost gilt vom 1. Dezember bis 15. Januar. Besonders hier ist die Einschränkung für die Aufbringung für Flächen innerhalb der N-Kulisse zu beachten (1. November bis 31. Januar). Eine Sperrfristverschiebung für Kompost ist nicht möglich.

Fazit

Neben den allgemeinen Bestimmungen zur Herbstdüngung sind die abweichenden Regelungen für Flächen in der N-Kulisse zu beachten. Hieraus ergeben sich sowohl weitere Einschränkungen der Aufbringung von Klärschlamm als auch eine verlängerte Sperrfrist beim Kompost. Die Regelungen sind in den „Entscheidungskriterien zur Herbstdüngung 2024“ detailliert beschrieben. Nach der Düngung sollte das Hauptaugenmerk auf der Dokumentation liegen. Hier wird der Grundstein für eine bedarfsgerechte und rechtskonforme Düngebedarfsermittlung im darauffolgenden Frühjahr gelegt.

Informationen zur Herbstdüngung: https://www.lksh.de/landwirtschaft/duengung/duengebedarfsermittlung-duengeplanung-duengeplanungsprogramm/duengung-herbst/

Bioschweinetagung in Bad Kreuznach

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Auf der Bioschweinetagung in Bad Kreuznach in Rheinland-Pfalz ging es kürzlich unter anderem um den Markt und die Fütterung. Christian ­Wucherpfennig fasst zusammen, was sonst noch aktuell ist.

„Bei Biofleisch sind die Discounter und die Verbandsware die Treiber, was für Biofleisch neu ist“, stellte Diana Schack von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) dar. Der mit Bioprodukten erzielte Umsatz ist im Jahr 2023 nur durch Preissteigerungen auf 16 Mrd. € gestiegen. „Von Januar bis April 2024 konnten wir jedoch gegenüber dem Vorjahreszeitraum ein Mengenwachstum von 2,7 Prozent bei einem Umsatzwachstum von nur 1,7 Prozent feststellen, sodass Anfang des Jahres die Preise sogar leicht zurückgingen“, betonte Schaack.

Der große Gewinner sind dabei die Discounter mit einem Mengenwachstum von 8,2 %, während im Naturkostfachhandel 12 % weniger Bioprodukte verkauft wurden. 40 % des Biofleisches werden mittlerweile über Discounter vertrieben, während der Naturkostfachhandel hier nur noch einen Anteil von 4 % aufweist.

„Wie im Vorjahr gibt es einen Rückgang bei Biofleischersatzprodukten, vielleicht auch weil sie preislich auf dem Niveau von Biofleisch liegen“, beobachtet Schaack. Der stagnierende Absatz von Bioschweinefleisch liegt nach Ansicht der Referentin vor allem an dem Rohstoff, weil in der jüngeren Vergangenheit kaum noch Betriebe umgestellt haben.

Aldi, Netto und Penny im Boot

Die seit einiger Zeit bestehende Zusammenarbeit des Anbauverbandes Naturland mit dem Discounter Aldi, aber auch mit Netto und Penny, war Anlass für die Gesprächsrunde „Wertschöpfungsketten erfolgreich gestalten“. Bei Naturland wird diese Zusammenarbeit über die Naturland Zeichen GmbH abgewickelt. „Trotz der erst seit Kurzem bestehenden Kooperation hat Aldi schon viel Verbandsware“, freute sich deren Mitarbeiter Lukas Kniehl und ergänzte: „Bis Ende des Jahres streben wir bei Aldi Süd 25 Prozent Verbandswarenanteil an.“

Dabei erleichterte es die Umstellung auf Naturland-Qualität, dass zuvor schon Naturland-Ware in Aldi-Filialen verkauft wurde, aber bisher ohne Auslobung der Verbandsqualität. Die Verträge mit Aldi seien über mehrere Jahre entwickelt worden, und die Komplexität der Naturland-Zertifizierung führe dabei auch zu einer langfristigen Zusammenarbeit.

Sebastian Kühn schaut als Geschäftsführer mit seinem bei Berlin gelegenen Unternehmen Eberswalder Wurstspezialitäten „in alle Richtungen und jetzt ganz neu in Richtung Bio“. Dabei setze man mit dem Handel und allen Beteiligten auf verbindliche und langfristige Vereinbarungen, denn jeder neue Schritt bedeute zu Beginn erst einmal eine Investition. „Leider erlegt es uns der Handel meistens auf, dessen Eigenmarke zu nutzen“, berichtete Kühne und schlug vor, die Handelsmarken „mit sympathischen Herstellermarken aus der Region“ zu verbinden.

Unter der Eigenmarke „Nur nur Natur“ vertreibt Aldi Bioprodukte mit Naturlandzertifizierung sowie zusätzlichen Auflagen wie dem gänzlichen Verzicht auf Nitritpökelsalz in Wurstwaren.

„Nur nur Natur“ am Start

Benjamin Krieft, geschäftsführender Gesellschafter des seit 40 Jahren bestehenden Wurstfabrikanten Börner-Eisenacher, berichtete, dass Biowurst schon seit 2004 über Rewe und Aldi verkauft werde. „Bei einem Umsatz von 50 Millionen Euro haben wir mittlerweile einen Bioanteil von 75 Prozent“, stellte er heraus. Bisher wurden auch seine Bioartikel nur als EU-Bioqualität verkauft, und so freue er sich, beim Start von „Nur nur Natur“ in Verbindung mit Naturland von Beginn an dabei zu sein. „Ich wünsche mir, dass mehr Landwirte den Weg in Richtung Bio gehen, denn wir könnten definitiv mehr vermarkten, wenn ausreichend Bioschweine vorhanden wären“, gab Krieft einen positiven Ausblick.

Die anwesenden Landwirte machten eindrucksvoll darauf aufmerksam, dass Preissteigerungen auch deshalb notwendig seien, um Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen angemessen entlohnen zu können und gegenüber anderen Berufssparten wenigstens annähernd konkurrenzfähig zu sein.

Maren ­Bornheimer-Schwalbach betreibt zusammen mit ihrem Mann Bernd die Bio-Schweino­thek im hessischen Gau-Bickelheim. „Wir haben uns bewusst, um aus der Masse herauszustechen, für die fetteren Bentheimer Schweine entschieden“, begründete Bornheimer-Schwalbach ihr Konzept. Da in der Region weit und breit keine Hausschweine gehalten werden und sich auch keine Wildschweine aufhalten, stellt die Freilandhaltung für die Veterinärbehörden kein Problem dar. Gefüttert werden die Schweine mit Getreide und Kartoffeln sowie im Sommer auch mit frischer Luzerne. Neben dem Hofladen wird das Fleisch auch über einen kleinen Marktwagen verkauft, in dem neben Schweinepattys auch vegetarische und vegane Burger zum einheitlichen Preis von 11,50 € angeboten werden.

Bedarfsgerechte Fütterung

Wie Bioschweine bedarfsgerecht und kostengünstig gefüttert werden können, stellte Sarah Mößner vom Raiffeisen-Kraftfutterwerk in Kehl am Rhein vor. Schon seit 2010 werden ökologische Futtermittel produziert und vor allem in Südwestdeutschland verkauft, wobei der Bioanteil an der Gesamtproduktion bei 17 % liegt. Alle Komponenten werden analysiert und anhand selbst entwickelter Rezepturen auf Bestellung produziert.

Mit Sau Fasermix gibt es ein an den geringen Bedarf tragender Sauen angepasstes Futter, das auf Basis energie- und proteinarmer Futtermittel wie Zuckerrübenmelasseschnitzel und Weizenkleie auch aufgrund der Quellfähigkeit für eine gute Sättigung sorgt. Zum Abschluss gab Mößner den Tipp: „Mit nur einem Vor- und einem Endmastfutter lässt sich über einen schrittweisen Verschnitt eine mehrphasige und damit altersangepasste Fütterung erreichen.“

Ersatz für konventionelles Kartoffeleiweiß

Als Geschäftsführer der BioEichenmühle in Stavenhagen in Mecklenburg-Vorpommern setzte sich Carsten Pohl schwerpunktmäßig mit der 100-%-Biofütterung von Ferkeln auseinander und berichtete, dass voraussichtlich ab 2027 der Einsatz konventioneller Eiweißfuttermittel für Ferkel bis 35 kg nicht mehr zulässig sein werde. „Biosojakuchen und Biosojabohnen weisen nicht nur deutlich weniger Aminosäuren auf, sondern haben mit 86 beziehungsweise 77 Prozent auch eine deutlich geringere praecaecale Verdaulichkeit als Kartoffeleiweiß“, warnte Pohl.

Im eigenen Werk wird verstärkt mit Fischmehl gearbeitet, das eingesetzt werden kann, weil es als nichtlandwirtschaftliches Futtermittel nicht unter die 5-%-Regelung fällt und eine mit Kartoffeleiweiß vergleichbare Verdaulichkeit aufweist. Bei Bioland und Demeter ist Fischmehl aber nicht zulässig. „In den vergangenen Jahren setzten daher die deutschen Biofuttermittelhersteller auch nur 20 Tonnen Biokartoffeleiweiß im Schweinefutter ein, während der Verbrauch von konventionellem Kartoffeleiweiß bei 800 bis 1.000 Tonnen liegt“, zeigte Pohl die Schwierigkeiten auf.

Auch wenn man alle Möglichkeiten ausschöpfe, mit hochwertigen Bioeinzelkomponenten zu arbeiten, werde der Trend vermutlich dahin gehen, mit abgesenkten Rohprotein- und Aminosäurengehalten zu arbeiten, um keinen Durchfall zu riskieren. „Mit einem 100-prozentigen Bioferkelfuttermittel schaffen wir es nicht mehr, die einschlägigen Empfehlungen auf Basis der Bruttowerte für das ideale Protein einzuhalten“, fasste Pohl nüchtern zusammen und warnte vor Gefahren für Gesundheit und Tierwohl bei unausgewogenen Rationen. Eine Warnung, der sich die anwesenden Praktiker und Praktikerinnen anschlossen.

Gute Aufzuchtleistungen in Luxemburg

Im Jahr 2022 begann Michel Steichen aus Luxemburg mit dem Bau eines Bioschweinestalls. „Anfangs planten wir für 100 Sauen im geschlossenen System, aber aus finanziellen Gründen entschieden wir, zunächst für 50 Sauen mit 480 Mastplätzen zu bauen“, berichtete Steichen. Aber auch so betrugen die Investitionen 2,5 Mio. €.

Die Abferkelbuchten dienen auch zur anschließenden Aufzucht bis zum Mastalter. „Wir haben 8,4 Quadratmeter innen, was rechnerisch 14 Aufzuchtplätzen entspricht“, so Steichen. Damit spare man sich einen Waschvorgang, und für die Ferkel sei es mit weniger Stress verbunden, wenn sie in der Abferkelbucht verblieben. Die Bucht ist so gestaltet, dass die Sau in der Regel längs vor dem Nest liegt und die Ferkel somit nur einen kurzen Weg zur Sau haben und das Nest gut annehmen. Die Fußbodenheizung kann für den Ferkel- und Sauenbereich separat gesteuert werden. Mit 13,7 abgesetzten Ferkeln je Wurf seit Produktionsbeginn im Juni 2023 ist Steichen sehr zufrieden.

Schwanznekrosen erkennen, die Zusammenhänge verstehen und die Ursachen lösen – das ist seit vielen Jahren ein wesentliches Betätigungsfeld von Mirjam Lechner, Betriebsberaterin der Hofra GmbH, Niederstetten in Baden-Württemberg. „Eine Entzündung ist nicht per se eine Infektion durch Krankheitserreger“, betonte Lechner und wies darauf hin, dass Entzündungsprozesse häufig im Darm begännen. „Ein gesundes Mikrobiom, beispielsweise durch die in Luzernesilage enthaltenen Saponine, ist daher wichtig“, ergänzte sie. Die Ferkel bekommen ansonsten die Endotoxinlast von der Sau ab und haben dann schon bei der Geburt Fieber. Ein auffälliges Liegeverhalten der Ferkel sollte daher ein Warnzeichen sein. Auch hängende Schwänze sind oft ein Anzeichen für beginnende Schwanznekrosen.

So trivial und bekannt es auch ist, die Versorgung mit genug Wasser ist von überragender Bedeutung und wird in der Praxis nach wir vor nicht immer ausreichend beachtet. Auch können sich Wechsel der Tränketechnik negativ auswirken. Wassermangel kann auch Schwanzspitzennekrosen auslösen, und schon ab 19 °C beginnt der Schweinekörper zu reagieren. Bei drei Tagen mit 30 °C fangen auch die Darmzotten an abzusterben. „Wasseruhren zur Kontrolle des Wasserverbrauchs sind daher ein Muss“, so Lechner.

Ab 2025 sind in der ökologischen Ferkelaufzucht nur noch maximal 3 % konventionelle Eiweißfuttermittel (Kartoffeleiweiß) zulässig. In diesem Jahr dürfen es noch bis zu 5 % sein.

Bioschweine: Chancen und Risiken

Heike Kuhnert vom Thünen-Institut für Betriebswirtschaft und Dirk Klinkmann vom Thünen-Institut für Ökologischen Landbau unterzogen in ihren Untersuchungen die einzelnen Sektoren der ökologischen Landwirtschaft intensiv einer Stärken- und Schwächen- sowie einer Chancen- und Risiko-Analyse. Zu den internen Stärken zählen das hohe Potenzial für Tierwohl und die flächengebundene Tierhaltung, die auch zur Vermeidung von Nährstoffüberschüssen beiträgt. Als interne Schwächen lassen sich die sehr hohen Produktionskosten und die nur wenig verfügbaren Futtermittel sowie fehlende Daten als Grundlage für Beratung und Unternehmensführung anführen.

„Es gibt kaum einen Betriebszweig, wo die Investitionskosten so hoch sind“, betonte daher auch Klinkmann. Als externe Chancen sind zu benennen, dass es eine eindeutige gesetzliche Kennzeichnung durch die EU-Bioverordnung gibt und sich der Lebensmitteleinzelhandel engagiert, weil er eine höhere Wertschöpfung erzielt. „Eine externe Schwäche könnte es werden, dass die Ausdifferenzierung der einzelnen Haltungsstufen es dem Bioschweinefleisch schwerer machen könnte, sich eindeutig zu profilieren“, warnte Kuhnert aber auch.

Insekten in der Schweineernährung?

Prof. Georg Dusel von der Technischen Hochschule Bingen zeigte auf, welchen Beitrag die Larven der Schwarzen Soldatenfliege (BSFL) zur Eiweißversorgung von (Bio-)Schweinen leisten können. „Nach aktueller Rechtslage können acht Insektenarten auch als Futter für Nutztiere eingesetzt werden“, erklärte Dusel und ergänzte: „Es dürfen Proteine aus den verarbeiteten Larven in Mischrationen oder lebende Larven als Einzelfuttermittel verfüttert werden, tote Larven sind hingegen nicht zugelassen.“

Ziel sei es nicht, mit Insektenlarven die gesamte Proteinversorgung sicherzustellen, sondern lediglich den Spitzenbedarf bei zum Beispiel Ferkel führenden Sauen und insbesondere Ferkeln abzudecken. Je nach Fütterung weisen die Larven der Schwarzen Soldatenfliege, mit denen sich die TH Bingen beschäftigt, zwischen 40 und 60 % Rohprotein auf. Hinsichtlich der Aminosäuren könne man auf das Niveau von Fischmehl mit einem hohen Anteil schwefelhaltiger Aminosäuren kommen, erreiche aber nicht das Niveau von Kartoffeleiweiß.

Mit ihrem hohen Laurinsäuregehalt tragen die Larven zur Verbesserung der Darmgesundheit bei. Ab dem vierten Tag beginnen Saugferkel schon die ersten Larven aufzunehmen. Wenn hochwertiger Prestarter und Larven angeboten werden, bevorzugen die Ferkel eindeutig die Larven, wie Versuche bestätigen. Fressen die Ferkel schon während der Säugephase Larven, nehmen sie auch nach dem Absetzen mehr Futter auf. Saugferkel, die Larven aufnahmen, hatten aber nur geringfügig höhere Tageszunahmen, was darauf schließen lässt, dass die Milchleistung der Sauen nicht so hoch sein muss, wenn Larven beigefüttert werden.

„Die Larvenfütterung muss möglichst in eine Kreislaufwirtschaft passen, wofür sich insbesondere Gemüsereste, Nebenprodukte der Lebensmittelherstellung oder Altbrot eignen“, betonte Dusel. Jährlich 11 Mio. t verschwendete Lebensmitteln oder ungenutzte Nebenprodukte allein in Deutschland stünden theoretisch für die Ernährung der Larven zur Verfügung und könnten zur Deckung des hohen Proteinbedarfs genutzt werden. Im vergangenen Jahr wurde von der EU eine Expertengruppe beauftragt, Vorschläge für die ökologische Insektenproduktion zu erarbeiten. Naturland hat Vorschriften zur ökologischen Insektenzucht schon in seine Richtlinien aufgenommen.

In dieser kleinen Anlage werden die Junglarven innerhalb einer Woche zu erntereifen Larven aufgezogen.

Larvenzucht mit Biogasanlage

Als Doktorandin ist Laura Schneider von der TU Bingen in die Versuche mit Larven der Schwarzen Soldatenfliege intensiv eingebunden. „Vom Ei bis zur fertigen Larve vertausendfachen die Tiere innerhalb von 14 Tagen ihr Gewicht“, wies sie auf das große Potenzial hin. Da die Larven bei 25 bis 27 °C am besten gedeihen, sei ein Anschluss an eine Biogasanlage gut vorstellbar. „Dabei kann die Erzeugung der Larven auch dezentral auf den Betrieben laufen“, berichtete Schneider.

Die Junglarven werden im Alter von fünf bis sechs Tagen bezogen und erzielen nach einer Woche den maximalen Biomasseertrag. Die verbleibenden organischen Rückstände, Insektenfraß genannt, können nach Trocknung mittels Sieben von den Larven getrennt werden. Dabei nehmen die Larven etwai­ge im Insektenfraß vorhandene Keime nicht mit, sodass aus hygienischer Sicht keine Bedenken bestehen müssen. Ein aus den Larven gebildetes Mehl enthält etwa 50 % Protein, 30 % Fett und 10 % Chitin, das mittels teilweise noch zu entwickelnder Verfahren technisch herausgereinigt werden kann.

Der nach Absieben der Larven verbleibende Insektenfraß kann unter anderem in Biogasanlagen genutzt werden, wie Benjamin Klauk von der TH Bingen aufzeigte. „Die Methanausbeute ist dabei mit Wirtschaftsdüngern vergleichbar“, freute er sich. Allerdings fielen dabei hohe Ammoniakwerte auf. Für Düngeversuche wurde der aus Ausscheidungen der Larven und Resten des Futtersubstrats bestehende Insektenfraß nach einer Hygienisierung pelletiert und zur Düngung von Kartoffeln und Mais eingesetzt. „Die Erträge lagen dabei so hoch wie bei einer Vergleichsdüngung mit einem organischen Handelsdünger“, berichtete Klauk.

75 Jahre Grundgesetz

„Zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes lohnt es sich, weiter für unsere Demokratie zu kämpfen. Nix ist fix. Für Gleichheit und Freiheit müssen wir alle einstehen, jeden Tag“, sagt Johanna Selbert. Seit rund zwei Jahren lebt die gebürtige Hessin in Schleswig-Holstein. Mit Respekt schaut sie auf ihre Urgroßmutter, die Kasseler Juristin Dr. Elisabeth Selbert (1896-1986) zurück, die maßgeblich dafür sorgte, dass der Artikel 3, Absatz 2 ins Grundgesetz kam: Männer und Frauen sind gleichberechtigt.

Johanna Selbert kommt gerade von einem beruflichen Termin in der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Kiel. In der Flensburger IHK-Dependance arbeitet die junge Volljuristin als Referentin im Team Recht und Steuern, ihre erste Anstellung nach Studienabschluss. Nun ist sie mit dem Bauernblatt am Kieler Landtag verabredet. Ein passender Ort, um über einen Aspekt rund um die Entstehung des Grundgesetzes zu sprechen, der heute kaum noch im gesellschaftlichen Gedächtnis ist. Deshalb nimmt die 33-Jährige das aktuelle Erinnern an die Geburtsstunde der Bundesrepublik vor 75 Jahren gern zum Anlass, um bei diversen Veranstaltungen auf das Wirken ihrer Urgroßmutter aufmerksam zu machen.

Auch wenn sie selbst sie nicht mehr persönlich gekannt hat – sie wurde fünf Jahre nach ihrem Tod geboren –, setzte die Urahnin wegweisende Impulse nicht nur für die Bundesrepublik, sondern auch für die nachfolgenden Frauengenerationen der Selberts. „Meine Mutter Susanne war 26, als ihre Großmutter Elisabeth mit knapp 90 starb. Die beiden hatten einen engen Kontakt, sowohl in ihrer Kindheit als auch in der Zeit, als meine Mutter Jura studierte. Sie konnte mir noch viel aus eigenem Erleben berichten. Elisabeth Selbert ist immer in unserer Familie präsent. Wir reden über sie.“

Mutter des Grundgesetzes: die Juristin Elisabeth Selbert (1896-1986) aus Kassel
Foto: privat

Ein Blick zurück: Auf Weisung der drei Westmächte, gewählt von den Landtagen, kommen am 1. September 1948 in Bonn erstmals die 65 stimmberechtigten Abgeordneten des Parlamentarischen Rates zusammen, um ein Grundgesetz für die Westzonen auszuarbeiten. Aus Schleswig-Holstein sind Andreas Gayk und Rudolf Katz von der SPD sowie Hermann von Mangoldt und Carl Schröter von der CDU dabei. Unter den Abgeordneten gibt es nur vier Frauen. Neben Elisabeth Selbert (SPD) sind es Frieda Nadig (SPD), Helene Weber (CDU) und Helene Wessel (Zentrum).

Im Hauptausschuss des Rates wird über Grundsatzfragen beraten, zu denen nach fester Überzeugung Selberts die Verankerung der Gleichberechtigung von Mann und Frau gehört. Aber die von ihr über die SPD eingebrachte schlichte und eindeutige Formulierung „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, findet überraschend keine Mehrheit. Die Ausschussmitglieder verständigen sich zunächst auf den Satz „Männer und Frauen haben die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.“ Im Klartext bedeutet das, die Frauen sollen, wie schon in der Weimarer Republik, lediglich das aktive und passive Wahlrecht erhalten. Mit diesem Widerstand gegen die Festschreibung der Gleichberechtigung hat Elisabeth Selbert nicht gerechnet. Immerhin gibt es zum Ende des Zweiten Weltkrieges sieben Millionen mehr Frauen als Männer. Das Gewicht dieser Wählerinnen kann man(n) doch nicht außer Acht lassen! Die streitbare Sozialdemokratin versucht, einen Konsens mit den anderen drei Frauen im Rat herzustellen, was aber aus verschiedenen Gründen schwierig ist. Ihre Genossin Frieda Nadig befürchtet beispielsweise ein Rechtschaos, wenn im Grundgesetz die Gleichstellung der Frau verankert würde, ohne gleichzeitig entsprechende Passagen im geltenden Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) von 1900 zu ändern, das den Frauen kaum Rechte zugesteht.

Elisabeth Selbert fängt an, über Parteigrenzen hinweg nach Verbündeten für ihre Formulierung zu suchen, und initiiert Protest in der breiten Öffentlichkeit. Damit setzt sie sich über ungeschriebene Gesetze parlamentarischer Konsensbildung hinweg. In einer Rede Ende der 1970er Jahre vor dem Deutschen Frauenring in Kassel schaut sie auf die Ereignisse zurück: „Es war geradezu begeisternd und erschütternd, wie die Proteste aus dem ganzen Bundesgebiet, und zwar Einzelproteste und Verbandsproteste, in großen Bergen in die Beratungen des Parlamentarischen Rates hineingeschüttet wurden. Körbeweise! Und ich wusste, in diesem Augenblick hätte kein Abgeordneter mehr gewagt, gegen diese Fülle von Protesten anzugehen und bei seinem Nein zu bleiben.“ Tatsächlich: Wessel, Weber und Nadig schwenken auf Selberts Linie ein. Nach zähen Verhandlungen nehmen schließlich im Hauptausschuss alle Mitglieder in der vierten Lesung einstimmig die Formulierung an: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Ein Übergangsparagraf bestimmt, dass das BGB bis 1953 entsprechend angepasst werden muss. Am 23. Mai 1949 wird das Grundgesetz vom Präsidenten des Parlamentarischen Rates und späteren Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) verkündet. Als Zeichen seines provisorischen Charakters – es gilt ja nur für Westdeutschland – spricht man bewusst nicht von einer Verfassung, sondern vom Grundgesetz.

Besonders die Bundes-SPD dankt später Elisabeth Selbert ihren Einsatz nicht. Eine bundespolitische Karriere bleibt ihr versagt. Zu profiliert, ambitioniert, unbequem und querköpfig sei sie gewesen, hieß es damals. „Sie war darüber zeitlebens tief enttäuscht. Sicherlich wäre sie gern Richterin am Bundesverfassungsgericht, Bundestagsabgeordnete oder hessische Justizministerin geworden“, gibt Urenkelin Johanna zu bedenken. Nach insgesamt zwölf Jahren als hessische Landtagsabgeordnete tritt Elisabeth Selbert 1958 von allen Ämtern zurück. Bis zu ihrem 85. Lebensjahr wird die Mutter zweier Söhne in ihrer Anwaltskanzlei als Rechtsanwältin für Familienrecht und Notarin tätig sein. Sie stirbt am 9. Juni 1986 in Kassel.

Am 3. Oktober 1990 schließen sich die fünf neu gegründeten ostdeutschen Länder und Ostberlin der Bundesrepublik und dem Grundgesetz an. Im Jahr 1994 wird im Zuge der Wiedervereinigung der Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes konkretisiert. Seitdem heißt er: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Ob Johanna Selbert sich in der Tradition ihrer Urgroßmutter sehe? Sie denkt kurz nach. „Schon früh habe ich mich für die Gemeinschaft eingesetzt. Dabei waren mir Elisabeth Selbert und meine kommunalpolitisch sehr aktive Mutter ein Vorbild“, antwortet sie. Damals in der Schule sei sie Klassen- und Schulsprecherin gewesen, mit 14 Jahren im Sportverein Kinder- und Jugendtrainerin in der Abteilung Sportakrobatik.

Seit‘ an Seit‘: Zu Ehren Elisabeth Selberts steht seit 2021 am Scheidemannplatz in Kassel eine Bronzestatue der streitbaren Demokratin.
Foto: privat

Nach dem Abitur sei sie für ein Jahr nach Chile gegangen, um in einem Kinderheim zu arbeiten. Auch in Australien sei sie im Rahmen von Work and Travel unterwegs gewesen. „Beruflich ging ich danach nicht den direkten Weg ins Jurastudium, sondern machte erst meinen Bachelor in Soziologie. In der dortigen Fachschaft war ich im Fakultätsrat aktiv, während meines Jurastudiums in der Hochschulgruppe der kritischen Jurist*innen Heidelberg engagiert und während meines Referendariats stellvertretende Landessprecherin des Gerichtsbezirks. Erst 2017 trat ich in die SPD ein. Seit zwei Jahren bin ich nun an meinem jetzigen Wohnort Flensburg ehrenamtlich im Einsatz“, berichtet Selbert.

Sie gehöre dem örtlichen Vorstand der SPD-Frauen an und sei Beisitzerin im SPD-Kreisvorstand. Ebenso sei sie Mitglied im Deutschen Juristinnenbund. „Ich hatte schon immer Freude daran, Verantwortung zu übernehmen und gemeinsam mit anderen Menschen Neues zu gestalten“, fasst sie ihr weitreichendes Handeln zusammen. Ob es etwas gebe, das sie an ihrer Urgroßmutter besonders schätze und bewundere? Da muss sie nicht lange überlegen. „Ihren Mut, ihre Hartnäckigkeit, ihre Entschlossenheit, ihre Sachlichkeit als Juristin ohne jegliche Polemik und ihre Toleranz.“ Mit ihrem eigenen Beispiel möchte Johanna Selbert auch anderen jungen Frauen Spaß an der Politik und am Mitgestalten der Demokratie und Zivilgesellschaft machen. „Sich weiterhin auch für die Sache der Frauen einzusetzen, bleibt nötig. Viel ist erreicht, viel bleibt aber noch zu tun“, resümiert sie abschließend.

Silke Bromm-Krieger

Literatur

Hans Eichel, Barbara Stolterfoht (Hg.): „Elisabeth Selbert und die Gleichstellung der Frauen – Eine unvollendete Geschichte“, euregioverlag, 20 €,
ISBN: 9 78-3-93 36 17-62-0; ein Sammelband mit elf Beiträgen verschiedener Autorinnen und Autoren rund um Elisabeth Selbert und die Gleichstellung – von gestern bis heute. Enkelin Susanne Selbert gewährt einen familiären Blick auf die Person Selberts.

Fassade und Wirklichkeit

„Was haben wir für ein Bild vor Augen, wenn wir an die 1950er Jahre denken?“ – bunt, fröhlich, Wirtschaftswunder und Rock ‘n‘ Roll? Oder ein Versuch, die braune Vergangenheit sowie veraltete Werte- und Denkmuster hinter den neuen, bunten Kulissen verschwinden zu lassen? Fragen, mit denen sich die neue Sonderausstellung „Die anderen 50er Jahre“ des Museumsbergs Flensburg beschäftigt.

Zu sehen sind Objekte aus museumseigener Sammlung, ergänzt um Leihgaben aus Museen im ganzen Land und von Privatpersonen. „Es hat mich positiv überrascht, was uns die Menschen für Geschichten und Objekte gebracht haben“, sagte Dr. Michael Fuhr, Museumsdirektor der Städtischen Museen Flensburg, bei einem Presserundgang durch die Ausstellung zusammen mit Sammlungskuratorin Madeleine Städtler und Wissenschaftsvolontärin Tasja Steder.

Die Ausstellung sei sehr vielfältig und umfasse verschiedene Bereiche wie Wohnkultur, Arbeitsleben, Stadtgeschichte, Kunstgeschichte oder auch Designgeschichte. Möbel, Lampen, Einrichtungsgegenstände, Tapeten, Musik, Film und Fernsehen in pastelligen Farben, mit amerikanisch beeinflussten, oft abstrakten und organischen Formen prägten die Zeit und erleben auch heute immer wieder eine Retrowelle. „Die Film- und Unterhaltungsindustrie, Mode- und Möbeldesigner, aber auch Maler, Grafiker und Bildhauer setzten alles daran, die Welt schöner, heller, moderner erscheinen zu lassen. Doch war wirklich alles so schick? Oder hatte das alles auch Ecken und Kanten?“, fragte Fuhr.

Wie der Titel „Die anderen 50er“ vermuten lässt, hinterfragt die Ausstellung die Lebensumstände, die Kunst und die Moralvorstellungen einer Zeit, in der das Land damit beschäftigt war, hinter bunten Kulissen die braune Vergangenheit verschwinden zu lassen. Zum Beispiel beim Frauenbild: Als Wissenschaftlerinnen, Architektinnen, Ingenieurinnen oder Ärztinnen trugen Frauen maßgeblich zum Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes bei. „Trotzdem wurden sie vom Gesetzgeber wie unmündige Kinder behandelt“, so Michael Fuhr. So durften Frauen ohne Einwilligung ihres Ehemannes weder Geld verdienen noch Auto fahren oder Verträge abschließen.

Die Frau als Hausfrau und Mutter mit typischer Kittelschürze

Das Frauenbild der NS-Zeit setzte sich fort auch mithilfe der Werbe­industrie, die die Frauen entweder als Modepuppen darstellte oder aber als Mutter und Hausfrau, für die es nichts Schöneres gab, als für ihren Mann zu kochen und hübsch auszusehen. Auch in der Arbeitswelt galten klar definierte Rollenbilder: der Chef und seine Sekretärin, der Arzt und die Sprechstundenhilfe. Dabei sah die Realität anders aus. Aufgrund der Tatsache, dass viele Männer im Krieg ihr Leben ließen, mussten Frauen Verantwortung in Politik und Gesellschaft übernehmen. Viele liebenswerte, rührende Geschichten und Erinnerungen verbergen sich hinter den Gegenständen und Objekten von privaten Leihgebern. Wie die von Sigrid Gregersen und ihrer Küchenmaschine, die ihre Eltern in den 1950er Jahren kauften und die bis heute treu ihre Dienste verrichtet. Gagel teilt mit den Besuchern das Familiengeheimnis, das hinter einem Hochzeitsfoto steckt: Ihr Lieblings- und Patenonkel Herbert heiratete 1941 mitten im Krieg seine Frau Ida. Das Foto zeigt das strahlende Paar. Erst nach dem Tod des Onkels fand Gagel heraus, dass ihr Onkel schwul und Ida lesbisch war, beide als Vorsichtsmaßnahme heirateten, um nicht Opfer des NS-Terrorregimes zu werden. Die Stadt Flensburg selbst war in den 1950er Jahren von gesellschaftlichen und politischen Ereignissen geprägt, die sich auf das gesamte Bundesgebiet und darüber hinaus auswirkten: 1951 gründete Beate Uhse ihr Versandhaus für Ehehygiene, 1952 wurde das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) von Bielefeld nach Flensburg verlegt, 1955 unterschrieben Kanzler Konrad Adenauer und der dänische Außenminister H.C. Hansen die Bonn-Kopenhagener Erklärungen, in denen die Rechte der deutschen und dänischen Minderheiten nördlich und südlich der Grenze festgeschrieben wurden. „Das war das erste gelungene Beispiel dafür, wie man Minderheitenrechte einrichten und sichern kann. Da hat Flensburg eine Vorreiterrolle eingenommen“, so Fuhr. Die Ausstellung ist noch bis zum 3. November zu sehen. Weitere Infos unter museumsberg.de

Teure Designmöbel für den Chef, einfaches Mobilar für die Sekretärin – auch die Arbeitswelt der 1950er Jahre war von Stereotypen geprägt.
Fotos: Iris Jaeger
Die Wanduhr spiegelt das Design der 1950er wider.
Kücheneinrichtung in pastelligen Farben
Die treue Küchenmaschine von Sigrid Gregersen
Eine voll fahrfähige Zündapp Bella
Ein Original-Kostüm von Marlene Dietrich


Rettet „Hope“!

Im Übermut zu schnell über die Koppel getobt und dann ist es passiert – ein Pferd ist am Koppelrand eine dicht bewachsene Böschung hinuntergestürzt und kann sich nicht mehr allein befreien.

Ein Szenario, das durchaus so passieren könnte – und Einsatzkräfte vor Herausforderungen stellt. Tiere in Gräben, Bachläufen oder Schlammlöchern in unwegsamem Gelände, Rinder in Güllegruben, gestürzte Pferde oder Rinder in Transportanhängern nach Unfällen – die Zahl von Einsätzen, bei denen Großtiere aus Notlagen befreit werden müssen, nehmen zu. Um auf solch einen Einsatz gut vorbereitet zu sein, bot die Arche Warder – Zentrum für alte Haus- und Nutztierrassen e. V. in Warder am vergangenen Wochenende Feuerwehren, THW, Veterinärmedizinern und Reitern ein ganztägiges Training zur technischen Großtierrettung an.

Vorsichtig wird der Rettungsgurt mit dem Hirtenstab zur Fädelstange gehoben, die sich unter dem Pferdekörper befindet und den Gurt dann unter dem Pferd durchzieht.

Mit 20 Teilnehmenden war das Training ausgebucht, neben Kameradinnen und Kameraden der Freiwilligen Feuerwehren ­Timmaspe, Großharrie, Wattenbek, Eisendorf, Kropp, Mölln, Hochdonn und Rendsburg nahm auch eine Delegation aus dem brandenburgischen Schwedt teil. Mit dabei waren zudem zwei Tierärzte der Pferdeklinik Tappendorf, Mitarbeiter der Arche Warder sowie ein Mitglied des THW. Ziele des Trainingstages waren das Erlernen und Üben einer sicheren und tierschonenden Rettung von Großtieren wie zum Beispiel Pferden, Rindern oder Eseln. Konkret: das Tier unter Einsatz artgerechter und tierschonender Mittel von einem gefährlichen Ort an einen sicheren Ort zu bringen. Doch dafür sind einige Vorkenntnisse wichtig, die Trainer und Großtierretter Michael Böhler in einem Theorieteil vermittelte. So zum Beispiel das Verhalten von Fluchttieren, das Verhalten von Menschen, Gefahreneinschätzung, Risikovermeidung, Sicherheitsaspekte, Personenmanage­ment, Einsatzstrategien, das Anwenden des Spezialwerkzeugs.

Das Gelände des Tierparks Arche Warder bot den Teilnehmenden ideale Trainingsmöglichkeiten, um verschiedene Einsatzszenarien zu üben, zum Beispiel das Retten eines Pferdes aus einer Hanglage. Pferdedummy „Hope“ erwies sich dabei als geduldiges Rettungsopfer. Im Normalfall reagiert das Tier panisch, kann um sich schlagen oder mit den Hufen treten, denn der Fluchtinstinkt ist allgegenwärtig, um jeden Preis will sich das Pferd befreien und weglaufen. Das Szenario: „Hope“ ist beim Toben übers Ziel hinausgeschossen und am Hang verunglückt. Das Pferd kann sich nicht selbstständig aus seiner Lage befreien. Die Feuerwehr wurde gerufen, ebenso ein Tierarzt. „Der ist absolut unverzichtbar bei so einem Einsatz“, erklärt Michael Böhler. Die Pferdebesitzerin wurde ebenfalls informiert und tut das, was im Einsatzfall ebenfalls passieren kann: Sie reagiert panisch, hysterisch, will unbedingt zu ihrem Pferd, handelt emotional und unvernünftig, indem sie sich dem Tier nähert und sich dabei in Gefahr bringt. Denn das Tier reagiert besonders unter Stress unvorhersehbar, auch für seine Besitzerin.

Beruhigend redet der Feuerwehrmann auf die Besitzerin ein und führt sie vom Pferd weg.

Für die Einsatzkräfte bedeutet das: Ruhe bewahren, die Besitzerin aus dem Gefahrenbereich herausholen und die Lage einschätzen: Ist eine technische Rettung notwendig oder gibt es Alternativen? Ist die Rettung sicher und bei tolerierbarem Risiko durchführbar? Rechtfertigt der Nutzen den Einsatz? Und ist eine Lebendrettung sinnvoll? „Auch diese Frage muss gestellt werden“, erklärt die Tierärztin Friederike Lüthje von der Pferdeklinik Tappendorf. Hat das Pferd Knochenbrüche oder innere Verletzungen, sollte es von seinen Qualen erlöst und eingeschläfert werden. Bei „Hope“ ist das nicht der Fall. Grundsätzlich muss das Tier aber vor der Rettung sediert (ruhiggestellt) werden. Und selbst dann bestehen noch instinktive Reaktionsmuster.

Zunächst aber wird eine Rettungseinheit zusammengestellt, bestehend aus dem Einsatzleiter (steuert den Einsatz, trifft Entscheidungen in Absprache mit dem Tierarzt/der Tierärztin), einem Gerätemanager (verantwortlich für das Spezialwerkzeug, das am Rand des Einsatzortes bereitliegt), einem Sicherheitsassistenten (erkennt sich abzeichnende Risiken für Einsatzkräfte und andere Anwesende und warnt frühzeitig), Trupp am Tier (arbeitet direkt am Tier und nutzt die entsprechenden Werkzeuge, um es für Bewegungs- oder Hebevorgänge vorzubereiten), weitere Mannschaft (kommt zum Einsatz, wenn das Tier für das Ziehen bereit ist).

Gemäß den fünf Geboten zur Großtierrettung wird der Kopf des Pferdes mit einem Seil gesichert und durch ein Bergetuch geschützt und gelagert. Es wurde ein sicherer Ort für die Freilassung bestimmt, ein Rückzugsweg für die Retter und ein Alternativweg für das Tier frei gehalten, ein Tierarzt hinzugezogen und konsequentes Personenmanagement betrieben. Der Tierarzt versucht, einen direkten Zugang zur Vene zu legen, um das Tier zu sedieren. „Das Mittel wirkt dann innerhalb von 45 Sekunden bis zu einer Minute“, so Lüthje. Ist das nicht möglich, wird das Mittel in den Muskel gespritzt, dann dauert es mindestens 30 min, bis es wirkt. „Diese Zeit sollte unbedingt abgewartet werden“, mahnt Lüthje. Mitunter sei eine Vollnarkose notwendig, das ­variiere von Tier zu Tier und müsse individuell entschieden werden. „Egal ob ihr euch mögt oder euch nicht ausstehen könnt, ihr müsst immer miteinander funktionieren und euch absprechen sowie den Anweisungen des Tierarztes folgen“, so Böhler. Bevor die Spezialgurte (keine Feuerwehrschläuche!) angelegt werden, muss geklärt sein, in welcher Position und in welche Richtung das Pferd aus der Hanglage herausgezogen werden soll. In diesem Fall liegt „Hope“ mit dem Kopf nach oben, was für den Vorwärtsassistenten spricht. Dabei werden die Gurte so angelegt, dass das Tier vorwärts den Hang heraufbewegt werden kann. Weitere Bewegungsmöglichkeiten sind der Rückwärtsassistent sowie zwei Möglichkeiten der Seitwärtsbewegung. Trainiert wird auch Drehen des Tieres über den Rücken. Die Aktionen erfolgen dabei immer von der Sattellage aus, außerhalb der Kick-Zone des Pferdes. „Grundsätzlich steht der Selbstschutz der Mannschaft im Vordergrund“, so Böhler.

Drehen des Pferdes über die Sattellage mit Bremse

Für die Gurte kommen jetzt die zuvor erlernten Fädel- und Zugtechniken mit Fädelstange und Hirtenstäben zum Einsatz. Die Fädelstange (oder der Federstahlbügel) wird vom Trupp am Tier behutsam unter dem Pferd hindurchgeschoben, um die von oben per Hirtenstab angereichte Gurtschlaufe einzuhaken und den Gurt unter dem Pferd durchzuziehen. Das klingt zunächst einfacher als es ist: Immer wieder rutscht der Gurt von dem Hirtenstab, Gebüsch behindert die Sicht. Und doch: Alles sollte ruhig und ohne Hektik geschehen, um das Tier nicht weiter nervös zu machen. „Denkt daran, macht langsam, wir haben keine Zeit“, erinnert Trainer Michael Böhler die Teilnehmer. Klingt widersprüchlich, gemeint ist aber, je ruhiger und bewusster die einzelnen Schritte durchgeführt werden, desto schneller kann das Tier befreit werden. Sind die Gurte angelegt, kommt der Rest der Mannschaft zum Zuge, im wahrsten Sinne des Wortes. Die Schleifplatte leistet dabei einen wertvollen Beitrag, denn sobald das Tier darauf liegt, ist ein einfaches Ziehen der 600 bis 800 kg, die so ein Pferd wiegt, möglich. Zudem verhindert sie, dass das Tier direkt über den Boden gezogen wird und sich verletzt. „Die Platte ist Gold wert“, so Böhler, der auch bei der Rettung aus einem Pferdeanhänger wertvolle Hinweise geben konnte. „Hope“ wurde erfolgreich aus verschiedenen Situationen gerettet, dafür gab‘s zum Abschluss ein Gruppenfoto mit den Rettern.

Info

Lutz Hauch ist der einzige von der ARA (Animal Rescue Academy in Österreich) zertifizierte Großtierrettungstrainer mit Feuerwehrhintergrund in Deutschland. Seit 2016 unterrichtet er Einsatzkräfte von Feuerwehren und anderen Rettungsorganisationen in ganz Deutschland. Seit 2021 wird er von seinem Co-Trainer Michael Böhler unterstützt, der Organisationen in den nördlichen Bundesländern trainiert. Hauchs Trainingskonzept für die technische Großtierrettung wurde 2020 nach DIN ISO 9001 zertifiziert. (Quelle: comcavalo.de)

Für die Großtierrettung kommt Spezialwerkzeug zum Einsatz wie die Fädelstange (r.) oder die Schlammnadel (oben), Spezialgurte und Seile.
Fotos: Iris Jaeger
Tierärztin Friederike Lüthje von der Pferdeklinik Tappendorf verkörperte auch in der Übung die zur Einheit gehörende Tierärztin und wurde für den Einsatz am Hang mit einem Seil gesichert.
Im unwegsamen Gelände den Gurt zur Fädelstange zu führen ist kein einfaches Unterfangen.
Auch für das Bergen des Pferdes aus einem Anhänger gelten Sicherheitsregeln, die eine tierschonende Rettung ermöglichen, bei höchstmöglichem Schutz für die Retter. Trainer und Großtierretter Michael Böhler (li.) gibt hilfreiche Hinweise.
Geschafft: Das Pferd liegt auf der Schleifplatte und kann aus dem Pferdetransporter herausgezogen und dann weiter versorgt werden.