Der Winterraps als „Gesundungsfrucht“ in einer Fruchtfolge wird seinem Ruf schon lange nicht mehr gerecht. Zu groß sind mittlerweile die pflanzenbaulichen Probleme, und daran haben auch die Ungräser wie Ackerfuchsschwanz, Trespen und Weidelgras ihren Anteil. In der Bekämpfung dieser reicht es auch im Raps nicht mehr aus, sich ausschließlich auf den Einsatz der Herbizide/Graminizide zu fokussieren.
Die gesamte Entwicklung des Rapses (Pflanzenetablierung, Nährstoffversorgung, Bekämpfung des Rapserdflohs und so weiter) spielt auch dabei eine entscheidende Rolle, denn besonders in lückigen Rapsbeständen nimmt die Verungrasung sonst rasant zu.
Kurzer strategischer Überblick
Besonders in den getreidelastigen Fruchtfolgen sollte der Winterraps konsequent zur Bekämpfung der Ungräser genutzt werden. Der erste Schritt ist dabei der Einsatz des Wirkstoffs Metazachlor im Rahmen der Unkrautbekämpfung im Vorauflauf bis maximal frühem Nachauflauf (siehe BB-Artikel Teil 1: www.bauernblatt.com/empfehlungen-zum-herbizideinsatz-im-winterraps-2024-teil-1/).
Je nach Einsatztermin, Aufwandmenge, Bodenfeuchtigkeit und nachfolgenden Niederschlägen kann die Anfangswirkung durchaus in Richtung 80 % gegen einzelne Ungräser gehen. Bodentrockenheit und ausbleibende Niederschläge nach der Applikation reduzieren die Wirkungsgrade umgedreht rapide. Eine Bodenherbizid-Wirkung ist vor allem auf den „Ungras-Problemflächen“ inzwischen von großer Bedeutung, da Produkte aus der Wirkstoffgruppe der FOP (zum Beispiel Agil S, Targa Super und andere) zwar gegen Ausfallgetreide nach wie vor eine „sichere Bank“ sind, aber gegen Ackerfuchsschwanz und zum Teil Weidelgras kaum noch Erfolge erzielen.
Mittlerweile sind auch die Blattherbizide aus der Wirkstoffgruppe der DIM (Cycloxydim und Clethodim) einer zunehmenden Resistenzentwicklung unterworfen, sodass auf einigen Flächen die Schwierigkeit besteht, überhaupt noch den optimalen Einsatztermin für die Propyzamid haltigen Produkte zu erreichen.
Die Problematik der DIM
Auf vielen Rapsflächen werden derzeit ab dem Zwei- bis Dreiblattstadium des Ackerfuchsschwanzes die Wirkstoffe Cycloxydim (Focus Ultra) oder Clethodim (Select 240 EC, VextaDim, Brixton, Juniper Max) eingesetzt. Zeigen auch diese Produkte keine ausreichende Wirkung auf Ackerfuchsschwanz mehr, liegt unter anderem eine Wirkort-Resistenz (Ile1781-Leu Target-Site Resistenz gegen ACCase-Inhibitoren) vor.
Allerdings gibt es Unterschiede zwischen beiden Wirkstoffen. So erwies sich in genetischen Untersuchungen das Clethodim als robuster im Vergleich zum Cycloxydim. Man spricht hier von einer quantitativen Wirkort-Resistenz der DIM, vereinfacht ausgedrückt, es werden von Select 240 EC noch Ackerfuchsschwanz-Pflanzen erfasst, die von Focus Ultra nicht mehr bekämpft werden können.
Dieser Vorteil des Clethodims funktioniert aber nicht unbegrenzt, sondern ist einer dynamischen Entwicklung unterworfen, wo unter anderem Fruchtfolge und damit Einsatzhäufigkeit der Wirkstoffe eine entscheidende Rolle spielen.
Nimmt im Rahmen der weiteren Selektion der Anteil resistenter Individuen gegenüber Clethodim zu, können in dessen Folge die gesamten DIM einem völligen Wirkungsverlust unterworfen sein. Somit muss das Ziel sein, auch die Anwendungshäufigkeit der Produkte aus der Wirkstoffgruppe DIM zu minimieren (also zum Beispiel kein zweimaliger Einsatz Clethodim-haltiger Produkte im Raps in einem Herbst).
Einsatz Propyzamid haltiger Produkte
Vor einigen Jahren wurde in der Praxis noch sehr kontrovers über den generellen Einsatz von Kerb diskutiert, da der gezwungenermaßen späte Einsatztermin doch häufig abschreckend wirkte. Inzwischen steht das „ob“ nicht mehr in Frage, sondern nur noch das „wann“ zum optimalen Spritzzeitpunkt. Schon dies zeigt, wie stark sich die Lage im Bereich der Ungrasbekämpfung inzwischen verschärft hat. Auch die Frage nach der Aufwandmenge (Möglichkeit der Reduzierung) stellt sich nicht mehr, ein möglichst hoher Wirkungsgrad mit dieser einen Anwendung hat die oberste Priorität und bedeutet damit die Spritzung der vollen Aufwandmenge.
Hohe Bodenfeuchtigkeit und nachfolgender Regen sind dabei für eine hohe Wirksamkeit zwingend notwendig, da gerade bei frohwüchsigen und dichten Rapsbeständen der Wirkstoff von den Blättern abgefangen wird, dieser aber seine Wirksamkeit nur in der obersten Bodenschicht besitzt. Aus diesem Grund schließen sich der gemeinsame Einsatz vom Propyzamid mit den gegen Rapserdflohlarven wirksamen Cyantraniliprole-haltigen Produkten Minecto Gold und Exirel, die in die Blattstiele des Rapses eindringen müssen, schon durch die unterschiedlichen Anwendungsbedingungen quasi aus.
Ein weiteres Einsatzkriterium für Kerb Flo & Co. ist die Bodentemperatur. Für eine gute Wirkung sind niedrigere Bodentemperaturen (nachhaltig unter 10 °C!) erforderlich. Liegen die Temperaturen deutlich höher, wird der Wirkstoff schneller abgebaut, und der Wirkungsgrad sinkt deutlich. Warmes Herbstwetter bis in den November hinein ist für die Anwendung somit kontraproduktiv und die Ackerfuchsschwanz-Pflanzen entwickeln sich kontinuierlich weiter.
Da die Wirkung von Propyzamid in der obersten 3 bis 5 cm Bodenschicht am Stärksten ist, können bei großen bestockten Ackerfuchsschwanz-Pflanzen mit tieferen Wurzeln Probleme in der Bekämpfung auftreten. Somit ist es eine große Herausforderung, einen Anwendungstermin zu finden, der möglichst niedrige Bodentemperaturen und nachfolgenden Niederschlägen für den größtmöglichen Bekämpfungserfolg vereint.
Die sichtbare Wirkung von Propyzamid-Produkten lässt dann mitunter lange auf sich warten. Die ersten Anzeichen sind, dass die Ungraspflanzen nicht mehr weiterwachsen. Der eigentliche Absterbeprozess kann sich aber bis weit ins Frühjahr hinziehen.
Eventuell schlechtere Wirkungsgrade werden besonders oft bei großen, schon bestockten Ungräsern beziehungsweise widrigen Anwendungsbedingungen beobachtet und haben nichts mit eventuell beginnenden Resistenzen gegenüber Kerb Flo & Co. zu tun, sondern sind der oben beschriebenen Wirkungsweise von Propyzamid geschuldet. In diesen Ausnahmefällen kann ein Focus-Ultra-Zusatz blattaktiv unterstützen.
Anwendungsbedingungen clethodimhaltiger Produkte:
• Temperaturen über 10 °C bei der Anwendung und weitere Vegetation notwendig.
• Die Anwendung bis 30. September abschließen, sonst sind Schäden möglich, die zum Teil auch erst im Frühjahr sichtbar werden
• Anwendung möglichst solo durchführen (Insektizid-Zusatz ist gegebenenfalls möglich, auf Fungizide sollte verzichtet werden)
Informationen zu der Einsatzstrategie der Gräserherbizide im Belkar Power System finden sich im Artikel Unkrautbekämpfung Teil 1 (Bauernblatt Nr. 31 und online hier: www.bauernblatt.com/empfehlungen-zum-herbizideinsatz-im-winterraps-2024-teil-1/).
Empfehlungen:
FOP
Ausfallgetreide: zum Beispiel 0,6 bis 0,8 l/ha Agil S o. a.
Quecke: zum Beispiel 2,0 l/ha Targa Super
DIM
Ackerfuchsschwanz, Ausfallgetreide:
Cycloxydim
2,5 l/ha Focus Ultra + 1,0 l/ha Dash (Einkeimblättrige Unkräuter, ausgenommen Einjährige Rispe)
Clethodim
0,5 l/ha Select 240 EC + 1,0 l/ha Radiamix (Einkeimblättrige Unkräuter)
0,5 l/ha VextaDim + 0,5 l/ha VexZone (Ausfallgetreide)
0,7-1,0 l/ha Brixton + 0,7-1,0 l/ha Heliosol (Einkeimblättrige Unkräuter)
0,5 l/ha Juniper Max + 0,5 l/ha Connector (Ausfallgetreide)
Achtung: Brixton enthält 180 g/l Clethodim, alle anderen Produkte 240 g/l Wirkstoff).
Propyzamid
1,875 l/ha Kerb Flo/Groove/Setanta Flo (gegen schwer bekämpfbaren Ackerfuchsschwanz)
1,25 l/ha Kerb Flo/Groove/Setanta Flo (Ackerfuchsschwanz, Windhalm, Trespen-Arten, Einjährige Rispe, Vogelmiere)
1,5 l/ha Milestone (+ Wirkstoff Aminopyralid) (wie Kerb Flo + kleine Pflanzen von Kamille, Kornblume, Klatschmohn, Vogelmiere, Ackerstiefmütterchen)