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Biomilch – Licht am Ende des Tunnels?

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Der Biomilchpreis bewegte sich im ersten Quartal dieses Jahres seitwärts mit leicht steigender Tendenz. So lag der durchschnittliche Erzeugerpreis in Deutschland im März bei 55,9 ct/ kg und damit erneut 0,2 ct/ kg über dem Vormonat. Für die hiesige Region (Nord/Mitte) konnten die Biomilcherzeuger einen durchschnittlichen Auszahlungs­preis von 55,1 ct/ kg verbuchen, und das trotz der um 1,1 % höheren Milchanlieferung im Vergleich zum Vormonat. Die insgesamt bundesweit angelieferte Biomilchmenge hat damit einen neuen Höchststand im Vergleich zu den Jahren davor erreicht.

Nachfrage steigt wieder

Die momentane Preisstabilität begründet sich in erster Linie auf einer deutlichen Belebung der Nachfrage nach zwei durchaus schwierigen Jahren. Besonders im zweiten Halbjahr 2022 und der ersten Hälfte des Jahres 2023 kam es zu einem ausgeprägten Nachfrageeinbruch. Dieser war eine Folge der angespannten wirtschaftlichen Situation vieler Haushalte aufgrund der Energiekrise. In den ersten beiden Monaten dieses Jahres lag die Nachfrage privater Haushalte nach Biomilchgetränken 26,6 % über den entsprechenden Vorjahresmonaten. Bei Bioquark waren es 24 % und bei Konsummilch 11,3 %. Die Käsenachfrage lag 9,1 % über Vorjahresniveau. Auffällig dabei ist aber, dass dieser Nachfrageanstieg zu einem großen Teil auf Preissenkungen der einzelnen Produkte zurückzuführen ist. Insbesondere der Zuwachs bei Trinkmilch beruht zu großen Teilen auf Preisaktionen der Discounter. In der langfristigen Betrachtung befinden sich die Preise für Biomilch im LEH aber dennoch über den Jahren 2021 und 2020.

Keine Vollkostendeckung

Für konventionell erzeugte Milch lag der März-Auszahlungspreis im Bundesschnitt sogar 0,5 ct/kg über dem Vormonatswert. Somit sank die Auszahlungspreisdifferenz zwischen Biomilch und der konventionellen Variante auf 11,5 ct/kg. Die Kostendifferenz liegt laut den Berechnungen der Bioverbände Bioland und Naturland aber deutlich über diesem Niveau. Die beiden Verbände berechnen seit geraumer Zeit einen sogenannten Orientierungspreis, zu dem die ökologisch wirtschaftenden Milchviehbetriebe nachhaltig wirtschaften könnten. Dieser wird mehrmals im Jahr veröffentlicht und liegt momentan bei 69,6 ct/kg.

Unsichere Rahmenbedingungen

Zusätzlich zu der Kostenproblematik führen auch überzogene politische Zielsetzungen zu einer gewissen Nervosität der Märkte für Bioerzeugnisse. So soll der Anteil der ökologisch bewirtschafteten landwirtschaftlichen Nutzfläche bis 2030 auf 30 % gesteigert werden. Die aktuellsten Zahlen weisen für 2022 einen Anteil von 11,2 % aus. Unter Berücksichtigung der Empfindlichkeit, mit der die Verbrauchernachfrage auf unbedingt erforderliche Preissteigerungen gerade im Biomilchsektor reagiert, bleibt die Frage, wem mit einer solchen politischen Zielsetzung geholfen ist: den Biomilcherzeugern bestimmt nicht. Denn Übermengen gehen immer mit einem Preisverfall einher und führen, wie in Frankreich und Dänemark in den vergangenen Jahren bereits in größerem Umfang geschehen, sogar zu Rückumstellungen.

Trotz dieser Unwegsamkeiten sehen die Marktexperten der AMI durch die stabile Nachfragesteigerung das Tal durchschritten. Sie erwarten für die nächsten Monate weiterhin stabile bis leicht steigende Preistendenzen am Biomilchmarkt, da derzeit weder mit einem nahenden Nachfrageeinbruch noch mit einer unverhältnismäßigen Steigerung der Milchanlieferung zu rechnen ist.

Mehr Tierwohl im Stall – Druck und Chance

Mehr Tierwohl in deutschen Ställen zu schaffen ist gesellschaftlicher Konsens. Laut Zukunftskommission Landwirtschaft sollen hierzulande ab 2040 alle Nutztiere mindestens in Haltungsstufe 3 leben. Aber wer soll den Umbau und die höheren laufenden Kosten bezahlen? Die Bundespolitik verschärft eifrig das Ordnungsrecht. Mit der Umsetzung von Finanzierungmodellen hapert es aber – trotz hervorragender Vorarbeit der Borchert-Kommission. Die „Milliarde“ aus dem Umbauprogramm des Bundes wirkt leider nur wie ein Tropfen auf den heißen Stein.

Die lange Phase der Unsicherheit mündete in einen massiven Investitionsstau. Viele Betriebe haben bereits aufgegeben. Der ordnungsrechtliche Druck bleibt aber groß: Wegen des Kastenstandurteils mussten Sauenhalter bis Februar ein Umbaukonzept für ihr Deckzentrum vorlegen. Nach Daten des Kieler Landwirtschaftsministeriums fehlt dieses Konzept bei einem Viertel der Betriebe in Schleswig-Holstein. Das bedeutet, dass diese voraussichtlich bis 2026 aussteigen müssen. Ist das deutsche Ferkel also bald ein Fall für die Rote Liste?

Die staatliche Tierhaltungskennzeichnung sorgt für zusätzliches Kopfschütteln in der Branche. Mit der Initiative Tierwohl und der Haltungsformkennzeichnung des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) gibt es etablierte Systeme, die dem Tierwohl dienen und den Verbraucher nicht überfordern. Diese werden nun aus Berlin torpediert. Unter anderem Klaus-Peter Lucht, Präsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein, betonte auf dem Forum Schweinehaltung in Rendsburg: „Die Politik hätte sich heraushalten sollen. Wir haben gute wirtschaftsgetragene Systeme.“ Die Forderungen nach einer Rücknahme des entsprechenden Gesetzes – unter anderem durch Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) – gewinnen zu Recht an Lautstärke.

Dr. Robert Quakernack

Immerhin: Der LEH macht vor, wie es gehen kann. Dank verschiedener Tierwohlprogramme mit langfristigen Verträgen erhalten Landwirte zuverlässig einen Bonus für ihren Aufwand. Vertreter des LEH kündigten jüngst an, ihr Angebot der Haltungsstufen 3 und höher deutlich auszubauen. Dabei lehrt die Erfahrung, dass ein Großteil der Verbraucher im Zweifel zum günstigeren Produkt greift. Ob eine intensivere Bewerbung der Tierwohlprodukte das Kaufverhalten ändert, bleibt fraglich. Außerdem droht den Tierhaltern eine stärkere Abhängigkeit von diesen Programmen und damit die Aufgabe von unternehmerischer Freiheit. Trotzdem: Wenn Produkte der Haltungsstufe 3 ihr Nischendasein ablegen, entwachsen daraus neue Chancen. Die Betonung deutscher Herkunft ist dafür unerlässlich.

Für Tierhalter, die investieren wollen, bleibt Planungssicherheit entscheidend, also dass Investitionen in ihre Ställe trotz Verschärfungen des Ordnungsrechts Bestand haben. Bei der Finanzierung der Ställe kommt Hilfe von Kreditinstituten wie der Rentenbank, die Gelder für mehr Tierwohl oder andere Nachhaltigkeitskriterien mittlerweile günstiger verleihen.

So bedauernswert der jüngste Strukturbruch in der Schweinehaltung ist: Er hat dazu geführt, dass Ware verknappt wurde und die verbliebenen Tierhalter momentan Geld verdienen, was Investitionen erst möglich macht. Ob es sinnvoll ist, nur noch in Ställe der Haltungsstufe 3 oder höher zu investieren, muss jeder Betriebsleiter selbst entscheiden. Dass das Wohl von Nutztieren in erster Linie vom Management und nicht von der Haltungsform abhängt, fällt in der politischen Debatte leider zu oft unter den Tisch.

„Nur was wir kennen, können wir schützen“

Marion Thishen-Hendess gehört zu den deutschlandweit ersten 22 zertifizierten Natur- und Landschaftsführern mit dem Schwerpunkt Moore in Hamburg und Umgebung. Im Juli 2023 schloss sie dafür einen Lehrgang bei der Loki-Schmidt-Stiftung ab. Seitdem begleitet sie Kinder- und Erwachsenengruppen auf eine spannende Entdeckungstour durch das Ohmoor am Stadtrand von Hamburg.

„Es ist mein absolutes Lieblingsmoor. Ich wohne in der Nähe und bin mit dem Gebiet seit Jahren vertraut“, erzählt Naturführerin Marion Thishen-Hendess begeistert. Der Lebensraum Moor sei mit seiner kargen Flora und Fauna einfach anders als das, was man gemeinhin kenne. Seine Ausstrahlung sei magisch und bezaubernd. Auch wenn gerade norddeutsches Schmuddelwetter herrsche und viel Regen von oben komme, mache ihr das nichts aus. „Ich freue mich immer, wenn es regnet, denn das Ohmoor ernährt sich ausschließlich von Regenwasser. Gibt es keinen Niederschlag, fällt das Moor trocken“, erklärt sie und ist schon mittendrin im Thema, während wir zu einer Rundwanderung aufbrechen.

Mit allen Sinnen: Moorführerin Marion Thishen-Hendess lässt ihre Teilnehmer gern an etwas Torf schnuppern. Er ist nahezu geruchslos.

„Das etwa 51 Hekt­ar große Ohmoor hat sich nach der letzten Eiszeit gebildet. Es ist zirka 8.000 Jahre alt. Es ist der Rest eines ursprünglich 450 Hektar großen atlantischen Hochmoores. Noch bis in das 19. Jahrhundert hinein erhob es sich bis zu vier Meter über die Landschaft“, informiert sie. Entwässerung, Torfabbau, Umwandlung in landwirtschaftliche Nutzflächen und eine Bebauung, besonders aber die Errichtung des hier ansässigen Hamburg Airports, hätten den Charakter des Gebiets enorm verändert. Das merken wir hautnah, als plötzlich ein Flugzeug lautstark über uns hinwegfegt. Dies wird sich während des Moorspaziergangs mehrmals wiederholen. Nicht nur wir halten dann in der Unterhaltung inne, auch die Vögel verstummen. Erst nach einer Weile fahren sie mit ihrem Konzert fort. „Der Flughafen ist Fluch und Segen zugleich“, sagt Thishen-Hendess und schaut gen Himmel. Auf der einen Seite sorge er beispielsweise dafür, dass wegen der Flugsicherheit regelmäßig das nahe liegende Gebiet von schnell wachsenden Birken, die hier ursprünglich nicht hingehörten, befreit werde, auf der anderen Seite würden die Randbereiche des Moores durch die entstehenden Emissionen beeinflusst.

„In den 1990er Jahren begannen im Kernbereich Renaturierungsmaßnahmen zur Wiedervernässung und Wiederausbreitung hochmoortypischer Pflanzen. Mit der Ausweisung des Ohmoors als sogenanntes FFH-Gebiet, die Abkürzung steht für Fauna-Flora-Habitat-Gebiet, besteht eine Verpflichtung, den gegenwärtigen ökologischen Zustand des Moorgebiets zu erhalten“, stellt die 51-Jährige heraus und stoppt vor einer kleinen Kostbarkeit der Natur, dem Wollgras. „Toll, wie es wächst und gedeiht. Im vorigen Jahr war es wegen Trockenheit fast verschwunden.“ Die weißen, flauschigen Puschel wiegen sich sanft auf ihren dünnen Halmen im Wind. Idyllisch! Gegenüber fällt eine Fläche in den Blick, die mit Torfmoos, der wichtigsten Pflanze im Moor, dicht bedeckt ist. „Hier sieht man eine für Hochmoore charakteristische Bult-Schlenken-Struktur. Bulte sind kleine aufgebaute Erhebungen im Moor, auf denen das Wollgras oder verschiedene Heiden wachsen.

Moorbewohner: Nur hochspezialisierte Pflanzenarten wie das Wollgras können im sauren Milieu des Moores leben.

Die Schlenken, nasse Mulden zwischen den Bulten, werden von grünen Torfmoosen, dem Sonnentau und weiteren Pflanzen besiedelt, die mit dem sauren, nährstoffarmen Milieu zurechtkommen“, erläutert sie. Mit ihrem Spazierstock fischt sie ein Stückchen Torfmoos heraus. „Torfmoose sind praktisch unsterblich, sie können unbegrenzt wachsen. Da sie keine Wurzeln haben, ernähren sie sich von Regenwasser und den darin enthaltenen Nährstoffen, die sie speichern. Wachsen sie, stirbt der untere Teil der Pflanze wegen des Luftabschlusses im Moor ab. Organische Sub­stanzen werden hier nicht oder nur in Teilen zersetzt und werden zu Torf.“ Das geschehe sehr langsam. Das Moor wachse nur 1 mm pro Jahr.

Marion Thishen-Hendess erklärt, dass Moore zu den bedrohtesten, seltensten und wertvollsten Lebensräumen gehörten, die wir in Deutschland hätten. „Moorschutz heißt vor allem, den Wasserstand in den Mooren wieder in Ordnung zu bringen. Ein Moor muss nass sein“, bringt sie es auf den Punkt. Würden Moore entwässert, um sie als Grün- oder Siedlungsland zu nutzen, gelange Luft an den Moorkörper. In der Folge entwichen große Mengen des gespeicherten CO2 sowie zusätzlich Lachgas (N2O), dessen klimaschädliche Wirkung etwa 300-mal höher als die des CO2 sei. „Intakte Moore sind riesige Kohlenstoffspeicher und deshalb natürliche Verbündete für den Klimaschutz“, betont sie. Nach diesem theoretischen Diskurs geht’s weiter durch das Gelände – doch stets auf den Wegen! „Das Moor hat durchaus seine Tücken. Man sollte auf ausgeschilderten Wegen bleiben, um nicht einzusacken, und mitgebrachte Hunde unbedingt an der Leine führen“, rät sie.

Im Moor lauerten zudem Kreuzottern, die einzigen heimischen Giftschlangen. „Sie bevorzugen Lebensräume mit hoher Luftfeuchtigkeit, ob Waldränder, Moorrandgebiete oder feuchte Niederungen. Ihre Nahrung besteht aus Kleinsäugern, Eidechsen und Fröschen“, bemerkt die Moorführerin. Von sich aus würden sie niemals große Tiere oder Menschen angreifen. Sie verteidigten sich nur, wenn sie beim Sonnenbad überrascht würden. „Im Ohmoor kam es schon zu Verteidigungsbissen gegen Hunde. Auch deshalb ist es angezeigt, Vierbeiner an der kurzen Leine durchs Schutzgebiet zu führen. Zwischendurch kann man ruhig mal in die Hände klatschen, damit die Kreuzottern die Chance haben, sich zurückzuziehen.“ Außer ihnen seien an sonnigen Tagen zarte Libellen zu entdecken. „Eine Besonderheit ist die Hochmoor-Mosaikjungfer. Die Weibchen legen ihre Eier ausschließlich in die Polster von Torfmoos-Schwingrasen“, so die Naturführerin.

Das Torfmoos hat keine Wurzeln und kann unbegrenzt wachsen.

Torfmoos-Schwingrasen? „Das ist eine über freiem Wasser schwimmende Pflanzendecke aus Moosen und anderen Ausläufer bildenden Pflanzen. Beim bloßen Hinsehen könnte man meinen, die Fläche sei Rasen und begehbar. Doch man sinkt gefährlich ein, wenn man sie betritt“, warnt sie und ergänzt, dass es im Himmelmoor bei Quickborn einmal zu einem Zwischenfall gekommen sei, bei dem ein älterer Herr versehentlich vom Weg abkam und bis zur Hüfte im Moor versank. Allein mit Menschenkraft sei es nicht möglich gewesen, ihn zu befreien. „Dafür musste mit der dortigen Torfbahn ein Bagger herangeschafft werden, der ihn an einem Seil herauszog.“

Wir bleiben also auf sicheren Wegen, sehen Heidelbeerbüsche, den Faulbaum, die heimische Traubenkirsche und eine seltene Nacktschnecke, genannt Schwarzer Schnegel. Bei einer grabgroßen, nassen Mulde, aus der früher Torf gestochen wurde, legen wir eine kurze Pause ein. „Bei einer meiner Führungen erzählte hier eine ältere Dame aus der Umgebung, dass sie nach dem Zweiten Weltkrieg als kleines Mädchen von nur acht Jahren mit ihrem Vater ins Moor gehen musste, um Torf zum Heizen zu stechen. Sie kletterte damals in solch ein feuchtes Loch hinein und half, die mit einem Spaten abgestochenen, schweren Platten nach oben zu wuchten, wo sie bis zum Herbst lagerten und trockneten. Es war eine enorm anstrengende Arbeit. Die herumschwirrenden Mückenschwärme plagten fürchterlich. Als die Teilnehmerin sich daran zurückerinnerte, fing sie an zu weinen. Das war sehr bewegend.“

Wenn man mit Marion Thishen-Hendess durchs Moor streift, ist zu spüren, mit wie viel Herzblut, Enthusiasmus und profundem Fachwissen sie bei der Sache ist. „Nur was wir kennen, können wir schützen. Dazu möchte ich mit meinen Führungen einen Beitrag leisten“, meint sie schlicht.

Premiere im Ohmoor: Marion Thishen-Hendess ist eine der bundesweit ersten zertifizierten Moorführern.

Am Sonntag, 2. Juni, von 10 bis 12 Uhr, lädt sie große und kleine Naturfreunde zu einer Entdeckertour auf den Spuren des Wollgrases im Ohmoor ein. Treffpunkt: Sachsenstieg 3, Hamburg. Anmeldungen bis zum 27. Mai unter: ­thishen-hendess@web.de, weitere Infos unter ichgehemeinenweg.de 

Info

Die Hamburger Loki-Schmidt-Stiftung kauft, gestaltet und pflegt seit mehr als 40 Jahren Grundstücke für den Naturschutz, damit selten gewordene Pflanzen- und Tierarten dort überleben können. Anfang 2024 startete sie mit Förderung der Vertical Stiftung eine Bildungsoffensive rund ums Moor. Schulklassen, Familien und Erwachsene haben das ganze Jahr über vielfältige Möglichkeiten, bei geführten, monatlichen Exkursionen Moorgebiete in Norddeutschland zu erkunden. Termine unter loki-schmidt-stiftung.de/moore-entdecken

Bashing des Fleischkonsums beenden

„Ich hoffe, dass auf dieser Veranstaltung Mut entsteht, den Umbau anzugehen“, erklärte Dietrich Pritschau, Vizepräsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein (BVSH), am Dienstag zu Beginn des Forums Schweinehaltung in der Kammerhalle in Rendsburg. Insbesondere die jüngsten Ankündigungen aus dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH), die Sortimente auf höhere Haltungsstufen umzustellen, böten Perspektiven.

Dietrich Pritschau

Pritschau, selbst Schweinehalter, erinnerte an den Abschlussbericht der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL), nach dem bis 2040 alle Tiere in Deutschland mindestens in Haltungsstufe 3 gehalten werden sollten. Ob dieses Ziel realistisch ist, stellte er jedoch selbst infrage. Tatsache sei allerdings, dass der Tierschutz mittlerweile maßgeblichen Einfluss darauf habe, wie Tierhalter ihre Betriebe weiterentwickelten.

Der BVSH-Vizepräsident betonte, dass der höhere Aufwand des „deutschen Sonderweges“ für Unternehmer nur darstellbar sei, wenn er auch vergütet werde. Die Borchert-Kommission habe dazu Vorschläge gemacht. „Seitdem warten wir auf die Politik“, kritisierte der Schweinehalter. Nach einer langen Phase der politischen Untätigkeit gebe es seit Kurzem wieder Bewegung. Positiv stellte Pritschau die Initiative Tierwohl (ITW) heraus. Diese habe dazu geführt, dass heute 50 % der Tiere in Haltungsstufe 2 gehalten würden.

Nach seiner Überzeugung lasse sich mit der Umstellung auf höhere Haltungsstufen dem „Bashing auf den Fleischkonsum“ etwas entgegensetzen. Mit einem Verzehr von 50 kg pro Jahr liege der deutsche Verbraucher mittlerweile rund 18 kg unter dem europäischen Durchschnitt. „Entweder geht die Entwicklung so weiter und es hören immer mehr Betriebe auf. Oder wir fangen an, den Umbau anzugehen“, stellte Pritschau klar. Die Gesellschaft solle die Tierhaltung nicht weiter als „Pickel am Po“ betrachten.

Positiv sei, dass Schweinehalter aktuell Geld verdienten, denn die Umsetzung der Tierschutznutztierhaltungsverordnung stelle die Betriebe vor große Herausforderungen. Der LEH forciere die Umstellung ihrer Produkte auf Haltungsstufe 3. Schleswig-Holstein sei dafür als eine Art Testregion auserkoren worden. Die „freiheitsliebenden“, unternehmerischen Schweinehalter sähen eine stärkere Integration ihrer Betriebe in die Programme des LEH zwar skeptisch. „Wir hoffen aber, dass die Haltungsstufen einigermaßen deckungsgleich sind“, so Pritschau. Er forderte vom LEH, Produkte höherer Haltungsstufen verstärkt zu bewerben und 5xD weiter voranzutreiben, wenn die LEH-Initiativen für die Schweinehalter glaubwürdig bleiben sollten.

Eine Milliarde reicht nicht

Werner Schwarz

Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) erklärte: „Ich kann mir ein Schleswig-Holstein ohne Schweinehaltung nicht vorstellen.“ Sein Ministerium unterstütze den Umbau zu mehr Tierwohl bereits. „Wir finanzieren eine Perspektivberatung 2040 durch die Schweinespezialberatung (SSB) und die Landwirtschaftskammer.“ Zudem gebe es eine Taskforce auf Landesebene, in der die relevanten Ministerien gemeinsam mit dem BVSH und der Beratung erörterten, welche Stolpersteine im Landesrecht aus dem Weg geräumt werden könnten, um die Genehmigung von Bauanträgen zu beschleunigen.

Schwarz berichtete von einer weiterhin großen Zurückhaltung der Betriebe, den Stallumbau anzugehen. Das belegten auch die „gerade einmal sechs Betriebe aus Schleswig-Holstein“, die bislang am entsprechenden Bundesförderprogramm teilnähmen. Diese „Tierwohlmilliarde“ allein werde laut Schwarz nicht ausreichen, damit der flächendeckende Umbau gelinge. Der Ball liege beim Bund.

Mit dem Tierhaltungskennzeichnungsgesetz habe der Bund versucht, mehr Klarheit für die Verbraucher zu schaffen. Das sei gescheitert. Die Länder wurden aus seiner Sicht zu wenig beteiligt. Schwarz fordert vom Bundeslandwirtschaftsministerium das aktuelle Gesetz aufzugeben oder es zumindest umfassend in Absprache mit den Ländern und den Wirtschaftsbeteiligten anzupassen.

LEH umwirbt Landwirte

Dr. Sandra Erdmann

Dr. Sandra Erdmann, Leitung Landwirtschaft, Tierschutz und Nachhaltigkeit der Fleischwerk Edeka Nord GmbH, berichtete, dass es seit 2021 das Gutfleisch-Strohschwein-Programm (Haltungsform 3) gebe. Die einzuhaltenden Kriterien dafür umfassten unter anderem Stroh, strukturierte Buchten, ein nachhaltiges Fütterungskonzept und Anforderungen an die Rasse. Landwirte erhielten dafür eine Abnahmegarantie, Bonuszahlungen und langfristige Verträge.

Für das neue staatliche Tierhaltungskennzeichen hatte sie nur Kritik übrig: „Bei einem Audit von Ankündigung und Umsetzung würde die Bundesregierung gnadenlos durchfallen“, unterstrich Erdmann. Es gebe noch viele Fragezeichen sowohl für Landwirte, Schlachter als auch den LEH. „Wir wissen heute nicht genau, wie ein Frischluftstall aussehen soll“, kritisierte sie. Zudem biete die staatliche Kennzeichnung aktuell keine Kriterien für andere Tierarten, was gerade bei Mischprodukten wie Hackfleisch zur Verwirrung von Verbrauchern führe. Die meisten Lebensmitteleinzelhändler ließen daher zusätzlich zum staatlichen Label die eigene Haltungsformkennzeichnung auf den Verpackungen.

Markus vom Stein

Markus vom Stein, Senior Buying Director bei Rewe, warb für die eigenen Tierwohlprogramme. Er betonte: „Wir wollen nicht Ankündigungsweltmeister sein, sondern Landwirte motivieren, bei unseren ambitionierten Programmen mitzumachen.“ Die Fleischstrategie bei Rewe bestehe aus einem Mix aus Tierwohl- und Regionalitätskriterien. Der Einzelhändler wolle die Weiterentwicklung der ITW in höhere Haltungsstufen forcieren und 5xD stärken, vor allem bei Frischfleisch. Am Ende sei aber wichtig, dass der Kunde die Ware auch abnehme. Vom Stein zeigte sich optimistisch, dass das mithilfe einer intensiveren Vermarktung gelinge.

Gute Strohqualität ist Pflicht

Im Rahmen einer Podiumsdiskussion berichteten zwei Tierhalter, die bereits mehr Tierwohl auf ihren Betrieben umgesetzt haben, von ihren Erfahrungen. Torsten Bährs aus Neufelderkoog, Kreis Dithmarschen, hält 350 Sauen im Gutfleisch-Strohschwein-Programm. Dafür bekommt er zusätzlich 20 € pro Ferkel. Zu den Genehmigungsverfahren für die Um- und Neubauten berichtete er: „Das Bauamt war wohlwollend, aber unter der Voraussetzung, dass wir unseren Bestand nicht vergrößern.“ Der neue Wartestall mit 100 Sauen funktioniere gut. Die Tiere im Deckzentrum während der Rausche nicht zu fixieren sei aber „schwierig“. In der neuen Abferkelung mit 7,5 m2 großen Boxen sei eine Herausforderung, dass die Ferkel in den ersten Tagen schlecht ins Ferkelnest fänden. Höhere Erdrückungsverluste seien aber hauptsächlich bei Altsauen festzustellen. Großgezogen werden die Ferkel im Familienbetrieb in 100er-Großgruppen in alten Schafställen. Bährs stellte die Bedeutung der Strohqualität heraus. „Wenn du schlechtes Stroh zusammenpresst, macht das keinen Spaß“, so der Tierhalter.

Zur Mast kommen die Tiere auf den Betrieb von Thorben Lucht nach Barlt, Kreis Dithmarschen. Durch das Strohschwein-Programm erhält er zusätzlich 40 ct / kg SG. Seinen Maststall mit 1.400 Plätzen in vier Großgruppen hat er nach dänischem Vorbild konzipiert. „Wir haben zum Glück eine Unterflurspül­anlage eingebaut“, berichtete auch er von hohem Mehraufwand beim Strohmanagement. Auch der Verzicht aufs Schwänzekupieren verursache durchschnittlich in jedem fünften Durchgang größere Probleme. Aktuell plant Lucht zwei Ausläufe, die eingestreut werden sollen, sodass das Stroh möglichst aus dem Stall herausgehalten werde.

Dr. Britta Siefken vom Fachdienst Bauaufsicht des Kreises Rendsburg-Eckernförde empfahl umbauwilligen Landwirten einen Blick auf die Internetseite des Kreises. Dort gebe es Checklisten, die bei der Vorbereitung eines Bauantrages hülfen. „Ich werbe auch für unsere kostenfreie Vorberatung mit dem zuständigen Sachbearbeiter“, ergänzte Siefken. So ließen sich möglich Fallstricke frühzeitig identifizieren.

Jens Rixen vom Planungsbüro Rixen & Heyn erläuterte seine Herangehensweise an Bauvorhaben: „Wir gucken uns zunächst die alten Genehmigungen an und überprüfen, ob die vorhandenen mit den genehmigten Tierzahlen übereinstimmen.“ Anschließend werde ermittelt, ob man sich im Baurecht oder im Recht nach Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) bewege. Baugenehmigungsverfahren für Ställe nach BImSchG dauerten häufig länger als ein Jahr. Verfahren nach Baurecht liefen normalerweise schneller.

Lena Preißler-Jebe, Baurechtsexpertin des BVSH, riet Tierhaltern bei Problemen während des Genehmigungsverfahrens, die Beratung des Verbandes in Anspruch zu nehmen. Sie erklärte: „Im rechtlichen Bereich arbeiten wir mit Begriffen, die dehnbar sind.“ Oftmals würden Spielräume nicht genutzt. Andere Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen legten Ermessensspielräume oft viel positiver für die Landwirte aus, als es in Schleswig-Holstein der Fall sei. 


Dr. Claudia Meyer-Kriszun

Dr. Claudia Meyer-Kriszun (Landwirtschaftsministerium Schleswig-Holstein) berichtete, dass Sauenhalter in der Pflicht gewesen sind, bis zum 9. Februar 2024 Umbaukonzepte für ihre Deckzentren vorzulegen. Von den 203 Betrieben in Schleswig-Holstein haben nach ihren Angaben 135 ein Umbaukonzept eingereicht, elf haben den Umbau bereits umgesetzt, sieben werden definitiv aussteigen und 50 haben bislang nichts gemeldet.

Dr. Veronika Drexl

Dr. Veronika Drexl (Schweinespezialberatung Schleswig-Holstein) erläuterte den Stand der Dinge hinsichtlich der verpflichtenden fünfstufigen Kennzeichnung nach dem Tierhaltungskennzeichnungsgesetz. Die bisherige Haltungsform 4 teilt sich demnach auf in eine neue Stufe 4 (Auslauf/Weide) und in eine Stufe 5, für die die Kriterien der EU-Ökoverordnung gelten. Laut Drexl fragen sich viele Schweinehalter, welche Voraussetzungen sie für einen Wechsel auf Stufe  3 (Frischluftstall) erfüllen müssen. Ob der jeweils angedachte Frischluftbereich passend sei, sei vielen Betrieben nicht klar. Um Umbauten grundsätzlich rentabel zu machen, gibt es seit diesem Frühjahr eine Bundesförderung. Drexl stellte alle Kriterien sowohl für die investive Förderung als auch die Förderung der Mehrkosten vor. Mehr Informationen zum Bundesförderprogramm

Carla Isenberg

Carla Isenberg (Rentenbank) stellte das Programm „Zukunftsfelder im Fokus“ der Rentenbank vor. Darin werden Vorhaben finanziert, die Haltungsstufe 3 oder höher ermöglichen. Nach ihren Angaben sind die Baukosten in den vergangenen drei Jahren um 50 % gestiegen. Hauptursachen seien die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine. Sie erwartet für die Zukunft eine Seitwärtsbewegung bei diesen Kosten. Laut Rentenbank ist die Finanzierungssumme von Ställen für alle Tierarten zurückgegangen. Das bereite Sorgen.

Dr. Dorothee Holste

Dr. Dorothee Holste (Sachverständige für Emissionen und Immissionen) erläuterte die Unterschiede von Bauvorhaben, die dem Baurecht, und solchen, die dem Immissionsschutzrecht (BImSchG) unterliegen. Sie berichtete, dass in die TA Luft ein Tierwohlaspekt aufgenommen worden sei, Geruchsimmissionswerte aber unverändert gälten. Die Vollzugshinweise zu Haltungsverfahren in der Schweinemast, die nachweislich dem Tierwohl dienen finden Sie HIER.

Mehr Tempo für Wärmewende und Wasserstoff

Die Energieministerinnen und -minister, Energiesenatorinnen und der Energiesenator der 16 Bundesländer haben bei der Energieministerkonferenz in Kiel vorige Woche Beschlüsse zu den Herausforderungen im Bereich der Wärmewende, des Wasserstoffhochlaufs, der Finanzierung der Energiewende sowie der Digitalisierung und Flexibilisierung des Strommarkts gefasst.

Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Tobias Goldschmidt (Grüne) zog ein positives Fazit der Konferenztage. Nach den zurückliegenden Krisenjahren habe der Bund den Rahmen für die Wärmewende gesetzt, den die Länder nun gemeinsam mit den Kommunen, Unternehmen und Privathaushalten umsetzten: „Einstimmig haben wir uns für eine Beschleunigung der Wärmewende ausgesprochen. Wir sind uns als Länder einig, dass die ersten Förderprogramme des Bundes besser ausgestattet werden müssen. Darüber hinaus braucht es weitere Instrumente, etwa um Risiken abzusichern und privates Kapital zu heben“, konkretisierte Goldschmidt.

Robuste CO2-Bepreisung

Der Minister betonte die Notwendigkeit, die Transformation zur Klimaneutralität marktwirtschaftlich anzureizen: „Die wirtschaftlichste Lösung muss zugleich auch die klimafreundlichste sein.“ Dafür sei eine Reform von Steuern, Abgaben und Umlagen erforderlich. Erneuerbare Energien müssten gegenüber fossilen wettbewerblich bessergestellt werden: „Das am besten geeignete Mittel dazu ist eine robuste CO2-Bepreisung. Wir haben uns für eine umfangreiche Reform der entsprechenden Preisbestandteile ausgesprochen.“ Die eingenommenen Mittel würden auch für die soziale Kompensation gebraucht werden.

Sachsen-Anhalts Energieminister Prof. Armin Willingmann (SPD) erklärte: „Von Kiel geht das klare Signal der Länder an den Bund aus, die Wärmewende nachhaltiger zu finanzieren.“ Die Kommunen benötigten für die Erstellung von Wärmeplänen mehr Unterstützung, die bislang vom Bund eingeplanten 500 Mio. € würden nicht ausreichen. Notwendige Investitionen in die Energie-Infrastrukturen könnten Bund, Länder und Kommunen nicht allein stemmen, so Willingmann. „Hier muss privates Kapital mit zum Einsatz kommen.“ Hierzu sollen ein aus öffentlichen und privaten Mitteln gespeister Energiewendefonds und weitere Instrumente zur finanziellen Absicherung von Investitionen durch den Bund geprüft werden.

Versorgungssicherheit

Hubert Aiwanger (Freie Wähler), Wirtschafts- und Energieminister Bayerns, erklärte: „Deutschland braucht im Rahmen der Kraftwerksstrategie genügend wasserstofffähige Gaskraftwerke für die Versorgungssicherheit, gerade auch im Süden. Zudem muss der Ausbau der Wärmenetze mit ausreichenden Bundesmitteln gefördert werden. Die Gasnetze müssen perspektivisch auch mit Wasserstoff betrieben werden können.“

Baden-Württembergs Energieministerin Thekla Walker (Grüne) hielt fest: „Eine konkrete Ausgestaltung der Kraftwerksstrategie ist Voraussetzung für einen schnellen Ausstieg aus der Kohle. Neue wasserstofffähige Gaskraftwerke, die bei Bedarf als Back-up für Erneuerbare einspringen, brauchen wir vor allem in den industriellen Zentren des Landes.“ Ein Anreiz für ihren Bau könne ein Neubauvorschuss sein.

Die zentralen Beschlüsse:

Wärmewende: Die Länder stellen sich geschlossen hinter das Wärmeplanungsgesetz des Bundes. Um die beschlossene Wärmewende umzusetzen, müsse ihre Finanzierung geklärt sein. Dafür fordern die Länder vom Bund einen verlässlichen Förderrahmen. Die vom Bund bereitgestellten 500 Mio. € für die Wärmeplanung seien ein wichtiger erster Schritt. Die Länder betonen aber, dass es für die Fortschreibung der Wärmepläne und für die Umsetzung von Maßnahmen unbedingt weiterer Mittel bedürfe. Dabei fordern sie zusätzlichen Spielraum beim Aufbau eigener Förderprogramme – etwa indem sie Förderprogramme wie die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze zusätzlich mit eigenen Mitteln aufstocken dürfen, was bisher aus rechtlichen Gründen nicht zulässig ist.

Zudem sollten Kommunen und Bürger mehr Planungssicherheit bekommen. Dazu könnten die Angebote des Kompetenzzentrums Kommunale Wärmewende einen wertvollen Beitrag leisten. Nicht zuletzt sollten die gestiegenen Fernwärmepreise transparenter werden und in einem fairen Rahmen bleiben.

Netzinfrastruktur ausbauen

Wasserstoffhochlauf: Neben der aktuell aufgrund der Finanzierungsvorgaben des Bundes noch unsicheren Umsetzung des Wasserstoffkernnetzes bedarf es aus Sicht der Konferenzteilnehmer ferner einer zügigen Entwicklung weiterer Netzinfrastruktur und ihrer Anbindung an das Kernnetz. Nicht alle Regionen und Standorte mit Wasserstoffpotenzialen konnten bei der Kernnetzplanung berücksichtigt werden. Auch die Rahmenbedingungen für den Aufbau eines Wasserstoff-Verteilnetzes müssten festgelegt werden. Weiter brauche es den Aufbau von Elektrolyse-Kapazitäten, Import-Infrastrukturen und einer Wasserstoffspeicherstrategie.

Finanzierung der Energiewende: Damit die Energiewende bezahlbar bleibe, einigte sich die Konferenz auf Maßnahmen, damit die Erneuerbaren Energien nicht mehr systematisch gegenüber den fossilen benachteiligt würden. Außerdem beschließen die Länder, Netzentgelte und andere staatlich gesetzte Stromnebenkosten wie die KWK-Umlage und die Stromsteuer zu prüfen und so zu steuern, dass Grüner Strom günstiger werde – besonders im Vergleich zu fossil produziertem Strom. Ein robuster CO2-Preis solle die Transformation zur Klimaneutralität vorantreiben.

Digitalisierung und Flexibilisierung: Mit dem Strom aus Wind und Sonne gehen Schwankungen im Netz einher. Um diese auszugleichen, setzen die Länder auf Digitalisierung und Flexibilisierung. Dafür sollten digitale Stromzähler (Smart Meter) schneller flächendeckend eingebaut werden und zeitnah auch für Endverbraucher dynamische Stromtarife auf den Markt kommen. Damit zum Beispiel E-Autos dann laden, wenn der Strom günstig ist – und Erneuerbar.

Zwischenbilanz der Spargelbetriebe

Die meist direkt vermarktenden Betriebe zeigen sich mit dem bisherigen Verlauf zum großen Teil zufrieden und ziehen ein eher positives Zwischenfazit.

Nun beginnt allerdings der knifflige Teil der Saison, da alle Feiertage vorbei sind und die Nachfrage dann oft zurückgeht.

Die ausgiebigen Niederschläge vor der Saison sorgten dafür, dass sich die Frühjahrsarbeiten auf den Spargelbetrieben verzögerten. Überrascht waren viele Spargelbauern, wie schnell dann einige Flächen doch abtrockneten, sodass das Aufdämmen im März noch relativ früh beginnen konnte. Die erstellten Spargeldämme waren von guter Struktur, feinkrümelig, um ein schnelles Erwärmen zu gewährleisten, denn der Spargel wächst erst bei Temperaturen von 10 bis 12 °C an der Triebkrone.

Nur vereinzelte kleinere Mengen konnten in Schleswig-Holstein vor Ostern geerntet werden. Das lag zum einen am frühen Osterfest und zum anderen an der nassen Witterung vor der Saison. Dennoch war es ein relativ früher Saisonbeginn für das nördlichste Bundesland.
Nach kühleren Tagen im April mit schwankenden Absatzmengen sorgte das teilweise sonnige Wetter für die nötigen Kaufanreize und die Betriebe zeigten sich mit dem Absatz bislang zufrieden.

Bei uns werden zirka 90 % des erzeugten Spargels direkt vermarktet. Die Nachfrage passte gut zu den produzierten Mengen. Die Spargelanbauer hoffen auf weiterhin gute Absatzmengen, denn die Saison geht traditionell noch bis zum 24. Juni. Sehr gute Qualitäten bei bisher stabilen Preisen auf Vorjahresniveau lassen sie optimistisch auf die kommenden Wochen schauen. Die Verbraucher können sich weiterhin auf frischen Spargel aus der Region in den verschiedenen Preiskategorien freuen.

Mauerblümchen füllen Fugen

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Wer schon gleich beim Bau einer Trockenmauer an die Bepflanzung denkt, ist fein raus. Beim Aufschichten der Steine lassen sich handelsübliche Topfgrößen leicht einbauen. Wenn aber nachträglich schmale Zwischenräume begrünt werden sollen, bieten sogenannte Kleinballen eine praktikable Lösung. Mit den Mauerblümchen im Kleinformat verwandelt sich die Trockenmauer oder die mit Steinen abgestützte Böschung in einen vertikalen Garten.

Kleinballen passen selbst in Fugen und Spalten, die nur wenige Zentimeter breit und tief sind. Diese Stauden werden aus Stecklingen oder Samen in Multitopfplatten herangezogen. Deren einzelne Zellen laufen unten spitz zu. Daher entwickelt sich ein trichterförmiger Ballen. An sich ist das nichts Besonderes, denn Staudengärtnereien vermehren viele Pflanzen auf diese Weise. Allerdings werden sie für die weitere Anzucht bald in größere Töpfe verpflanzt.

Über die Blühfreude und Trockenheitsverträglichkeit so mancher Fugenpflanze kann man nur staunen. Foto: Karin Stern

Die Kleinballen-Stauden hingegen bleiben bis zum Verkauf in diesem Format. Eine Mindestbreite von 3 bis 4 cm sollte die für die Ansiedlung gedachte Spalte oder Fuge schon aufweisen. Ganz ohne Bodenanschluss geht es jedoch nicht. Sofern noch nicht vorhanden, füllt man ein mit Steinen oder Splitt durchsetztes Substrat in die Fuge und drückt den Kleinballen hinein. Das Substrat lässt sich leicht aus etwas Mutterboden oder Erde von Maulwurfshaufen und Splitt mischen. Klassische Blumenerde empfiehlt sich nicht. Einmal komplett ausgetrocknet, wird sie nie wieder richtig feucht. Nach der Pflanzung ist eine Zeit lang auf ausreichende Feuchtigkeit zu achten. Haben sie sich etabliert, brauchen die Mauerblümchen nur wenig Aufmerksamkeit. Tipp: Größere Ballen Ausläufer treibender Pflanzen wie Polster-Glockenblume (Campanula poscharskyana) oder Polster-Ehrenpreis (Veronica pedunculata) können in kleinere Ballen geteilt und in Fugen gepflanzt werden. Bei Pflanzen, die sich aus einem einzigen Vegetationspunkt entwickeln, klappt das leider nicht. Dazu gehören etwa Lerchensporn (Corydalis), Braunstieliger Streifenfarn (Asplenium trichomanes) und Hauswurz (Sempervivum).

Hitze, Trockenheit und Kälte machen der Hauswurz nichts aus. Foto: Karin Stern
Die Hängepolster-Glockenblume eignet sich perfekt zum Begrünen von Mauern und Treppen. Foto: Karin Stern

Bei den als Kleinballen angebotenen Stauden handelt es sich meist um Steingartenpflanzen, die sich kriechend ausbreiten und schöne Blattpolster oder -rosetten besitzen. Für sonnig warme, nach Süden und Westen ausgerichtete Mauern gibt es eine ganze Reihe geeigneter Kandidaten. Unter den Mittagsblümchen (Delosperma) kommen dabei vor allem die winterharten Varianten infrage. Die Sorte ‚Letseng‘ zeigt schon bereits früh im Mai leuchtend rotviolette Blüten. Nachzügler tauchen immer wieder bis September auf. Die Mittagsblumen-Hybride ‚Red Fire‘ macht ihrem Namen mit der leuchtkräftigen roten Blüte alle Ehre. Außerdem breitet sie sich willig aus, sodass sie im Laufe der Zeit hübsche hängende Polster bildet.

Nahezu unverzichtbar ist der Kaskadenthymian (Thymus longicaulis ssp. odoratus) mit seinem dichten, kissenförmigen Wuchs. Der wundervolle Schmetterlingsmagnet lockt mit rosafarbenen Blüten von Juni bis Juli viele Schmetterlinge an. Ein Rückschnitt nach der Blüte ist nicht zwingend notwendig. Geraten die Triebe zu lang, greift man im Frühjahr zur Schere. Dabei sollte wie bei Lavendel nicht ins alte Holz zurückgeschnitten werden, um die Austriebskraft zu erhalten.

Unter den verschiedenen Thymian-Arten finden sich einige geeignete Kandidaten für die Verschönerung von Fugen. Foto: Karin Stern

Steinkraut (Alyssum montanum) ist als klassische Steingartenpflanze bekannt. Doch für die Trockenmauer empfiehlt sich besonders das Berg-Steinkraut (Alyssum wulfenianum). Es wächst kompakter und ist langlebiger. Zudem blüht es mit ausgezeichneter Fernwirkung etwas später im Mai. Wer danach zügig zurückschneidet, darf sich als Lohn für die geringe Mühe über einen Nachflor im Juli freuen.

Für halbschattig ausgerichtete Trockenmauern steht ebenfalls eine breite Auswahl an geeigneten Stauden zur Verfügung. Die Blüte zeigt sich bei ihnen meist in der ersten Jahreshälfte. Fällt die Wahl auf wintergrüne Arten, sorgen sie auch in der kalten Jahreszeit für etwas Farbe. Der Braunstielige Streifenfarn (Asplenium trichomanes) ist ideal für beschattete Mauerfugen, gedeiht, einmal eingewachsen, aber auch an sonnigen Standorten. Unter den vielen Moos-Steinbrech-Sorten (Saxifraga x arendsii), die von März bis Mai mit reicher Blüte den Blick auf sich ziehen, empfehlen sich besonders die Hybriden ‚Peter Pan‘ (karminrot), ‚Schneezwerg‘ (weiß) und ‚Pixie‘ (rosa). Die Sortenvielfalt ist insgesamt enorm. Die Unterschiede liegen hauptsächlich in Blütenfarbe und Wuchshöhe, sodass jeder Gärtner seine Lieblingsvariante finden sollte.

Weitere Arten für
sonnige Standorte (Auswahl):

Teppich-Schleierkraut (Gypsophila repens)
Zwerg-Polster-Ehrenpreis (Veronica liwanensis)
Polster-Glockenblume ‚G.F. Wilson‘ (Campanula x pulloides)
Rispen-Steinbrech ‚Portae‘ (Saxifraga paniculata)
Hauswurz ‚Reinhard‘ (Sempervivum-Hybride)
Walzen-Fettblatt (Sedum anacampseros)

Weitere Arten für den
Halbschatten (Auswahl):

Farn-Lerchensporn
(Corydalis cheilanthifolia)
Karpaten-Schaumkresse
(Arabis procurrens)
Sternmoos (Sagina subulata)
Mauer-Zimbelkraut ‚Globosa Alba‘ (Cymbalaria muralis)
Gold-TripmadamAngelina‘
(Sedum reflexum)
Polster-Glockenblume
(Campanula poscharskyana)

Dienen Trockenmauern der Abstützung von Gelände, eignet sich auch die Mauerkrone für eine Bepflanzung. Foto: Karin Stern
Ungewöhnliche Wuchsformen zeichnen die Pflanzengruppe der Sukkulenten aus. Foto: Karin Stern
Zur Blütezeit zieht der Moos-Steinbrech die Blicke auf sich. Foto: Karin Stern
Der Gelblichweiße Lerchensporn (Corydalis ochroleuca) ist der trockenheitsverträglichste Vertreter der Familie. Foto: Karin Stern
Die feine Blattzeichnung macht den Braunstieligen Streifenfarn zum Blickfang. Foto: Karin Stern


„Wenn du sie fragst, sind sie Bauern“

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Der Demeter-Hof Sophienlust in Schierensee bei Westensee, Kreis Rendsburg Eckernförde, eine Arbeits- und Lebensgemeinschaft, arbeitet hauptsächlich mit Menschen mit Assistenzbedarf.

„Ich mag die Kühe. Ich mach sie jeden Tag sauber vor dem Melken. Das gefällt mir echt gut“, sagt Tim, und es ist ihm anzumerken. Der 34-Jährige arbeitet auf Hof Sophienlust unter anderem in der Milchwirtschaft. Das Besondere, auch für einen Demeter-Hof: Es gibt 17 Betreuungsplätze für Menschen mit Assistenzbedarf in der Lebens- und Arbeitsgemeinschaft, die aus insgesamt über 40 Menschen besteht, von denen die meisten auf dem Hof wohnen, darunter die Landwirtschaftsfamilien, Altenteiler, pädagogische Mitarbeitende und Auzubildende.

Tim arbeitet gern mit den Kühen. Er hat einen starken Bezug zu ihnen.

Der Hof wurde 1979 übernommen und als Demeter-Hof gegründet. Die Betreuungsplätze kamen in den späten 1980er Jahren dazu. „Erst gab es nur die Landwirtschaft, daraus hat sich alles nach und nach entwickelt“, weiß Lukas Schmidt, der seit 2020 zusammen mit zwei Kollegen die landwirtschaftliche Betriebsleitung innehat – er für den Ackerbau, die anderen beiden für die Viehhaltung und den Garten.

Der Hof bewirtschaftet knapp 100 ha Acker und einen großen Garten. Es wird eine breite Fruchtfolge gepflegt, das Futter zu 100 % selbst produziert. Die Tierhaltung umfasst 30 melkende Kühe mit Aufzucht und männlicher Mast, 24 Mastschweine und 450 Legehennen in zwei Mobilställen.

„Wir sind vielfältig aufgestellt“, sagt Lukas: „Das ist die Demeter-Idee: Wir düngen nicht die Pflanze, sondern den Boden mit Mist und Gülle, damit die Pflanze langfristig wachsen kann. Wir schauen, dass die Haltung zum Tier passt und nicht das Tier zur Haltung.“ So sind die Rinder horntragend, „weil Hörner eine wichtige Funktion für die Kommunikation haben“. Das Prinzip ist die biologisch-dynamische Landwirtschaft. Es gibt möglichst geschlossene Kreisläufe, keinen Einsatz von synthetischen Betriebsmitteln bei Pflanzenschutz und Düngung.

Leitungsehepaar Lukas und Anja Schmidt

Gemüse, Milch- und Fleischprodukte werden auf Märkten verkauft, das Getreide an nahe Bäckereien geliefert. Und natürlich dienen die Erzeugnisse auch der Verpflegung der großen Gruppe auf dem Hof. Gekocht und gegessen wird gemeinsam – wie in einem Familienbetrieb, aber größer, beziehungsweise wie früher auf einem Bauernhof.

Die Mitarbeiterzahl erscheint hoch, aber umständehalber geht manches ein bisschen langsamer. Die Menschen mit Assistenzbedarf arbeiten in der Landwirtschaft, in der Milchverarbeitung, beim Verkauf am Markt, in der Hauswirtschaft. Jeder wird nach seinen Fähigkeiten eingesetzt, aber mitarbeiten, das müssen sie. „Es ist etwas weniger mechanisiert als in anderen Betrieben, gerade beim Feingemüse trifft sich das gut“, sagt Lukas, „aber am Ende muss das Unkraut gejätet sein und nicht die Kultur. Wir sind ein real wirtschaftender Betrieb. Am Ende muss ‘was dabei rumkommen.“

Deshalb verlangt das Konzept ein Minimum an Arbeitsfähigkeit und -bereitschaft. Das bedeutet zum Beispiel früh aufzustehen, und auch am Wochenende müssen die Tiere versorgt werden. Auch wenn es hier und da mal schwerfällt: Die Bewohner wissen um ihre Verantwortung. Sie wissen, dass ihre Arbeit wichtig ist und dass vor allem die Tiere auf sie angewiesen sind.

„Es ist nicht bloß eine Beschäftigung, sondern eine sinnvolle Arbeit für sie“, erklärt Anja Schmidt, pädagogische Leiterin der Sozialtherapie und Ehefrau von Lukas. „Außerdem geben ihnen der Umgang mit den Tieren und der regelmäßige Tagesrhythmus Halt und Beruhigung. Sie füllen einen realen Arbeitsbereich aus, und sie identifizieren sich damit. Am Ende haben sie das Fleisch vom eigenen Schwein auf dem Tisch, die Milch von der eigenen Kuh.“ Lukas drückt es so aus: „Wenn du sie fragst, dann sagen sie, sie sind Bauern.“

Und wie steht es mit der anthro­posophischen Philosophie? „Sie prägt den Umgang mit Menschen, Tieren und Natur, die Art, wie Menschen und Umwelt betrachtet werden“, formuliert es Anja. Es wird ein Tagesspruch vor dem Essen gelesen, es werden Feste wie Johanni und Erntedank gefeiert, im Advent wird von allen gemeinsam ein traditionelles Christgeburtsspiel aufgeführt. Aber „Rudolf Steiner ist nicht überall dabei, das Gedankengut zeigt sich mehr im praktischen Tun“, sagt Anja, und Lukas: „Die Philosophie von vor 100 Jahren muss eben auf heute übertragen werden.“

Siehe auch https://www.bauernblatt.com/pioniere-des-oekologischen-landbaus/

Pioniere des ökologischen Landbaus

Der Demeter-Verband – ein biologisch-dynamisches Landwirtschaftskonzept mit anthroposophischen Grundlagen – wird dieses Jahr 100 Jahre alt. Für Schleswig-Holstein und Hamburg wird das gefeiert auf dem Demeter-Hof Dannwisch in 25358 Horst im Kreis Steinburg am Sonntag, 16. Juni, ab 13 Uhr bis in den Abend.

100 Jahre ist es her, dass der Begründer der anthroposophischen Philosophie, Rudolf Steiner, im heute polnischen Koberwitz im damaligen Niederschlesien auf Bitten von Landwirten, die sich um die Bodenfruchtbarkeit sorgten, acht Vorträge hielt. Dieser sogenannte Landwirtschaftliche Kurs bildete den Impuls und die Grundlage für die biodynamische Wirtschaftsweise. Ab 1928 wurden die so erzeugten Lebensmittel unter der Marke Demeter vermarktet. Es ist der Name der griechischen Göttin der Fruchtbarkeit, insbesondere des Ackerbaus, und der natürlichen Kreisläufe von Saat und Ernte, Geburt und Tod. Als Schwester von Zeus steht sie ganz oben in der Hierarchie der olympischen Götter.

Das Konzept der biodynamischen Landwirtschaft beruht unter anderem auf der Kreislaufwirtschaft. Das heißt, nur so viele Tiere zu halten, wie man vom eigenen Futter ernähren und deren Dung man verwerten kann. Die Gemeinschaft hat einen hohen Wert, die Mitarbeitenden, häufig auch Menschen mit Handicap, werden sozial einbezogen, etwa durch gemeinsames Essen und Rituale. Eine Besonderheit bei Demeter ist der Einsatz von Präparaten im Pflanzenbau (siehe dazu den folgenden Artikel).

Für die Backstube wird das eigene Getreide gemahlen.

Mit ihrem ganzheitlichen Gesamtkonzept hat Biodynamik eine Leitbildfunktion. Es waren Mitglieder dieser Bewegung, die wichtige Entwicklungen im Ökolandbau vorangebracht haben wie die Saatgutzüchtung, Formen der solidarischen und sozialen Landwirtschaft, Bruderhahnaufzucht, muttergebundene Kälberaufzucht sowie das Einbeziehen von Natur- und Artenschutz.

„Vor 100 Jahren hat daran sonst keiner gedacht“, sagt Dirk Kock-Rohwer, Demeter-Landwirt in Bönebüttel, Kreis Plön, und Grünen-Politiker mit Sitz im Landtag. Heute seien die Grenzen fließender, auch konventionelle Betriebe achteten auf Bodengesundheit, beschäftigten Menschen mit Behinderung.

Als internationale Biomarke ist Demeter heute auf allen Kontinenten vertreten. In rund 80 Ländern wirtschaften rund 8.000 Landwirte mit rund 250.000 ha Fläche nach den Demeter-Richtlinien biologisch-dynamisch, dazu kommen mehr als 2.500 Demeter-Mitglieder aus Verarbeitung und Handel. In Deutschland sind es rund 1.800 Landwirte mit rund 114.000 ha Fläche, in Schleswig-Holstein 75.

Ganzheitliches Denken in der Praxis

Hof Klostersee bei Cismar, Kreis Ostholstein

Hof Klostersee hat seine Flächen, wie schon der Name sagt, auf einem ehemaligen See des Klosters Cismar, einem Haff der Ostsee, trockengelegt um 1860 von Hamburger Kaufleuten. Die Hof­stelle in der Gemeinde Grömitz im heutigen Kreis Ostholstein wurde 1863 gegründet, seit 1987 ist sie Demeter-Betrieb.

Bisher wurde das Gebiet noch nicht wie etwa der nahe Oldenburger Graben in die landesweite Kulisse für Wiedervernässung aufgenommen. „Wir haben lange Erfahrung mit der Wasserregulierung, das muss man standortspezifisch betrachten“, sagt der landwirtschaftliche Betriebsleiter Knut Ellenberg (57) und ist damit einig mit anderen betroffenen Bauern im Land.

Zunächst aber macht er sich Gedanken über die Bodenqualität. „Die Substanz an den tiefen Stellen ist in hohem Maße organisch, die müssen wir vor Verbrauch schützen.“ 32 ha davon werden seit 25 Jahren extensiv von Rindern beweidet, doch „das hebt den ökologischen Wert nur zum Teil. Das Land aus der intensiven Bewirtschaftung zu nehmen reicht nicht, es braucht zusätzliche Maßnahmen.“ Was zum Beispiel? Er überlegt. „Eventuell weitere Tierarten, Ziegen, Schafe, doch das ist wirtschaftlich schwierig.“

Auch die biologisch-dynamische Demeter-Landwirtschaft sei ja in die ökonomischen Verhältnisse eingebunden, aber sie versuche, das natürliche und das wirtschaftliche Umfeld als ganzheitlichen Haushalt zu begreifen. „Das Futter kommt von der Fläche und geht wieder zur Fläche. Die Kuh gibt der Fläche zurück, was ihr fehlt, das ist Kreislaufwirtschaft.“ Gemeint ist, dass mit dem Dung möglichst viele Stoffe an dem Ort bleiben, wo sie herkommen.

Knut Ellenberg mit Bulle „Thor“

In diesem Sinne wird auf Hof Klostersee auch Saatgut zum Teil nachgezogen, Roggen wieder ausgesät, bei Weizen und Dinkel ist man an Saatgutzuchtprojekten beteiligt. Acker und Grünland werden in einem ausgewogenen Verhältnis von 80 zu 120 ha gehalten. Das Getreide für die eigene Bäckerei wird am Hof gereinigt und gemahlen, sie verarbeitet davon rund 35 t im Jahr zu Brot und anderen Back- und Konditorwaren, die im Hofladen verkauft werden.

Es werden 60 Stück Milchvieh auf dem Hof gehalten und der eigene Bulle „Thor“. Ein Fünftel der Milch wird in der eigenen Käserei verarbeitet. Es gibt 32 Schweinemastplätze. Jährlich werden rund 18 Rinder geschlachtet und wöchentlich zwei Schweine. Das alles liefert jede Menge eigene Produkte für den großen Hofladen, für den Gemüse und andere Demeter-Produkte zugekauft werden.

Seit 2011 wird muttergebundene Kälberaufzucht praktiziert – was keine Demeter-Bedingung ist – und mit den Erfahrungen weiterentwickelt. Inzwischen ist das Verfahren auf Hof Klostersee so: Die Mutter – nicht eine Amme – kommt vor dem Melken zum Kalb. In der ersten Woche ist sie den ganzen Tag bei ihm, dann acht bis zehn Wochen zweimal am Tag, danach kommt eine Phase, in der das Kalb noch am Eimer trinkt.

„Die Anthroposophie begründet unser Tun, wir setzen sie praktisch um, wir dozieren sie nicht“, erklärt Ellenberg, der auch im Vorstand von Demeter Nord ist. Nur eine kleine Gruppe der Mitarbeitenden beschäftige sich bewusst damit. Großes Interesse zeigten zum Beispiel die beiden landwirtschaftlichen der vier Auszubildenden.

Die anthroposophische Philosophie spiegelt sich auch in der gemeinschaftlich gehaltenen Rechtsform wider: Der Hof ist im Eigentum eines gemeinnützigen Vereins. Eine landwirtschaftliche GbR ist Pächter, die sechs Gesellschafter sind Betriebsleiter für verschiedene Bereiche. Der Hofladen hat aus rechtlichen Gründen eine eigene GbR. Unabhängig davon gibt es ein Seniorenprojekt mit sieben Wohnplätzen. Insgesamt arbeiten rund 30 Personen auf dem Hof – von den Auszubildenden bis zu den Gesellschaftern –, die meisten, nämlich 16, im Hofladen. Fünfmal im Jahr kommen Schulpraktikanten der 9. Klassen für jeweils drei Wochen.

Ein typisches Beispiel für die anthroposophische Herangehensweise, von der der eine oder andere gehört haben mag, ist der Einsatz sogenannter Präparate: Kuhdung wird in Kuhhörnern über Winter vergraben, dann in Wasser gerührt und auf die Flächen gesprüht. Ein Horn-Kiesel-Präparat kommt im Sommer in die Erde und hernach auf die Pflanzen. „Auch das dozieren wir nicht“, sagt Ellenberg, „wir lassen die Auszubildenden rühren, die Substanz verändert sich, wir sprechen über ihre Erfahrungen.“

Verantwortung für die eigene Ernährung

Buschberghof in Fuhlenhagen, Kreis Herzogtum Lauenburg

Die Grundlagen für „Solidarische Landwirtschaft“ (SoLaWi) wurden auf dem Buschberghof in Fuhlenhagen, Kreis Herzogtum Lauenburg, schon Ende der 1960er Jahre gelegt, als man das noch gar nicht so nannte. Damals wurde Demeter-Landwirtschaft von anderen Bauern scharf angefeindet. Heute sitzt Betriebsleiter Karsten Hildebrandt (62) sogar im Ausschuss für ökologische Landwirtschaft des Bauernverbandes Schleswig-Holstein.

Wenn jeder Mensch in Deutschland rechnerisch eine bestimmte Fläche für seine Ernährung braucht, dann könnte doch jeder für deren Bewirtschaftung die Verantwortung tragen. Dies war der Grundgedanke, der die Pioniere des Buschberghofes inspirierte.

1954 wurde der Hof auf Demeter-Landwirtschaft umgestellt und 1968 an einen gemeinnützigen Träger übertragen – heute vielerorts üblich, damals eine Ungeheuerlichkeit, die Kläger vor Gericht anfochten, bis das Oberverwaltungsgericht die Erlaubnis gab. Im Laufe der Folgejahre warben sie auch für Mitstreiter, die bei der anthroposophischen GLS-Bank eine Bürgschaft für Liquiditätsausfälle des Hofes zeichneten, um ihm eine Sicherheit bei Schicksalsschlägen zu geben. Rund 80 Personen ließen sich auf das Modell ein. Jedem wurde pro Jahr 1 dz Weizen zugesprochen.

Karsten Hildebrandt mit Angler Rotvieh

1986 erfolgte ein Generationenwechsel, in dessen Zuge Karsten Hildebrandt und andere Menschen auf den Hof kamen. Das Modell, nun SoLaWi, sah ab 1988 so aus: Es wird ein Kostenplan erstellt, und die Mitglieder tragen diese Kosten anteilig. Dafür können sie alle Produkte, soweit verfügbar, bestellen, darunter auch hofeigenes Brot, Käse, Fleisch. Auswärtig verkauft wird nur selten und nur, wenn mal etwas zu viel da ist.

„Die Verteilung liegt bei den Mitgliedern“, sagt Hildebrandt. „Es fällt kein Verpacken an, kein Wiegen. Man bezahlt nicht den Kohlkopf, sondern das System.“ Und das funktioniert seit 36 Jahren, heute mit rund 100 Haushalten und im Durchschnitt 200 € pro Monat.

Die alten Grabenkämpfe mit Kollegen sind vorbei. „Heute wird man als Ökobauer akzeptiert, auch konventionelle Bauern nähern sich an“, sagt Hildebrandt. Seit einigen Jahrzehnten ist der Betrieb im Bauernverband, hauptsächlich aus praktischen Gründen vor allem wegen des Beratungsangebotes. Doch wenn es im Ökoausschuss um Marktthemen geht, sieht sich Hildebrandt außen vor: „Bei unserer Wirtschafts- und Vermarktungsweise betrifft uns das im Alltag nicht.“

Siehe auch https://www.bauernblatt.com/wenn-du-sie-fragst-sind-sie-bauern/

Nonnengansschaden in Sommerkulturen

Fraßschäden durch Nonnengänse in ackerbaulichen Sommerkulturen können entschädigt werden.

Das Entschädigungsverfahren ist auf lksh.de beschrieben. Das Schadensereignis muss spätestens 14 Tage nach Schadensauftritt gemeldet worden sein. Beim Fristende ist der Abzug der Nonnengänse einzukalkulieren. Spätestens kann ein Schaden bis Ende Mai erfasst und anschließend gemeldet werden.