Gesunde Pferdefütterung ist kein Selbstverständnis. Der Einsatz verschiedener Futtermittel wirft Fragen auf. Welches Grundfutter ist neben Gräsern und Kräutern auf der Sommerweide das Beste für Pferde? Ob Teilzeitweide, Winterfutter mit Paddockauslauf oder Boxenhaltung – Heu gewinnt eindeutig das Rennen.
Eigentlich sollte außer Frage stehen, welches Futter sich neben gesundem Weidegang am besten eignet. Heu von hoher Qualität darf als erste Wahl für die Grundfutterration angesehen werden. Doch es stellen sich anschließend zahlreiche Fragen: Wie sieht es bei unterschiedlicher Fütterung von Heu oder Heulage und Silage im Pferdemagen und im -darm mit den ph-Werten aus? Welche Werte dürfen als gesund angesehen werden und wie hoch sollte der messbare ph-Wert im Pferdeapfel liegen? Was sind die Folgen einer mittel- und langfristigen Übersäuerung?
Was dürfen Pferdehalter, Einsteller und Futtermeister mit gutem Gewissen tolerieren und dem Pferd anbieten? Kann eine Heulage, die aus witterungstechnischen und wirtschaftlichen Gründen gewonnen wurde, guten Gewissens Pferden als Grundfutter gereicht werden? Was ist mit den sogenannten Kotwasserpferden, die empfindlich reagieren? Dazu ist zu klären, wie es mit den Fruktangehalten, Schnittzeitpunkten oder bakterieller Belastung und einer Kontamination mit Staub und Schimmel aussieht.
Heulage als Alternative
In der Frage, ob sich besonders im Winterhalbjahr etwa Heulage oder gar Silage als gute Alternativen zum Heu anbieten, lautet die Antwort: eine gute Heulage ja, Silage keinesfalls. Heulage sollte unter besten Bedingungen hergestellt und gelagert sein, staubarm, ohne Fremdbestandteile wie Hundekot oder Kadaverteile, mit einem angenehmen, an Milch und feines Wiesenheu erinnernden Geruch. Wird sie nach Anbruch bald verbraucht (in zwei bis drei Tagen), spricht besonders bei ungünstigen Erntebedingungen für die Heugewinnung wenig gegen die Gewinnung von Heulage als zeitlich begrenzter Alternative. Heu oder Heulage ist besonders im Winterhalbjahr als Grundfutter unverzichtbar und sollte bei Heufütterung mindestens mit 1,5 kg pro 100 kg Lebendgewicht in der Gesamtration berücksichtigt werden. Für einen 1,65 m großen und 550 kg schweren Warmblüter sind das etwa 8,25 kg Heu als Erhaltungsfutter.
Bei freiem Zugang zu Heu steigt der ph-Wert des Pferdemagens von sehr sauren 2,0 auf etwa 5,5. Einen nicht unerheblichen Anteil daran haben die gründliche Einspeichelung und Zerkleinerung des Grundfutters. Hierbei wird säureregulierendes Bicarbonat gebildet. So wird einer Übersäuerung des Magens vorgebeugt. Dieser Ausgleich ist wichtig, denn eine anhaltende Ansäuerung des Dünn- und Dickdarms bleibt nicht ohne negative Folgen für den Pferdekörper. Erhöhte Milchsäureanteile der Futterration und des Verdauungstrakts können mittelfristig zu erheblichen Störungen des Stoffwechselhaushalts führen.
Der pH-Wert im Kot von Pferden liegt im Schnitt zwischen 6,8 und 8. Untersuchungen haben ergeben, dass es hierbei keinen signifikanten Unterschied zwischen Heulage- und Heufütterung gibt. Bei hohen Kraftfuttergaben oder Dysfermentation (krank machende Fehlverdauung) im Dickdarm sinkt allerdings der pH-Wert. „Auch im Dickdarm konnten keine Unterschiede des pH-Wertes bei Heu- oder Heulagefütterung nachgewiesen werden“, erklärt Tierarzt Björn Teegen aus der Pferdeklinik Bockhorn in Niedersachsen. Er fügt hinzu: „Das Kotwassersyndrom tritt aus unserer Erfahrung vermehrt bei Heulagefütterung auf, wobei wir es auch bei reiner Heufütterung beobachten.“ In Untersuchungen wurde bei Heulagefütterung eine geringere Zerkleinerung von Futterpartikeln beobachtet. Diese binden im Dickdarm weniger Wasser. Eiweißprodukte, die während des Silierungsprozesses entstehen, stehen weiter im Verdacht, die Wasserabsorption im Dickdarm nachteilig zu beeinflussen.
Sorgsame Ernte und Lagerung
Auch der nicht immer verantwortungsvolle Umgang mit dem Futter wirft eine Vielzahl von Fragen auf. Das mag manchem Pensionsstallbetreiber sauer aufstoßen, was die Sache allerdings nicht besser macht. So manche Kolik oder Kotwasserauffälligkeit könnte durch sorgsam geerntetes und bestens aufbereitetes und gelagertes Heu vermieden werden, auch wenn die Ursachen nicht allein in der Fütterung begründet sein müssen. Denn eine der häufigsten Ursachen von länger anhaltendem Kotwasser ist neben anderen Faktoren wie Stress und Bewegungsmangel eine schlechte Raufutterqualität. Pilze und Schimmel begünstigen die durch Kotwasser erkennbaren Darmstörungen. „Die Sachlage ist komplizierter als man denkt“, sagt Teegen. „Es scheint weniger eine Frage zu sein, ob Heu oder Heulage das bessere Futter ist, sondern vielmehr ist die Qualität von entscheidender Bedeutung.“
Gleich ob Heu, Heulage oder Futterstroh und Einstreu, es hilft, die eigene Nase hineinzustecken. Staubt das Heu schon beim Aufschütteln deutlich, riecht es muffig, sind gar Erdklumpen und andere Verunreinigungen bis hin zu Schimmel vorhanden? Hinterlässt der Geruch der Heulage ein säuerliches Kitzeln in der Nase?
Im Lager ein stabiles Produkt
Ist es einmal trocken eingelagert, ist Heu ein sehr stabiles Produkt. Es sollte allerdings nicht zu früh nach der Ernte verfüttert werden. Ein sechs- bis achtwöchiges „Ausschwitzen“ des Heus muss zwingend eingehalten werden. Während dieser Zeit kommt es zu einer starken Vermehrung von Bakterien und einer Erwärmung des Heus. Der dabei entstehende Wasserdampf kondensiert an der Oberfläche und der Wassergehalt des Heus wird reduziert. Wird Heu in dieser Phase verfüttert, kann der erhöhte Keimgehalt zu erheblichen und gefährlichen Verdauungsstörungen führen.
Unsachgemäße Lagerung, wie eine zu enge Lagerung mit wenig Durchlüftung oder Bodenfeuchte, ist häufig an einer Schimmelbildung erkennbar. Auch Kontaminierung im Lager, etwa durch Tierkot und Urin, tritt nicht selten auf. Solches Futter gehört nicht auf den Futtergang oder in die Raufe, sondern auf den Misthaufen.
Heulage wird nach einer Anwelk- und Trockenphase unter Luftabschluss konserviert. Durch mikrobiell gebildete Milchsäure fällt der pH-Wert unter 5. Eine starke Verdichtung und ein möglichst schneller Sauerstoffabschluss sind wichtig für eine gute Konservierung. Bei einer Verletzung der üblichen Wickelfolien kommt es rasch zu einem aeroben Verderb. Dabei können Schimmelpilze, Bakterien und Hefen zu ernsthaften Problemen im Verdauungstrakt bis hin zu schweren Koliken führen. Vor allem Mykotoxine (hier Schimmelpilzgifte) schädigen nicht nur die Darmwand, sondern können auch zu Leber- und Nierenschäden führen. Es ist besonders auf die Kontaminierung der Heulage mit dem Bakterium Clostridium botulinum durch Tierkadaver oder mit größeren Erdbeimengungen zu achten. Keime und Toxine können bereits in kleinen Mengen unter anderem zu lebensbedrohlichen Nervenschädigungen führen.
Zu viel Zucker macht krank
Auf die Gesundheit der Pferde wirkt sich auch der Fruktangehalt in Gras und Heu aus. Fruktan ist ein langkettiges Zuckermolekül. Zu viel Zucker macht krank, das wissen auch Pferdehalter. Allerdings: Die Dosis macht das Gift. Ein besonderes Augenmerk sollte daher auf das Weidemanagement gelegt werden, vor allem bei Pferden, die gegenüber Fruktan empfindlich sind. Dazu zählen hufrehegefährdete Pferde sowie Pferde, die unter EMS (Equines Metabolisches Syndrom), Cushing, Sommerekzem oder einer instabilen Darmflora leiden. Sie sollten nur bei fruktanarmer Witterung auf die Weide gelassen werden. Zudem sollte der Koppelgang nur für eine begrenzte Zeit oder mit Fressbremse erfolgen. Abrupte Futterumstellungen sind zu vermeiden.
Beim Abbau in der Darmpassage kann Fruktan zu negativen Veränderungen der Darmflora führen. Hierbei sind auch krankhafte Symptome der Darmschleimhaut zu beobachten. Die Folge können Immunschwäche, Durchfall oder Kotwasser sein. Außerdem können Abbauprodukte des Fruktans zu einer vermehrten Belastung der Leber führen. Selbst vermehrter Juckreiz in der Weidesaison muss seine Ursache nicht immer im Reich der Insekten haben, da auch die Haut als Entgiftungsorgan für Abbauprodukte dient.
Einfluss auf den Fruktangehalt des Grases haben vor allem Temperatur, Licht, Jahreszeiten, Grassorten und Düngung. Faustregel: je niedriger die Temperaturen, desto höher der Fruktangehalt. Das macht sich besonders bei Nachtfrösten im Frühjahr und Herbst bemerkbar, wenn die Tage sonnig sind. Maximale Fruktangehalte entstehen zu Zeiten eingeschränkten Wachstums. Tageszeitlich steigen die Fruktangehalte im Laufe des Tages und erreichen meist mittags und am späten Nachmittag das Maximum.
Der Fruktangehalt im Heu variiert je nach Schnittzeitpunkt. Für stoffwechselkranke Pferde ist ein Heu zu empfehlen, das zwischen dem Ende des Rispenschiebens und dem Anfang der Gräserblüte geschnitten wurde. Sehr früh im Jahr geschnittenes Heu oder auch ein kurzer zweiter Schnitt weisen regelmäßig höhere Fruktangehalte auf. Der Mitte Juni einsetzende Frühsommer bietet sich mit einer früh am Tag erfolgenden Mahd für eine optimale Heugewinnung an.
Fruktangehalte gezielt steuern
Ein Stück weit kann der Fruktangehalt einer Wiese über die Wahl der Gräser gesteuert werden. Fruktanarme Gräser sind zum Beispiel das Knaulgras, Rotschwingel und Wiesenlieschgras. Zu den fruktanreichen Gräsern zählen Wiesenschwingel und das Deutsche Weidelgras. Für eine lebendige und schmackhafte Gräser- und Kräutervielfalt bieten sich Ergänzungen mit Schafgarbe, Wiesenkümmel, Wiesenknopf, Wilder Petersilie, Fenchel, Dill, Wegwarte, Spitzwegerich und Wilder Möhre an.
„Der Teufel steckt im Detail und die Frage nach einem optimalen grasbasierten Grundfutter fängt nicht nur für Pferde viel eher an als bei der Mahd des wertvollen Ernteguts Gras“, sagt der Diplom-Ingenieur Andreas Krallinger, Saatgut- und Pflanzenbauexperte von der Deutschen Saatgutveredelung. „Bislang auf die Milchwirtschaft ausgelegte Wiesen mit ihrem hohen Anteil weicherer Süßgräser liefern zwar für die Rinderhaltung zu begrüßende hohe Eiweißanteile, für die Pferdewirtschaft allerdings häufig zu wenig strukturreiche Obergräser und Kräuter.“
Gründliches, etwa einstündiges Wässern und Auswaschen kann den Fruktangehalt im Heu deutlich senken. Jedoch werden hierbei auch Vitamine ausgewaschen. Außerdem ist eine zügige Verfütterung angeraten, da die mikrobielle Aktivität im nassen Heu schnell steigt. Als Positiveffekt sinkt durch das Wässern die Staubbelastung. Auch einige Heubedampfer liefern gute Ergebnisse.
Unbeachtet bleiben an dieser Stelle die Haltung der Pferde mit oder ohne Weidegang, das soziale Gefüge und Zusammenleben der Pferde oder das Maß der täglichen Arbeit. Allein Letzteres übt einen hohen Einfluss auf die Futteransprüche aus.