„Auf den Punkt.“ lautete das Motto des 1. Sparkassen-Agrarforums Schleswig-Holstein, das heute (13. Juni) in Molfsee stattfand. Im Fokus standen Anpassungsstrategien für die Landwirtschaft hinsichtlich ökonomischer, klimatologischer und gesellschaftlicher Anforderungen.
„Schleswig-Holstein ist nach wie vor geprägt von der Landwirtschaft. Sie ist in der Region verankert, wie die Sparkassen auch“, erklärte Oliver Stolz, Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes für Schleswig-Holstein. Die „überbordende Bürokratie“ belaste mittlerweile viele Wirtschaftsbereiche. Die öffentliche Hand sollte Regeln auch wieder abschaffen können, wenn sie nicht mehr notwendig seien.
Mit Blick auf steigende Nachhaltigkeitsansprüche bei der Vergabe von Krediten werden die Sparkassen laut Stolz „ganz genau schauen, welche Auswirkungen das hat“. Es sei wichtig, über den Erhalt von Wettbewerbsfähigkeit zu sprechen. Er betonte: „Wir stehen an der Seite unserer Landwirte.
Klimawandel als Chance
Laut Katja Günther, Staatssekretärin im Kieler Umweltministerium, bieten die Veränderungen durch den Klimawandel auch Chancen. Sie erinnerte an die Dialogprozesse auf Landes- und Bundesebene, aus denen tolle Konzepte und Grundlagen für nachhaltiges Handeln hervorgegangen seien. Unstrittig sei die zentrale Aufgabe der Landwirtschaft: die Lebensmittelproduktion. Günther sehe aber auch das Artensterben auf den Feldern. „Dagegen müssen wir etwas tun“, so die Staatssekretärin. Politische Entlastungsmaßnahmen für die Landwirtschaft dürften nicht zu einem Weniger an Klima- und Umweltmaßnahmen führen. Sie befürworte eine Praxiseinführung einer Gemeinwohlprämie, um Umweltleistungen von Landwirten angemessen zu honorieren.
Agrarökonom Prof. Sebastian Lakner von der Universität Rostock thematisierte die aktuelle Zurückhaltung der Landwirtschaft bei Investitionen. Das sei teilweise ein Resultat unsicherer politischer Rahmenbedingungen. Auf den Strukturwandel habe Politik jedoch keinen größeren Einfluss. Dessen solle man sich bewusst sein. Lakner bescheinigte der Landwirtschaft einen hohen technischen Fortschritt. Arbeitskräfte würden zunehmend durch Maschinen ersetzt. der Wettbewerbsdruck sei hier grundsätzlich höher als in anderen Wirtschaftsbereichen. Das resultiere in hohem Innovationsdruck. Für die langfristigen Betriebsentwicklung empfiehlt er Landwirten, Investitionen in Nischen sorgfältig abzuwägen, da diese oft nicht dauerhaft seien. Diversifizieren schaffe zwar mehr ökonomische Stabilität, aber die Einzelprozesse seien weniger effizient, weil man sich um viele unterschiedliche Dinge kümmern muss. „Es braucht eine individuelle Balance“, so Lakner.
Als „schwierig“ bezeichnete er, dass angestellte Landwirte beim Bruttoverdienst im Vergleich zu anderen Berufsgruppen am unteren Ende der Tabelle rangieren. Außerdem hülfen Strukturen, bei denen es auch möglich ist, Urlaub zu machen. In allen anderen Bereichen der Arbeitswelt sei das gesetzt. „Sonst werden wir Schwierigkeiten haben, junge gut ausgebildete Nachwuchskräfte zu bekommen“, unterstrich Lakner.
Habitate entscheidend
Mit Blick auf Umweltherausforderungen stellte er fest, dass durch die Intensivierung der Landwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg die Artenvielfalt zurückgegangen ist. Andererseits schaffe Landwirtschaft auch Artenvielfalt. Die Habitatstruktur sei ein wichtiger Faktor. Der Hochschullehrer beschrieb: „Die Knicks in Schleswig-Holstein sind ein wichtiger Lebensraum. Wenn wir diese Knickstrukturen in anderen Bundesländern in ähnlicher Ausprägung hätten, wären wir insgesamt viel besser aufgestellt.“ Lakner bezeichnete die Stärkung der Artenvielfalt als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, wofür staatliche Mittel aufgewendet werden müssten. Mit den aktuellen Mitteln der EU-Agrarpolitik sei schon eine Menge möglich. Für eine Trendumkehr reiche das Geld aber nicht aus.
An den Landwirten scheiterten Bemühungen um mehr Artenvielfalt sicher nicht. Viele Betriebe seien offen für entsprechende Maßnahmen, zumindest, wenn es marktwirtschaftliche Lösungen wie die Schaffung neuer Betriebszweige gebe. Das hänge natürlich von Förderbedingungen ab. Der Knackpunkt sei letztlich die Vermarktung von Naturschutzleistungen. Lakner geht davon aus, dass die Zahlungsbereitschaft für nachhaltig erzeugte Produkte steigt, wenn man dafür gezielt Werbung mache.
Positive Wasserbilanz
Dr. Mathias Herbst, Agrarmeteorologe beim Deutschen Wetterdienst (DWD), erläuterte die Prognosen zum weiteren Verlauf der Erderwärmung. Nach den aktuellen Modellen werde sich die Temperaturerhöhung bis 2100 zwischen 1,7 K und 4,8 K im Vergleich zur vorindustriellen Zeit abspielen. Das politisches Ziel, die Erwärmung auf 2 K zu begrenzen werde höchstwahrscheinlich nicht erreicht. In Deutschland seien im Mittel mehr Sommertage (>25 °C) und heiße Tage (>30°C) zu erwarten. „Aber wir werden auch weiterhin Frostereignisse haben“, so Herbst. Er erklärte, dass die Wahrscheinlichkeit für Extremereignisse steigt. Bei 1 K höherer Temperatur könne die Atmosphäre 7 % mehr Wasser halten, was sich in Starkregenereignissen wie kürzlich in Süddeutschland niederschlage.
Die Jahresniederschlagssummen in Mittel- und Nordeuropa werden laut Herbst zunehmen. Mit Blick auf die Klimatische Wasserbilanz könne sich Schleswig-Holstein entspannen. „Sie war immer positiv und wird auch positiv bleiben“, schilderte der DWD-Experte. Probleme mit Dürren und Trockenheit werden seinen Angaben zufolge jedoch die Mittelmeeranrainerstaaten bekommen. Für die norddeutschen Küstenregionen dürfte aber die Entwicklung des Meeresspiegels zum Problem werden. Bis 2100 drohe dieser um bis zu 1 m im Vergleich zu 1900 zu steigen.
Herbst stellte klar, dass Klimaschutzmaßnahmen in Deutschland kaum einen Einfluss auf das Weltklima haben, solange die USA, China und die Schwellenländer sich nicht bewegten. „Aber wir wollen ja mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, dass es klimaschonend geht“, so der Meteorologe. Der Landwirtschaftssektor produziere in Deutschland nur rund 10 % der Klimagasemissionen. Sinnvolle Klimaschutzmaßnahmen sein dauerhafter Humusaufbau und die Wiedervernässung organischer Böden, sowie die Nutzung heimischer Eiweißpflanzen als Alternative zu importiertem Soja. Lachgasemissionen könnten durch geringere N-Salden und Methan durch die Reduktion der Wiederkäuerzahlen gedrückt werden. Wiederkäuer seien jedoch wichtig für die Grünlandbewirtschaftung die wiederum gut für das Klima ist.
Digitale Dokumente
Im Rahmen einer Podiumsdiskussion kamen schließlich auch Praktiker zu Wort. Klaus-Peter Lucht, Präsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein, lobte das Format des Tages des offenen Hofes, der kürzlich stattgefunden hat. Er hob hervor: „Wir müssen mehr dahin kommen, dass wir unser Handeln erklären und zeigen, was wir schon gut machen.“ Hilfreich sei beispielsweise auch die Initiative Milch, die nachweislich zur Imageverbesserung der Milchwirtschaft beigetragen habe. Mit Blick auf zusätzliche Anforderungen in Sachen „Sustainable Finance“ brauche es ein System, das einheitlich aufgebaut ist, damit die Bürokratieschraube nicht noch fester gedreht werde. Lucht betonte: „ Wir müssen als Unternehmer Entscheidungen treffen können und dürfen auf EU-Regeln nicht immer noch nationale Verschärfungen aufsatteln.“
Malte Blöcker vom Landjugendverband Schleswig-Holstein sieht Chancen im Einsatz moderner Technologien. Er beschrieb. „Wir setzen im Betrieb auf Technik, zum Beispiel Melkroboter, Fütterungsroboter und Spaltenschieberoboter.“ Die viele Bürokratie ist für ihn belastend. Viele Listen müssten mehrfach geführt werden. Er fordert mehr Digitalisierung. Blöcker sei gerne bereit, seine Betriebsdaten in ein Cloudsystem einzuspeisen, aus dem sich die Behörden dann die jeweils benötigten Daten selbst ziehen dürften.
Claudia Jürgensen, Präsidentin des LandFrauenVerbandes Schleswig-Holstein, erklärte: „Wenn junge Landwirte, die ihre Arbeit mit Herzblut machen, hören, dass sie Umweltverschmutzer und Klimakiller sind, verlieren sie die Motivation.“ Sie forderte mehr Wertschätzung für die Arbeit und betonte die Bedeutung von Frauen auf den Betrieben. Die LandFrauen-Präsidentin lobte die Qualifizierungsmöglichkeit zur Büroagrarfachfrau, die mittlerweile von mehr als 1.000 Frauen wahrgenommen wurde. „Ich wüsste nicht, wie landwirtschaftliche Betriebe ohne Frauen funktionieren sollten“, stellte Jürgensen klar.
Landwirtin und Agrarbloggerin Maja Mogwitz fühlt sich als Frau in der Agrarbranche zu 100 % wahr- und ernstgenommen. Sie hat Freude, ihren Blick auf die Herausforderungen und die Eigenheiten der Branche zu teilen. Neben Tagen des offenen Hofes sei es heutzutage wichtig, Öffentlichkeitsarbeit auch über digitale Medien zu betreiben. Sie erklärte: „Viele hängen am Handy ab.“
Der Betrieb von Henning Thomsen wurde vergangenes Jahr als Ausbildungsbetrieb des Jahres ausgezeichnet. Für den Milchviehhalter bietet das Ausbilderdasein neben dem Spaß an der Wissensweitergabe auch die Möglichkeit, Arbeitskräfte zu gewinnen. Er schilderte: „Wenn man als konventioneller Betrieb eine Stellenanzeige schaltet, weiß man eigentlich schon, dass sich wahrscheinlich niemand darauf meldet.“ Momentan gebe es viele Unsicherheiten in der Landwirtschaft. Investitionen seien aufgrund von Auflagen und gestiegener Kosten oft nicht darstellbar. Er verdeutlichte: „Die Landwirtschaft hat nur Zukunft, wenn Betriebe Geld verdienen und dadurch handlungsfähig sind.“
„Milchkühe sind Leistungssportlerinnen“
Almuth Schult, langjährige Torhüterin der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, besitzt landwirtschaftliche Wurzeln. In Molfsee berichtete sie, welche Vorteile ihr das im Leistungssport gebracht hat: „Nicht jede Leistungssportlerin weiß gut über Lebensmittel Bescheid, was aber eine wichtige Voraussetzung für Leistungssport ist.“ In der Landwirtschaft werde man dazu erzogen, Entscheidungen zu treffen und auch mal ins kalte Wasser zu springen. Sie habe zudem gelernt, gut mit den Gegebenheiten umzugehen, nicht zu klagen, sondern pragmatische Lösungen zu finden.
Aus Schults Sicht ist es wichtig, den Moment zu genießen und Erfolge zu feiern, egal ob man ein Fußballspiel gewonnen oder in der Landwirtschaft eine Ernte eingefahren hat. Landwirtschaft hat laut Schult viel mit Leistungssport zu tun. Auf einem Milchviehbetrieb beispielsweise seien Kühe die Leistungssportlerinnen, die optimal versorgt werden, einen geregelten Tagesablauf bekommen und die bestmögliche Pflege erhalten, um eine gute Leistung zu erbringen.