Bei der Kalbung wird der Grundstein für eine erfolgreiche Laktation und für gesunde Kälber gelegt. Unerkannte Schwergeburten und nicht zeitgerechte, also sowohl zu späte als auch zu frühe Hilfeleistungen können das Wohlergehen, die Fruchtbarkeit und die Milchleistung des Muttertieres sowie das Überleben, das Wachstum und die zukünftige Leistung des Kalbes beeinträchtigen. Im Herdenmanagement wird dies zur Herausforderung, wenn immer mehr Tiere zu versorgen sind und gleichzeitig immer weniger Zeit für die Beobachtung der einzelnen Tiere bleibt.
An sich ist die Kalbung ein natürlicher Vorgang, der in den meisten Fällen ohne Hilfe von außen abläuft. Wann aber ist es ratsam einzugreifen? Ein systematisches Vorgehen bei jeder Abkalbung sorgt dafür, dass alle (auch wechselnde oder neue Arbeitskräfte) immer genau wissen, was wann zu tun ist, und auch in hektischen Situationen kein wichtiger Punkt vergessen wird.
Werden die sogenannten Standardarbeitsanweisungen beziehungsweise Standard Operating Procedures (SOP) betriebsindividuell zusammen mit dem betreuenden Hoftierarzt oder der -ärztin erstellt, werden das Vorgehen und die Kommunikation im Falle eines Falles sehr wahrscheinlich eindeutiger und zielstrebiger verlaufen können. Die folgenden Punkte zur Geburtsüberwachung und Geburtshilfe sollten dabei nicht fehlen.
Welche Art der Geburtsüberwachung?
Um die Arbeitsbelastung und das Wohlergehen der Tiere zu optimieren, können Kameras und Sensoren als Hilfsmittel eingesetzt werden. Wenn die Anwesenheit der Arbeitskräfte konstant ist, beispielsweise auf Großbetrieben mit drei Melkzeiten pro Tag, können Abkalbeüberwachungssysteme, die sich sechs bis zwölf Stunden vor der nahenden Geburt melden, von Vorteil sein. Hierbei könnte die gezielte Überwachung der betreffenden Tiere in regelmäßigen Intervallen innerhalb der Betriebsroutine erfolgen, ohne zusätzliche Kosten für Arbeitsstunden zu erzeugen. In kleineren Betrieben dagegen, wo nicht ständig Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, könnten Systeme bevorzugt werden, die zu Beginn des Stadiums II Alarm schlagen. So wird der Zeitaufwand für die Beobachtung der Tiere im geburtsnahen Zeitraum reduziert und ein gezieltes Eingreifen zum Zeitpunkt der Abkalbung ermöglicht.
Es gibt verschiedene Systeme, einige spezielle nur für die Geburtsüberwachung (Vaginalspangen, Sensoren zur Erfassung der Schwanzaktivität), andere nutzen Daten von Sensoren, die auch für andere Bereiche wie beispielsweise Brunsterkennung oder Gesundheitsüberwachung Daten liefern (Pedometer, Pansenboli, Halsbänder, Ohrmarken). Ein wichtiger Aspekt ist die Zuverlässigkeit der einzelnen Abkalbealarme: Meldungen könnten auch durch andere Ursachen als das Abkalben ausgelöst werden, zum Beispiel durch Fieber oder Lahmheit. Eine hohe Empfindlichkeit kann zu einer übermäßigen Anzahl von falsch positiven Meldungen führen, was sich negativ auf die Akzeptanz dieser Systeme auswirkt.
Wann in welche Abkalbebucht?
Es gibt nicht die eine Antwort auf die Frage nach der optimalen Abkalbebox, auf jeden Fall sollte sie ein Höchstmaß an Hygiene, Tierkomfort und häufige, unauffällige Kontrollen des Geburtsverlaufs ermöglichen. Kühe sind Herdentiere und ziehen es im Allgemeinen vor, in Gesellschaft von anderen Kühen zu sein. In besonderen Situationen sondern sie sich aber auch von der Herde ab, beispielsweise bei Krankheit oder Kalbung, wobei sie meist in Sichtkontakt zur Herde bleiben. Deshalb gibt es auf vielen Betrieben Einzel-Abkalbebuchten. Unter anderem durch steigende Herdengrößen stellt dies ein Platzproblem dar.
Um diesem Problem zu begegnen, können Gruppenbuchten eine Option sein. Um Stress zu minimieren, sollten die Gruppen stabil bleiben und nicht ständig neue Tiere hineinkommen. Sonst könnte ein normaler Kalbeverlauf durch die wiederholt erforderliche Klärung der Rangordnung gestört werden. Enthält die Gruppenbucht einen etwas abgesonderten beziehungsweise baulich getrennten Bereich, kann sich die Kuh/Färse entsprechend ihrem natürlichen Verhalten kurz vor der Abkalbung von der Gruppe in einen geschützten Raum zurückziehen. Derzeit laufen Untersuchungen, inwieweit dieser Ansatz Vorteile gegenüber einer Einzelbucht bietet.
Eine Variante ist es, die Tiere umzustallen, bevor deutliche Geburtsanzeichen auftreten (zum Beispiel wenn die Beckenbänder eingefallen sind, die Zitzen glänzen und die Milch tröpfelt). Die Geburt kann nach diesen undeutlichen Geburtsanzeichen in wenigen Stunden bis einigen Tagen beginnen. Eine andere Möglichkeit ist die „Just in time“-Variante. Hier ist die Geburt schon so weit fortgeschritten (Fruchthüllen oder Klauen sind bereits sichtbar), dass auch der Stress des Umstallens den Verlauf nicht mehr aufhalten kann. Auch möglich ist die Routine, die betreffenden Tiere etwa vier bis sieben Tage vor dem voraussichtlichen Geburtstermin in die Abkalbebucht zu bringen.
Dokumentation des Geburtsverlaufs
Werden Geburtsbeginn und -verlauf für alle sichtbar dokumentiert, stehen auch bei Schichtwechsel alle wichtigen Informationen für alle Beteiligten jederzeit zur Verfügung. Solch eine Geburtsverlaufsübersicht kann zum Beispiel ein großer laminierter Zettel sein, auf dem mit einem Folienstift Datum, Tiernummer und die beobachteten Geburtsstadien und deren Verlauf mit Uhrzeit eingetragen werden. Da bei Erstkalbenden die Geburt länger dauern kann als bei Kühen, die schon mehrfach abgekalbt haben, sollten diese besonders gekennzeichnet werden. Auch das Notieren von Untersuchungen und Eingriffen sowie der Versorgung des neugeborenen Kalbes mit Kolostrum ist sinnvoll.
Regelmäßige Geburtsüberwachung
Sobald deutliche Geburtsanzeichen wie abgehaltener Schwanz, Bauchpresse, Abgang von Geburtsschleim, Sichtbarwerden von Fruchtteilen beziehungsweise Fruchtblasen vorhanden sind, sollte das Muttertier möglichst häufig (alle 15 bis 20 min) beobachtet werden. Die Beobachtung sollte möglichst unauffällig sein, damit das Muttertier nicht unnötig gestresst und der Geburtsverlauf nicht unterbrochen wird.
Die Geburt ist ein kontinuierlicher Vorgang. Bei der Vorderendlage (zirka 95 % der Fälle) sind zunächst die Klauen (Klauenfläche zeigt nach unten) und dann die Füße sichtbar, es folgen das Flotzmaul und der Kopf, dann die Schultern, bis zuletzt das Kalb vollständig geboren ist. Zeigt die Klauenfläche nach oben, handelt es sich sehr wahrscheinlich um eine Hinterendlage, im Verlauf folgen Schwanz und Becken.
Sobald eine Unterbrechung des normalen Verlaufes festgestellt wird, sollte man durch eine vaginale Untersuchung die Ursachen abklären. Diese kann die Aufweitung des Geburtskanals unterbrechen, sodass aus einer normalen Geburt eine Schwergeburt wird. Deshalb sollte man nie ohne Grund untersuchen. Das heißt, in den meisten Fällen geschieht es zu früh.
Um zum richtigen Zeitpunkt zu intervenieren, muss man die Dauer einer normalen Geburt kennen. Im Stadium I erweitert sich der Geburtskanal, häufig wechseln die Tiere zwischen Stehen und Liegen, halten den Schwanz ab und setzten häufiger Harn und Kot ab. Wenn der Gebärmutterhals vollständig geöffnet ist und Fruchtblase beziehungsweise Fruchtteile außerhalb der Scham sichtbar werden, ist Stadium I abgeschlossen. Im folgenden Stadium II setzt die Bauchpresse ein, das Kalb durchtritt den Geburtskanal. In dieser Phase legen sich vor allem Mehrkalbskühe bis zum Ende der Geburt hin. Nach dem Durchtritt des Kopfes durch die Scham sollte das Kalb innerhalb von 10 bis 15 min geboren sein.
Sobald der Geburtsvorgang nicht voranschreitet oder diese Zeiten überschritten werden, ist eine vaginale Untersuchung und gegebenenfalls Geburtshilfe notwendig. Eine sofortige geburtshilfliche Untersuchung sollte bei eindeutigen Anzeichen für eine Schwergeburt durchgeführt werden, beispielsweise wenn nur ein Fuß sichtbar ist. Auch Kalziummangel oder eine Gebärmutterverdrehung können dazu führen, dass der Übergang ins Stadium II verzögert oder sogar verhindert wird. Die Tabelle zeigt Anzeichen und die entsprechenden Referenzzeiten als Richtwerte zum Entscheiden, wann ein Eingreifen sinnvoll ist.
Stadium III wird der Zeitraum nach der Geburt des Kalbes bis zum Abgang der Nachgeburt genannt. Direkt nach der Kalbung sollte man sich zuerst um das Kalb kümmern, eventuell müssen die Atemwege von Fruchtwasserresten befreit und der Kreislauf durch Abreiben stimuliert werden. Erst anschließend erfolgt eine Untersuchung des Muttertieres, ob sich ein weiteres Kalb im Geburtsweg befindet oder ob Blutungen oder andere Verletzungen vorliegen. Die Nachgeburt sollte innerhalb von 24 Stunden nach der Geburt vollständig abgegangen sein.
Fazit
Sowohl zu frühes als auch zu spätes Eingreifen in eine Kalbung kann zu Problemen bei Muttertier und Kalb führen. Um den möglichst richtigen Zeitpunkt zu finden, ist zum einen die Kenntnis eines natürlichen Verlaufs und zum anderen das sorgfältige Überwachen einer Kalbung unabdingbar, um bei möglichen Komplikationen zeitgerecht eingreifen zu können.