Marco Fleischmann verantwortet bei Yara die Geschäfte in Deutschland, den Beneluxstaaten, Österreich und der Schweiz. Zu den Herausforderungen im Düngemittelmarkt sprach er anlässlich der Einweihung des Ammoniak-Importterminals in Brunsbüttel mit dem Bauernblatt.
Wie stark ist aktuell die Düngernachfrage? Haben sich die Bauern für die kommende Saison schon eingedeckt?
Der Einlagerungsstand auf den Betrieben ist unserer Einschätzung nach auf einem sehr geringen Niveau. Das hängt mit der Volatilität der Märkte in den vergangenen Jahren zusammen. Wir sehen keine Überhänge aus der vergangenen Saison, da die Wachstumsperiode auf Grünland relativ lange anhielt.
Wie lautet vor diesem Hintergrund Ihre Empfehlung an die Landwirte?
Wir empfehlen, sich frühzeitig und intensiv mit dem Düngereinkauf auseinanderzusetzen. Durch politische Unsicherheiten – zum Beispiel der Nahost-Konflikt – kann sich die Lage im Energiebereich schnell ändern. Eine klassische Strategie zu Risikostreuung ist, die Einkäufe zu dritteln. Die erste Gabe sollte aber möglichst schon eingekauft sein.
Wann wird CO2-armer Dünger auf Basis von Grünem oder Blauem Ammoniak marktfähig?
Klar ist, dass die aus Erneuerbaren Energien produzierten Düngemittel noch teurer sind. Das liegt ganz einfach an den höheren Energiekosten. Aber wenn wir den Klimawandel ernst nehmen, müssen wir über CO2-Reduktion in der gesamten Produktionskette bis zum Endprodukt nachdenken. Wie sich die Kosten entwickeln, können wir aktuell schlecht abschätzen, weil es noch keinen echten Markt für solche Produkte gibt. Aber wir engagieren uns in Pilotprojekten, zum Beispiel mit Nordzucker oder Harry-Brot. Darin testen wir, wie Verbraucher auf Produkte mit niedrigerem CO2-Fußabdruck reagieren. Wir haben bereits Düngemittel aus Grünem Ammoniak hergestellt und in diesen Pilotprojekten eingesetzt.
Wächst angesichts zunehmend herausfordernder Anbaubedingungen die Bedeutung der Düngerqualität?
Die Qualität wird unserer Ansicht nach extrem unterschätzt. Mit einem qualitativ hochwertigen Dünger lässt sich die Nutzungseffizienz deutlich steigern. Jeder kennt doch die dunklen beziehungsweise hellen Streifen auf den Flächen im Frühjahr. Es geht also vor allem darum, pflanzengerecht zu düngen.
Der Einsatz von Nitrifikationsinhibitoren kann Lachgasverluste deutlich verringern und reduziert damit automatisch auch den CO2-Fußabdruck der produzierten Lebensmittel. Neben hochwertigem Dünger und digitalen Tools spielt natürlich das Auge des Bauern weiterhin eine wichtige Rolle.
Wie hat sich die Rolle des Düngemittelherstellers Yara in den vergangenen Jahren verändert?
Durch die Reduktion des Stickstoffdüngereinsatzes ist es für Landwirte immer schwieriger geworden, Qualitätsgetreide zu produzieren. Wir helfen hier mit dem Ausbau unserer digitalen Angeboten, aber auch mit persönlicher Beratung, um das bestmögliche Ernteergebnis trotz der restriktiven Düngemittelvorgaben zu erzielen.
Sie arbeiten auch an der Entwicklung von Biostimulanzien. Wo liegen Ihre Schwerpunkte?
Im Bereich der Biostimulanzien gibt es schon viele Angebote. Wir fokussieren uns momentan auf die Forschung. Bislang ist oft nicht klar, wie die genauen Wirkprozesse sind. Unstrittig ist aber, dass es positive Wirkungen auf das Pflanzenwachstum geben kann. Wir sehen die Biostimulanzien als ein Element der Integrierten Pflanzenproduktion. Ich glaube, dass in diesem Bereich zukünftig noch viel passiert.
Das Thema Bürokratieabbau ist in aller Munde. Inwieweit ist Yara von Dokumentationspflichten in Sachen Nachhaltigkeit betroffen?
Nachhaltigkeitsberichterstattung ist auch für uns ein Thema. Wir veröffentlichen beispielsweise jährlich einen Report auf unserer Homepage. Grundsätzlich ist für uns wichtig, dass es am Ende ein einheitliches System gibt, wie der CO2-Fußabdruck der Endprodukte gemessen wird, auf das sich der Verbraucher verlassen kann.
Wie bedeutend ist die Problematik verunreinigter Dünger, die weiterhin zum Beispiel aus Russland auf dem deutschen Markt landen?
Das ist ein nicht zu unterschätzendes Problem. Wir raten Landwirten unbedingt davon ab, solche Dünger aus Russland zu verwenden. Zum einen finanzieren wir damit indirekt den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Aber auch klimatisch ist das ein Problem, weil die Düngemittel aus Russland einen doppelt so hohen CO2-Fußabdruck haben wie in Europa produzierter Dünger. Für die Pflanzenernährung ist aber die mindere Qualität das Hauptproblem. Harnstoff aus Russland wird zumeist mangelhaft mit Ureasehemmern behandelt. Ein weiteres Problem ist eine schlechte Verteilung zum Beispiel aufgrund verklebter Streuerschaufeln. Sowohl die schlechte chemische Behandlung als auch die problematische mechanische Verteilung machen eine bedarfsgerechte Düngung damit kaum möglich.
Sehen Sie bei diesen Importen aus Drittländern die Politik gefordert?
Prinzipiell wollen wir uns dem internationalen Wettbewerb stellen. Wir bitten aber die Politik zu bedenken, dass wir durch Produkte aus Russland den Krieg mitfinanzieren. Wir sehen die Gefahr, dass hierfür insbesondere der Düngemittelmarkt missbraucht wird. Es gilt darüber hinaus, nachhaltige Produktionsweisen aufgrund des fortschreitenden Klimawandels zu stärken. Veranstaltungen wie die heutige Terminaleinweihung in Brunsbüttel bieten für uns daher eine gute Gelegenheit, mit der Politik über die Auswirkungen des Ukraine-Krieges, aber auch über die Düngegesetzgebung, die Energiesicherheit und Nachhaltigkeitsthemen zu sprechen.