Cornelia Schmachtenberg (CDU) ist seit gut einer Woche Schleswig-Holsteins Ministerin für Landwirtschaft, ländliche Räume, Europa und Verbraucherschutz. Sie bezeichnet sich selbst als „Draußen-Ministerin“. Was das für die 34-Jährige bedeutet, welche Schwerpunkte sie setzen will und wie sie sich die Zusammenarbeit mit dem Umweltministerium vorstellt, erklärt sie im Interview mit dem Bauernblatt.
Mit welcher Einstellung und Motivation gehen Sie in das Amt der Landwirtschaftsministerin?
Cornelia Schmachtenberg: Ich freue mich total auf das neue Amt und weiß, dass es eine große Verantwortung ist. Natürlich habe ich großen Respekt, aber ich freue mich darauf, Landwirtschaftspolitik hier in Schleswig-Holstein gestalten zu dürfen und auch die anderen Themen wie ländliche Räume, Europa und Verbraucherschutz voranzubringen.
Welchen Einfluss auf Ihre Entscheidung, das Amt zu übernehmen, hatte der Familienrat?
Als ich gefragt worden bin, habe ich natürlich erst mit meiner Familie gesprochen. Letztendlich war es eine Team-Entscheidung und keine, die ich allein getroffen habe. Als Team sind wir zum Entschluss gekommen, dass wir das schaffen.
Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben? Wollen Sie an die dialogorientierte Art Ihres Vorgängers Werner Schwarz (CDU) anknüpfen?
Ich bin sehr kommunikativ und so verstehe ich auch meine Führungsrolle: zu kommunizieren, was meine Erwartungshaltung ist. Das ganze Haus ist voller hervorragender Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit enormem Fachwissen. Das ist der eigentliche Kern dieses Hauses. Werner Schwarz und Staatssekretärin Anne Benett-Sturies ist es sehr gut gelungen, ein Wirgefühl in diesem Haus zu erzeugen. Daran möchte ich anknüpfen.
Wie sehen Sie die Rolle Ihres Ministeriums innerhalb der Landesregierung?
Alle Ministerien sind erst einmal gleich wichtig. Es war auch eine bewusste Entscheidung nach der vergangenen Landtagswahl, ein eigenständiges Landwirtschaftsministerium zu schaffen. Die Themen des Ressorts passen durchaus zusammen. Zur Landwirtschaft wird ganz viel auf europäischer Ebene entschieden. Landwirtschaft ist eng mit den ländlichen Räumen verknüpft. Auch mit dem Verbraucherschutz gibt es große Schnittmengen.
Welche Schnittmengen und sehen mit dem grün geführten Umweltministerium?
Mit Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) habe ich in den vergangenen dreieinhalb Jahren schon eng zusammengearbeitet. Wir haben die Koalitionsverhandlung jeweils federführend für unser Team geführt und deswegen glaube ich, dass wir weiter gut zusammenarbeiten können.
Der Bauernverband würde vor allem die Wasserwirtschaft und den Vertragsnaturschutz lieber im Landwirtschaftsministerium angesiedelt sehen. Ist das aus Ihrer Sicht eine begründete Forderung?
Es ist klar, dass diese Themen zusammen mit der Landwirtschaft gedacht werden müssen, auch wenn die Verantwortung dafür in einem anderen Haus ist. Ich denke aber, dass wir das zusammen hinbekommen.
Sehen Sie keinen Konflikt, wenn sich Minister Goldschmidt als Fan des Ordnungsrechts sieht, Sie sich aber als pragmatische Draußen-Ministerin verstehen?
Es ist richtig, dass ich mich eher als pragmatisch bezeichnen würde. Meine Zielmarke ist definitiv nicht, mehr Ordnungsrecht zu schaffen. Tobias Goldschmidt und ich sind eben unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Interessen aus unterschiedlichen Parteien. Wichtig ist daher, dass wir politisch zu einem gemeinsamen Nenner kommen und Lösungen finden.
Können Sie nachvollziehen, dass viele CDU-Wähler aus dem ländlichen Raum kritisieren, dass sie momentan grüne Politik bekommen?
Ich nehme wahr, dass es eine gewisse Unzufriedenheit in der Landwirtschaft und im ländlichen Raum gibt. Deswegen war es wichtig, ein eigenständiges, CDU-geführtes Landwirtschaftsministerium zu schaffen. Mein Ziel ist es, den Unzufriedenen zuzuhören. Und dann müssen wir gemeinsam schauen, wie wir Lösungen hinbekommen. Klar ist aber auch – das weiß man an jedem Familientisch –, dass sich nicht jeder immer zu 100 % durchsetzen kann. Ich werde mich für die Landwirtschaft einsetzen.
Der Strukturwandel und die Konkurrenz um Fläche sind wachsende Herausforderungen. Was ist aus Ihrer Sicht ein gesundes Maß und wie wollen Sie diese Themen politisch steuern?
Der Strukturwandel ist ein Riesenthema. Politik muss sich bei jeder Entscheidung bewusst machen, ob sie den Strukturwandel verschärft. Häufig gilt das familiengeführte Landwirtschaftsunternehmen parteiübergreifend als Idealbild. Mehr Regeln, mehr Kontrolltätigkeiten und mehr Dokumentationsaufwände führen dann dazu, dass es besonders die kleinen Betriebe einfach nicht mehr schaffen. Landwirtinnen und Landwirte müssen so frei wie möglich wirtschaften können, weil sie am besten wissen, was vor Ort passiert. Mit Blick auf die Flächenkonkurrenz müssen wir als Land Lösungen finden. Hier gibt es natürlich Interessenkonflikte zwischen Landwirtschaft und Naturschutz, aber auch dem Wohnungsbau oder dem Ausbau von Erneuerbaren Energien. Ein Lösungsansatz kann sein, dass man mehrere Ziele auf einer Fläche verfolgt oder dass wir Flächentausch besser ermöglichen als bisher. Das sind Themen, die ich jetzt angehen möchte, die aber gemeinsam im Kabinett entschieden werden müssen.
Sie wollen landwirtschaftlichen Betrieben mehr Freiheiten geben. Die Arbeit der Taskforce Entbürokratisierung wurde jedoch kurz vor Ihrem Amtsantritt eingestellt. Soll diese nun wiederbelebt werden?
Wir haben in der Koalition entschieden, dass wir den Bürokratieabbau in der Landwirtschaft priorisieren. Deswegen hat Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) auf der Norla 2024 den Neun-Punkte-Plan verkündet, den Werner Schwarz gemeinsam mit ihm zu großen Teilen umgesetzt hat. Ich halte zudem unser E-Mail-Funktionspostfach (buerokratieabbau_landwirtschaft@mllev.landsh.de) für Vorschläge aus der Praxis für sehr sinnvoll. Dass die Taskforce Entbürokratisierung aufgelöst wurde, hatte rein organisatorische Gründe. Die Arbeitsgruppe werden wir fortführen.
Auf der Norla in diesem Jahr hat Bauernverbandspräsident Klaus-Peter Lucht weitere Erleichterungen gefordert, zum Beispiel die Wirtschaftsdüngerausbringung auf gefrorenen Böden und von bis 230 kg N/ha. Sehen Sie hier Möglichkeiten?
Ich stehe im regelmäßigen Austausch mit dem Landesbauernverband. Mit Klaus-Peter Lucht habe ich schon auf verschiedenen Ebenen zusammengearbeitet. Deswegen sind mir die Forderungen durchaus vertraut. Klar ist aber, dass wir uns erst einmal über mögliche Wege der Umsetzung unterhalten, um danach mit dem Koalitionspartner zu besprechen, wie wir weiter vorgehen.
Ist die Forderung nach einem praxisgerechteren Wolfsmanagement bereits befriedet?
Wir haben als eines der ersten Bundesländer den Wolf ins Jagdrecht aufgenommen, um Rechtssicherheit für unsere Jägerinnen und Jäger zu schaffen. Zudem wurde kürzlich von der Bundesregierung der gute Erhaltungszustand an die EU gemeldet. Der nächste Schritt ist nun, dass der Wolf auf Bundesebene ins Jagdrecht kommt.
Braucht Deutschland wolfsfreie Zonen?
Die Schafhaltung ist für uns wahnsinnig wichtig. Wir brauchen sichere Deiche für unser Land. Deswegen wäre es richtig, wenn man auf Bundesebene Ausnahmen für Küstenregionen beschließt.
Wie wollen Sie die von Gänsefraß geplagten Betriebe unterstützen?
Ich habe mir kürzlich auf Amrum bei Oke Martinen die landwirtschaftlichen Flächen angeguckt. Das ist wirklich erschreckend. Wenn Tausende von Gänsen die Flächen leer fressen, entstehen neben den wirtschaftlichen Schäden auch psychische Belastungen. Es gibt einen neuen EU-Agrarkommissar und wir müssen über einen neuen Anlauf nachdenken, den Schutzstatus der Gänse zu verringern. Immerhin haben wir bereits die Jagdzeiten verlängert, eine Billigkeitsrichtlinie veröffentlicht und die Entschädigungszahlungen ausgeweitet. Das wollen wir fortführen und ausbauen. Wenn die Landwirtschaft aufgrund der Gänse verschwände, hätte das Einfluss auf die gesamte Westküste, auf die Dörfer und den vor- und nachgelagerten Bereich. So weit darf es nicht kommen.
Wie stehen Sie zu dem Vorschlag, das Eiersammeln zu erleichtern?
Diese Maßnahmen haben wir auch bei Oke Martinen besprochen. Genau diese Vorschläge werden wir jetzt prüfen.
Grünland- und Knickschutz sind Beispiele für praxisferne Anforderungen an die Landwirtschaft. Wie wollen Sie grundsätzlich das Regelungsdickicht durchforsten?
Im Koalitionsvertrag steht, dass wir in Deutschland nicht über EU-Recht hinauswollen beziehungsweise in Schleswig-Holstein nicht über Bundesvorgaben. Wir wollen dazu Bürokratie abbauen. Wir brauchen einfache, pragmatische Lösungen. Das heißt ja nicht, dass wir morgen nicht mehr das Dauergrünland schützen wollen. Ich glaube, dass den Landwirten auch Knickschutz durchaus wichtig ist. Es geht aber darum, komplexe Sachverhalte so einfach wie möglich zu gestalten.
Wie wird sich das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Düngegesetzgebung auf die Roten Gebiete im Land auswirken?
Wir müssen dazu die Urteilsbegründung abwarten. Stand jetzt gibt es keine rechtliche Grundlage für die Roten Gebiete. Wir brauchen nun eine rechtlich klare Umsetzung seitens des Bundes, um hier in Schleswig-Holstein Rechtssicherheit zu schaffen. Obwohl es derzeit Presseberichte zu Verschlechterungen bei Nitratmesswerten gibt, muss man feststellen, dass Landwirte so wenig Gülle fahren wie noch nie und immer bessere Technik einsetzen. Wir dürfen nicht diejenigen bestrafen, die jetzt gut wirtschaften.
Welche Bedeutung hat für Sie die Tierhaltung in Schleswig-Holstein?
Ich werde mich sicher nicht dafür aussprechen, Tierzahlen zu reduzieren. Tierhaltung spielt für Schleswig-Holstein eine wahnsinnig wichtige Rolle. Ich möchte, dass hier heimische Lebensmittel hergestellt werden und beispielsweise das Grünland von den Milchviehbetrieben genutzt wird.
Wie sorgenvoll schauen Sie auf das derzeitige Tierseuchengeschehen?
Die Taktung nimmt zu. Dass beispielsweise die Geflügelpest früher auftritt als in anderen Jahren, ist eine unglaubliche Herausforderung für die landwirtschaftlichen Betriebe in unserem Land. Wir haben kürzlich die Allgemeinverfügung und die damit einhergehenden Biosicherheitsmaßnahmen erneut in Kraft gesetzt. Aber auch die Afrikanische Schweinepest und die Blauzungenkrankheit führen zu zusätzlichen Belastungen für die Betriebe.
Warum können Landwirtinnen und Landwirte in Schleswig-Holstein darauf vertrauen, dass ihre Interessen in der Landesregierung ausreichend vertreten werden?
Ich stehe zu 100 % an der Seite von Landwirtinnen und Landwirten und will ihre Arbeit unterstützen. Ich kenne die Praxis, habe einen Treckerführerschein, war Erntehelferin und habe Landwirtschaft studiert. Ich kenne das Geschäft, auch wenn ich keine aktive Landwirtin bin. In den vergangenen Jahren habe ich viel Politik-Erfahrung sammeln können. Das heißt: Ich will im politischen Geschäft viel für unsere Landwirtschaft herausholen. Das mache ich mit sehr viel Leidenschaft und Ausdauer.




