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Wenn Teller und Tassen ihre Geschichte erzählen

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Für mehr als 40 Personen reicht das Porzellanservice von Ingrid Weilandt. Da heutzutage aber keine oder nur noch sehr selten so große Feiern stattfinden, zu denen das komplette Service gebraucht wird, überlegt sie, es zwischen Familienangehörigen aufzuteilen. Doch vorher ließ sie es noch von Dr. Sophie Borges, Kuratorin im Schloss Eutin, bei einem Porzellangespräch in Augenschein nehmen.

Zum vierten Mal fand diese Veranstaltung statt, die Sophie Borges einmal jährlich anbietet. Dafür können Interessierte, die gern wissen möchten, woher und aus welchem Jahr ihr Porzellan stammt, was es wert sein könnte oder was es kunsthistorisch damit auf sich hat, es einige Wochen vorher bei der Kuratorin anmelden, die sich dann auf Recherche begibt.

Dr. Sophie Borges erklärt, was es mit dieser Jardinière als Erfindung des späten 19. Jahrhunderts auf sich hat. Sie ist eine Keramik und kein Porzellan.
Foto: Iris Jaeger

Bei dem diesjährigen Porzellangespräch im Rittersaal des Eutiner Schlosses gab es wieder einige interessante und spannende Hintergrundinformationen zu Manufakturen, in denen die vorgestellten Stücke entstanden sind, zur Entstehungszeit, zu Herstellungsarten, Materialien oder zu der einen oder anderen weiteren Besonderheit. Spannend war es somit nicht nur für die 16 Porzellanbesitzenden, sondern auch für die teilnehmenden Gäste ohne Geschirr.

Für das Service von Ingrid Weilandt konnte die Kuratorin keine gesicherte konkrete zeitliche oder regionale Zuordnung vornehmen, „da keine Prägemarken oder Herstellerkennzeichen auf den Stücken zu finden sind, lediglich Form-, Dekor- und Malernummern. Die Herstellerkennzeichen sind aber für eine klare zeitliche Einordnung unabdingbar“, so Borges. Und doch konnte sie Ingrid Weilandt anhand anderer Merkmale einiges zu ihrem Service erzählen. Da war zum einen das auffällige Dekor, dass neben den bunten „Manierblumen“ auch Reliefelemente enthält. „Diese sind fein und scharfgradig. Auch fühlt sich das Porzellan an sich anders an“, so Borges. Das lasse den Schluss zu, dass es sich um das sogenannte Weichporzellan handele.

Unterschied zwischen Porzellan und Keramik

Porzellan besteht aus ­Kaolin (auch Porzellanerde, ­Porzellanton, weiße Tonerde oder China Clay genannt) sowie Feldspat und Quarz. Die Anteile variieren je nach Art des Porzellans. Das Verhältnis der Rohstoffe sowie die Brenntemperatur bestimmen die Härte. Hartporzellan wird bei Temperaturen von 1.400 °C bis zu 1.460 °C gebrannt, Weichporzellan ist ein bei geringer Temperatur – bis maximal 1.350 °C – gebranntes Porzellan von geringerer Festigkeit (also „weich“). Der Unterschied zu Keramik liegt in den verwendeten Rohstoffen und der Brenntemperatur. Keramik wird hauptsächlich aus Ton hergestellt.

Dieser Teller fällt durch die Bänder in Chromgrün mit Glanzgold auf und stammt aus der Porzellanfabrik Christian Fischer in Zwickau.
Foto: Iris Jaeger

„Diese Art des Porzellans hatte lange Tradition in Frankreich und England im 19. Jahrhundert“, erfuhr das Publikum. „Insgesamt ergibt sich ein geometrisch und symmetrisch aus klaren Formen aufgebauter Eindruck, der an den Klassizismus, also die Zeit um 1800, erinnert“, so Borges‘ Zeiteinordnung. Es könne sein, dass die Urgroßeltern von Ingrid Weilandt ein altes Service gekauft hätten oder es sich um eine Re-Edition des Biedermeier handele. Neben Reliefelementen, Bemalung oder der Porzellanzusammensetzung können auch Merkmale wie Tassenhenkel einen Hinweis auf die Herkunft und das ungefähre Alter geben, wie bei dem Kaffee- und Teeservice der Familie Giesler. Das verfügt ebenfalls über keine Marke, aber: „Anhand der charakteristisch gestalteten Henkel lässt sich das Service der Porzellanfabrik Christian Fischer in Zwickau zuordnen, tätig ab 1845“, so die Kuratorin. Diese Fabrik sei bekannt für eine solide Produktpalette ab den 1850er Jahren. Laut der „Deutschen Gewerbezeitung“ von 1852 wurden die Produkte für die verwendeten Glasurfarben und deren Auftragstechnik sowie für die Serviceformen mit französischen Vorbildern gelobt.

Gerettete Tassen und tanzende Figuren

Eine von zwei Mokkatassen, die aus der Zeit um 1900 stammen.
Foto: Iris Jaeger

Konkrete Angaben gab es für die zwei Mokkatassen von Manuela Gola, die sie aus dem Sperrmüll und somit vor der Zerstörung rettete. Laut Marke stammen sie aus der Heinrich Baensch Porzellanmanufaktur in Lettin, nahe der Stadt Halle an der Saale. Gegründet 1858 entwickelte sich die Manufaktur langsam, erst ab 1868 konnte dort farbiges Porzellan hergestellt werden, ab 1900 wurde man dort international erfolgreich. 1990 wurde die Produktion stillgelegt. 2008 wurden die Markenrechte an Lettiner Porzellan von der Galerie Nord in Halle an der Saale übernommen. Die beiden Tassen stammen aus der Zeit zwischen 1900 und 1930.

Etwas Besonderes stellte auch die Figur „Tanzendes Paar“ von Monika Grindt dar. Vor allem die widersprüchlich anmutende Kleidung der beiden Tanzenden, die nicht zu der Zeit passt, sowie die stilisierten Körper mit gelängten Gliedmaßen fielen auf. Die orangerote Stempelmarke auf Glasur mit „RP“ unter einer siebengezackten Freiherren-Krone verriet der Kuratorin und Porzellanliebhaberin Sophie Borges, dass die Figur aus der Porzellanfabrik Reichsmannsdorf in Thüringen stammt, ab 1946 VEB Porzellanfigurenwerk Gräfenthal.

Die Figur des tanzenden Paares im Stil des Art déco geht auf einen großen Trend der 1930er zurück.
Foto: Iris Jaeger

Die Figur gehe auf einen großen Trend der 1930er Jahre zurück, als im Stil des Art déco Figuren von tanzenden Damen und Paaren mit eben diesen hochgradig stilisierten Körpern und gelängten Gliedmaßen entstanden. Vergleichbare Objekte der Zeit waren die Figuren des österreichischen Bildhauers und Keramikers Josef Lorenzl, der unter anderem für die Wiener Manufaktur Friedrich Goldscheider tätig war. Noch heute hätten diese Figuren Sammlerwert, allerdings wurden sie mit der Demokratisierung von Waren und Trends 1930 kopiert und massenhaft vertrieben.

Des Weiteren erfuhr das Publikum, was es mit Schleifstrichen auf sich hat, dass Böhmen zwar keine Porzellanhochburg wie Meißen war, aber ein bedeutendes Zentrum für Porzellan- und Glasproduktion mit einem Netzwerk historisch bedeutender Manufakturen und wichtiger Porzellanfabriken in Gießhübel, Pirkenhammer oder Schlaggenwald darstellte. Oder auch dass es sich bei der Marke Königlich privilegierte Tettau (T.) um eine vom preußischen König priviligierte Manufaktur handelte. Seit 1957 gehört Königlich Tettau (Jena) zur bekannten Unternehmensgruppe Seltmann Weiden in der Stadt Weiden in der Oberpfalz. 

Landjugend packt für die 72-Stunden-Aktion

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Auf dem Messegelände in Rendsburg herrschte am vergangenen Mittwoch geschäftiges Treiben. Knapp 20 Landjugendliche aus dem Vorstand, den Projektgruppen „72-Stunden-Aktion“ und „Norla“ sowie Mitarbeitende der Geschäftsstelle packten dort die Aktionspakete für die teilnehmenden Ortsgruppen. Parallel wurden im Pavillon die letzten Arbeiten für die Norla-Messe erledigt.

Worum handelt es sich bei den Aktionspaketen eigentlich? Alle vier Jahre findet die bundesweit bekannte 72-Stunden-Aktion statt. Vom 18. bis 21. September stellen sich rund 40 Ortsgruppen in Schleswig-Holstein einer geheimen Aufgabe, die erst zum Startschuss bekannt gegeben wird. Damit die Jugendlichen sofort loslegen können, stellt der Landesverband zentrale Unterstützung bereit: die Aktionspakete. Diese enthalten neben Dingen wie T-Shirts, Bechern, Bannern, Schildern oder Erste-Hilfe-Sets zahlreiche Sachspenden regionaler Unternehmen – vom Zollstock über Eimer und Sonnencreme bis hin zu Absperrband. Verpackt in große, ebenfalls gesponserte Tüten, bilden sie eine wertvolle Grundlage für die Aktionstage in den Dörfern und Gemeinden.

Packstraße auf dem Messe-Gelände

Bei angenehmem Spätsommerwetter entstand vor dem Pavillon eine regelrechte Packstraße. Während drinnen noch geputzt und ausgeräumt wurde und am neuen Tresen die letzten Handgriffe erfolgten, sortierten die Helfer draußen T-Shirts, beschrifteten Tüten und kontrollierten Inhalte. Jeder fand schnell seine Aufgabe, und Hand in Hand wuchs die Zahl der fertigen Pakete stetig an.

Der Transport und das Verpacken der Aktionspakete entpuppten sich als logistische Meisterleistung. Foto: Thore Groth
Ob Zollstock, Erste-Hilfe-Set oder Eimer: Mit dem Aktionspaket kann die Aktion direkt starten. Foto: Thore Groth
Parallel zum Packen der Aktionspakete wurden letzte Handgriffe am Pavillon erledigt. Foto: Thore Groth


In der wohlverdienten Pause gab es Hotdogs – deren köstlicher Duft offenbar auch Scharen von blutrünstigen Mücken anzulocken schien. Schon wurde es dunkel, ein Hinweis auf das nahende Arbeitsende. Doch bevor wirklich Schluss war, mussten alle Pakete noch in die Geschäftsstelle gebracht werden. Mit Handwagen, zu Fuß und per Auto glich dies einer kleinen logistischen Meisterleistung. Am Ende sahen die Büros des Verbandes eher wie ein Warenlager aus – doch das Ziel war erreicht. Schon am folgenden Sonnabend nahmen die ersten Kreislandjugendverbände nach der Landesausschusssitzung ihre Pakete in Empfang und gaben sie an die teilnehmenden Ortsgruppen weiter.

„Ohne die vielen Unterstützer und Sponsoren wäre eine Aktion in diesem Umfang nicht möglich“, betonte ein Mitarbeiter des Verbands. Zahlreiche Firmen aus Schleswig-Holstein trugen mit Sach- und Geldspenden dazu bei, dass die 72-Stunden-Aktion gelingt.

Eröffnungs­veranstaltung

Alle Sponsoren sind herzlich zur Eröffnungsveranstaltung am Donnerstag, 18. September, um 17.30 Uhr im Gemeindehaus Bargum, Bensmoor 9, 25842 Bargum eingeladen. Soll eine Ortsgruppe gesondert besucht werden, vermittelt der Landjugendverband gern den Kontakt zwischen Interessierten, Sponsoren oder Presse.

Mit einer Abschlussrunde im Pavillon endete der Abend – erschöpft, aber zufrieden. Nun ist alles bereit für die große Mitmachaktion im September und für den Auftritt auf der Norla.

Der Landjugendverband freut sich auf eine gut besuchte Eröffnungsveranstaltung in Bargum und natürlich auch über viele Besucher im Pavillon während der Norla-Messe.

Ausschreibung steht Spitz auf Knopf

Die Oktober-Ausschreibung für Biomasseanlagen dürfte, wie von der Branche bereits befürchtet, zur Zitterpartie werden. Denn noch ist unklar, ob das im Februar verabschiedete Biomassepaket tatsächlich zur Anwendung kommen wird. Grund dafür ist, dass die EU-Kommission im Zuge der beihilferechtlichen Prüfung des Biomassepakets bislang kein grünes Licht gegeben hat. Laut einer Mitteilung der Bundesnetzagentur (BNetzA) vom Mittwoch vergangener Woche könnten daher für die anstehende Ausschreibung noch die Regelungen des alten Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) zur Anwendung kommen.

Damit würden auch die im Biomassepaket beschlossenen Regelungen, etwa ein höheres Ausschreibevolumen sowie ein Flexibilitätszuschlag, wie schon in der ersten Ausschreibungsrunde dieses Jahres erneut nicht greifen. Für Biogasanlagenbetreiber gibt es trotzdem Hoffnung: Denn sollte die Brüsseler Behörde das Biomassepaket bis zum 30. September abgesegnet haben, kämen auch die vorteilhafteren Ausschreibebedingungen des Biomassepakets zum Zuge, so die BNetzA.

Bieter haben zwei Möglichkeiten

Für die Oktober-Ausschreibung hätten Anlagenbetreiber daher zwei Optionen, heißt es in der Mitteilung der BNetzA. Bieter könnten entweder von vornherein zwei Gebote für dieselbe Anlage abgeben, wobei jeweils ein Gebot für die neue und die alte Rechtslage eingereicht würde. Abhängig davon, ob die Kommission bis zum 30. September das Biomassepaket genehmigt oder nicht, müssen die Bieter dann am 1. Oktober eines der beiden Gebote zurückziehen. Oder sie geben zunächst nur ein Gebot für die alte Rechtslage ab. Auch dann hätten die Bieter die Möglichkeit, im Falle einer Genehmigung das Gebot bis zum Stichtag zurückzunehmen und ein neues Gebot einzureichen.

Laut der Behörde ist noch nicht absehbar, ob die Genehmigung durch die EU-Kommission rechtzeitig vorliegen wird. „Eine Aussage dazu, wann genau die Genehmigung vorliegen wird, kann die Bundesregierung nicht treffen, schon weil die Europäische Kommission Herrin des Verfahrens ist“, heißt es dazu knapp.

Branche befürchtet Massenstilllegungen

Auf einer vom Hauptstadtbüro Bioenergie (HBB) anberaumten Pressekonferenz warnten Vertreter der Branche am Mittwoch vergangener Woche vor den etwaigen Folgen der andauernden Hängepartie (siehe Ausgabe 35).

Mit Mut und Jerseys gegen den Trend

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Entgegen dem allgemeinen Trend, dass auch mittelständische Milchviehbetriebe in Schleswig-Holstein aufgeben, gibt es sie noch: junge Landwirte, die voller Elan und mit klaren Ideen den Einstieg wagen. Sie knüpfen an das Wissen der älteren Generation an, nutzen bestehende Strukturen und verbinden Altbewährtes mit neuen Wegen. Einer von ihnen ist Felix Schwartz aus Hardesby bei Sörup, Kreis Schleswig-Flensburg.

An einem ruhigen Sommermorgen liegt der Hof still zwischen sattgrünen Weiden. Es ist 9.30 Uhr, die Sonne steht am wolkenlosen Himmel, die Kühe grasen friedlich. Felix Schwartz begrüßt mich freundlich mit festem Händedruck und beginnt zu erzählen – von einem Weg, der in nur wenigen Monaten vom leeren Stall zum gut laufenden Milchviehbetrieb führte. Ohne Fördergelder, aber mit einer klaren Vorstellung, wohin es gehen soll.

Vom Stillstand zum Neustart

Seit dem Jahr 2000 ist der Hof in Familienbesitz. Vater Hans führte ihn lange als Milchviehbetrieb, stellte später auf Mutterkühe um. Von 2017 bis 2020 gab es nur noch die – gemolken wurde nicht mehr. „Für mich war das kein Dauerzustand“, erinnert sich der Junior. Ende September verließ die Mutterkuhherde den Hof mit Abschluss der Weidesaison. Kurz darauf, am 1. Oktober, zogen die ersten Milchkühe ein – mit finanziert durch den Verkauf der Mutterkühe. So gab es für den Hof nur etwa ein bis zwei Wochen im Leerstand.

Ideen für Modernisierungen des alten Stalles gibt es bereits.

Der heute 25-Jährige hatte 2019 seine Ausbildung zum Landwirt abgeschlossen und war für ein halbes Jahr nach Australien gereist, um den eigenen Horizont zu erweitern. Wieder zu Hause stand eigentlich der Beginn der HöLa, der höheren Landbauschule, auf dem Plan. Doch kurz vor deren Start kam ihm die Idee, den Milchviehbetrieb wiederzubeleben – und er setzte sie sofort um. So kamen mit dem Beginn der HöLa im Jahr 2020 auch die ersten 80 Kühe auf den Hof – eine Doppelbelastung, die er bewusst in Kauf nahm. „Das war schon sportlich, aber ich wollte beides: die Ausbildung abschließen und den Betrieb in Schwung bringen“, schildert Schwartz.

Vom Entschluss bis zur Milch

Der Vater reagierte zunächst zurückhaltend. Schließlich wusste er, wie arbeitsintensiv und risikobehaftet Milchviehhaltung ist. Doch die nötige Infrastruktur war noch vorhanden – sogar die Milchtanks und die Melkanlage standen ungenutzt bereit. „Wir wollten erst einmal abwarten – wie sich herausstellte, aus gutem Grund“, sagt Hans Schwartz heute.

Die Gelegenheit ließ nicht lange auf sich warten: In Dänemark gab ein Hof 80 Jersey-Kühe ab. Die Tierzahl passte, der Zeitpunkt auch, und Felix griff zu. „Man muss am Anfang mutig sein. Wer nichts wagt, der nicht gewinnt“, sagt er mit einem Lächeln.

Ohne Fördergelder oder sonstige Unterstützung ging es los. Die Jerseys kannten nur Melkroboter und mussten sich umstellen. In den ersten Wochen hakte es hier und da: kleinere technische Ausfälle, Kühe, die sich noch orientierten, viel Improvisation. Doch nach kurzer Zeit spielte sich der Ablauf ein. Nur der Milchpreis trübte den Start – mit 32 ct/l war er denkbar niedrig. „Heute sind es 50 Cent, das ist ein ganz anderes Arbeiten“, so Schwartz.

Warum Jerseys?

Die Wahl fiel nicht zufällig auf diese Rasse. Der alte Stall hat kleinere Maße, perfekt für Jerseys. Die Tiere sind robust, weidegängig und liefern eine Milch mit besonders hohem Fett- und Eiweißgehalt – daraus resultierten rund 20 ct/l mehr im Vergleich zur Standardmilch. „In Dänemark sind Jerseys gang und gäbe, bei uns in Schleswig-Holstein werden es mehr, aber es ist immer noch eine Nische mit Potenzial“, erklärt der Junglandwirt.

Im neuen Freiluftbereich sollen die Kühe mehr Komfort genießen.

Auf der Weide zeigten sie ihren Charakter: neugierig, aufgeweckt, verschmust. Schwartz zeigt sich überzeugt: „Nur gesunde Kühe geben gute Milch. Deshalb gehören Kraulen und ein gutes Miteinander genauso dazu wie Füttern und Melken.“ Beim Rundgang stupsen einige Tiere sanft mit der Nase und beäugen interessiert die Weidebesucher.

Futter, Stall und Arbeit

Der Nachwuchs stammt aus der eigenen Jersey-Zucht.

Heute stehen 100 Milchkühe im Stall, bald werden es dank eines neuen, luftigen Stallabschnitts 120 sein. Dazu kommen 80 Jungtiere aus eigener Zucht, nur gelegentlich werden Färsen zugekauft. Die Weiden rund um den Hof bieten reichlich frisches Grün.

Gefüttert wird mit selbst produzierter Gras- und Maissilage, im Sommer grasen die Kühe tagsüber draußen. Ergänzt wird das Futter durch zugekauftes Schrot aus Raps und Mais. Der Tagesrhythmus ist klar strukturiert: Melken um fünf, Frühstück um halb acht, Kühe um sieben auf die Weide, zweiter Melkgang um 16.30 Uhr. „Wenn alles läuft, ist um 18.30 Uhr Feierabend – zumindest, wenn keine Kuh kalbt“, sagt Schwartz und grinst. „Das passiert übrigens gern mal an Sonntagen.“

Der Jersey-Fan arbeitet zusammen mit seinem Vater Hans, der als Angestellter voll im Betrieb eingebunden ist. Unterstützung gibt es von Felix’ Freundin, die ein Herz für Landwirtschaft hat und anpackt, wo sie gebraucht wird.

Vorerst keine Feriengäste

Früher bildeten Ferienwohnungen ein weiteres Standbein. Doch der laufende Hofbetrieb und die vielen Gäste waren auf Dauer zu anstrengend. „Das passte irgendwann nicht mehr“, beschreibt Felix Schwartz. Die Wohnungen sind jedoch noch vorhanden. Mit etwas Aufwand könnten sie wieder aktiviert werden – vielleicht, wenn seine Partnerin Lust habe, diese Aufgabe zu übernehmen. „Wir schauen einfach, was sich ergibt.“

Ein starkes Team

Während sich Felix Schwartz mit Vater Hans die Arbeit auf dem Hof teilt, ist Mutter Michaela vor allem außerhalb des Betriebs aktiv. Sie arbeitet als Friseurin – sorgt nebenbei aber auch dafür, dass ihre Männer nicht mit leerem Magen arbeiten müssen. „Für die Verpflegung zuständig“, nennt Felix das augenzwinkernd. Ein laufender landwirtschaftlicher Familienbetrieb funktioniere eben nur, wenn man als starkes Team zusammenarbeite.

Der Neustart war kostspielig – Kühe, Futter, Technik. Dazu kamen Formalitäten: Stallabnahmen, Genehmigungen, Auflagen. Mit laufendem Betrieb wächst auch die Bürokratie. Dokumentationspflichten zu Düngung, Gülle und Medikamenten müssen digital erfasst werden. „Vergisst man zum Beispiel, zweimal im Jahr die Tierzahl online zu bestätigen, kommt sofort Post mit hoher Strafandrohung – ohne Erinnerung. Das hilft keinem“, kritisiert er.

Auch technische Vorgaben seien nicht immer praxisnah. Etwa die Pflicht, Gülle streifenförmig mit Schleppschläuchen auszubringen. Bleibe der Regen aus, verschlechtere das die Qualität des Futters und verschmutze es unnötig.

Perspektiven vorhanden

Die Milch liefert er an das Deutsche Milchkontor. Dort würden der hohe Eiweiß- und Fettgehalt der Jersey-Milch besonders honoriert. Direktvermarktung sei aktuell kein Thema, Produktveredelung nur in Kooperation. „Jersey-Eis, das es andernorts schon gibt, wäre natürlich spannend“, überlegt Schwartz.

Im Juli ging der Hof offiziell in seinen Besitz über. Größer werden soll er vorerst nicht – lieber will er optimieren und modernisieren: neue Liegeboxen, verbesserte Abläufe, zeitgemäße Technik. Haltungsform 4 sei langfristig denkbar, wenn Abnehmer und Rahmenbedingungen passten.

Sein Rat an junge Landwirte: „Ziele fest im Blick behalten, dranbleiben, sich nicht entmutigen lassen – und bestehende Strukturen nutzen.“ Für die Politik hat er klare Worte: „Regeln müssen praktikabel sein und die Gegebenheiten vor Ort berücksichtigen. Einfach über die Köpfe hinweg zu entscheiden bringt nichts. Der Austausch mit dem Bauernverband ist wichtig.“

Privat findet Schwartz Ausgleich am Strand, beim Spaziergang mit Freundin und Hund oder beim Eisessen in der Region. Wirklich frei hat er selten – und braucht es auch nicht. „Die Arbeit mit den Tieren ist genau das, was ich machen will.“

Und so fasst er seinen Weg zusammen: „Wer seine Kühe gut behandelt, bekommt viel zurück – in Milch, Freude und im Gefühl, das Richtige zu tun.“

Felix Schwartz mit vierbeiniger Unterstützung an seinem Traktor

Säen, Spritzen, Düngen

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Matthes Rauert und Fabian Schlademann sind technikbegeistert. Während ihres Agrarstudiums haben sie das Start-up Farmetrics gegründet und in verschiedene Agrardrohnen investiert, um als Dienstleister für die Landwirtschaft Fuß zu fassen. Welche Anwendungsbereiche aus ihrer Sicht besonders geeignet und welche Hürden bei der Nutzung von Agrardrohnen zu überwinden sind, schildern sie im Interview.

Wie ist Ihr Bezug zur Landwirtschaft und was motiviert Sie, im Bereich der Agrardrohnen Pionierarbeit zu leisten?

Matthes Rauert: Wir kommen beide vom Landwirtschaftsbetrieb, haben beide eine Ausbildung gemacht und uns dann im Studium in Kiel angefreundet. Wir teilen unsere Begeisterung für die Technik und sehen im Einsatz von Drohnen viele ackerbauliche Vorteile im Vergleich zu bisherigen Verfahren. Da der Markt für den Einsatz von Agrardrohnen noch sehr wenig entwickelt ist, sehen wir Chancen, uns dort zu etablieren.

In welchen Arbeitsbereichen sehen Sie das größte Potenzial für Agrardrohnen?

Rauert: Ein Bereich ist das Precision-Farming. Dort nutzen wir eine Drohne mit Multispektral­kamera für hochauflösende Flächenkartierung. Dabei erstellen wir Biomassekarten und können die Flächen gleichzeitig einmessen. Der große Vorteil der Drohne im Vergleich zum Satelliten ist, dass wir eine vielfach bessere Auflösung haben. Zudem hat die Drohne keine Probleme mit Wolken. Ein weiterer Einsatzzweck sind Spotspraying-Anwendungen. Wir können mit der Drohne die Fläche vorher abfliegen und erkennen, wo Unkräuter sind. Aus diesen Daten erstellen wir eine Applikationskarte, die wir an das Schlepperterminal übertragen.

Fabian Schlademann: Wir verfolgen den Ansatz, mit marktüblicher Technik von den Kosten und der Komplexität her einen einfachen Einstieg in die Umsetzung von Precision-Farming-Anwendungen zu ermöglichen. Bei Unkräutern im Keimblattstadium reicht diese Technik nicht mehr aus, dafür gibt es dann andere Systeme. Aber für Unkrautteppiche oder für größere Flächen mit starker Verunkrautung funktioniert das sehr gut.

Welche Einsatzgebiete sind noch denkbar?

Schlademann: Auch das Sachverständigenwesen in der Landwirtschaft kann durch solche Drohnen einen deutlichen Schub in Richtung Genauigkeit und auch Einfachheit bekommen. Denn bei einem großen Schlag ist es natürlich schwierig, Schäden zu schätzen. Eine Drohne kann das deutlich genauer und man hat belastbare Daten, die Landwirte beispielsweise im Rahmen der Nachweise für Versicherungen nutzen können.

Wie funktioniert im Vergleich der Einsatz von großen Drohnen?

Schlademann: Unsere große Drohne wiegt leer 38 kg. Inklusive Akku und 50 kg Zuladung sind wir bei einem Abfluggewicht von etwas mehr als 100 kg. Sie hat einen Durchmesser von gut 3,5 m, wenn sie ganz ausgeklappt ist. Für den mobilen Einsatz dieser Drohne brauchen wir Stromgeneratoren, um im Feldeinsatz die Akkus nach dem Austausch wieder schnell laden zu können. Die halten im Flug je nach Belastung, Beladung und Wetterbedingungen 7 bis 10 min. Etwa genauso lange dauert der Aufladeprozess. Zwei Akkus sind also im Feldeinsatz das Minimum.

Für welche Arbeiten soll die große Drohne schwerpunktmäßig zum Einsatz kommen?

Rauert: Bereiche, in denen wir Potenzial für die großen Drohnen sehen, sind die Ausbringung von Zwischenfrüchten und Untersaaten sowie Düngern und perspektivisch auch von Pflanzenschutzmitteln. In Deutschland ist die Ausbringung chemischer Pflanzenschutzmittel mit Drohnen bisher nur im Weinbau erlaubt. Kurzfristig könnte man bereits Spurennährstoffe oder Biostimulanzien ausbringen. Das ist bereits jetzt ein wachsender Markt.

Mit welchen Argumenten wollen Sie Landwirte von der Technologie überzeugen?

Rauert: Ein Vorteil ist, dass wir schon vor der Ernte Zwischenfrüchte im Bestand ausbringen können, ohne Schäden zu verursachen. Unten im Getreidebestand herrscht ein gutes Mikroklima. Da ist es immer ein bisschen feuchter als über dem Bestand. Auch wenn es relativ trocken wirkt, ist dort in der Regel ausreichend Feuchtigkeit zur Keimung vorhanden. Damit können wir also der Zwischenfrucht einen Startvorteil von bis zu 14 Tagen gegenüber der Direktsaat geben, was dazu führt, dass sie nach der Ernte einen Konkurrenzvorteil gegen die Unkrautsamen hat, die nach der Ernte auflaufen.

Schlademann: Zwischenfrüchte dienen auch dem Erosionsschutz. Wir sehen immer häufiger, dass Flächen nach der Ernte, wenn wir starke Regenfälle haben, teilweise wegfließen, wenn der Boden ungeschützt ist. Alle üblichen Vorteile von Zwischenfrüchten kommen natürlich dazu, also Humusaufbau, Wasserhaltefähigkeit und Nährstofffixierung. Außerdem ist es dank der Drohne möglich, Untersaaten im Raps oder Mais früher im Jahr auszubringen, die dann begleitend zur eigentlichen Kultur schon wachsen können.

Welche Perspektiven sehen Sie?

Rauert: Wir können grundsätzlich den Bodenschutz verbessern, weil wir auch dann fliegen können, wenn die Befahrbarkeit kritisch ist. Erfahrungsgemäß gibt es häufiger Situationen, in denen eine Pflanzenschutzmaßnahme sinnvoll wäre, aber das Fahren mit schwerem Gerät auf dem Acker den Boden schädigen würde. Gleiches gilt für die Ausbringung von Dünger auf sehr nassen Flächen.

In welcher Flughöhe arbeiten die Drohnen?

Rauert: Wir fliegen im Feldeinsatz beim Streuen und Sprühen mit der großen Drohne ungefähr 4 m über dem Bestand. Nur wenn man zum Starten und Landen fliegt, ist man in bis zu 10 m Höhe unterwegs. Mit der kleinen Drohne – das ist die mit der Multispektralkamera – gehen wir auch bis an die erlaubten 120 m Höhe. Das reizen wir aus, um die Flächenleistung zu erhöhen. Je nach Anwendungszweck sind wir aber häufig auch nur in einer Flughöhe von 30 bis 60 m unterwegs. Grundsätzlich fliegen die Drohnen automatisch auf vordefinierten Flugrouten, ähnlich wie Schlepper mit GPS-Systemen. Man arbeitet also mit wenig manuellem Input. Im automatischen Modus fliegt die Drohne einfach ruhig und exakt. Das bekommt man mit der manuellen Steuerung nicht so gut hin.

Wie hoch ist die Sicherheit für Anwender und Unbeteiligte?

Schlademann: Sicherheit spielt eine große Rolle und ist der Hauptgrund, warum man so eine große Drohne nicht einfach so fliegen darf. Wir fliegen nur in genehmigten Gebieten und müssen Maßnahmen zur Risikominderung umsetzen. Straßen und sonstige Infrastruktur sind dabei tabu. Die Befliegung der Routen geschieht dank GPS- und RTK-Technik sehr genau. Die Drohne bleibt also auf Kurs. Sie verfügt über verschiedene Sensoren, die die Umgebung abscannen, und besitzt eine Hinderniserkennung, wodurch sie im Fall der Fälle sofort stoppt. Außerdem nutzen wir die Funktion, dass die Drohne entweder in der Luft stehen bleibt oder zum Ausgangsort zurückfliegt, sofern sie den Kontakt zur Fernbedienung verliert. Für die Passanten stellen wir Warnschilder auf, um unsere Präsenz kundzutun. Wir sind schließlich generell in Bereichen unterwegs, wo wir damit rechnen müssen, dass Menschen unsere Drohne sehen und potenzielle Risiken schwer einschätzen können. Je nach Einsatzort informieren wir im Vorfeld von Einsätzen die örtlichen Behörden und die Polizei. Ein gutes Miteinander und eine große Akzeptanz für den Einsatz von Agrardrohnen sind uns sehr wichtig.

Im Feldeinsatz arbeitet die Drohne zirka 4 m über dem Bestand.

Haben Sie für Ihr Start-up Fördermittel erhalten?

Schlademann: Wir haben zwar grundlegend danach Ausschau gehalten, aber nichts gefunden, was uns unkompliziert weitergeholfen hätte. Drohnen sind – außer zur Kitzrettung – in Förderprogrammen noch ziemlich außen vor, vielleicht, weil sie noch nicht so weit verbreitet sind. Aus unserer Erfahrung in der Beratung wissen wir zudem, dass einem Förderanträge jeden Spaß am Investieren rauben können. Wir wollten direkt loslegen und so schnell wie möglich bestellen. Das hat auch rasch funktioniert. Aber leider stand die Drohne trotzdem ziemlich genau ein Jahr, ohne dass wir sie im Feldeinsatz fliegen durften.

Woran lag das?

Rauert: Wir haben leider die Rechnung ohne die Genehmigungsbehörden gemacht. Zum Glück haben wir mit GDDC (siehe Kasten) einen Partner an der Seite, der uns in rechtlichen Fragen berät. Aber die derzeitige Genehmigungspraxis ist für landwirtschaftliche Zwecke nicht praktikabel. Dass man eine grundsätzliche Betriebsgenehmigung einholt, finde ich zwar fair. Wir fliegen schließlich mit einem Gewicht von 100 kg über die Flächen. Das stellt grundsätzlich ein reelles Risiko für Mensch und Tier dar. Aber wenn die Erlaubnis einmal vorliegt, müsste man unkompliziert jede Fläche befliegen dürfen. Wir fliegen nur über Ackerflächen, wo sich keine Menschen aufhalten, und wir bewegen uns in Flughöhen, die den Rest der Luftfahrt überhaupt nicht interessieren.

Schlademann: Es sollte doch auch im politischen Interesse sein, diese Technologie zu unterstützen, im Sinne der Elektrifizierung, des Boden- und Erosionsschutzes sowie grundsätzlich der Ernährungssicherheit. Die Drohne wird zwar den Trecker nicht ersetzen. Sie kann ihn aber ergänzen und Feldüberfahrten reduzieren. Im Steillagen-Weinbau in Süddeutschland hat es angefangen. Wir wollen das nun in die Fläche nach Norddeutschland bringen.

GDDC unterstützt bei Genehmigungen

Horst Zell, Foto: GDDC

Horst Zell vom German Dynamic Drone Center (GDDC) in Eckernförde kooperiert mit Fabian Schlademann und Mat­thes Rauert und unterstützt die Jungunternehmer beim Einstieg in das Geschäft der Drohnen-Dienstleistungen in der Landwirtschaft. Die Hauptursache für zähe Genehmigungprozesse ist nach seiner Einschätzung der Übergang der bisherigen Bundesregelungen in europäisches Recht. Das habe offenbar zu einer Überforderung der Behörden geführt. Der eigene Genehmigungsantrag für den Einsatz der Großdrohne sei mehr als ein halbes Jahr nicht angefasst und erst nach mehrfacher Beschwerde bearbeitet worden. Zell berichtet: „Mittlerweile haben wir die grundsätzliche Genehmigung und müssen nur noch weitere Einsatzorte beantragen.“ Das sei allerdings ein deutlich schnelleres Verfahren, da GDDC dies in Zukunft selbst genehmigen dürfe. Der Drohnen-Dienstleister sei dann selbst für die Aufsicht verantwortlich. „Wir dürfen Drohnenpiloten ausbilden, die Technik abnehmen und neue Einsatzorte genehmigen“, erklärt der Luftfahrtexperte.

Insgesamt gebe es drei Kategorien von Drohnenführerscheinen. Die Multispektraldrohne von Farmetrics falle in die offene Kategorie von Drohnen unter 25 kg mit einer Flughöhe von höchstens 120 m beziehungsweise im Sichtbereich. Die spezielle Kategorie gelte für die Nutzung von Drohnen mit mehr als 25 kg Gewicht und mehr als 120 m Höhe, die den Sichtbereich verlassen dürfen. Die Kategorie „Zulassungspflichtig“ komme lediglich bei Transporten von Menschen, Gefahrgut oder Flügen über Menschenansammlungen zum Tragen – also weniger in der Landwirtschaft.

Nachhaltigkeit für den Geldbeutel

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Sowohl Praktiker als auch Agrarindustrie entwickeln Geschäftsmodelle, die Nachhaltigkeitsleistungen honorieren. Davon konnten sich rund 80 Teilnehmende beim Bundeskongress des Verbandes Deutscher Agrarjournalisten (VDAJ) am vergangenen Wochenende in Rendsburg überzeugen.

Im Rahmen einer Podiumsdiskussion skizzierte Markus Röser, Kommunikations- und Nachhaltigkeitsexperte bei BASF, das grundsätzliche Problem: „Für Nachhaltigkeit will an der Supermarktkasse eigentlich niemand etwas zahlen.“

Als Alternative zu staatlichen Vorgaben, Zwang und Bürokratie stellte er die BASF-Initiative „KlimaPartner Landwirtschaft“ vor. Deren Ziel sei, Weizen mit 30 % weniger CO2-Emissionen zu produzieren. „Wir wollen, dass Landwirte bei dem Thema Spaß haben und auch Geld verdienen können“, schilderte Röser. BASF habe dafür einen Maßnahmenkatalog entwickelt, bei dem alle Betriebe gleichermaßen profitieren könnten, egal ob sie ihren Kohlenstoffhaushalt schon immer im Blick hätten oder sich diesem Thema noch annäherten. Landwirte erhalten für die Teilnahme einen Sockelbetrag in Höhe von 40 €/ha. Dieser kann durch zusätzliche Maßnahmen aufwachsen. Im Schnitt erhielten die „KlimaPartner“ derzeit 60 €/ha. Röser erklärte: „Wir arbeiten daran, zukünftig auch andere Kulturen wie Raps aufzunehmen.“ Auch bisher nicht berücksichtigte Maßnahmen wie die Nutzung von Pflanzenkohle könnten perspektivisch in den Maßnahmenkatalog aufgenommen und bepreist werden.

Patrick Hofstetter, Precision-Farming-Experte bei John Deere, erläuterte die Vorteile digitaler Helfer im Pflanzenbau. Das Xarvio-System von BASF könne beispielsweise über eine Schnittstelle problemlos mit den John-Deere-Systemen kommunizieren. „Unser Ansatz ist das gesamte Produktionssystem. Wir wollen Landwirte mit Technologielösungen unterstützen, nachhaltig zu arbeiten“, so Hofstetter. Durch die Dokumentation der Reihen könne jeder Arbeitsschritt genau geplant und durchgeführt werden. „Wenn ich meine Reihen kenne, kann ich beispielsweise mit der Bandspritze gezielt die Reihe spritzen und dazwischen hacken“, schilderte er.

Im Bereich der Milchviehhaltung kooperiere John Deere mit DeLaval. Mithilfe des sogenannten Milk Sustainability Center könnten Milchviehbetriebe über die gesamte Produktion prüfen, in welchen Arbeitsschritten sie schon wie gut seien und wo sie sich noch verbessern könnten. Vor allem die Einsparung von Betriebsmitteln senke Kosten und erhöhe gleichzeitig die Nachhaltigkeit.

Arla-Manager Dr. Thomas Kröber informierte zum „Farm­Ahead“-Programm der Meierei. Bereits seit 2013 gebe es bei Arla erste KlimaChecks. „Die Teilnahme ist freiwillig“, betonte Kröber. Allerdings seien so gut wie alle Genossenschaftsbetriebe dabei, weil allein die Teilnahme schon 1 ct/kg Milch mehr bringe. Der 223-seitige Fragenkatalog habe es zwar in sich. Doch niemand müsse alle Fragen beantworten. Körber erläuterte: „Einige Fragen schließen andere aus.“ Außerdem gebe es den Fragebogen digital. Aus den Antworten ergebe sich schließlich der CO2-Fußabdruck, so der Arla-Manager. Betriebe gewönnen dadurch die Information, an welchen Stellen sie die größten Verbesserungenmöglichkeiten im Sinne der Nachhaltigkeit hätten. Er schilderte: „Unsere Betriebe können sich super mit Betrieben der gleichen Kategorie – also ähnlicher Größe und Struktur – vergleichen.“

Das Geld für die Honorierung werde aus dem eigentlichen Milchgeld herausgenommen und dann umverteilt. Über ein Punktesystem seien bis zu 2,4 ct/kg Milch zusätzlich zu dem 1 ct/kg Basisprämie für die Teilnahme möglich. Kröber berichtete: „Seit 2015 haben wir die CO2-Emissionen auf den Höfen um 15 Prozent reduziert. Bis 2030 wollen wir 30 Prozent schaffen.“ Grundsätzliches Ziel sei, zusätzliche Gelder am Markt zu erlösen. Deswegen ist Arla mit dem „FarmAhead“-Label jetzt auch in die Vermarktung gegangen.

Milchviehhalter Knud Grell, Mitglied der Arbeitsgruppe für Nachhaltigkeit bei Arla, ist an der Entwicklung des „FarmAhead“-Programms beteiligt. Er forderte: „Wir müssen doch hinbekommen, dass die Menschen lernen und verstehen, dass die Landwirtschaft ein Schlüssel beim Klimaschutz sein kann.“ Das stärke nicht zuletzt das Image der Landwirtschaft. Er hält es für den richtigen Weg, mit dem „FarmAhead“-Label in die Vermarktung zu gehen.

Ackerbauer Lars Christiansen hat in eine Pyrolyse-Anlage investiert, in der aus eigenem Knickholz Kohle produziert wird. Er erklärte: „Wir nutzen Pflanzenkohle in der Fütterung der Tiere und als Dünger auf den Böden.“ Zudem vermarkte er sein Produkt im Handel und generiere CO2-Zertifikate. Vom Einsatz von Pflanzenkohle auf Ackerböden zeigte er sich überzeugt: „Damit verbessern wir unsere Boden für die nächsten 1.000 Jahre.“

Landwirtin Anna-Lena Sager beschrieb soziale Aspekte der Nachhaltigkeit. „Durch unsere stadtnahe Lage in Ottendorf bei Kiel gibt es viel Publikumsverkehr.“ Oft entstünden Feldranddiskussionen. Diese habe der Ackerbaubetrieb zum Anlass genommen, sich bei „Schulklassen auf dem Bauernhof“ und in der Bildungsoffensive des Kieler Landwirtschaftsministeriums zu engagieren und Schülern die moderne Landwirtschaft näherzubringen. Für die Einsparung von Betriebsmitteln im Sinne ökonomischer und ökologischer Nachhaltigkeit setze man auf Technologie. Familie Sager unterstützt beispielsweise das Start-up Farmetrics bei der Entwicklung von Agrar-Dienstleistungen mit Drohnen.

Gut Silk: Erstes Para- und Reitsportzentrum im Norden

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Auf dem traditionsreichen Gut Silk bei Reinbek, Kreis Stormarn, weht seit Anfang 2025 ein frischer Wind. Neue Pächter haben den klassischen Reit- und Pensionsstall übernommen und entwickeln ihn zu einem Para- und Reitsportzentrum, in dem Inklusion zur ganz normalen Stallrealität werden soll.

Man könnte meinen, der Silker Weg führe direkt in den Sachsenwald. Ganz stimmt das zwar nicht, aber wer Richtung Gut Silk abbiegt, lässt Stadt und Verkehr hinter sich. Rund um das ehemalige Kanzleigut in der Gemarkung Schönningstedt, auf dem sich vor rund 300 Jahren ein herzoglicher Amtsschreiber niederließ, plätschert gemächlich die Bille. Ausreitmöglichkeiten gibt es hier reichlich, mit Blick über Felder und Wiesen.

Der Hof mit seiner markanten roten Reithallenfassade ist unter Pferdehaltern in der Region seit Jahrzehnten bekannt. Nicht nur aufgrund seiner idyllischen Lage, sondern auch aufgrund seines vielfältigen Haltungskonzepts. Um den zentralen Hofplatz gruppieren sich klassische Außenboxen. Hinzu kommen seit vielen Jahren ein Offenstallbereich und ein Paddock-Trail.

Nach langer Zeit unter konstanter Leitung übernahmen Anfang des Jahres zwei Ehepaare den Betrieb: Tanja und Michael Struck, langjährige Einsteller auf dem Hof, holten Cathleen und Clemens Wülfing mit ins Boot. Gemeinsam bilden sie die neue Leitung. Unterstützung bekommen die vier seit dem Frühjahr von Betriebsleiter und Pferdewirtschaftsmeister Hannes Schulz. Sie alle verfolgen eine gemeinsame Vision, die über das bloße Modernisieren hinausgeht: Gut Silk soll zum Para- und Reitsportzentrum werden – das erste seiner Art im Norden.

Para-Reiten umfasst jede Form des Reitens mit Handicap, vom Freizeitreiten bis zur internationalen Para-Dressur. Im Kern geht es darum, Menschen mit Einschränkungen durch geeignete Ausbildung, angepasste Ausrüstung und geschulte Pferde das Reiten zu ermöglichen, als Sport, Freizeitgestaltung oder zur Teilhabe.

Reiten mit Handicap

In der Para-Dressur, der paralympischen Variante des Dressurreitens, starten Menschen mit körperlichen Einschränkungen in fünf Leistungsklassen, den sogenannten Grades. Diese richten sich nach der Art und dem Ausmaß ihrer Beeinträchtigung.

Damit Para-Reiter ihren Sport ausüben können, braucht es passende Rahmenbedingungen am Hof und bei der Pferdehaltung. Ein weiterer wichtiger Baustein ist eine fundierte Ausbildung für Pferd und Reiter durch Trainer mit Erfahrung, die wissen, worauf es beim Para-Reiten ankommt, und die sich auf das individuelle Paar einstellen können.

Das weiß Cathleen Wülfing aus eigener Erfahrung: Nach einem Reitunfall lebt sie mit einer inkompletten Querschnittslähmung und kämpfte sich zurück in den Sattel. „Wir wollen hier auf Gut Silk einen geschützten Rahmen bieten, in dem jeder den Reitsport ausüben kann, ohne Berührungsangst“, beschreibt die Psychologin beim Hofrundgang.

Cathleen Wülfings Stute Fancy ist eins von rund 70 Pferden, die auf dem Gut leben. Foto: Karen Diehn

Schon jetzt bietet Gut Silk ein umfangreiches Unterrichts- und Lehrgangsprogramm. Dressurausbilder und Paralympics-Reiter Bernd Brugger kommt ebenso wie Melanie Wienand, die zur Weltspitze der Para-Dressur zählt. Solche Angebote, die für alle Reitsportler offen sind, waren im Norden bislang rar. Entsprechend groß ist die Nachfrage. „Wir haben Trainingsgäste, die aus der Berliner Gegend, Ostfriesland, Hessen oder Niedersachsen anreisen“, so Cathleen Wülfing. Da auch Regelsportler gern teilnähmen, entstehe ein Miteinander.

Umbau und Modernisierung

Auf dem Betrieb wird fleißig trainiert, aber genauso viel umgebaut. Etliche der alten Boxen wurden vergrößert, das Rausstell- und Weidekonzept überarbeitet und Reitböden erneuert. Für den Außenspringplatz gibt es ebenso Umbaupläne wie für die Sanitäranlagen und das Reiterstübchen. Letzteres soll barrierefrei werden.

„Wir haben vieles neu gedacht“, erklärt Hannes Schulz. Man wolle den Pferden viel Licht, Luft, Auslauf und gutes Futter bieten, in möglichst passgenauer Haltungsform. Geboten wird einiges: von der XXL-Box mit Rundumservice über 24 Stunden Weide im Sommer bis zur Paddock-Trail-Haltung in der Herde.

Das Konzept wird gut angenommen. „Wir sind schnell gewachsen“, freut sich der engagierte Pferdewirtschaftsmeister. In den Stallungen und auf 25 ha arrondiertem Weideland stehen inzwischen rund 70 Pferde, die Schulz mit einem sechsköpfigen Team versorgt. Demnächst kommen noch ein Auszubildender und ein Fachpraktiker in der Pferdewirtschaft dazu, denn auch hier setzt der Betrieb auf Inklusion.

Ganz langfristig können sich die neuen Gutspächter vorstellen, auch einmal Para-Turniere zu veranstalten. Aber bis dahin gibt es noch einiges zu tun. Für Cathleen Wülfing geht es nach dem Interview direkt weiter: Ihre Stute Fancy wartet an der Rampe am Reithalleneingang. Drinnen unterrichtet Karin Lührs, eine von mehreren Ausbilderinnen, die nun regelmäßig nach Gut Silk kommen und dazu beitragen, dass der Norden auf der Landkarte des Para-Reitsports kein weißer Fleck mehr ist.

EIP-Netzwerktreffen in Hamburg

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Der Klimawandel stellt die Landwirtschaft vor enorme Herausforderungen. Gleichzeitig entstehen überall neue Ideen, wie ­Betriebe klimaresilienter, nachhaltiger und wettbewerbsfähiger werden können.

Von Agri-Photovoltaik über Agroforst und Paludikultur bis hin zu Digitalisierung, Robotik und neuen Betriebszweigen: Die Palette an Ansätzen wächst stetig. Doch wie finden diese Innovationen ihren Weg in den Alltag? Antworten darauf verspricht das bundesweite EIP-Netzwerktreffen am 5. und 6. November in Hamburg. Zwei Tage lang stehen dort Menschen im Mittelpunkt, die mit ihren Projekten neue Wege beschreiten und Lust machen, selbst Neues auszuprobieren.

Ein Höhepunkt des Programms ist der Innovationsmarkt, auf dem sich Projekte und Initiativen präsentieren. Dazu kommen Kurz-Pitches praxisnaher Ideen, Workshops zu Innovationsprozessen, über die Rolle von Wirtschaft und Start-ups sowie zum Wissenstransfer im Klimabereich. Eingeladen sind nicht nur aktive und ehemalige Projektpartner aus EIP-Agri-Projekten, sondern alle, die sich für zukunftsfähige Landwirtschaft interessieren, egal ob aus Praxis, Forschung oder Beratung.

Weitere Informationen und Anmeldung.

Deutsche Jugendmeisterschaften Dressur und Springen in Aachen

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Auf dem Gelände des CHIO Aachen um Medaillen zu reiten, ist für viele Reiter ein Lebenstraum. Für die besten Nachwuchsreiter Deutschlands ist er Wirklichkeit geworden: Sie durften bei den Deutschen Jugendmeisterschaften den heiligen Rasen betreten. Manche konnten ihn mit einer Medaille verlassen.

Am erfolgreichsten waren die Reiter aus Schleswig-Holstein im Springen der Children. Zwar war die Goldmedaille fest in hannoverscher Hand: Eske Biermann und ihr Hengst Quineiro sicherten sich den Sieg. Die Silber- und Bronzemedaille gingen aber nach Schleswig-Holstein an Justus Thomsen und Svea Wagner.

Nach vier fehlerfreien Runden hatte Justus Thomsen im Stechen einen Abwurf und kam nach 63,06 s ins Ziel. Das bedeutete Rang zwei. „Justus war super​zufrieden“, berichtet seine Mutter Birgit Hansen. Es waren 19 Reiter fehlerfrei ins Finale gekommen, ein starkes Starterfeld.

Justus Thomsen (li.) holte sich die Silbermedaille hinter Eske Biermann (M.) und vor Svea Wagner (r.). Foto: privat

Der 13-jährige Justus war mit Clooney, dem Turnierpferd seines Vaters, in Aachen. Im Februar hatte er seinen Vater ganz vorsichtig gefragt, ob er nicht auch einmal Clooney auf einem Turnier reiten könnte. Das klappte sehr schnell sehr gut. Justus und Clooney gehörten im Juli zum Team Deutschland bei den Europameisterschaften der Children und holten Mannschaftsgold. „Ich glaube, die Verhältnisse, wer wen in Zukunft reitet, sind noch nicht abschließend geklärt“, lacht Hansen.

Sie ist vor allem froh und dankbar, dass es die Familie gibt, denn „ohne die wäre es nicht möglich“. Auf dem Hof der Familie in Lindewitt, Kreis Schleswig-Flensburg, halten Justus‘ Geschwister Jesper und Jette sowie die Großeltern alles am Laufen, wenn mal wieder ein Turnier ansteht. Und davon gab es in diesem Sommer eine Menge. Jetzt geht es noch nach Bad Segeberg und dann guckt Familie Hansen-Thomsen erst einmal in Ruhe weiter.

Noch schneller als Justus war in Aachen nur Svea Wagner mit ihrer Holsteiner Stute Mandy. Mit 51,64 s waren die beiden das schnellste Paar im Stechen, doch zwei Abwürfe verhinderten eine bessere Platzierung. Am Ende bekamen sie die Bronzemedaille: ein wunderbarer Abschluss im letzten Jahr bei den Children für die Reiterin aus Owschlag, Kreis Rendsburg-Eckernförde. „Sicherlich fährt man mit heimlichen Träumen und auch Erwartungen zu so einem Turnier. Man arbeitet auf dieses Saisonziel hin und diesmal hat einfach alles funktioniert. Die Erwartungen wurden absolut übertroffen“, schwärmt Mutter Anja Wagner.

Auch Trainer Jan Fromberger vom Gut Osterrade war zufrieden. „Dass sie eine Medaille holen kann, war mir klar. Dass es auch geklappt hat, ist besonders schön“, sagt er und fügt hinzu: „Bemerkenswert ist, dass sie es auf einem achtjährigen Pferd geschafft hat. Die beiden haben bei uns gemeinsam ihr erstes Springen auf 1,30-Meter-Niveau bestritten.“ Nun steht für Svea Wagner der Wechsel ins Juniorenlager an. „Ein großer Schritt“, wie Fromberger klarmacht.

Im Springen der Jungen Reiter hätte es fast eine Medaille für Schleswig-Holstein gegeben. Romy Rosalie Tietje holte einen neunten Platz, siegte in der zweiten Wertungsprüfung und war im Finale auf dem dritten Platz. Letztlich lag sie aber 0,14 Punkte hinter dem Bronzemedaillengewinner aus Sachsen-Anhalt. Bei den Junioren vertrat Vieca Sofie Bade die blau-weiß-rote Fahne. Mit Caretto siegte sie in der Qualifikation und kam abschließend auf den achten Platz.

Im Dressursattel konnten die Schleswig-Holsteiner keine Medaillen holen. Bei den Ponys wurde Sophie Levien aus Hamburg beste Norddeutsche. Mit Carlo Carluccini kam sie auf Platz 14. Sophia Henriette David wurde bei den Junioren 15. und lag damit im guten Mittelfeld. Besser lief es für Marie Holtfreter, die mit ihrem bewährten Amorio den siebten Platz bei den Jungen Reitern erreichte. Lena Pögel kam hier auf den 14. Platz.
fn

Blühstarke Stauden verlängern die Gartensaison

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Auch wenn der Kalender nun langsam Richtung Herbst weist, ist der blütenstarke Spätsommer noch lange nicht vorbei. Mit Stauden in den schönsten Farben verlängern wir die Gartensaison. Die späten Blüher sind jetzt eine wahre Pracht.

Beim Kauf von Fackellilien achtet man auf den jeweiligen Blühtermin. Foto: Karin Stern

Die Blütenwogen von Gelbem Sonnenhut (Rudbeckia fulgida var. sullivantii) und Sonnenbraut (Helenium), kombiniert mit exotischer Fackellilie (Kniphofia) oder den leuchtend roten Lanzen des Kerzenknöterichs (Bistorta amplexicaulis), zaubern derzeit die farbenprächtigsten Gartenbilder. Sie blühen wie viele Spätsommerstauden in warmen gelben und orangefarbenen Tönen. Es scheint fast so, als wolle die Sonne in solchen Beeten niemals untergehen. Die unzähligen Sorten der Sonnenbraut erlauben Farbspielereien, die so ziemlich alle Abstufungen von Rot, Gelb und Orange umfassen. Wem das noch nicht ausreicht, der holt sich die Kleinblumige Sonnenblume ‚Lemon Queen‘ (Helianthus microcephalus) dazu. Die Vielzahl ihrer zitronengelben Blüten fügt sich in jede Beetkombination ein und passt sogar zu Rosa und Weinrot. Kein Wunder also, dass diese Sorte bei Gartenliebhabern so beliebt ist. Die bis zu 1 m hohen Büsche mit frischgrünem Laub sind gut im mittleren oder hinteren Bereich des Beetes untergebracht. Als Gegenleistung für den reichen Flor von Juli bis in den Oktober hinein verlangt die Kleinblumige Sonnenblume lediglich einen normalen, ausreichend feuchten Gartenboden in sonniger Lage. Tipp: Die Staude hat als Zaungucker eine phänomenale Wirkung.

Die Staudensonnenblume bringt unzählige Blüten hervor. Foto: Karin Stern
Herbsteisenhut setzt mit blauen Blüten schöne Kontraste. Foto: Karin Stern

Doch so viel Orange und Gelb braucht auch einige kühlere Töne wie Blau und Violett als Gegenpart. Der Herbst-Eisenhut (Aconitum carmichaelii) oder der eher selten anzutreffende Sumpf-Salbei (Salvia uliginosa) steuern diese bei. Die auch als Hummelschaukel-Salbei bekannte Staude wächst bis zu 180 cm hoch und lockt mit ihren azurblauen Blüten von August bis Oktober scharenweise Hummeln an. Bei der Landung bringen sie mit ihrem Körpergewicht die schlanken Blütenstängel zum Schaukeln – ein tolles Schauspiel. Doch die Schönheit ist nur an geschützten Stellen ausreichend winterhart. Sie verlangt einen sonnigen Standort mit feuchtem Boden, gedeiht aber auch prima im Kübel. Leichtigkeit bringt die blauviolette Blüte des Patagonischen Eisenkrauts (Verbena bonariensis) ins Beet. An den staksig-verzweigten, fast blattlosen Stängeln schweben die filigranen Blüten in bis zu 0,5 m Höhe. Die kurzlebige Staude hat in unseren Breiten durchaus mit niedrigen Temperaturen und Winternässe zu kämpfen. Doch am optimalen Standort erhält sie sich über Selbstaussaat.

Dauerblüher Patagonisches Eisenkraut zeigt seinen Flor bis zum Frost. Foto: Karin Stern

Auch die Arkansas-Scheinaster ‚Mammuth‘ (Veronia crinita) überzeugt mit großen, fluffigen Blütendolden in intensivem Violett. Sie zeigen sich von August bis in den Oktober hinein. Mit ihren 2 m hohen Stielen und dem astern­ähnlichen Wuchs passt ‚Mammuth‘ gut in den Hintergrund eines Beetes. Ein normaler, durchlässiger Boden in sonniger Lage ist optimal für diese Schönheit, die sich auch gut als Solitärstaude macht. Eher ins Weinrote geht die Blütenfarbe von Wasserdost ‚Riesenschirm‘ (Eupatorium fistulosum). Seine riesigen Blütendolden leuchten von Juli bis September an bis zu 180 cm hohen Stielen. Toller Herbstaspekt: Das Laub nimmt allmählich eine leuchtend gelbe Farbe an.

Der Sortenname ‚Septembercharme‘ klingt nach dem goldenen Licht des Altweibersommers. Diese Herbstanemone (Anemone hupehensis) zaubert an ausreichend feuchten Standorten mit ihren rosafarbenen Schalenblüten eine geradezu elfenhafte Stimmung von Juli bis Oktober. Gern bringt sie auch ihre Schwestern mit, die ebenfalls rosafarben blühenden Sorten ‚Praecox‘, ‚Ouvertüre‘ und ‚Königin Charlotte‘. Mit weißen Blüten wartet hingegen ‚Honorine Jobert‘ auf. Bei Wuchshöhen zwischen 60 und 100 cm beeindrucken sie allesamt mit Blütenfülle. Der Flor zeigt sich je nach Sorte von Juli bis in den Oktober hinein. Eine Neupflanzung von Anemone hupehensis wird am besten im Frühjahr vorgenommen. Im ersten und zweiten Winter empfiehlt sich Winterschutz in Form einer Nadelholzreisig-Abdeckung. Die anpassungsfähigen Anemonen brauchen etwa zwei Jahre, um sich zu etablieren. Sie bevorzugen einen durchlässigen, humosen Boden und tolerieren auch Halbschatten.

Wer noch mehr Rosa in den Herbstgarten bringen möchte, pflanzt Kerzenknöterich ‚Pink Elephant‘ (Bistorta amplexicaulis) und Fetthenne ‚Matrona‘ (Sedum telephium). Der pflegeleichte Kerzenknöterich breitet sich allerdings gern aus und bildet mit der Zeit dichte Blattteppiche. Seine Hauptblütezeit liegt im Sommer, doch auch im September präsentiert er noch seine Kerzenblüten. Die rosafarbenen Blütenteller von ‚Matrona‘ zeigen sich von August bis Oktober. Bereits vor der Blütezeit zieren die grünlichen Blütenteller und das dunkle Laub.

Wasserdost ist eine beliebte Nektarpflanze bei Bienen und Hummeln. Foto: Karin Stern
Herbstanemone ,Königin Charlotte‘ ist eine wüchsige Sorte. Sie blüht von August bis Oktober. Foto: Karin Stern
Kerzenknöterich bietet je nach Sorte rote oder rosafarbene Blüten. Foto: Karin Stern
Die orangefarbenen Sorten der Sonnenbraut harmonieren schön mit violetten und rosafarbenen Blüten. Foto: Karin Stern