Bestimmt hat schon jedes Mitglied im Bauernverband mit seiner Kreisgeschäftsstelle zu tun gehabt, und sicherlich ist ihm oder ihr dort bei dem Anliegen geholfen worden. Doch was umfasst eigentlich das gesamte Spektrum einer Kreisgeschäftsstelle, und wie sieht ihr Alltag aus? Das Bauernblatt hat sie besucht, heute: die Kreisgeschäftsstellen für Pinneberg und Steinburg in Breitenburg-Nordoe bei Itzehoe.
Es sind Nachbarkreise, und für ihre Geschäftsstellen teilen sich die beiden Kreisbauernverbände (KBV) die Räumlichkeiten in Breitenburg-Nordoe, verkehrsgünstig gelegen an der Ausfahrt Itzehoe-Süd der A 23. So können sich die Geschäftsführer – Peer Jensen-Nissen für Pinneberg und Ida Sieh für Steinburg – quasi über den Flur besprechen, koordinieren und beraten und arbeiten eng zusammen. Natürlich verteten sie sich auch gegenseitig, aber, so betonen sie: „Die Mitglieder sind klar zugeordnet und werden getrennt behandelt!“
Urbane Aufgaben
Die Eigenheiten der beiden Kreise sind teils ähnlich, teils sehr verschieden. Pinneberg ist der flächenmäßig kleinste und zugleich der bevölkerungsreichste Kreis. Die Nähe zu Hamburg wirkt sich natürlich stark aus, etwa durch die Wohnbebauung. So haben viele Landwirte Mischbetriebe, etwa mit Wohnimmobilien, Vermietung von Gewerberäumen, Lagerraum und Winterquartieren für Wohnmobile oder Boote. Auch Pferdewirtschaft ist stark vertreten. Das ermöglicht viele Einkommensalternativen, zieht aber auch Besonderheiten bei Hofübergaben und Erbschaftsfällen nach sich. „Ein bunter Blumenstrauß“, sagt Jensen-Nissen.
„Wir müssen hier auf dem Land auch urbane Aufgaben umsetzen.“ Ein Beispiel sind neu einzurichtende Wasserschutzgebiete für die Versorgung der Metropole, die in Konflikt mit der landwirtschaftlichen Nutzung geraten. Wer sich darunter aber nur ein verlängertes Hamburg vorstellt, quasi eine Schlafstadt, der täuscht sich. Die Landwirtschaft ist gleichwohl stark vertreten. Die Region gliedert sich in die Marsch weitgehend mit Ackerbau und die Geest mit Rinderhaltung. Berühmt ist der Kreis Pinneberg für seine Baumschulen und die Rosenzucht. Der Tourismus hingegen spielt, anders als vielleicht erwartet, kaum eine Rolle.
Trennende Autobahn
Ein Problem ist die schlechte Verkehrsinfrastruktur. „Von Schleswig nach Husum komme ich in 20 Minuten. Im Kreis Pinneberg schaffe ich in 20 Minuten manchmal nur drei Kilometer“, sagt Jensen-Nissen. Aber auch im Kreis Pinneberg ist der Mähdrescher unterwegs. Da gilt es, die Landwirte besonders für den Verkehr zu sensibilisieren. Die A 23 Hamburg-Heide ist zugleich pulsierende Lebensader und trennendes Element, auch für die Landwirtschaft. Zwischen hüben und drüben gibt es kaum eine Verbindung. Und wenn die A 20 kommt – „Wenn sie denn kommt!“ –, rechnet Jensen-Nissen mit weiteren Infrastrukturproblemen. „Wir können uns den Themen nicht verschließen, aber wir versuchen uns so einzubringen, dass landwirtschaftliche Bewirtschaftung weiter möglich ist.“
Im Kreis Steinburg, obwohl ebenfalls zur Metropolregion Hamburg gehörig, ist die Großstadt gefühlt schon viel weiter weg. Das Land ist weitläufiger, auch strukturschwächer. Auch hier wird klassische Landwirtschaft auf Marsch und Geest betrieben: Ackerbau, Milchvieh, wenige Schweine, um Hohenlockstedt eine kleine „Kartoffelhochburg“. Wasserwirtschaft, gerade angesichts des Klimawandels und drohenden Meeresspiegelanstiegs, ist ein großes Thema – in der Wilstermarsch befindet sich die tiefste Stelle Deutschlands mit 3,54 m unter Null.
Leitungsknoten
Kaum ein Gebiet in Schleswig-Holstein ist so vom Leitungsneubau betroffen wie der Kreis Steinburg – mit all den schädlichen Nachteilen für die Landwirtschaft (das Bauernblatt berichtete). Nicht nur der NordOstLink von Heide in die Nähe von Schwerin führt hier entlang, gegen dessen Bau als Erdkabel derzeit Landwirte protestieren und von dem alle Südkreise betroffen sind, sondern auch der SüdLink zweisträngig durch die Wilstermarsch und in Höhe Wewelsfleth unter der Elbe hindurch. Dazu kommen der Korridor B mit ähnlichem Verlauf und die CO2-Leitung vom Zementwerk Holcim in Lägerdorf bis Brunsbüttel, nicht zuletzt die Erdgastransportleitung (ETL) 180 vom LNG-Terminal Brunsbüttel nach Hetlingen im Kreis Pinneberg.
Sechs bis sieben geplante oder begonnene Fernleitungen zählt Geschäftsführerin Ida Sieh auf, drei davon mit Tunnelbau unter der Elbe, dazu kommen Verstärkungen bestehender Stromleitungen von 125 auf 380 kV. „Und wo ein Kabel liegt, kommt schnell noch eines dazu.“ In einer Woche Anfang August hatte Ida Sieh drei Termine zu Leitungsbauthemen.
„Es gibt kaum Landwirte, mit denen wir uns nicht über Dienstbarkeiten und Entschädigungen unterhalten“, sagt sie und kritisiert: „Man brüstet sich mit der schnellen Durchführung, der Deutschland-Geschwindigkeit, besonders beim Bau der Gasleitung, als im Winter 2022/23 eine Energiekrise befürchtet wurde. Aber es geht auch um Schadensbegrenzung und Regelung der Baufolgen.“ Die Rekultivierung sei schwierig und schleppend, bei der Gasleitung stehe immer noch die Rückverfüllung aus.
Tischlein, deck dich
Wo auch „gebuddelt“ wird, aber eher aus freudigem Anlass, ist das Gelände des Wacken Open Air, einer Institution im Kreis Steinburg. Seit Jahrzehnten arbeiten und feiern hier Heavy-Metal-Fans und Dorfeinwohner gemeinsam. Landwirte stellen ihre Flächen zur Verfügung, und bei schweren Wetterlagen helfen sie, die Fahrzeuge aus dem Schlamm zu ziehen.
Im Kontakt mit der Bevölkerung haben die Kreisverbände einige Aktivitäten entfaltet. Beim KBV Pinneberg gibt es die Aktion „Tischlein, deck dich“, in der Schülern auf einem Bauernhof der Weg von der Milch zur Butter oder vom Raps zum Honig dargestellt wird. Vom KBV Steinburg wird regelmäßig im Feriendorf des Kreisjugendringes die Landwirtschaft vorgestellt. Die Aktion „Pausenapfel“, vom früheren Kreisvorsitzenden Peter Lüschow initiiert, wird regelmäßig zusammen mit den LandFrauen weitergeführt.
Lebensberater
„Wir kennen unsere Mitglieder, ihre Familien und ihre Höfe“, betont Peer Jensen-Nissen. Ida Sieh bestätigt: „Weil wir zu unseren Mitgliedern ein persönliches Verhältnis haben und ihnen gut helfen können, bleiben sie auch bei uns. Wir sind Lebensberater.“
Mit Hartnäckigkeit zum Altenteilbau
Da ihre Tochter Sonja den landwirtschaftlichen Betrieb in Gribbohm, Kreis Steinburg, übernimmt, planten Thies und Petra Harder schon vor zwei Jahren den Bau eines Altenteilhauses. Den Bauantrag lehnte das Bauamt jedoch zunächst ab. Es hatte fachliche Bedenken gegen die Standortwahl, es würde in Ausdehnung des Dorfes eine Baulücke entstehen. Kreisgeschäftsführerin Ida Sieh nahm sich der Sache an, und von Lena Preißler-Jebe vom Landesbauernverband wurde ein Widerspruch formuliert. Auch dieser wurde abgelehnt. Nach einem weiteren Widerspruch machte das Bauamt den Vorschlag eines anderen Standortes, weiter von der Ortsgrenze entfernt. „Mit dem sind wir jetzt sogar zufriedener!“
Moderation am Familientisch
Elisabeth von Bothmer übernimmt den Betrieb in Langeln, Kreis Pinneberg, von ihrer Mutter – Pensionspferdehaltung mit 26 ha Acker und 22 ha Grünland. Damit dabei alle Geschwister ein gutes Gefühl haben, waren aus dem Gesamtvermögen mit weiteren Immobilien vier „Pakete“ zu schnüren. „Auch wenn wir in der Familie alle im guten Einvernehmen sind, waren doch viele Fragen zu klären. Da war es Gold wert, dass Kreisgeschäftsführer Peer Jensen-Nissen mit Blick von außen eine Moderation mit der ganzen Familie am Tisch anbot“, sagt Elisabeth von Bothmer. „Wir konnten frei diskutieren, aber zum rechten Zeitpunkt war es wichtig, dass es Jensen-Nissen auf den Punkt brachte: Es lag bereits alles da.“