Ein erfolgreicher Übergang der Milchkühe von der Trächtigkeit hin zur Laktation ist für den Erhalt der Tiergesundheit sowie der Wirtschaftlichkeit der Milchproduktion von großer Bedeutung.
Sehr schnelle Milchleistungssteigerungen zu Laktationsbeginn, eine im Vergleich dazu aber nur langsam steigende Futteraufnahme bedeuten für viele Kühe eine stärker ausgeprägte negative Energiebilanz und folglich die kompensatorische Nutzung von Körperfettreserven. Dieses kann zur unphysiologischen Ansammlung von Ketonkörpern – Aceton, ß-Hydroxybutyrat (ßHB) und Acetoacetat (AcAc) – und zu Veränderungen des Fett- und Eiweißgehaltes sowie des Fett-Eiweiß-Quotienten (FEQ) in der Milch führen.
Ein Zustand erhöhter Gehalte an Ketonkörpern, die im Blut und Harn sowie in der Milch und der Atemluft nachgewiesen werden können, wird als Ketose definiert. Es handelt sich dabei um eine Störung des Energiestoffwechsels. Die Ketose zählt zu den bedeutenden Stoffwechselerkrankungen bei Milchkühen und tritt vermehrt in der Phase des Übergangs von der Trockenstehphase in die Laktation auf.
Ketose – Bestimmungsmethoden
Da Ketosen in Verbindung mit Milchleistungseinbußen, einer erhöhten Infektionsanfälligkeit (Klauen, Euter und Gebärmutter), Fruchtbarkeitsproblemen, erhöhtem Risiko für Labmagenverlagerungen, Abmagerung und einer verkürzten Nutzungsdauer der Tiere stehen, kommt der Diagnose von Ketosen eine große Bedeutung zu.
Die subklinische Form, also ohne eindeutige Symptome, tritt deutlich häufiger auf als die klinische Ketose. Daher ist eine frühzeitige Diagnose der Tiere nur über die Anwendung eines konsequenten Ketose-Monitorings möglich. Für die Durchführung stehen in der Praxis derzeit verschiedene Testsysteme zur Verfügung, die auf der direkten Untersuchung verschiedener Körperflüssigkeiten der Tiere basieren oder über die Auswertung der Milchinhaltsstoffe in Kombination mit weiteren Kennzahlen eine Abschätzung des Ketoserisikos vornehmen (siehe Abbildung 1).
Die Testmethoden auf Ebene des Einzeltieres umfassen:
• Bluttestung im Referenzdiagnostiklabor (quantitativ)
• Blut-Schnelltests (quantitativ)
• Harn-Schnelltests (semiquantitativ)
• Milch-Schnelltests (semiquantitativ)
Aussagen über das Vorkommen von Ketosen auf Herdenebene können aus den nachfolgenden Methoden abgeleitet werden:
• Fett-Eiweiß-Quotient
• Mittlere Infrarotspektroskopie
• KetoMIR-System
Untersuchung in einem Praxisbetrieb
In einer siebenmonatigen Untersuchung (1. März bis 14. Oktober 2023) in einem Praxisbetrieb in Schleswig-Holstein wurden fünf verschiedene Methoden zur Bestimmung von Ketosen eingesetzt, um das Ketosevorkommen zu ermitteln und dabei einen Vergleich der Systeme durchzuführen.
Für die Datenerfassung wurden folgende Schnelltests mit den dargestellten Grenzwerten genutzt:
1. Blut-Schnelltest:
• BHB-Check, TaiDoc Technology Corporation, Taiwan
• subklinische Ketose:
1,2 bis 2,9 mmol ßHB/l Blut, klinische Ketose: ≥ 3,0 mmol ßHB/l Blut
2. Harn-Schnelltest:
• Medi-Test Keton, MACHEREY-NAGEL GmbH & Co. KG, Düren
• keine Ketose: = 0 mmol AcAc/l Harn, Ketose: > 0 mmol AcAc/l Harn
3. Milch-Schnelltest:
• Servotest Vet und WDT Ketonkörper-Teststreifen für Milch, servoprax GmbH, Wesel
• keine Ketose: < 100 µmol ßHB/l Milch, Ketose: ≥ 100 µmol ßHB/l Milch
Der Blut-Schnelltest arbeitet als quantitativer Test, bei dem ein Teststreifen in das entsprechende Handmessgerät eingelegt und ein Tropfen Blut auf den Streifen aufgebracht wird. Als Ergebnis wird der ßHB-Gehalt als Zahlenwert angezeigt. Demgegenüber handelt es sich bei den Harn- und Milchschnelltests um sogenannte semiquantitative Farbumschlag-Tests. Die Teststreifen werden kurz in die entsprechende Flüssigkeit getaucht, anschließend reagieren die Testfelder mit der Flüssigkeit und verfärben sich. Die Farbveränderung kann nach der definierten Reaktionszeit mit einer Farbskala verglichen und daraus die Ketonkörperkonzentration abgeschätzt werden.
Zusätzlich zu den Testmethoden auf Basis des Einzeltieres wurden die Ergebnisse der monatlichen Milchleistungsprüfung des Landeskontrollverbandes Schleswig-Holstein (LKV) genutzt und dabei der FEQ und das im Februar 2023 eingeführte KetoMIR-System zur Beurteilung der Ketose-Gefährdung herangezogen. Die milchleistungsprüfungsbasierten Vorhersagesysteme bieten im Vergleich zu den Schnelltests den Vorteil, dass die Untersuchungs- und Auswertungsaufgaben durch den LKV übernommen werden und damit eine Konstanz durch einheitliche Testung und Dokumentation erreicht werden kann.
Als Basis der KetoMIR-Bewertung dienen Spektraldaten der Milchproben, aus denen bisher über die Anwendung einer Kalibrationsgleichung die Milchinhaltsstoffe abgeleitet werden. Die Spektraldaten werden dafür in einem gemischten Modell für die Berechnung des Ketose-Risikos genutzt. In dieses fließen neben den tierbezogenen Angaben (Laktationswoche, Laktationsnummer, Rasse) auch die aus den MIR-Spektraldaten ermittelten Milchinhaltsstoffe (Fett, Eiweiß, Laktose), Ketonkörper (Aceton), Fettsäuren und Mineralien ein.
Aus den Berechnungen des gemischten Modells ergibt sich ein kontinuierlicher Wert, der zwischen 0 und 1 liegt. Die Ergebnisse werden dann einer der drei Klassen des KetoMIR-Index zugeordnet, woraus sich die jeweilige Risikoeinschätzung für das Einzeltier ableitet:
Klasse 1 = geringes Ketoserisiko,
Klasse 2 = mittleres Ketoserisiko,
Klasse 3 = hohes Ketoserisiko.
In der Testung diente der Blut-Schnelltest als Referenz für die Berechnung der Korrelation sowie der Qualitätsparameter. Proben mit einem ßHB-Wert von 1,2 bis 2,9 mmol/l Blut wurden als subklinische Ketose und mit einem Wert ≥ 3,0 mmol ßHB/l Blut als klinische Ketose charakterisiert.
Insgesamt wurden 134 Tiere nach ihrer Kalbung einmal wöchentlich in den ersten drei Laktationswochen zeitgleich mit den drei Schnelltests untersucht. Zusätzlich kamen für den Vergleich die Ergebnisse der Milchleistungsprüfungen zum Einsatz, die zeitlich nahe an einer Testung mittels Schnelltests lagen. Aufgrund des monatlichen Intervalls der Milchleistungsprüfung reduzierte sich der verfügbare Datensatz für den Vergleich des FEQ und des KetoMIR-Systems mit den anderen Bestimmungsmethoden, was bei der Interpretation der Ergebnisse zu berücksichtigen ist.
Korrelationen der Messergebnisse
Eine Korrelationsanalyse der Messergebnisse der verschiedenen Tests ergab, dass die vor Ort im Betrieb eingesetzten Schnelltests eine höhere Korrelation zeigten als die Ketoseeinschätzungen, die aus den Daten der Milchleistungsprüfung bestimmt wurden (Tabelle 1).
Die Harn-Teststreifen können nach dem Bewertungsmaßstab, der von JANSEN (2022) angewendet wurde, mit einer Korrelation von 0,716 zur Referenz des Blut-Schnelltests in die Kategorie einer hohen Korrelation eingeordnet werden und zeigten insgesamt die besten Ergebnisse. Die Ergebnisse der Milch-Teststreifen ergaben eine moderate Korrelation mit einem Korrelationskoeffizienten von 0,493. Die Korrelationen von KetoMIR beziehungsweise FEQ mit dem Blut-Schnelltest, der in diesen Untersuchungen als Referenz galt, waren mit 0,227 und 0,165 gering.
Für die berechnete Korrelation zwischen FEQ und Blut-Schnelltest gab es darüber hinaus keine Signifikanz.
Die Abbildungen 2 und 3 zeigen die Beziehungen der Messwerte des Blut-Schnelltests zu denen der Harn-Teststreifen beziehungsweise zu denen der Milch-Teststreifen.
Das Bestimmtheitsmaß für den linearen Zusammenhang zwischen den Messwerten des quantitativen Blut-Schnelltests und denen der semiquantitativen Harn-Teststreifen war mit 0,751 (Pearson Korrelationskoeffizient: 0,866, p<0,001) hoch und zeigt damit eine enge Beziehung (Abbildung 2).
Für den Milch-Schnelltest ergab sich eine schlechtere Korrelation mit dem Blut-Schnelltest (Abbildung 3).
Das Bestimmtheitsmaß für diesen linearen Zusammenhang lag bei 0,438 (Pearson Korrelationskoeffizient: 0,662; p<0,001) und zeigte damit eine mittlere Beziehung.
Gesamtübersicht Qualitätsparameter
Tabelle 2 zeigt eine Gesamtübersicht der Qualitätsparameter Sensitivität, Spezifität, Falsch-Positiv-Rate und Falsch-Negativ-Rate für die jeweiligen Testverfahren mit dem BHB-Check (TaiDoc, Taiwan) als Referenz.
Für die Schnelltests sind verschiedene Grenzwerte getestet worden, ab dem ein positiver Ketose-Status angenommen werden kann. In allen Fällen bewirkt eine Erhöhung des Grenzwertes die Reduzierung der Sensitivität (beschreibt beziehungsweise misst in diesem Fall den Prozentsatz „kranker“ beziehungsweise ketoseverdächtiger Kühe, die korrekt als solche erkannt wurden) und Erhöhung der Spezifität (beschreibt beziehungsweise misst in diesem Fall den Prozentsatz gesunder beziehungsweise nicht ketoseverdächtiger Kühe, die korrekt als solche und damit gesund erkannt wurden).
Da der Einsatz von Schnelltests darauf abzielt, subklinische Ketosen zu erkennen und mögliche negative Auswirkungen auf die Gesundheit und Leistung der Tiere zu verhindern, wird vorrangig eine hohe Sensitivität der Tests angestrebt.
Dabei zeigte der Harn-Schnelltest insgesamt bei einem Grenzwert > 0 mmol AcAc/l Harn die höchste Kombination von Sensitivität (84 %) und Spezifität (69 %). Jede erkennbare Farbveränderung der hier verwendeten Harn-Teststreifen sollte damit als Hinweis auf eine ketotische Belastung gewertet werden.
Für den betrachteten Milch-Schnelltest ergab sich die höchste Kombination aus Sensitivität und Spezifität bei der Anwendung eines Grenzwertes von ≥ 0,5 mg ßHB/100 ml Milch. Eine Sensitivität von 84 % und eine Spezifität von 58 % wurden ermittelt.
Die ausgewerteten MLP-Daten zeigten im Vergleich zu den Schnelltests niedrigere Qualitätswerte. So konnte in dieser Datenaufnahme mit dem KetoMIR-System eine maximal mögliche Sensitivität von 52 % erreicht werden. Die Spezifität lag bei 65 %. Bei der Anwendung des neuen populationsabhängigen FEQ (GLATZ-HOPPE 2022) wurde eine Sensitivität von 31 % und eine Spezifität von 80 % erreicht. Das „alte“ beziehungsweise ehemalige FEQ-System mit einem FEQ-Grenzwert > 1,5 zeigte für diese spezielle Datenaufnahme eine Sensitivität von 24 % sowie eine Spezifität von 89 %.
Hierbei sollte jedoch berücksichtigt werden, dass diese milchdatenbasierten Systeme nicht den Anspruch haben, Einzeltiere für zum Beispiel therapeutische Maßnahmen zu identifizieren, sondern um Managemententscheidungen auf Herdenebene oder für Teilgruppen anzupassen.
Fazit
Im Rahmen dieser Studie wurden verschiedene Schnelltests zur Ketoseeinschätzung sowie das auf Spektraldaten von Milchproben basierende KetoMIR-System miteinander verglichen. Eine Laboranalyse des ßHB-Gehaltes fand hierbei nicht statt, sodass die ßHB-Bestimmung aus dem Blut mittels Schnelltest nicht mit solchen im Labor analysierten Werten verglichen wurde. Anhand zahlreicher anderer, vergleichbarer Untersuchungen, die Laboranalysen als Referenz verwendeten, ist jedoch abzuleiten, dass die Blut-Schnelltests stets die höchste Korrelation und besten Qualitätsparameter im Vergleich zu den anderen Bestimmungsmethoden zeigen. Daher wurde in dieser Untersuchung der Blut-Schnelltest als Referenz angesehen.
Die Qualitätsparameter der Harn-Schnelltests zeigten eine zufriedenstellende Genauigkeit dieser Testmethode. Milchbasierte Teststreifen hingegen können anhand dieser Untersuchung nur bedingt empfohlen werden.
Die ermittelten Qualitätsparameter der milchleistungsbasierten Daten bestätigten die Aussage, dass diese Ergebnisse nicht für die Identifizierung von subklinischen oder klinischen Ketosen des Einzeltieres genutzt werden können, sondern der Unterstützung im Herdenmanagement dienen. Eine ergänzende Nutzung von Schnelltests bleibt daher unverzichtbar, um betroffene Einzeltiere zeitnah diagnostizieren und therapieren zu können.