In der Leitlinie zur Impfung von Pferden der Ständigen Impfkommission Veterinärmedizin (Stiko Vet) heißt es: „Die Impfung ist die wichtigste Maßnahme zur Verhinderung von Infektionskrankheiten und deren Verbreitung.“ Impfen biete sowohl Schutz für das Einzeltier als auch für den Bestand und schließlich die gesamte Population. Für die Grundimmunisierung von Fohlen gilt es, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen. Nur dann ist ein lebenslang optimaler Impfschutz gewährleistet.
Die Stiko Vet unterscheidet in ihrer Leitlinie zwischen „Core-Komponenten“ und „Non-Core-Komponenten“. Erstere richten sich gegen Krankheitserreger, vor denen „jedes Pferd zu jeder Zeit geschützt sein muss“ – also sehr ansteckende oder schwere Infektionen mit hoher Sterblichkeitsrate. Zu diesen werden in der aktuellen Leitlinie Tetanus, Equine Influenza und Equine Herpesvirusinfektionen gezählt.
Ein Impfschutz gegen Tetanus ist unverzichtbar, schließlich kommt das Bakterium Clostridium tetani überall vor, beispielsweise in der Erde. Gelangen diese Bakterien in eine Wunde, und sei sie noch so winzig, wird unter anderem Tetanospasmin gebildet – ein hochgiftiges Toxin. Eine Tetanusinfektion, auch als Wundstarrkrampf bekannt, greift die muskelsteuernden Nervenzellen an und führt häufig zu einem qualvollen Tod. Pferde gelten zudem als besonders empfindlich gegenüber Tetanustoxin. Sie nicht zu immunisieren, „verstößt gegen den Tierschutz und ist unverantwortlich, da die Impfung der einzige wirksame Schutz gegen die Erkrankung an Tetanus ist“, urteilt die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN).
Auch die Immunisierung gegen Equine Influenza gilt als notwendig, für Turnierpferde ist sie Pflicht. Die Erkrankung, die auch als „Pferdegrippe“ bekannt ist, äußert sich durch hohes Fieber und starken Husten, tragende Stuten erleiden mitunter eine Fehlgeburt. Chronische Schäden an Lunge oder Herz sowie Folgeerkrankungen wie Druse oder sogar Hufrehe sind möglich, insbesondere wenn den vierbeinigen Patienten nicht ausreichend Zeit zur Genesung gegönnt wird. Die hochansteckenden Viren können schon dann weitergegeben werden, wenn noch keine Symptome vorhanden sind. Geimpfte Pferde sind zwar nicht gänzlich gegen eine Infektion gefeit, zeigen in der Regel jedoch mildere Verläufe.
Die FN empfiehlt zusätzlich die Impfung gegen das Equine Herpesvirus (EHV), die Stiko Vet stuft sie gar als „Core-Komponente“ ein. Etwa 80 % der Pferde tragen Herpesviren in sich – meist unbemerkt. In Stresssituationen können diese Viren wieder aktiviert und ausgeschieden werden. Die Impfung reduziert diese Freisetzung und somit die Ansteckungsgefahr für andere Pferde. Ziel ist es also, durch die Immunisierung möglichst vieler Pferde den Infektionsdruck zu reduzieren. „Nur einzelne Tiere eines Bestands zu impfen, führt nicht zum angestrebten Impferfolg“, warnt die Stiko Vet. Leider bietet auch eine regelmäßige Immunisierung keinen vollständigen Schutz vor einem Herpesausbruch, die Symptome sind dann aber in der Regel weniger stark ausgeprägt.
Unter Umständen empfehlenswert
„Non-Core-Komponenten“ werden von der Stiko Vet nicht grundsätzlich für alle Pferde empfohlen, sondern nur dann, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Das gilt beispielsweise für Impfungen gegen Druse, Equine Rotavirusinfektionen, Lyme-Borreliose und Infektionen mit dem West-Nil-Virus.
Die hochansteckende Druse wird von Bakterien verursacht. Typische Symptome sind Husten, Fieber, grüner Nasenausfluss und geschwollene Lymphdrüsen. In einigen Fällen kommt es zu Organschäden oder schlimmstenfalls zum Tod. Eine Ansteckung ist nicht nur direkt von Pferd zu Pferd möglich, sondern auch über Vektoren wie Menschen oder Stallausrüstung, beispielsweise Wassereimer und Futtertröge. Die Stiko Vet rät unter anderem wegen möglicher Nebenwirkungen von einer generellen Impfung ab und empfiehlt sie lediglich „als Notfallmaßnahme zur Verringerung der klinischen Symptome bei akut infektionsgefährdeten Pferden“.
Für Fohlen kann eine Infektion mit dem Equinen Rotavirus zu gefährlichen Durchfällen führen. Geimpft werden die Pferdemütter noch während der Trächtigkeit (im achten, neunten und zehnten Trächtigkeitsmonat). Die Fohlen nehmen die Antikörper dann über das Kolostrum auf und erkranken dadurch seltener an Rotavirusdurchfällen. „Die Impfung wird in Beständen mit nachgewiesenen Rotavirusinfektionen bei gutem Hygienemanagement empfohlen“, so die Stiko Vet.
Seit 2015 gibt es für Pferde eine Impfung gegen Lyme-Borreliose. Da die Borrelien beim Saugen der Zecke schon in deren Körper deaktiviert werden sollen, ist ein hoher Antikörperspiegel im Pferdeblut wichtig. Die Stiko Vet schlägt daher insgesamt vier Injektionen für die Grundimmunisierung vor – eine mehr als der Hersteller empfiehlt. Die Immunisierung ist ab einem Alter von zwölf Wochen möglich. Wichtiger Hinweis der Stiko Vet: „Eine Impfung infizierter Pferde ist nicht zu empfehlen. Pferde, von denen anzunehmen ist, dass sie Kontakt zu Zecken hatten, sollten vor der Impfung mittels Antikörpernachweis auf eine eventuelle Infektion hin untersucht werden.“
West-Nil-Virus auf dem Vormarsch
Die Impfung gegen das West-Nil-Virus zählt ebenfalls zu den „Non-Core-Komponenten“, die Experten der Stiko Vet raten in betroffenen Gebieten und benachbarten Regionen dennoch dringend zur Impfung. Das gilt auch dann, wenn die Pferde zwar nicht in den genannten Gebieten leben, aber dorthin reisen sollen. Die Arboviren werden von Stechmücken übertragen und verursachen unter anderem Fieber und neurologische Ausfallerscheinungen. Einige Pferde erleiden bleibende neurologische Schäden, manche sterben.
Laut Stiko Vet ist die Impfung ab dem fünften beziehungsweise sechsten Lebensmonat möglich. Wichtig sei die rechtzeitige Impfung vor Beginn der Mückensaison, also im Verlauf des Frühjahrs. So könnten „in der Zeit der wahrscheinlichsten Virusübertragung in der warmen Jahreszeit die höchsten Antikörpertiter“ erzielt werden. Die Impfung reduziere jedoch nur „die Dauer und Schwere der klinischen Symptome“.
Für das Jahr 2020 wurden nach Angaben des Friedrich-Loeffler-Instituts bis zum 1. Oktober 16 Infektionen mit dem West-Nil-Virus bei Pferden aus Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen und erstmals auch aus Niedersachsen nachgewiesen, vier Pferde starben. Experten befürchten, dass sich das West-Nil-Virus in Zukunft weiter in Deutschland ausbreiten wird und somit die Impfempfehlungen entsprechend angepasst werden müssen. Zusätzlichen Schutz bieten Insektenschutzmittel.
Den richtigen Zeitpunkt finden
Wann der Pferdenachwuchs zum ersten Mal geimpft wird, ist entscheidend für den tatsächlichen Impferfolg. Passiert dies nämlich zu früh, kann der Impfschutz schlimmstenfalls lebenslang nicht optimal ausgebildet werden. Tierärztin Dr. Christine Aurich erklärt: „Fohlen können relativ früh auch schon selbst Antikörper erzeugen, aber solange maternale Antikörper im Organismus des Fohlens nachweisbar sind, kann die Impfung nicht so gut wirksam werden.“
Der Grund: „Fohlen bekommen über das Kolostrum Antikörper von der Mutter. Dabei werden auch solche mitgegeben, die von der Mutter durch Impfungen und nicht nur durch Erkrankungen erworben wurden.“ Ein guter Impfstatus der Zuchtstute zum Zeitpunkt der Fohlengeburt sei daher erstrebenswert. So sollten etwa im letzten Trimester der Trächtigkeit (achter bis elfter Monat) die Impfungen gegen Influenza und Herpes aufgefrischt werden, um ausreichend hohe Konzentrationen an Antikörpern in der Biestmilch zu gewährleisten. „Bei Tetanus sind jährliche Wiederholungsimpfungen dagegen nicht erforderlich“, informiert Aurich.
Wie lange der temporäre Schutz vor Krankheitserregern anhält, ist jedoch unterschiedlich: „Antikörper gegen Tetanus sind sehr lange nachweisbar, der Schutz gegen Equine Herpesviren klingt offenbar schon eher ab“, weiß die Tierärztin.
Beratung durch den Tierarzt
Die allgemeine Impfempfehlung der Stiko Vet sieht vor, dass mit der aus jeweils drei Impfungen gegen Tetanus, Equine Influenza und Equine Herpesvirusinfektionen bestehenden Grundimmunisierung im Alter von sechs Monaten begonnen wird (siehe Tabelle). Die Impfungen sollten, wenn möglich, zeitversetzt erfolgen: „Erfahrungsgemäß ist die Immunantwort umso intensiver, je weniger Komponenten zeitgleich geimpft werden“, so die Stiko Vet.
Hat das Fohlen nicht genügend Kolostrum getrunken, wurde die Mutterstute nicht beziehungsweise ungenügend geimpft oder ist die Antikörpermenge des Fohlens nachweislich gering, so empfiehlt die Stiko Vet eine Immunisierung bereits ab dem Alter von vier Monaten. Bei unklarer Lage könne zu diesem Zeitpunkt auch der Antikörperstatus des Fohlens untersucht werden. „Die Ergebnisse sind dann die Basis für das Grundimmunisierungsschema.“
Der Tierarzt ist der richtige Ansprechpartner bei allen Impfangelegenheiten des Pferdnachwuchses. Er bestimmt über die notwendigen Impfungen, den geeigneten Zeitpunkt der Grundimmunisierung sowie die korrekten Impfabstände und Auffrischungen. Zudem kann er bei Unklarheiten den Antikörperstatus der Fohlen überprüfen. Übrigens sollte bereits vor der Trächtigkeit mit dem Veterinär das Impfprogramm für die Pferdemütter in spe besprochen werden.