Zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie war ein Treffen der DLG-Spitzenbetriebe Milcherzeugung im Rahmen einer Präsenztagung wieder möglich. Am 25. und 26. Februar trafen sich die Teilnehmer in nahezu gewohnter Weise in Hessen.
Die Veranstaltung stand unter dem Thema „Veränderung annehmen – Perspektiven erkennen“, zu dem sich 160 Teilnehmer aus dem ganzen Bundesgebiet für einen fachlichen Austausch trafen. Damit war die Veranstaltung deutlich kleiner als in der Vergangenheit, die Beschränkung der Teilnehmerzahl war aufgrund der Pandemiebeschränkungen nötig. Schleswig-Holstein war mit 14 Landwirten und Beratern vertreten.
Die Konferenz der DLG-Spitzenbetriebe bot auch in diesem Jahr eine gute Plattform für einen bundesweiten Austausch zwischen Milcherzeugern und Beratern zu den aktuellen Themen in der Milchviehhaltung. Außer verschiedenen Podiumsvorträgen konnten insgesamt fünf Arbeitskreise zu verschiedenen Themen von den Teilnehmern besucht werden. Neben den informativen Vorträgen aus dem In- und Ausland blieb den Anwesenden auch genügend Zeit für den fachlichen Austausch mit den Berufskollegen. Das gemeinsame Abendessen am Freitagabend war ebenso in gewohnter Weise möglich, wie die traditionelle Betriebsbesichtigung zum Abschluss der Veranstaltung am Sonnabendmittag. Sowohl Veranstalter als auch Teilnehmer waren froh und sich gleichermaßen einig, dass diese Art der Veranstaltung nicht durch eine Onlinetagung zu ersetzen ist.
Knappe Deckung der Vollkosten
Dr. Stefan Weber von der LMS Agrarberatung GmbH aus Rostock präsentierte die Ergebnisse der Vollkostenauswertung der 240 ausgewählten Betriebe. Zum dritten Mal in Folge zeigen die vorgestellten Ergebnisse, dass auch im Wirtschaftsjahr 2021 nur ganz knapp ein kostendeckendes Gesamtergebnis möglich ist. Das kalkulatorische Betriebszweigergebnis (BZE) liegt im Durchschnitt der DLG-Spitzenbetriebe bei nur 0,11 ct/kg ECM.
Eine Milchmenge von 10.588 kg ECM pro Kuh und Jahr wurde im Durchschnitt aller Betriebe nach wie vor an die Molkerei abgegeben. Jedoch gilt laut Stefan Weber weiterhin: „Effektivität geht vor Höchstleistung, besonders in Niedrigpreisphasen!“ Vor dem Hintergrund, dass lediglich 52 % aller ausgewerteten Betriebe 2020/2021 ein positives kalkulatorisches BZE erreichen konnten, gewinnt diese Aussage erneut an Gewicht.
Sowohl die Summe der Leistungen mit 41,70 ct/kg ECM als auch die Produktionskosten lagen mit 41,59 t/kg ECM geringfügig unter den Vorjahreswerten. Dabei produzieren die ausgewerteten Betriebe durchweg auf einem sehr hohen Niveau, jedoch sind einzelbetrieblich immer noch große Unterschiede möglich. Die durchweg sehr ähnlichen Produktionskennwerte zeigen, dass dies die Summe vieler kleiner Stellschrauben ist, die letztendlich den Unterschied im wirtschaftlichen Erfolg der Betriebe ausmachen.
Zwischen den Betrieben zeigen sich immer wieder gewaltige Managementunterschiede – so reichten die Produktionskosten von unter 30 ct bis über 54 ct/kg ECM. Hinsichtlich der Gesamtleistungen differierten diese zwischen 35,21 ct und 51,60 ct/kg ECM, wobei die Erlössummen aus den Koppelprodukten prozentual zwischen 4,4 % und 27,7 % lagen. Die Möglichkeiten der Betriebe, die Leistungen zu beeinflussen, bleiben größer als angenommen. Im Vergleich zu der landesweiten Auswertung in Schleswig-Holstein enthält die Auswertungsgruppe jedoch auch viele reine Fleckviehbetriebe mit einer größeren Bedeutung der Koppelprodukte. Der Nettomilchpreis von 34,16 ct/ kg ECM und auch der zu niedrige Molkereiauszahlungspreis von 38,19 ct/kg brutto entsprachen in etwa dem Vorjahresniveau. Der vollkostendeckende Milchpreis hätte bei 38,2 ct/kg natural liegen müssen.
Für das aktuelle Wirtschaftsjahr wird trotz stark steigender Betriebsmittelkosten durch die sehr gute Marktlage für Milch- und Rindfleischprodukte ein sehr gutes Kalenderjahr 2022 erwartet, welches die Wirtschaftsjahre 2021/2022 und 2022/2023 deutlich positiv beeinflussen wird.
Neue Perspektiven gewinnen
An beiden Tagen boten die Vorträge im Plenum die Gelegenheit interessanter Blickwinkel auf die Milchviehbranche. Den Auftakt machte am Freitag Dr. Albert Hortmann-Scholten, Landwirtschaftskammer Niedersachsen, mit seinem Vortrag „Rohstoffkostenexplosion und Inflation – Was kommt auf die Agrarmärkte zu?“ und ordnete die aktuelle Marktsituation aus verschiedenen Perspektiven ein. Sowohl sein Vortrag als auch die anschließende Diskussion machten jedoch deutlich, dass verlässliche Prognosen angesichts der jüngsten politischen Entwicklungen nahezu nicht mehr möglich sind.
Den Abschluss des ersten Tages bestimmte der Vortrag von Prof. Frank Mitloehner, UC Davis Department of Animal Science. Sein Vortrag zum Einfluss der Milchkuhhaltung auf die Klimaerwärmung beleuchtete nicht nur die Entstehung von Treibhausgasen aus der Landwirtschaft, sondern bot auch interessante Lösungsansätze aus seiner Wahlheimat Kalifornien. Prof. Mitloehner war hierzu digital zugeschaltet und konnte dank der guten Übertragung viele der anschließenden Fragen aus dem Publikum sehr gut beantworten.
Am darauffolgenden Sonnabend ging es dann international weiter, indem Ad van Velde, Präsident Global Dairy Farmers und Milchkuhhalter aus Kantens (Nord-Groningen, Niederlande), seinen Betrieb mit 190 Milchkühen präsentierte.
Arbeitskreis Tierwohl aus Schleswig-Holstein
Das Herzstück der Tagung waren die insgesamt fünf Arbeitskreise, zwischen denen die Teilnehmer frei wählen konnten. Der Arbeitskreis 3 wurde unter schleswig-holsteinischer Leitung durchgeführt. Unter dem Titel „Tierwohllabels: Mehr Tierwohl und höhere Wertschöpfung?“ moderierte Hannah Lehrke, Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, die Diskussion um die neue Haltungsformkennzeichnung. Als praktischer Landwirt stellte Christian Cordes aus Kragstedt, Gemeinde Wanderup im Kreis Schleswig-Flensburg, seinen Betrieb vor und stand Rede und Antwort zu seinen Erfahrungen mit der Produktion von Tierwohlmilch. Bernd Ippenberger, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, referierte in seinem Eingangsvortrag zu den Kosten der neuen Haltungsformkennzeichnung.
An beiden Tagen fanden sich spannende Diskussionsgruppen, die mit unterschiedlichen Reaktionen auf die Neuerungen und Anforderungen der Haltungsformkennzeichnung reagierten. Neben den Chancen der höheren Vergütung waren sich die Teilnehmer einig, dass es sich aufgrund der fehlenden Verbindlichkeit seitens des Lebensmitteleinzelhandels eher um Mitnahmeeffekte handle als um eine wirkliche Grundlage für größere Investitionen. Die Produktion von Nischenprodukten sei dabei eine Möglichkeit, biete aber keine langfristige Verlässlichkeit.
Wer kann DLG- Spitzenbetrieb werden?
DLG-Spitzenbetrieb kann jeder Milchviehbetrieb werden, sofern er bestimmte ökonomische und produktionstechnische Voraussetzungen erfüllt. Der Betrieb muss zum einen zum besten Viertel des betriebswirtschaftlichen Vergleichs einer Region gehören. Zum anderen sind je nach Rinderrasse bestimmte Leistungskriterien zu erfüllen. Die Betriebszweiganalyse wird im Allgemeinen von den regionalen Beratungsorganisationen erstellt. Für Landwirte ermöglichen die DLG-Spitzenbetriebe einen bundesweiten Austausch und Vergleich unter Berufskollegen. Generell soll bei den Betriebsleitern ein Interesse an der Mitarbeit bestehen. Als DLG-Spitzenbetrieb soll zudem eine gewisse Vorreiterrolle in der eigenen Region eingenommen werden. Wer Interesse hat, an den Spitzenbetrieben teilzuhaben, kann gerne seinen Berater oder Beratungsring ansprechen.
Fazit
Die DLG-Spitzenbetriebe Milcherzeugung trafen sich im Februar nach einer einjährigen Pause zu einer gemeinsamen Konferenz in Hessen. Das gesamte Programm mit einer Mischung aus Vorträgen und Arbeitskreisen fand auch in diesem Jahr wieder sehr große Zustimmung unter allen Teilnehmern. Bei einem gemeinsamen Abend konnten fachliche Gespräche weiter vertieft werden. Die gewonnenen Erkenntnisse und der Erfahrungsaustausch können von allen Teilnehmern in die Betriebe beziehungsweise in den Beratungsalltag eingebunden werden.