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Praktische Erfahrungen mit papierloser Rechnung

Seit dem 1. Januar 2025 besteht gemäß § 14 des Umsatzsteuer­gesetzes (UStG) die Pflicht zur elektronischen Rechnung ­(E-Rechnung), vergleiche Artikel von ­Sebastian Nehls, Ausgabe 46 vom 16. November 2024.

Kurz vor Inkrafttreten des neuen § 14 UStG fielen im November und Dezember zahlreiche Fragen und Herausforderungen an. Steuerberater, Dienstleister, Landhändler und diverse weitere Unternehmen informierten auf unterschiedliche Weisen und in unterschiedlicher Intensität über die Gesetzesänderung und ihr angestrebtes Vorgehen.

Wer ist betroffen?

Grundsätzlich ist jeder Unternehmer von der Gesetzesänderung betroffen. Ein Unternehmer ist gemäß § 2 UStG jeder, der sich mit einer nachhaltigen Tätigkeit zur Einnahmeerzielung am wirtschaftlichen Verkehr beteiligt. Hierunter fallen auch Vermieter mit gegebenenfalls nur einem Vermietungsobjekt, Kleinunternehmer, die in ihren Rechnungen keine Umsatzsteuer ausweisen, aber auch pauschalierende Landwirte und Vereine.

Vorsteuerabzug und Kundenportale

Der Vorsteuerabzug wird bei allen ordnungsgemäßen Rechnungen gewährt. Sofern die Übergangsregelungen angewendet werden, gilt auch jede sonstige Rechnung, wie zum Beispiel eine Papier-Rechnung oder eine einfache PDF-Rechnung, als ordnungsgemäß, sofern sie alle notwendigen Rechnungsbestandteile enthält, und gewährt somit den Vorsteuerabzug. Dies wird durch Anwendungsschreiben des Finanzministeriums vom 15. Oktober 2024 explizit bestätigt.

Der Versand von E-Rechnungen kann durch E-Mails, elektronische Schnittstellen oder über den Download aus Portalen erfolgen. Beispielsweise Energieunternehmen oder Telefonanbieter stellen bereits seit Jahren ihre Abrechnungen in Kundenportalen zur Verfügung. Ein Unternehmer ist somit verpflichtet, die Abrechnungen seit 1. Januar 2025 über die entsprechenden Kundenportale elektronisch zu empfangen, und hat kein Wahlrecht mehr auf eine Papierrechnung. Die Vielzahl der Zugangsdaten stellt hierbei jedoch eine Herausforderung dar. Das Anmelden in unterschiedlichen Kundenportalen stellt zudem einen hohen administrativen Aufwand dar. Diesbezüglich wurden bereits Softwarelösungen erstellt, mit denen alle Zugänge zu Kundenportalen zusammengefasst und dort zur Verfügung gestellte Dokumente zentral abgerufen werden können. Entsprechende Rechnungsmanagementsysteme wurden bereits in einigen Softwares zur Archivierung und Verarbeitung von Belegen eingearbeitet.

Separate E-Mail-Adressen

In Bezug auf die Umstellung auf ein digitales Büro stellt sich sehr häufig die Frage, in welchem Umfang neue betriebliche E-Mail-Adressen eingerichtet werden müssen. Hierzu bestehen keine gesetzlichen Regelungen. Die Empfehlung besteht jedoch darin, dass übersichtshalber für jeden Betrieb eine separate E-Mail-Adresse für den Rechnungseingang eingerichtet wird. In diesem Zusammenhang sollten direkt alle Geschäftspartner informiert werden, sodass schnellstmöglich kein unnötiger Arbeitsaufwand durch das Einscannen von Papierrechnungen und Umspeichern von digitalen Rechnungen an andere E-Mail-Adressen mehr entsteht. Die gesamte Umsetzung in den Büros vor Ort ist jedoch vom Unternehmer und den Mitarbeitern individuell zu bestimmen und mit dem Ziel zur Zufriedenheit aller zu erarbeiten. Hierbei ist es für viele Landwirte zunächst hilfreich, die analoge Aktenstruktur in die Struktur des digitalen Büros zu übernehmen. Dies ist durch die maschinelle Lesbarkeit der Dokumente jedoch nicht notwendig.

Die Ausgangsrechnungen

Bei der Erarbeitung und Umstellung auf ein digitales Büro empfiehlt es sich, trotz der Übergangsregelungen, bereits mit dem Erstellen von E-Rechnungen zu beginnen, um diesen Prozess direkt mit einzuarbeiten und bestehende Programme für die Rechnungsschreibung auf die Möglichkeit der E-Rechnung zu prüfen.

Der Anbieter informiert seinen Kunden per SMS, dass eine digitale Rechnung vorliegt.

Revisionssichere Archivierung

Elementar ist, dass elektronisch eingehende Belege in ihrer Ursprungsform revisionssicher abgespeichert werden. Dies stellt für Unternehmen, die bisher in ihrem Büro überwiegend in Papierform gearbeitet haben, eine Herausforderung dar, denn das Ausdrucken und Abheften einer elektronisch eingegangenen Rechnung ist keinesfalls ausreichend. Auch das bloße Abspeichern von Eingangsrechnungen im E-Mail-Postfach oder dem Windowssystem erfüllt die Anforderungen der Unveränderbarkeit nicht. Die gesetzliche Pflicht zur Aufbewahrung von Rechnungen und Gutschriften in ihrem Original-Format besteht bereits seit 2019. Hierzu wurden keine Änderungen beschlossen. Die entsprechende Aufbewahrung ist durch die Gesetzesänderung des § 14 UStG jedoch verstärkt in den Fokus gerückt. Nach der Archivierung in entsprechender Software, die eine GoBD-konforme (Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung) Aufbewahrung sicherstellt, ist jegliche Bearbeitung der Dokumente möglich, da dies in der Revisionshistorie hinterlegt wird. Das Arbeiten mit Kommentaren und Notizen auf Belegen ist für viele Unternehmer sehr hilfreich für die Zusammenarbeit mit Angestellten und Familienangehörigen im Büro.

Kompatible Softwarelösungen

Wer bereits in der Vergangenheit sein Büro papierlos umgestellt hat, verwendet gewöhnlich eine mit dem Steuerberater ­kompatible Software zur Verarbeitung und Archivierung der Belege. Hier hinein wurden in den letzten Jahren noch viele Belege gescannt. Dies sollte nun größtenteils der Vergangenheit angehören. Eine weitere Umstellung aufgrund der E-Rechnungen ist in diesem Fall nicht nötig, da die gängigen Anwendungen mithilfe eines Zusatz-Tools die Möglichkeit bieten, E-Rechnungen zu erstellen. Diese Möglichkeit sollte zeitnah genutzt werden, um bis zum Ende der Übergangsregelungen einen eingespielten Ablauf im Büro erarbeitet zu haben. Sollte die verwendete Software die Erweiterung auf E-Rechnungserstellung nicht vorsehen, empfiehlt es sich bereits zum aktuellen Zeitpunkt, sich mit einer neuen Software auseinanderzusetzen.

Unternehmer, die bisher nicht papierlos gearbeitet haben, stehen vor der Frage, welches System für die Verarbeitung der E-Rechnungen das Richtige sei. Hierzu sollte mit dem Steuerberater Rücksprache gehalten werden, um kompatible Schnittstellen zu nutzen.

X-Rechnung oder ZUGFeRD

Bei ZUGFeRD-Rechnungen ist der Inhalt im PDF-Dokument für das menschliche Auge erkennbar, das strukturierte Datenformat befindet sich lediglich im Hintergrund. Hingegen besteht die X-Rechnung ausschließlich aus der elektronischen Datei, aus der das menschliche Auge den Inhalt nicht erkennen kann. In welchem Umfang und in welcher Häufigkeit X-Rechnungen anstatt ZUGFeRD-Rechnungen versendet werden, ist bisher noch nicht absehbar. ZUGFeRD-Rechnungen bieten jedoch den Vorteil, dass sie ohne weitere technische Lösung für das menschliche Auge sichtbar sind.

Bar-/Kartenzahlungen in Baumärkten

Kleinbetragsrechnungen unter 250 € dürfen weiterhin als Kassenbon ausgegeben werden. Bei einer Überschreitung der Grenze von 250 € muss nach den Übergangsregelungen eine E-Rechnung ausgestellt werden, wenn ein Unternehmer im Baumarkt oder Supermarkt im Rahmen seines Unternehmens einkauft. Bei einigen Märkten bestehen bereits Kundenkonten für Unternehmer. Voraussichtlich wird sich dieses System bei diversen Märkten durchsetzen. Auch Lösungen mit einem QR-Code-Scan via Smartphone oder App-basierte Lösungen sind denkbar. Um sich das Einscannen von Bar- beziehungsweise EC-Quittungen in einem heutigen digitalen Büro bereits zu ersparen, sollte vor dem Einkauf in entsprechenden Märkten der Wunsch einer digitalen Quittung an der Information geäußert werden, sodass die Mitarbeiter im Vorwege agieren und einen Unternehmer als solchen identifizieren können.

Was ist mit Dauerrechnungen?

Nach Ablauf der Übergangsfristen müssen zwingend alle Dauerrechnungen, die zwischen zwei Unternehmern geschlossen wurden, bis zu ihrer nächsten Veränderung einmalig als E-Rechnung erstellt werden. Dies gilt für (umsatzsteuerpflichtige) Pachtverträge ebenso wie für sämtliche Verträge zwischen zwei Unternehmern, in denen eine Dauerrechnung enthalten ist. Für losgelöste Dauerrechnungen gilt das Gleiche.

Fazit

Mit der E-Rechnung wird das gesetzliche Ziel verfolgt, die Digitalisierung und Standardisierung auf den Betrieben zu fokussieren. Hierbei ergeben sich für die Unternehmen Chancen zur Umstellung, die individuell genutzt und angepasst werden können.

Kälbertransport und Tierschutz

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Der Kälbertrans­port sieht ein ­Alter von 28 Tagen vor. Bis zum 1. Januar 2023 war es gängige Praxis, auf den Aufzuchtbetrieben die Kälber mit einem Alter von 14 Tagen zu verkaufen und zu transportieren. Mit der neuen Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung ist nunmehr seit zwei Jahren der Transport von Kälbern erst mit 28 Tagen zulässig. ­Welche Auswirkungen das auf die Betriebe hat, beleuchtet ­folgender Beitrag.

Im Fokus der Gründe für die Änderung steht die Verbesserung der Kälbergesundheit und somit die Verbesserung des Tierwohls für die Kälber. Mit mehr Lebenstagen sind die Kälber robuster und kräftiger gegenüber Erregern, Krankheiten und Umwelteinflüssen. Kälber im Alter von 21 bis 32 Tagen befinden sich in der „immunologischen Lücke“. Die Antikörper aus dem Kolostrum sind deutlich weniger oder sogar aufgebraucht. Das aktive Immunsystem der Kälber ist erst mit etwa vier Wochen belastbar und baut sich weiter auf. Deshalb ist es sehr vorteilhaft, Kälber keinem unnötigen Stress auszusetzen. Nicht nur der Transport sorgt für eine Stressbelastung, sondern auch die Anpassung an die neue Umgebung sowie der Keimdruck durch andere Kälber auf dem Mastbetrieb. Mit 28 Tagen sind die Kälber weiterentwickelt und haben sich bereits mit einigen Umweltkeimen auseinandergesetzt. Zudem haben sie eine bessere Thermoregulation. Die Kälber sind weniger anfällig und haben die kritische Phase nach der Igluhaltung in der weiteren Kälberhaltung in Konfrontation mit anderen Erregern und Keimen der Artgenossen hinter sich.

Teilweise setzen die Aufzuchtbetriebe vermehrt Fleischrassen für die Nachzucht ein, um den Mehraufwand bei einem Verkauf auszugleichen.

Veränderungen auf den Betrieben

Die Kälber nun 28 Tage zu halten, bevor sie transportiert werden, sorgte für eine logistische Umstrukturierung auf den kuhhaltenden Betrieben, bei den Viehhändlern und auf den Mastbetrieben. Zum einen muss für die Kälber mehr Platz auf den Aufzuchtbetrieben vorgehalten werden. Zum anderen müssen sie länger gefüttert und im Falle eines Krankheitsgeschehens tierärztlich versorgt werden. Maßnahmen, die im Alter von 14 bis 28 Tagen erfolgen, müssen jetzt auf den Betrieben selbst durchgeführt werden. Dies resultierte folglich in Mehrkosten und Mehrarbeit auf dem Aufzuchtbetrieb. Wichtig ist den Betrieben die Honorierung des Mehraufwands. Es kann aber immer wieder dazu kommen, dass dieser Mehraufwand nicht monetär ausgeglichen werden kann. Kälber von Färsen oder eine Erkrankung des Kalbes können beispielsweise dazu führen, dass die Kälber bei einem Verkauf mit 28 Tagen nicht den Entwicklungsstand erreichen wie beispielsweise ein Kreuzungskalb aus Blau-Weißem Belgier und Mehrkalbskuh. Häufig können auch Unterschiede zwischen den Holsteinkälbern selbst beobachtet werden. Unterschiede in der Entwicklung der Kälber und daraus resultierende monetäre Verluste brachten einige Landwirte zu der Entscheidung, mehr Fleischrassen einzusetzen, da von ihnen höhere Zunahmen zu erwarten sind.

Auswirkungen auf Händler und Mäster

Für die Viehhändler macht diese Diversität zwischen den Entwicklungsstadien der Kälber die Gruppenzusammenstellung etwas schwieriger. Zusätzlich zur Diversität in der Entwicklung ist es von Nachteil, dass nur Deutschland die 28-Tage-Verordnung hat und kein weiteres Land in Europa. Ebenso spiegelt sich auch der höhere Platzbedarf bei den Viehhändlern wider. So kommt es zum Einsatz von immer mehr Lkw und weniger Anhängern. Dies erfordert den nötigen Platz auf den Betrieben selbst, um die Kälber verladen zu können. Aus seuchentechnischer Sicht ist es weiterhin sinnvoll, dass nicht zu viel Personenverkehr auf den Betrieben und vor allem in den Ställen herrscht. Die Verladung der Kälber erfordert demnach gegebenenfalls eine logistische Umstrukturierung auf den Betrieben. Nicht zu verachten sind auch die höheren Gewichte. Lange Wege zum Transportmittel sind bei älteren Kälbern nicht zu unterschätzen. Die verbesserte Robustheit der Kälber bemerken vor allem die Mastbetriebe und bewerten dies positiv. Ein weiterer Vorteil für den Mastbetrieb ist die Haltung der Kälber auf dem Erzeugerbetrieb in Kleingruppen. So beobachtete man eine schnelle Aufnahme von Raufutter in den Gruppen. Grund könnte sein, dass die Kälber dies vom Aufzuchtbetrieb bereits gewohnt sind. Viele Betriebe haben seit der neuen Verordnung die Kälberhaltung umstrukturiert und eine Paarhaltung oder frühe Gruppenhaltung geschaffen. Die Vorteile dieser Haltungssysteme wurden in einigen Studien beleuchtet. Zum Beispiel lässt sich in den Systemen ein positiver Nachahmeffekt beobachten.

Trotz der 28-Tage-Verordnung ist Diversität in den Entwicklungsstadien der Kälber zu beobachten.

Vermeintliche Nachteile nutzen

Aufgrund der verlängerten Aufzucht von 28 Tagen und der daraus resultierenden Mehrkosten kann man es sich nicht erlauben, dass die Kälber erkranken, da dies nicht ausreichend abgedeckt werden kann. Wichtig ist es deshalb, gesunde, robuste und leistungsfähige Kälber für den Weiterverkauf zu erzeugen. Dazu ist es unerlässlich, die Kälber in den ersten Lebensstunden mit qualitativ gutem und einer ausreichenden Menge an Kolostrum zu versorgen. Eine gute Kolostrumqualität mit ausreichendem Anteil an Immunglobulinen sorgt für eine gute passive Immunisierung der neugeborenen Kälber. Genauso entscheidend für eine gesunde Entwicklung der Kälber ist die Hygiene. Saubere, gut eingestreute Einzeliglus, Paar­iglus, Gruppenbuchten et cetera sind unerlässlich, ebenso saubere Nuckel, Nuckeleimer, Milchbars, Tränkeautomaten. Es ist darauf zu achten, dass die jungen Kälber in einer sauberen Umgebung aufwachsen und hygienisch einwandfreies Futter verabreicht bekommen. Entscheidend sind auch die täglichen Zunahmen der Kälber, um eine angemessene Honorierung der erhöhten Aufzuchtkosten zu bekommen. Studien zeigen, dass Kälber, die 10 bis 12 l Vollmilch oder Milchaustauscher aufnehmen, bessere Zunahmen haben als Kälber, die beispielsweise nur 8 l aufnehmen. Für gute Zunahmen sollte den Kälbern ebenfalls frühzeitig festes Futter angeboten werden. Genauso wichtig ist die freie Wasseraufnahme. Die Wasseraufnahme sorgt durch die direkte Aufnahme über den Pansen für eine verbesserte Entwicklung der Pansenmikroben.

Fazit

Die neue Tierschutz-Nutztier­haltungsverordnung soll das Tierwohl verbessern und sorgt für robustere Kälber, die transportiert werden sollen. Dennoch ist Diversität in den Entwicklungsstadien der Kälber zu beobachten, die zu monetären Einbußen führen kann. Sowohl bei den Aufzuchtbetrieben, den Viehhändlern als auch auf den Mastbetrieben kommt es zu einem Mehraufwand und zu Mehrkosten, die entsprechend honoriert werden müssen. Entscheidend dafür ist die Aufzucht gesunder und leistungsstarker Kälber.

Alles begann mit Johannes

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Stofftiere gibt es unzählige, aber keiner war und ist bis heute so bekannt und beliebt wie der Teddybär. Gleich ein ganzes Bärenvolk hat seine Heimat in einem der Fachwerk-Seitengebäude des Günderoth‘schen Hofes des Stadtmuseums Schleswig gefunden. Dort in wechselnden Ausstellungen liebevoll in Szene gesetzt, weiß jeder der Bären seine Geschichte zu erzählen. Mal lustig, mal traurig, mal spannend, aber immer unterhaltsam.

Alles begann mit Johannes. Johannes ist einer der Bären aus der Sammlung der Schleswigerin Mechthild Reichstein (1940-2016), die seit 2002 als Ausstellung im Museum zu sehen ist. Als Lehrerin interessierte sie sich für Spielzeug und die Faszination des Spielens. Ihre Leidenschaft für Teddybären begann 1985, als ihre Tochter Annette einen ganzen Sack voller Stofftiere von einem Flohmarkt mit nach Hause brachte.

Unter diesen Stofftieren befand sich auch der Bär Johannes. Ein alter Bär, dem ein Arm fehlte. Sein liebenswerter Gesichtsausdruck rührte die Lehrerin und sie beschloss, ihn zu reparieren. Sie kaufte zwei weitere Bären aus der gleichen Reihe. Sie erhielten später die Namen „Georg“ und „Alfred“. Auch Georg besaß nur einen Arm, aber Mechthild Reichstein brachte es nicht über das Herz, den Bären die Arme zu amputieren, um Johannes den zweiten Arm zurückzugeben. Also machte sie sich schlau und lernte, Teddybären zu nähen. Sie reparierte beide Bären und heute sind sie als Musikertrio in der Ausstellung zu sehen. Bevor ihre Sammlung 2002 in dem Museum eine feste Bleibe fand, tourte Mechthild Reichstein damit durch Deutschland und führte Ausstellungen durch.

Museumspädagogin Sandy Ziegeler führt mit Begeisterung durch die Ausstellung und hat jede Menge Bärengeschichten zu erzählen.
Foto: Iris Jaeger

Museumspädagogin Sandy Ziegeler wurde durch diese Ausstellung zur leidenschaftlichen Bärenliebhaberin und führt mit Begeisterung durch die Räume. Inzwischen haben auch andere Stofftiere mit Einzug gehalten, sodass gut 3.000 Kuscheltiere ihr Zuhause in dem Museum fanden, darunter mehr als 2.000 Teddybären. Und jeder Einzelne hat eine Geschichte zu erzählen. Vielen der Bären sieht man ihre Vergangenheit an – die innige Liebe der Kinder hinterließ Spuren: „Ich nenne es abgeliebt. Die Bären wurden einfach so sehr geliebt, dass sie mitunter kein Fell mehr haben“, so Sandy Ziegeler. Warum hat sich der Bär als Kuscheltier so durchgesetzt? „Eine Theorie dazu ist: Der Bär ist dem Menschen recht ähnlich, nur dass er flauschig ist. Der Bär ist immer neutral im Gesichtsausdruck, verkörpert Stärke, Kraft und er beschützt. Ein Teddy hört zu und erzählt nichts weiter. Man kann mit ihm kuscheln und ihn knuddeln.“ Das gehe auch mit Puppen oder mit anderen Stofftieren, aber keiner könne das so gut wie ein Bär.

Dabei waren die allerersten Bären noch gar nicht so kuschelig. Das kam erst im Laufe der Jahrzehnte, als statt Holzwolle Füllwatte verwendet wurde und das Fell durch weiches Kunstfell ersetzt wurde. Anfangs hatten die Bären getreu dem Vorbild des Braunbärens noch lange Schnauzen, kleine Augen und Ohren und lange Gliedmaßen. Inzwischen sind die Schnauzen platter, die Arme und Beine gedrungener, die Augen größer, was sie so niedlich aussehen lässt.

Auch der älteste Bär von 1905 ist in dem Teddy Bär Haus in Schleswig zu sehen.
Foto: Iris Jaeger

Der älteste Bär der Sammlung stammt aus dem Jahr 1905. Das war die Zeit der ersten Bären und der Beginn der Erfolgsgeschichte der Firma Steiff, die die Besucher des Museums ebenso erfahren wie die Herkunft der Bezeichnung „Teddy“, was auf den ehemaligen amerikanischen Präsidenten Teddy Roosevelt zurückzuführen ist.

Bevor die Steiff-Bären und -Tiere ihren Erfolgszug starteten, waren es die „Elefäntle“ von Margarete Steiff, aus Filz genähte Nadelkissen in Elefantenform, die in den 1890er Jahren einen reißenden Absatz fanden und denen weitere Tiere aus Filz folgten. Erzählt wird die Geschichte des roten Bären „Alfonzo“, den der russische Großfürst Georgi Michailowitsch Romanow für seine Tochter Xenia anfertigen ließ. Der blaue „Elliot“ war eine Auftragsanfertigung, die sich nicht verkaufte, was die wenigen Bären im Nachhinein so besonders und dadurch teuer machte. Viele weitere Bärengeschichten entstanden während und nach den Weltkriegen, wie die von „Otto Karl“ mit der Latzhose, der nach einem Tausch zwei Jahre ausharrte, bis er wieder zu seiner Besitzerin zurückfand, oder von „Karl“ und „Heinrich“, die wie viele Bären zu der Zeit vor Weihnachten verschwanden, um dann mit neuer Kleidung und repariert wieder unterm Weihnachtsbaum zu liegen. „Plisch“ und „Plum“ aus dem Jahr 1947 wurden aus einem Armeemantel genäht. Besonders ist auch die Geschichte von Eisbär „Polar“, der den Untergang der Titanic über­lebte. 

Dieser Bär steht symbolisch für die Geschichte des amerikanischen Teddys, benannt nach Teddy Roosevelt.
Foto: Iris Jaeger
„Opa Justus“ erzählt seinen Enkelbären vom Krieg und wie er seinen Menschen durch diesen verlor.
Foto: Iris Jaeger
Margarete Steiffs „Elefäntle“ legte den Grundstein für eine einzigartige Firmengeschichte.
Foto: Iris Jaeger
Der Matrosenanzug als Modetrend bei Kindern zu Beginn der 1920er Jahre übertrug sich auch auf die Teddybären.
Foto: Iris Jaeger
Der kleine Eisbär „Polar“ überlebte mit seinem Besitzerkind Douglas den Untergang der „Titanic“. Die Reederei ließ schwarze Trauerbären anfertigen.
Foto: Iris Jaeger
„Plisch“ und „Plum“ wurden aus einem Armeemantel gefertigt
Foto: Iris Jaeger
„Alfonzo“ ist nicht nur wegen seiner roten Farbe ein Unikat. Er ist ein Bär mit kaiserlichen Wurzeln.
Foto: Iris Jaeger


Traditionelles Handwerk mit jungen Ideen

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Im Jahr 2023 waren laut Statistischem Bundesamt in Deutschland nur 10,2 % der Erwerbstätigen in Handwerksberufen weiblich. Christin Sell ist eine von ihnen. Als einzige Frau in Schleswig-Holstein ist sie Korbmachermeisterin und führt seit 2013 in dritter Generation den Kieler Familienbetrieb Korbmacherei Sell. Auch er ist der Einzige dieser Art im nördlichsten Bundesland.

„Schon als junges Mädchen schrieb ich in die Poesiealben meiner Mitschüler, dass ich Korbmacherin werden will“, sagt Christin Sell und lacht. Ihr Vater Franz-Dieter, der 1975 die vom Großvater 1938 gegründete Korbmacherei übernahm, hätte nie damit gerechnet, dass eine seiner zwei Töchter sich tatsächlich für seine Profession begeistern würde. „Die Korbmacherei ist schließlich ein körperlich schweres Handwerk, für das man Kraft braucht. Alle Produkte entstehen in Handarbeit ohne Maschinen“, erklärt sie seine anfängliche Zurückhaltung.

Doch der Korbmacher unterstützte seine Tochter nach Kräften, als sie in der 9. Klasse den Wunsch äußerte, das obligatorische zweiwöchige Berufspraktikum in diesem Bereich zu absolvieren. „Er begleitete mich ins oberfränkische Lichtenfels, wo es die europaweit einzige staatliche Berufsfachschule für Flechtwerkgestaltung gibt. Die dreijährige Ausbildung ist nämlich eine rein schulische“, bemerkt sie. Das Praktikum gefiel ihr so gut, dass sie nach dem mittleren Bildungsabschluss mit 16 Jahren das Elternhaus verließ, um ins 600 km entfernte Lichtenfels zu ziehen. In der dortigen Schule lernte sie nicht nur Flechten, sondern auch ihren späteren Ehemann Matthias kennen. Heute arbeiten die Eltern zweier Söhne im Alter von ein und fünf Jahren in der Korbmacherei Sell zusammen. Nach Beendigung der Ausbildung begannen die beiden zunächst beim Vater als Angestellte. „Wir vereinbarten, ein Jahr zu schauen, wie’s läuft. Danach wollten wir weitersehen“, blickt Christin Sell zurück.

Christin Sell ist seit 2013 in dritter Generation Inhaberin der Korbmacherin Sell.
Foto: Silke Bromm-Krieger

Da die Zusammenarbeit bestens harmonierte, überlegten sie gemeinsam, wie sich der Betrieb fortan aufstellen sollte, um zukunftsfähig zu bleiben. Inzwischen hatte das junge Paar 2006 berufsbegleitend seine Meisterprüfung im Korbhandwerk abgelegt. „Ich besprach mit meinem Vater, dass ich später den Betrieb übernehmen wollte. Über einige Jahre hinweg führte er mich deshalb an diese Aufgabe heran“, erzählt sie. Ihnen sei es wichtig gewesen, dass sie langsam, ohne Druck in die neue Verantwortung hineinwachsen konnte. „Das war leider damals bei meinem Vater anders, weil mein Großvater völlig unerwartet starb und er den Betrieb von heute auf morgen übernehmen musste.“

Seit Januar 2013 ist Christin Sell Inhaberin der Korbmacherei. Ihr Vater wirkte ab diesem Zeitpunkt als Angestellter mit, bis er 2020 in den Ruhestand ging. Heute arbeiten außer ihrem Mann Matthias die Korbmacherin Milena und stundenweise Christins Mutter Veronika im Betrieb mit. „Meine Eltern unterstützen uns außerdem bei der Kinderbetreuung, und mein Vater kocht jeden Tag das Abendessen. Das ist eine große Hilfe. So können wir Beruf und Familie gut unter einen Hut bekommen“, freut sie sich.

Im Kieler Familienstammsitz im Krummbogen 91 sind die Altenteiler-Wohnung, die Werkstatt und der Werkstattladen untergebracht. Direkt auf dem Nachbargrundstück bewohnt die junge Familie ein Haus. Zudem ist die Korbmacherei seit 1965 im Freilichtmuseum Molfsee mit einer Saisonwerkstatt vertreten, um den Besuchern das traditionelle Handwerk näherzubringen.

Von April bis Oktober bietet sie in der alten Bandreißerkate aus Haseldorf Korbwaren und Flechtkurse an. Die Workshops für Erwachsene, Kinder, Schulklassen, Kindergärten und Gruppen sind immer schnell ausgebucht. Im vergangenen Frühjahr erhielt Christin Sell zudem die Chance, auf der nahen Fläche an einem See drei Sorten Weide anzubauen, die Dotterweide, die Steinweide und die Americana-Weide. „Sie gedeihen so prächtig auf dem Lehmboden, dass wir sie im vergangenen Jahr nicht einmal künstlich wässern mussten“, bemerkt die 39-Jährige zufrieden. Im April stehe die erste Ernte an und werde dann gleich bei einer Aktion mit Kindern zu ­Osternestern verarbeitet.

Ihre Idee für einen praktischen Aufbewahrungskorb am Kinderhochstuhl setzte Christin Sell prompt in die Tat um.
Foto: Silke Bromm-Krieger

Mit der Übernahme der Korbmacherei brachte die Meisterin vermehrt frische Ideen, ihre „Marke Ich“, in das Unternehmen ein. So nahm sie Produkte für den Garten ins Sortiment, zum Beispiel Beetumrandungen, und stellte für den Verkauf Flechtsets mit Anleitung zum Selbstflechten eines Korbes oder einer Schale für zu Hause oder für den Unterricht an Schulen zusammen. Aus ihrem Mutteralltag entstand die Idee für einen praktischen Korb zum Anklemmen hinten am Kinderhochstuhl, um darin griffbereit Lätzchen, Bücher oder Spielsachen zu verstauen. Ebenso sind ihr Upcycling und Nachhaltigkeit ein Anliegen. „Korbwaren überdauern Jahrzehnte. Sind sie an einer Stelle defekt, lohnt sich das Ausbessern. Sie können, wie das Babykörbchen aus Weide, über Generationen weitervererbt werden.“

Um über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, engagiert sich Christin Sell ehrenamtlich im Vorstand des Bundesinnungsverbands für das Korb- und Flechtwerkgestalterhandwerk mit Sitz im thüringischen Mühlhausen. „Wir beraten und schulen Mitglieder in fachlichen, kaufmännischen und rechtlichen Fragen. Wir tauschen Erfahrungen aus, besprechen fachlich knifflige Aufträge und entwickeln die Verbandsarbeit weiter“, beschreibt sie ihr Wirken in diesem Netzwerk. Dass das Flechthandwerk im Dezember 2016 in das bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde, ist maßgeblich der intensiven Antragsarbeit des Innungsvorstandes zu verdanken.

Im Werkstattgarten kann Christin Sell vom eigenen Feld gelbe Dotterweide ernten.
Foto: Silke Bromm-Krieger

Aber jetzt will sie einen Einblick in die Arbeit geben. Neben dem Herstellen von Korbwaren aus Rattan, Binse, Weide, Peddigrohr, Seegras oder dänischer Papierschnur, Sonderanfertigungen und Korbreparaturen widmen sie und ihr Team sich der Reparatur von Stuhlgeflechten. „Eine meiner Lieblingstätigkeiten, die mir viel Spaß macht“, verrät sie.

Davon zeugen im Flur vor der Werkstatt im Untergeschoss unzählige Stühle aus Kundenaufträgen, deren geflochtene Sitzflächen Löcher und andere Schäden aufweisen. Trotzdem sind sie nichts für den Sperrmüll, denn sie atmen die Familiengeschichte ihrer Besitzer oder sind erhaltenswerte Designerschätzchen: ein Fall für die Korbmacherei Sell. „Das ist das Schönste an meinem Beruf, dass ich abends sehe, was ich geschafft habe. Wenn sich die Kunden beim Abholen ihres Stuhls freuen und dankbar sind, dass wir ihm ein zweites Leben geschenkt haben, dann macht mich das froh“, betont sie mit strahlenden Augen.
Im Werkstattladen im Erdgeschoss reihen sich in Regalen die unterschiedlichsten Produkte aneinander, ob Einkaufskorb, Teppichklopfer, Puppenwagen oder Dekoartikel.

Der stabile Männerkorb ist einer der Renner in der Korbmacherei.
Foto: Silke Bromm-Krieger

Was die Lieblingsprodukte ihrer Kundschaft seien? „Das sind die Einkaufskörbe und speziell unser Männerkorb.“ Er ist aus gekochter Weide, unlackiert, schnörkellos, stabil, liegt mit seinem dicken Henkel wunderbar in der Hand und kann Einkäufe bis zu 50 kg tragen. „Wenn Männer in den Laden kommen und einen Korb suchen, wollen sie meist etwas Schlichtes und Robustes, Frauen hingegen begeistern sich eher für ein leichteres, gern zweifarbiges Modell mit einem schön geflochtenen Zopfrand“, schmunzelt die Inhaberin.

Zum Abschluss zeigt sie in der Werkstatt eine Maßanfertigung, an der sie gerade arbeitet: einen Deckel aus geschälter Weide für einen Korb. Flink und mit Fingerspitzengefühl gleitet sie beim Flechten über das Werkstück. „Flechten zählt zu den ältesten handwerklichen Tätigkeiten der Menschheit überhaupt und ist auf der ganzen Welt verbreitet. So wurden im östlichen Mittelmeerraum bereits vor 12.000 Jahren die ersten Körbe geformt und gestaltet“, taucht sie kurz in die Historie ein. Wenn man Christin Sell über die Schulter schaut, spürt man, wie sehr sie sich mit ihrer Tätigkeit verbunden fühlt. Mit Liebe zum Material, Sinn für Formen und Funktionen und Kreativität halten sie und ihr Team ein uraltes Handwerk, gepaart mit jungen Ideen, erfolgreich am Leben.

Weitere Informationen unter korbmacherei-sell.de und ­flechtausbildung.de

Blick in die Werkstatt: Mitarbeiterin Milena (li.) repariert ein Stuhlgeflecht, Christin Sell arbeitet an der Herstellung eines Korbdeckels.
Foto: Silke Bromm-Krieger
100% Handwerk: Im Werkstattladen präsentiert die Korbmacherei eine große Bandbreite an Produkten.
Foto: Silke Bromm-Krieger
Im Jahr 2006 legte Christin Sell ihre Meisterprüfung im Korbhandwerk ab.
Foto: Silke Bromm-Krieger
Wer selbst das Flechten ausprobieren möchte, erhält aus der Korbmacherei ein Flechtset mit Anleitung für einen Korb oder eine Schale.
Foto: Silke Bromm-Krieger
Nur mithilfe von Werkzeugen wie Stechpfriem, Schlageisen und Spezialschere entstehen einzigartige Unikate
Foto: Silke Bromm-Krieger
Alles Banane: Ein bisschen Spaß muss sein. Auch bunte Obst- und Tierfiguren gehören zum umfangreichen Korbwarensortiment.
Foto: Silke Bromm-Krieger


Branche mit Biomassepaket unzufrieden

Das sogenannte Biomassepaket hat bei der Anhörung im Energieausschuss des Bundestages Kritik der Branche auf sich gezogen. Im von den ­Fraktionen der SPD und Grünen eingebrachten Gesetzentwurf ­wurde im ­Vergleich zum ursprünglichen ­Kabinettsentwurf unter ­anderem der Flexibilisierungs­zuschlag von 65 auf 100 €/kWh installierter Leistung angehoben. Auch ­wurde das Ausschreibungs­volumen leicht erhöht.

Nach Ansicht des Hauptstadtbüros Bioenergie (HBB) und des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE) sind dies zwar spürbare Verbesserungen. Die von den Verbänden prognostizierte Rückbauwelle bei den Bestandsanlagen solle so allerdings nicht verhindert werden können.

Hauptkritikpunkt des HBB und des BEE sind die zu kurzen Fristen, die im Gesetz für die Flexibilisierung gesetzt werden. Laut HBB haben Biogasanlagenbetreiber, deren EEG-Vergütungszeitraum 2025 ausläuft, etwa nur knapp zwei Monate Zeit, um ein fundiertes Angebot vorzulegen, und etwa sieben Monate zur Umsetzung. „Finanzierung, neue Genehmigungen, Planung, Netzanschluss, Lieferung und Installation neuer technischer Anlagen sind in der Kürze der Zeit nicht zu schaffen“, sagte die Leiterin des HBB, Sandra Rostek. Sie plädierte erneut für eine Übergangsregelung, nach der für 2025 und 2026 zunächst das Ausschreibevolumen und der Flexzuschlag angehoben werden sollten, um Bestandsanlagen zu erhalten. Anschließend müsse über einen „realistischen Transformationspfad“ diskutiert werden.

Dem Landesverband Erneuerbare Energien SH (LEE SH) zufolge kommen die meisten Biogasanlagen in den kommenden Jahren an ihr Förderende. Bereits in diesem Jahr werde das Anlagensterben ohne regulatorisches Gegensteuern massiv sein. Ein schnelles Handeln fordert daher Geschäftsführer Marcus Hrach: Einige sich der aktuelle Bundestag nicht auf ein substanzielleres Biogaspaket, werde ein weiterer Biogas-Jahrgang überwiegend stillgelegt. Dies betreffe deutschlandweit zirka 400 MW. Diese hätten ein mögliches Potenzial von 3 GW installierter flexibler Leistung, wenn die richtigen regulatorischen Weichen gestellt würden. Damit ginge ein langfristig wertvoller Beitrag zur Energie- und Wärmewende unwiederbringlich verloren.

Neben einem zukunftsweisenden Biomassepaket, auf das sich die Fraktionen im Bundestag zeitnah einigen müssten, fordert der LEE SH eine Kraftwerksstrategie, die technologisch für Biogas-­Speicherkraftwerke offen ist. Diese sicherten die Versorgung schneller und klimafreundlicher als die bisher in der Strategie geplanten neuen Gas- und Wasserstoff-­Kraftwerke. Zudem sei Biogas deutlich günstiger. Gleichzeitig werde ein substanzieller Konjunkturschub ausgelöst und die Abhängigkeit von fossilen Erdgasimporten verringert. Hrach richtet daher den Appell an die künftige Bundesregierung: „Weichenstellungen zur Zukunft der Bioenergie gehören in das 100-Tage-Programm der neuen ­Regierung.“

Ehrungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern

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Ein Beschäftigter in Deutschland arbeitet durchschnittlich elf Jahre lang bei demselben Arbeitgeber – dies legen Zahlen des Informationsdienstes des Instituts der deutschen Wirtschaft (iwd) aus dem Jahr 2021 dar. In vielen Betrieben des Agrarbereichs ist die Betriebszugehörigkeit deutlich länger – dies zeigen die Ehrungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Agrarbereich.

Der Blick auf die geehrten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem vergangenen Jahr zeigt: Die Landwirtschaft, der Gartenbau und die Lohnunternehmer in Schleswig-Holstein haben alles andere als durchschnittliche Beschäftigte. Insgesamt 37 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wurden für ihre langjährige Betriebs- oder Berufszugehörigkeit durch die Landwirtschaftskammer (LKSH) ausgezeichnet – so viele wie selten zuvor. Dabei war die Mehrheit der Geehrten seit 25, 40 oder sogar 50 Jahren im selben Betrieb tätig – deutlich über dem Durchschnitt aller deutschen Berufe.

Die Ehrung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durch die LKSH für 25-, 40- oder 50-jährige Tätigkeit im Agrarbereich hat lange Tradition. Geehrt werden können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ständig hauptberuflich und sozialversicherungspflichtig in Betrieben der Land- und Forstwirtschaft, des Gartenbaus, der Binnen- und Küstenfischerei und bei Betriebshilfsdiensten beschäftigt sind. Mitarbeiter landwirtschaftlicher Lohnunternehmen können geehrt werden, wenn deren Tätigkeitsbereich überwiegend in die Landwirtschaft fällt. Die Beschäftigungszeit muss nicht bei einem Betrieb allein, sondern kann auch in mehreren Betrieben abgeleistet worden sein. Die Ehrung erfolgt durch die Überreichung einer Ehrenurkunde und einer Prämie. Diese Aufgabe übernimmt die zuständige Repräsentantin oder der zuständige Repräsentant der LKSH im jeweiligen Kreis.

Die statistischen Daten des iwd zeigen, dass die Betriebszugehörigkeit mit der Unternehmensgröße zusammenhängt: „große Firmen, lange Treue“. Hier zeigt sich die Besonderheit der Grünen Branche, in der es vor allem kleine Unternehmen und dennoch eine lange Betriebszugehörigkeit gibt. Die Geehrten aus dem vergangenen Jahr übertreffen auch den ermittelten Durchschnitt des statistischen Bundesamtes, nach dessen Aussage etwa ein Drittel der Beschäftigten in Deutschland seine Arbeitsstätte in den ersten fünf Jahren wechselt.
Die Betriebe des Agrarbereichs, die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber der Geehrten und die LKSH wertschätzen die hohe Betriebs- und Berufszugehörigkeit von Mitarbeitenden im Grünen Bereich. Langjährige Beschäftigte sind in vielen Betrieben ein wichtiger Faktor für den Unternehmenserfolg. Ein großer Dank und eine herzliche Gratulation gehören daher den geehrten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus dem Jahr 2024.

Quelle: Landwirtschaftskammer SH

CDS Holstein Indoor in den Holstenhallen Neumünster

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Der Club der Springreiter organisiert von Donnerstag, 30. Januar, bis Sonntag, 2. Februar, ein Turnier mit der Qualifikation für die nationale Tour der VR Classics. Zum ersten Mal im Programm ist die Norddeutsche Hengstschau für Holsteiner.

Vor etwas mehr als einem Jahr hat der Club der Springreiter eine neue Führungsriege bekommen. Philipp Battermann-Voß aus Schülp, Kreis Rendsburg-Eckernförde, wurde zum ersten Vorsitzenden gewählt und Jesse Luther aus Wittmoldt, Kreis Plön, zum zweiten Vorsitzenden. Mit diesem Duo haben die Springreiter im Land nicht nur einen jungen und sehr engagierten Vorstand, sondern auch einen, der mit Pferden aufgewachsen ist, erfolgreiche Reiter in der Familie hat und selbst von klein auf im Sattel sitzt.

Mit dem Sport in den Holstenhallen in Neumünster sind sie groß geworden, und das möchten sie auch den Nachwuchsreitern ermöglichen. Nun veranstalten sie ihr drittes Turnier in Neumünster trotz der sechsstelligen Summe, die für wenige Tage aufgebracht werden muss. „Wir haben wirklich viele tolle Sponsoren, die das möglich machen“, freut sich Jesse Luther. Ebenfalls hilfreich: Der Boden für die Körung des Pferdestammbuchs Schleswig-Holstein/Hamburg und die VR Classics liegt bereits in der Halle. „Wir bilden jetzt einen Dreier­block“, erklärt der 27-Jährige, der mit dem restlichen Vorstand neben der Großveranstaltung in den Holstenhallen auch für 20 weitere Turniere zuständig ist.

Dabei handelt es sich nicht um Profiturniere und es gibt auch keinen Profit. Die jungen Reiter organisieren alles ehrenamtlich. Währenddessen müssen zu Hause die Betriebe weiterlaufen und sie wollen auch selbst an den Start gehen. „Ich kann hier nicht zwei Turniere organisieren und dann nicht selbst reiten“, sagt Luther lachend und fügt hinzu: „Dafür macht es zu viel Spaß.“

Geplant hat er, sieben bis acht Pferde mitzubringen. Er möchte an jeder für ihn zugelassenen Prüfung teilnehmen. Vor allem aber will er sich am Sonntag für die nationale Tour und das Championat der Pferdestadt Neumünster bei den VR Classics qualifizieren. Dafür müssen Luther und sein Holsteiner Montgomery in der S*-Prüfung mit Stechen unter die besten 30 kommen. Hier gibt es auch einen Pferdeschrank zu gewinnen, worüber Luther und sein Team sich besonders freuen.

Doch los geht es erst einmal am Donnerstag mit den Amateuren. Für sie sind Prüfungen bis zur Klasse M* ausgeschrieben. „Die Startplätze waren fünf Minuten nach Veröffentlichung der Ausschreibung vergeben“, erzählt Luther. Die Profis hingegen lassen sich immer etwas mehr Zeit. „Für sie sind die Startplätze nicht begrenzt“, erklärt der Reiter, der selbst noch nicht entschieden hat, welche Pferde er mitnehmen wird. Für diese Prüfungen werden noch viele Nennungen erwartet. „Es wird voll“, ist sich Luther sicher.
Am Freitag geht es ab 16 Uhr mit einem Klönschnack in der Stallgasse los. Um 18 Uhr beginnt die erste Norddeutsche Hengstschau mit Showprogramm und Züchterabend, auf dem auch eine Sängerin auftritt. „Für die Hengstschau können sich alle anmelden, auch der Verband“, erklärt Luther und fügt hinzu: „Wir wollen auch der Zucht eine Bühne geben.“ Er und sein Team hoffen auf 20 bis 40 Hengste. „Es ist ja alles ein bisschen kurzfristig“, gibt er zu.

Am Sonnabend wird unter anderem die Qualifikation für die VR Classics geritten. Im Anschluss folgt eine große Reiterparty im Forum. Während der Eintritt zum Turnier und zur Hengstschau kostenlos ist, nehmen die Veranstalter für die Party 10 € Eintritt. Dafür gibt es dann ab 22 Uhr auch Musik von DJ Micha Blohm.

Jesse Luther und Philipp Battermann-Voß versuchen nach eigener Aussage, „das jetzt mal ordentlich zu machen“. Eine sehr große Hilfe sei dabei Merve Henningsen. „Sie ist unser Kopf und die Einzige, die wirklich weiß, wie man ein Turnier veranstaltet. Ohne sie würden wir das nicht machen“, sagt Luther über die Rastorferin, Kreis Plön, die schon seit Jahren Turniere organisiert und die Online-Meldestelle „Mervestelle“ betreibt.

Nach diesem Turnier wollen die Veranstalter schauen, wie es gelaufen ist, und entsprechend ihr Konzept weiterentwickeln. Denn das Turnier in Neumünster soll auf keinen Fall das letzte gewesen sein.

Der Garten als Speisekammer

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Wer Insekten Lebensraum und Futterquelle zugleich im Garten anbieten möchte, kann leider nicht auf einen allgemeingültigen Leitfaden zurückgreifen. Dafür fallen die Ansprüche der einzelnen Arten zu unterschiedlich aus. Veranschaulichen lässt sich das komplexe Zusammenspiel von Flora und Fauna am Beispiel der Wildbienen. Einige Arten nehmen vorlieb mit den Pollen einer ganzen Reihe unterschiedlicher Blütenpflanzen, andere hingegen haben sich auf eine einzelne Pflanzenart spezialisiert. Manche bauen ihre Nester in der Erde, andere bevorzugen hohle Pflanzenstängel oder morsches Holz als Brutstätte.

Doch mit den nachfolgenden Tipps kann man Insekten ohne viel Aufwand eine gut gefüllte Speisekammer im eigenen Garten bieten.

So eine „wilde Ecke“ ist auf großen Grundstücken meist problemlos unterzubringen. Foto: Karin Stern

Ganz unkompliziert lässt sich dies mit einer „wilden Ecke“ erreichen, irgendwo im hinteren Bereich, gut versteckt hinter Gehölzen oder einer Hecke. Dieses Areal sollte ganz in Ruhe gelassen werden, hier wird nicht gemäht, gehackt oder umgegraben. Alles, was sich dort ansiedelt, darf wachsen – wie in der Natur eben. Eine Ausnahme gilt für invasive Arten wie die Herkulesstaude oder Ambrosia. Ein Totholzhaufen in diesem Bereich trägt zusätzlich zur Artenvielfalt bei.

Tulpe ,Füsilier‘ ist aufgrund ihrer zeitigen Blüte eine prima Insektenweide. Foto: Karin Stern

Eine prima Hilfestellung für Insekten ist es ganz nebenbei, wenn in den gepflegten Gartenbereichen ganz gezielt früh und spät blühende Pflanzen integriert werden. Diese bieten auch außerhalb des reichlichen Angebotes in den Sommermonaten eine Nahrungsquelle. Unter den Zwiebelblühern empfehlen sich hier Krokusse, Traubenhyazinthen, Narzissen und botanische einfach blühende Tulpen. Sie haben noch viel gemeinsam mit den Wildtulpen und öffnen als Erste ihre Blüten.

Der anspruchslose Blut-Weiderich (Lythrum salicaria) macht auch in der Staudenrabatte eine gute Figur. Foto: Karin Stern

Spätzünder unter den Stauden wie Blutweiderich (Lythrum salicaria) oder Wasserdost (Eupatorium cannabinum) sorgen auch im September noch für einen reich gedeckten Tisch. In naturnah gestalteten Bereichen erhalten heimische und ungefüllt blühende Arten den Vorzug. Doch nicht nur hier geben sie eine gute Figur ab, sie lassen sich auch geschickt in bestehende Beete integrieren. Efeu (Hedera helix) ist ein wertvoller Spätblüher für Bienen und Hummeln. Bis in den Oktober hinein ist das Summen und Brummen der Insekten an warmen, sonnigen Herbsttagen rund um die kleinen, gelbgrünen Blütchen zu hören. Für dieses Spektakel braucht es etwas Geduld, denn Efeu bildet frühestens im Alter von zehn Jahren erstmals Blüten aus. Wer nicht so lange warten möchte, kauft die Altersform des Efeus unter der Sortenbezeichnung ‚Arborescens‘. Manchmal wird die Pflanze auch als Strauchefeu angeboten. Der aufrechte Strauch bietet gleich im ersten Standjahr Blüten und Früchte.

Strauchefeu ist eine Bereicherung für jeden Garten. Foto: Karin Stern

Auch der klassische Herbstputz fällt im naturnahen Garten weniger gründlich aus. Laub- und Gestrüpphaufen bieten in der kalten Jahreszeit ebenso wie verblühte Staudenstängel einen geschützten Rückzugsort. Es reicht aus, abgestorbene Pflanzenteile vor dem Austrieb der Stauden im Frühjahr zu entfernen.

Die Blüte des Schmetterlingsstrauchs hat hier ein Tagpfauenauge angelockt. Foto: Karin Stern

Möchte man bestimmte Tierarten mit einem reichlichen Nahrungsangebot versorgen, sollte man die jeweiligen Vorlieben kennen. Tagaktive Schmetterlinge saugen Nektar aus tiefen, langen Blütenröhren, die Bienen und Fliegen nur schwer erreichen können. Dabei bevorzugen sie rote, gelbe und blaue Blüten. Als Klassiker unter den Futterpflanzen für tagaktive Schmetterlinge gelten Sommerflieder, Aster, Zinnie, Phlox, Färberkamille, Hohe Fetthenne, Geißblatt ‚Goldflame‘ (Lonicera heckrottii) und die Duftnessel ‚Black Adder‘ (Agastache rugosa). Nachtfaltern hingegen ist naturgemäß die Farbe der Blüte ziemlich gleichgültig. Sie fliegen auf stark duftende Blüten wie die von Jelängerjelieber, Weißer Lichtnelke, Nickendem Leimkraut und Zaunwinde.

Die Raupe des Schwalbenschwanz liebt Doldengewächse. Foto: Karin Stern

Doch nicht nur die Falter brauchen Nahrung, auch ihre Raupen benötigen reichlich Futter. Brennnesseln gehören zu den beliebtesten Futterpflanzen und dürfen sich vielleicht in der „wilden Ecke“ ausbreiten. Die Raupen von Tagpfauenauge, Kleinem Fuchs, Admiral, Landkärtchen, Distelfalter und C-Falter werden es danken. Es gibt aber auch unter dem Nachwuchs der Falter Spezialisten. Die Raupe des Zitronenfalters knabbert am Faulbaum, die des Schwalbenschwanzes am Dill und die des Bläulings am Hornklee.

Schwebfliegen ernähren sich vom Nektar aus der Familie der Doldenblütler. Dazu zählen Wiesenkerbel, Engelwurz und Wilde Möhre. Die Larven von Schwebfliegen, Florfliegen und Marienkäfern zählen zu den wichtigsten Feinden von Blut- und Blattläusen. Das macht diese drei Arten zu guten Freunden des Gärtners.

Wildbienen leisten ebenso wie die Hummel wertvolle Bestäubungsarbeit, besonders im kalten Frühjahr, wenn es der Honigbiene schlicht zu kalt für den Flug ist. Wer Wildbienen fördern möchte, bietet nicht nur einen Unterschlupf an, sondern holt auch ein paar Nektarpflanzen für sie in den Garten. Gern besuchen sie Lippen- und Rachenblütler. Dazu zählen Gewürzsalbei, Muskatellersalbei, Natternkopf, Glockenblumen, Fingerhut, Disteln, Lungenkraut und Ysop. Auch die Gründüngungspflanze Phacelia wird gern angeflogen.

Ein insektenfreundlicher Garten bietet viel Abwechslung und macht auch optisch was her. Foto: Karin Stern
Wildbienen haben ganz unterschiedliche Bedürfnisse hinsichtlich Nistplatz und Futterquelle. Foto: Karin Stern
Unter Sträuchern darf das Herbstlaub gerne liegenbleiben. Nur von Rasenflächen sollte es entfernt werden. Foto: Karin Stern
Die Blüten des Purpursonnenhuts locken viele Insekten an. Foto: Karin Stern


Augenmerk auf heimische Erzeugung legen

Die nächste Bundesregierung ­sollte sich mehr um die heimische ­Produktion und resiliente Infrastrukturen kümmern. Das verlangt der Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland (Ovid) in seinem Forderungspapier für die kommende Legislaturperiode, das er am Montag in Berlin vorgelegt hat.

In dem Papier spricht sich der Verband unter anderem dafür aus, über bessere Anbaubedingungen, den Einsatz moderner Technologien und eine stärkere Digitalisierung die Produktion von Eiweißpflanzen in Deutschland auszudehnen. Ziel müsse es sein, den Selbstversorgungsgrad mit protein­reichen Futtermitteln von derzeit 30 auf 50 % zu erhöhen.

Nachbesserungsbedarf sieht Ovid beim Green Deal. Notwendig seien mehr Augenmaß, ein Abbau von Bürokratie sowie die Förderung neuer Technologien. Der Verband mahnt ein modernes Gentechnikrecht an, das die Nutzung neuer Techniken wie CrispR/Cas regele. „Ernährungssicherheit und internationale Wettbewerbsfähigkeit erfordern Innovationen in der Pflanzenzüchtung“, heißt es in dem Papier. Deutschland müsse sich in Brüssel dafür starkmachen, „endlich ein zeitgemäßes und wissenschaftsbasiertes Gentechnikrecht zu schaffen und ideologische Widerstände zu überwinden“.

„Wir müssen wir jetzt die richtigen politischen Weichen stellen, um die Wettbewerbsfähigkeit einer ganzen Branche nicht zu gefährden“, erklärte Ovid-Präsidentin Jaana Kleinschmit von Lengefeld. Seit 125 Jahren seien die deutschen Ölmühlen verbandlich organisiert. Ihnen gehe es darum, „Deutschland auch zukünftig verlässlich mit Lebens- und Futtermitteln zu versorgen”. Dies sei kein Selbstläufer. Ernährungssicherheit, resiliente Lieferketten und offene Märkte müssten wieder stärker in den Fokus rücken.

Klimaschutz durch Biokraftstoffe

Eine klare politische Linie ist aus Sicht von Ovid bei der Bewertung von Biokraftstoffen erforderlich. „Nachhaltige Biokraftstoffe sind der Garant für mehr Klimaschutz auf der Straße“, betont der Verband und wendet sich gegen Versuche, Biokraftstoffe aus landwirtschaftlichen Wertschöpfungsketten zu eliminieren. Dringend notwendig sei eine praxisnahe Umsetzung von Regulierungen zu Lieferketten und Nachhaltigkeitsberichterstattungen sowie der EU-Entwaldungsverordnung (EUDR). Hier gelte es, Legalitätsnachweise zu reduzieren und Doppelnachweise zu vermeiden.

Wettbewerbsfähige Gaspreise

Ein weiteres zentrales Anliegen der Ölmühlenindustrie ist die Senkung der Energiekosten. Ovid fordert einen fairen Wettbewerb für energieintensive Lebensmittelbetriebe und wettbewerbsfähige Gaspreise für prozesswärmeintensive Industrien. Zudem sollte die Strompreiskompensation auf diese Sektoren erweitert und eine praxisorientierte Ausgestaltung der Industrie-Netzentgelte umgesetzt werden. Das helfe den Unternehmen, ihre Energieversorgung zu flexibilisieren und langfristig konkurrenzfähig zu bleiben.

Mercosur: Effekt auf Rindermarkt überbewertet

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Das Mercosur-Abkommen wird laut dem irischen Agrarökonom Alan Matthews weniger Einfluss auf den europäischen Rindermarkt haben als allgemein erwartet. Im Frischfleischsegment würden nur geringe Mengen neu hinzukommen. Der Großteil der neuen Importe betreffe gefrorenes Fleisch, das den Markt für frisches Premiumfleisch seiner Einschätzung nach nicht beeinflusst.

Alan Matthews, emeritierter Professor für Europäische Agrarpolitik am Trinity College in Dublin, bezweifelt, dass das Mercosur-Abkommen zu einer übermäßigen Steigerung der Importe frischen Rindfleischs aus Südamerika führen werde. Die von Branchenvertretern geäußerten Sorgen vor einem Preisdruck durch den Import hochpreisiger Premium-Fleischstücke hält Matthews für übertrieben.

Eine Erhöhung bestehender Zollkontingente mit reduzierten Zollsätzen führe nicht automatisch zu mehr Importen, argumentiert Matthews. „Argentinien und Uruguay exportieren bereits eine beträchtliche Menge hochwertigen frischen Rindfleischs zu vollen Zollsätzen in die EU, wobei Deutschland ein wichtiger Absatzmarkt ist“, so der Agrarökonom. Das im Handelsabkommen vorgesehene Zollkontingent für frisches Rindfleisch werde daher kaum zusätzliche Einfuhren bewirken.

Wie Matthews zuvor in einem längeren Meinungsbeitrag im Online-Blog „Capreform“ ausführte, hat die EU in dem Abkommen zwei neuen separaten Zollkontingenten für südamerikanisches Rindfleisch zugestimmt. Danach können jährlich 44.550 t gefrorenes Rindfleisch und 54.450 t frisches Rindfleisch zu einem vergünstigten Zollsatz in die EU exportiert werden. Jegliche darüber hinausgehende Menge muss  – wie zuvor – zum normalen Satz verzollt werden.

Betrachtet man das Frischfleisch-Segment, so zeigt sich Matthews zufolge, dass die EU laut Kommissionsdaten 2024 insgesamt 105.000 t aus den Mercosur-Staaten importierte. Davon entfielen rund 60.000 t auf Einfuhren aus bestehenden historischen Zollkontingenten. Weitere rund 45.000 t wurden zum vollen Zollsatz bezogen.

Matthews geht daher nicht davon aus, dass das im Mercosur-Abkommen vorgesehene Zollkontingent von 54.550 t frischen Fleisches als zusätzliche Menge on top käme. Stattdessen würden zunächst jene 45.000 t, die bislang zu vollen Zollsätzen importiert wurden, in das neue Zollkontingent mit günstigeren Zöllen fallen. Vielmehr sei lediglich die Differenz aus dem neuen Zollkontingent und den vormaligen Importen zu vollen Zollsätzen als zusätzlicher Import zu erwarten. Demnach könne davon ausgegangen werden, dass durch das Mercosur-Abkommen lediglich rund 10.000 t zusätzlichen Frischfleischs in die EU exportiert würden statt der befürchteten 54.550 t, rechnete Matthews vor.

Der irische Agrarökonom geht davon aus, dass der Großteil der zusätzlichen Importe aus Südamerika eher im Segment Gefrierfleisch stattfinden werde. Dies sei dem Umstand geschuldet, dass bislang kaum gefrorenes Rindfleisch zu vollen Zollsätzen in die EU exportiert werde. „Gefrorene Rindfleischstücke konkurrieren jedoch nicht auf demselben Markt wie frische Premiumstücke. Es handelt sich um ein minderwertigeres Produkt, das vor allem von Italien und Spanien zur Herstellung von verarbeiteten Fleischprodukten genutzt wird“, erläuterte er.

Insgesamt könnten die Mercosur-Importe die EU-Erzeugerpreise für Rindfleisch um höchstens etwa 2 % drücken. Im Vergleich zu den üblichen Marktpreisschwankungen stelle das Mercosur-Abkommen damit „keine Bedrohung für Europas hochpreisiges Fleisch dar“, resümierte Matthews. age

EU-Antidumpingzölle auf indonesischen Biodiesel:

WTO-Panel gibt EU recht

Indonesien ist mit seiner 2019 eingereichten Beschwerde bei der Welthandelsorganisation (WTO) gegen Antidumpingzölle der Europäischen Union auf Biodieseleinfuhren vorerst weitgehend gescheitert. Das 2020 eingerichtete Streitbeilegungsgremium der WTO hat in seinem Panel-Report in wesentlichen Punkten den Europäern recht gegeben. Nun hat der weltgrößte Inselstaat noch die Möglichkeit, das Schiedsgericht der Genfer Organisation anzurufen.

Die EU hatte 2019 Antidumpingzölle auf Biodiesellieferungen aus Indonesien verhängt. Begründet wurde die Maßnahme mit Exportsubventionen der Regierung in Jakarta, steuerlichen Vergünstigungen für die dortigen Hersteller sowie künstlich niedrig gehaltenen Preisen für Palmöl. Letzteres dient als Rohstoff für die Kraftstoff­erzeugung. Eine Sprecherin der EU-Kommission stellte allerdings klar, dass die Zölle bereits seit dem 6. Dezember ausgelaufen seien. Ob die Antidumping-Maßnahmen zeitnah verlängert werden, wollte die Sprecherin nicht kommentieren. Die Prüfung der Brüsseler Behörde sei noch nicht abgeschlossen.

Indonesien hatte vor der Welthandelsorganisation unter anderem vorgebracht, dass die Maßnahmen der EU den Zugang von indonesischem Palmöl und palm­ölbasierten Biokraftstoffen behinderten. Dies stehe im Widerspruch zum Übereinkommen über technische Handelshemmnisse. Entsprechende Nachweise habe der Inselstaat allerdings nicht in hinreichender Zahl vorgebracht, heißt es im Panel-Report.age