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Ein Hackroboter als Meisterstück

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„Planung und Fertigung einer elektropneumatischen Ansteuerung für die Lenkung der Hinterachse und die Verschiebung der Zinkenreihen des Hackgerätes“ – so lautet der etwas sperrige Titel eines Prüfungsteils, der in diesem Jahr 24 Landmaschinenmechaniker- und -mechatronikergesellen zum Meistertitel verhelfen soll. In dem gemeinsamen Meisterprüfungsprojekt der Deula Rendsburg geht es neben passigen Schweißnähten, maßhaltigen Einzelteilen und einer selbst entworfenen, speicherprogrammierbaren Steuerung auch um ein stimmiges Gesamtkonzept auf dem Papier.

„Als wir die acht Seiten Anforderungen bekommen haben, gab es erst mal lange Gesichter“, sagt Torben Bardowicks. Der Landmaschinenmechatronikergeselle nimmt gemeinsam mit Hannes Burmeister, Henning Blenner und Sebastian Stooß sowie 20 weiteren Meisteranwärtern an dem Projekt teil. Ihr gemeinsames Ziel ist der Meistertitel, den sie zukünftig nicht ohne Stolz tragen wollen. Deshalb sind die hohen Anforderungen für sie gerechtfertigt.

Das Grundgestell, so wie es in ihrer Berufsschule steht, haben die vier auf dem Hof Burmeister in Wakendorf I, Kreis Segeberg, zur Vorbereitung nachgebaut. Alle Teile, die keine Normteile sind, müssen in der Prüfung neu angefertigt werden. Lediglich das Grundgestell muss nicht neu geschweißt werden. Um möglichst viele verschiedene Fähigkeiten im Bereich Metallbearbeitung, Pneumatik, Hydraulik oder Elektrik abprüfen und um herstellerunabhängig eine Prüfung gestalten zu können, gebe es jährlich ein derartiges Meisterprüfungsprojekt. Neben den schriftlichen Prüfungen aus dem kaufmännischen Bereich oder der Ausbilder­eignung seien auch sechs praktische Prüfungen zu absolvieren, von denen drei vorher gänzlich unbekannt sind. Ein Teil der Prüfung besteht in diesem Jahr darin, ein Hackgerät inklusive mechanischer, elektrischer und pneumatischer Ansteuerung an zwei Tagen à acht Stunden anzufertigen. Neben den Abmessungen ist in den Anforderungen etwa festgelegt, wie die Schaltung des Hackgerätes funktionieren soll und welche Zylinder verbaut werden dürfen.

„Vier solche Apparate müssen am Ende allein von uns da stehen“, sagt Bardowicks. „Eine Anforderung war, dass sich die Hackreihen gegeneinander parallel gleich verschieben müssen. Dazu haben wir eine Z-Kinematik gebaut, damit wir dies gewährleisten“, erklärt er. Zudem müsse die Lenkung jeweils in beide Richtungen 25° einlenken und bei Geradeausfahrt verriegeln. Die Konstruktion soll schließlich ein autonom fahrendes Hackgestell darstellen. „Das haben wir vor allem über pneumatische Zylinder gelöst, ebenso die Verriegelung“, ergänzt Burmeister. Selbst die speicherprogrammierbare Steuerung mussten die Gesellen selbst austüfteln.

Über pneumatische Zylinder werden die verschiedenen Einstellungen des Hackgerätes vorgenommen. Foto: Julian Haase

Am Ende gehe es nicht darum, ein Produkt zur Marktreife zu konstruieren, sondern sich auf Neues einzulassen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Stooß sagt knapp: „Die Funktion muss am Ende gegeben sein.“ Erst bei der Prüfungsabnahme wissen sie, ob sich ihre Mühen ausgezahlt haben und ob alles zusammenpasst, denn zwischendurch dürften einzelne Funktionen nicht überprüft werden. Blenner ergänzt: „Da kommt nachher der überraschende Moment, ob das läuft oder nicht.“ Mit Blick auf die knapp bemessene Zeit bei der Prüfung hätten sie die Konstruktion so einfach wie möglich gehalten. „Das darf aber natürlich kein Flatterkram sein“, erklärt Stooß. Zur Anfertigung in der Prüfung dürfe ausschließlich die selbst erstellte Mappe dienen, in der neben einem fiktiven Angebot an einen Kunden sämtliche Skizzen, Einzelteile, Maße, Schaltpläne und Kosten aufgezeichnet sind. Hilfsmittel wie das Smartphone oder versteckte Botschaften innerhalb der Mappe seien verboten. „Am Ende muss es meisterhaft sein“, fügt Blenner hinzu. In der Werkstatt sei es später schließlich der Meister, der es notfalls richten müsse und auf den sich Gesellen, Auszubildende und Kunden verlassen können müssten.

Neben aller Fachlichkeit betonen die vier den guten Zusammenhalt unter den Meisteranwärtern und heben hervor, dass die Deula selbst während der Corona-Zeit versucht habe, so viel Ausbildung in Präsenz stattfinden zu lassen wie möglich.

Auch die speicherprogrammierbare Steuerung wurde selbst entworfen. Foto: Hannes Burmeister

Ob die Hackroboter eine reelle Zukunft haben? Burmeister vergleicht die Entwicklung mit der des Mähroboters: „Da haben auch erst alle geschimpft“, sagt er. Mit Blick auf immer schwieriger zu bekommendes Personal und steigende Kosten würden die Hackroboter irgendwann auf den Feldern zu sehen sein, sind er und die anderen überzeugt. Bardowicks ergänzt, er sehe großes Potenzial nicht nur in autonom fahrenden, sondern auch kleinen und leichten Maschinen, die den Boden schonten. Noch seien es vor allem rechtliche Hürden, da sind sich die vier einig, die einen praxistauglichen Einsatz in die Ferne rücken ließen. Wann die Geräte Einzug auf dem Acker hielten, sei aber nur eine Frage der Zeit.

Fast wie im Märchen – Ausschuss tagt auf Gather.town

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Es waren einmal Landjugendliche aus Schleswig-Holstein, die planten ihre erste Landesausschusssitzung (LAS) des neuen Jahres als Treffen in Präsenz. Doch daraus wurde leider nichts. Eine weltweite Pandemie namens Corona verhinderte alle Begegnungen der Menschen. Da trafen sich die Lajus einfach in der digitalen Welt auf Gather.town  Das hatte es im ganzen Land von der Nordsee bis hinunter zu den bayerischen Bergen noch nicht gegeben.

Es waren einmal Landjugendliche aus Schleswig-Holstein, die planten ihre erste Landesausschusssitzung (LAS) des neuen Jahres als Treffen in Präsenz. Doch daraus wurde leider nichts. Eine weltweite Pandemie namens Corona verhinderte alle Begegnungen der Menschen. Da trafen sich die Lajus einfach in der digitalen Welt auf Gather.town  Das hatte es im ganzen Land von der Nordsee bis hinunter zu den bayerischen Bergen noch nicht gegeben.

Die Landjugendlichen gestalteten kleine Avatare nach ihren Wünschen und wählten Accessoires aus. Sie trafen sich alle auf dem „Marktplatz“, von da aus ging es mit einigen Startschwierigkeiten und technischen Hindernissen auf den Weg. Die Internetverbindungen gaben ihr Bestes und so öffnete extra am Sonntag die Kneipe „Westphalen Schenke“. Diese war wie das gesamte Landjugenddorf von digitalen Handwerkern der westfälisch-lippischen Landjugend für eine große Messe in Berlin geschaffen worden. Nun wurde das Dorf für die Lajus Schleswig-Holstein umgebaut. In der Schenke gab es einen Sitzungssaal, wie jeder ihn kennt, Sitzreihen für die Mitglieder, den Vorstands­tisch und einen Tisch für die Geschäftsstelle. Jeder Avatar konnte sich im Dorf frei bewegen und für Meinungsbilder an verschiedene Plätze gehen und bei Freude und Zustimmung tanzen. Mit der „Followfunktion“ führte der Landesvorstand die Teilnehmenden wie Touristen durch das Dorf. In unterschiedlichen Gebäuden wie dem Haus der Landjugend oder der Tenne konnten sich die Landjugendlichen in Arbeitsgruppen zu geplanten Veranstaltungen wie Jahreshauptversammlungen und über ihre Wünsche und Sorgen austauschen. Zudem wurden auf digitalen Stellwänden Ideen für Seminare, Fahrten und Songtitel für eine LAS-Playlist gesammelt. Der Landesvorstand erzählte, was so alles unter dem Jahresmotto „Gemeinsam sind wir stärker“ passieren soll. Das klang spannend, denn es sind eine Wettaktion, Seminare, Exkursionen und ein Kanutrip geplant.

Vor dem digitalen Dorfbesuch brachte ein Bote süße Verpflegung, eine kreative Aufgabe und ein interaktives Kennenlernbingo. Und weil die Landjugendlichen kreativ sind, schrieben sie ihren schönsten Landjugendmoment auf einen Wimpel. Diese Wimpel sollen bei der alljährlichen Messe der Bauern im Herbst gezeigt werden, wo sich die Landjugendlichen hoffentlich nicht mehr als Avatare treffen werden. Und sie hoffen, sich schon im Mai wieder in Präsenz zu treffen, wenn Corona nicht noch weiterhin so sehr sein Unwesen treibt.

Bioenergiebranche will Erneuerbare Reserven heben

Angesichts des Krieges in der Ukraine und der problematischen Energieabhängigkeit Deutschlands von Russland fordern der Bundesverband Bioenergie (BBE) und der Fachverband Bioenergie (FvB) einen zielgerichteten Ausbau der heimischen Energieerzeugung aus Biomasse.

„Der schreckliche Krieg in der Ukraine verdeutlicht, dass Erneuerbare Energien nicht nur für den Klimaschutz unerlässlich sind, sondern auch dazu beitragen, die energiepolitische Unabhängigkeit zu stärken“, konstatierte der BBE-Vorsitzende Artur Auernhammer am Montag in Berlin. Nach seiner Überzeugung bedingen nicht nur die Klimaziele der EU und der Bunderegierung, sondern auch die deutsche Versorgungssicherheit, dass die verfügbaren Potenziale der Bioenergie nachhaltig genutzt werden. Auernhammer zufolge wird es daher bei den anstehenden energie- und klimapolitischen Vorhaben der Bundesregierung darauf ankommen, die Rolle der Bio­energie als flexible und speicherbare Erneuerbare Energiequelle zielführend weiterzuentwickeln und dort einzusetzen, wo andere Erneuerbare Energien an ihre Grenzen gelangen.

FvB-Präsident Horst Seide appellierte an die Bundesregierung, die Abhängigkeit von fossilen Energie­importen zu reduzieren und dafür bestehende Bremsen für die heimischen Energieproduzenten zu lösen. Er wies darauf hin, dass allein der Verzicht auf den Deckel der Höchstbemessungsleistung der deutschen Biogasanlagen auf einen Schlag 20 % mehr Leistung liefern könne, was immerhin rund 5 % der deutschen Erdgaseinfuhren aus Russland entspräche. Dies wäre eine nahezu sofort wirksame Maßnahme, die einfach umzusetzen wäre, betonte Seide. Genug Substrat stehe nach dem Rekordmaisjahr 2021 zur Verfügung.

Mittelfristig sollte die Politik laut Seide unbedingt die Nutzung des Aufwuchses von Stilllegungsflächen für die Biogasverwertung und die Methanisierung von überschüssigem Strom aus Photovoltaik und Windkraft ermöglichen. Nach Berechnungen des Fachverbandes könnten so bis zu 80 % der russischen Gasimporte der Bundesrepublik aus heimischen Quellen kompensiert werden. Hierfür müsse die Politik jedoch die rechtlichen Hürden für die Nutzung der Bioenergie abbauen und „Verhinderungsgesetzbücher“ wie das Bundesbaugesetz überarbeiten, so Seide.

Eckpunkte zur Novelle des EEG vorgelegt

Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck (Grüne) will Deutschland möglichst schnell unabhängig von Energieimporten machen. Ein Eckpunktepapier seines Hauses zur geplanten Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) von Ende Februar enthält deshalb ambitionierte Ziele für den Strommarkt.

Bis 2035 soll der Strom in Deutschland nun „nahezu vollständig“ aus Erneuerbaren Energien stammen. Laut geltendem EEG 2021 sollte dies noch „vor dem Jahr 2050“ geschafft sein. Dazu soll unter anderem die Flächenkulisse von Photovoltaik (PV)-Freiflächenanlagen „maßvoll erweitert“ werden, insbesondere um zusätzliche Flächen der neu ausgewiesenen benachteiligen Gebiete sowie um landwirtschaftlich genutzte Moorböden. Die besonderen Solaranlagen, also die Doppelnutzung als Agri-PV, schwimmende PV und Parkplatz-PV, sollen laut dem Eckpunktepapier eine dauerhafte Perspektive erhalten und dazu von den Innovationsausschreibungen in das EEG überführt werden. Zur Beschleunigung des Ausbaus ist zudem geplant, im EEG den Grundsatz zu verankern, dass die Nutzung Erneuerbarer Energien „im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient“.

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine soll es mit der Energiewende nun schnell gehen. Deshalb befindet sich aktuell bereits ein Referentenentwurf zur EEG-Novelle in der Ressortabstimmung. Nach bisheriger Planung wird sich das Bundeskabinett am 6. April mit dem abgestimmten Entwurf befassen. Das Gesetzgebungsverfahren soll noch vor der Sommerpause abgeschlossen werden. Wegen der starken Abhängigkeit von russischem Öl und Gas hat die deutsche Energiepolitik plötzlich eine starke sicherheitspolitische Komponente erhalten. Beobachter in Berlin schließen deshalb noch inhaltliche Anpassungen an der Neufassung des EEG nicht aus.

Thema Photovoltaik beschert Onlinebesucherrekord

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Das erste Agrarausschusstreffen des Jahres fand am 22. Februar statt. Hierbei ging es um das Thema Photovoltaikanlagen. Dieses Thema ist für viele Junglandwirte aus Schleswig-Holstein sehr interessant, dies spiegelte sich in der hohen Teilnehmerzahl von rund 60 Personen wider. Somit war es auch das bestbesuchte Onlineagrarausschusstreffen, das bisher stattgefunden hat.

Als Referenten konnten Thies Jensen und René Nissen von der Wattmanufactur aus Gamsbüll in Nordfriesland, welche auf dem Osterhof angesiedelt ist, gewonnen werden. Der Osterhof ist ein Demeter-Ackerbaubetrieb. Durch die Wattmanufactur werden jährlich fünf bis sechs Photovoltaikanlagen deutschlandweit in Betrieb genommen.

Um das Pariser Klimaabkommen bis 2040 mit einer maximalen Steigerung um 1,5 °C einhalten zu können, müssen laut Prof. Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin 400 GW aus Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) kommen. Diese könnten je zur Hälfte auf Freiland oder auch auf dem Dach untergebracht werden. Somit würden in Schleswig-Holstein innerhalb der nächsten 20 Jahre rund 6 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche dafür genutzt werden, was einer Zubaunotwendigkeit von 600 ha im Jahr entspricht. Aktuell sind 1,5 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche mit PV-Anlagen bedeckt.

Die beiden Referenten machten deutlich, dass sich eine Installation auf Dachflächen aktuell nicht rentiere, auf Freiflächen jedoch schon. Hierbei gebe es verschiedene Möglichkeiten, PV-Anlagen zu installieren: zum einen mit Abstand der Solarmodule oder aber mit sehr geringem bis hin zu keinem Abstand. Dabei sei eine Beschattung nicht zu vermeiden, jedoch lasse sich mehr Leistung von der Fläche holen, weshalb dies die häufig gewählte Variante sei.

Zudem gebe es seit Kurzem erstmalig in Deutschland eine PV-Anlage auf einem Moorstandort. Die Anlage stehe in Lottorf im Kreis Schleswig-Flensburg: Hier seien sogenannte Tracking-Gestelle verbaut worden, welche der Sonne folgten und damit folgende Vorteile lieferten: Moorschutz und eine sehr rentable, kontinuierliche Leistung über den gesamten Tag. Zudem finde auf dieser Fläche eine Wiedervernässung statt, die den CO2-Ausstoß reduziere.

Eine weitere Besonderheit befinde sich im Kreis Schleswig-Flensburg, um genauer zu sein in Klein Rheide: Hier gebe es den artenreichsten Solarpark Deutschlands. Die ehemalige Kieskuhle sei Lebensraum für 450 Pflanzenarten, darunter 17 Arten von der Roten Liste, sowie heimische Wildtiere, Insekten und Amphibien.

Agriphotovoltaik, also eine Doppelnutzung der Fläche, wurde von den beiden Referenten nach heutigem Stand als „noch nicht ganz durchdacht“ angesehen, da sehr viel Stahl verbaut werden müsse und unter anderem die gesetzlichen Regelungen noch nicht vollständig ausgereift seien. Als Beispiel nannten die Referenten, dass  Tiereinheiten für diese Fläche nicht anrechenbar seien. Preissteigerungen seien auch bei Solarpanels deutlich spürbar. Seit 2021 seien die Preise um 50 % gestiegen. 95 % der Solarpanels würden in China produziert. Des Weiteren wurde den Teilnehmern ein Einblick in das komplexe Projektentwicklungsverfahren gegeben, welches über viele Jahre bis zur Inbetriebnahme der Anlage dauere.

Im Anschluss an den Impulsvortrag wurde eine anregende Diskussion zwischen den Teilnehmern und den Mitarbeitern der Wattmanufactur geführt. Abschließend lässt sich sagen, dass wir in Schleswig-Holstein einen Gunststandort für Photovoltaikanlagen besitzen und diese in den kommenden Jahren auf noch vielen weiteren landwirtschaftlich genutzten Flächen entstehen werden.

Thies Jensen und René Nissen stellten das Konzept des Solarparks Klein Rheide vor. Screenshot: Jennifer Müller/ljv

Das ist neu zu beachten zur kommenden Saison

Die Erntesaison 2022 stellt Unternehmen in der Land- und Forstwirtschaft bei der Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern, insbesondere aus Osteuropa, für Saison­beschäftigungen, zum Beispiel bei der Erdbeer- oder Spargelernte, wieder vor große Herausforderungen. Denn nach wie vor gilt es, bei der Beschäftigung von Erntehelfern den Überblick über die einschlägigen Vorschriften zu behalten. In diesem Artikel werden für eine Saisonbeschäftigung 2022 zunächst die wichtigsten Vorschriften und Neuregelungen zur Beschäftigung von Drittstaatlern, zur Einreise und Beschäftigung unter Corona-Bedingungen sowie zum Mindestlohn dargestellt. Teil 2 zu diesem Thema erscheint in dieser Rubrik in Ausgabe 12 im Bauernblatt.

Osteuropäische Saisonarbeitnehmer aus anderen EU-Mitgliedstaaten – zum Beispiel aus Polen, Rumänien oder Bulgarien – benötigen für eine Saisonbeschäftigung in Deutschland weder eine Aufenthalts- noch eine Arbeitserlaubnis. Es besteht insoweit der freie Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt (uneingeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit). Lediglich die Meldegesetze des jeweiligen Bundeslandes sind zu beachten.

Beschäftigung von Drittstaatlern

Auch 2022 stellt sich die Frage, ob und inwieweit sogenannte Drittstaatler als Erntehelfer im Rahmen einer Saisonbeschäftigung in Deutschland tätig sein können. Dabei handelt es sich um Personen, die nicht Staatsangehörige eines EU-Mitgliedstaats oder von Island, Norwegen, Liechtenstein oder der Schweiz sind. Sie benötigen für eine Beschäftigungsaufnahme in Deutschland nach wie vor ein Visum oder eine Aufenthaltserlaubnis, die eine Beschäftigung in Deutschland ausdrücklich gestattet. Dafür ist die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit (BA) erforderlich.

Die Beschäftigung von Drittstaatlern ist zum Beispiel im Rahmen von Vermittlungsabsprachen mit Drittstaaten möglich, wobei derzeit nur mit Georgien und der Republik Moldau eine solche Absprache besteht. Die BA kann hier für eine saisonabhängige Beschäftigung von regelmäßig mindestens 30 Stunden wöchentlich in den von der Absprache erfassten landwirtschaftlichen Wirtschaftszweigen eine Arbeitserlaubnis erteilen, und zwar für die Dauer von bis zu 90 Tagen innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen. Die Erteilung einer Arbeitserlaubnis ist von weiteren Voraussetzungen abhängig, wie zum Beispiel dem Nachweis über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz und dem Stellen einer angemessenen Unterkunft. Es sind entweder anonyme Bedarfsmeldungen oder namentliche Anforderungen an den Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit zu richten.

Darüber hinaus ist auch 2022 eine Beschäftigung von Drittstaatlern im Rahmen der sogenannten Westbalkanregelung möglich. Danach können Staatsangehörige aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien unter bestimmten Voraussetzungen die Zustimmung der BA zur Beschäftigungsaufnahme in Deutschland erhalten. Diese Regelung war zunächst befristet bis Ende 2020 und wurde verlängert bis zum 31. Dezember 2023. Die Anträge müssen von den Arbeitnehmern in der zuständigen deutschen Botschaft des jeweiligen Westbalkanstaates gestellt werden. Vor Erteilung der Zustimmung prüft die BA allerdings, ob inländische Arbeitskräfte oder Arbeitskräfte aus einem EU-Mitgliedstaat für die jeweilige Beschäftigung zur Verfügung stehen (Vorrangprüfung). Auskünfte hierzu erteilt der Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit.

Spargelstechen, das Sortieren und auch die weitere Logistik in der Ernte werden von Saisonarbeitskräften erledigt. Die Pandemie ist anscheinend auf dem Rückzug; was an neuen Herausforderungen wegen der Sicherheitslage in Grenzstaaten der EU zu Russland entsteht und wie dies den Arbeitsmarkt beeinflussen wird, bleibt abzuwarten. Foto: Landpixel

Studentenbeschäftigung in den Ferien

Nicht ganz so kompliziert sind Ferienbeschäftigungen von studierenden Drittstaatlern, die an einer akkreditierten Hochschule beziehungsweise Fachschule im Ausland eingeschrieben sind. Die Vermittlung erfolgt für eine Beschäftigung innerhalb der offiziellen Semesterferien für höchstens 90 Tage innerhalb von zwölf Monaten. Zuständig ist insoweit die Agentur für Arbeit Köln, die hierzu auf ihrer Webseite unter https://www.arbeitsagentur.de/unternehmen/­arbeitskraefte/ferienbeschaeftigung Informationen erteilt und auch die jeweils aktuellen Antragsformulare für die erforderliche Bestätigung der Ferienbeschäftigung vorhält. Sofern Drittstaatler in Deutschland studieren und an einer deutschen Hochschule immatrikuliert sind, ist eine Beschäftigung während des Studiums zulässig. Sie darf insgesamt 120 ganze Tage oder 240 halbe Tage im Jahr nicht überschreiten. Eine Arbeitserlaubnis ist nicht erforderlich, weil die Aufenthaltserlaubnis bereits im vorgenannten Rahmen zur Beschäftigungsausübung berechtigt.

Arbeitgeber sollten sich – ohne Ausnahme – von den Saisonarbeitnehmern alle Papiere im Original vorlegen lassen, die zur Beschäftigungsaufnahme in Deutschland berechtigen (Aufenthaltstitel, Immatrikulationsbescheinigung und weitere). Entsprechende Kopien sind zu den Unterlagen zu nehmen. Zudem ist unbedingt darauf zu achten, dass eine Beschäftigungsaufnahme erst nach Erteilung der Arbeitserlaubnis erfolgt. Wer hier Fehler macht, muss gegebenenfalls mit empfindlichen Bußgeldern rechnen und kann sich unter Umständen sogar strafbar machen.

Saisonbeschäftigung unter Pandemiebedingungen

Auch die Pflege der Erdbeerfelder wird häufig von Saisonarbeitern aus dem Ausland erledigt …
… sowie dann die Ernte der süßen Früchtchen, wenn die Saison beginnt. Fotos: Landpixel

Bund und Länder haben bereits beschlossen, die weitreichenden Corona-Regeln im Rahmen eines Stufenplans bis zum 20. März 2022 zurückzufahren. Die Öffnung soll in drei Schritten erfolgen und betrifft zunächst private Zusammenkünfte und den Zugang zum Einzelhandel sowie dann weitere Erleichterungen für Gastronomie, Übernachtungsangebote, Großveranstaltungen und andere.

Vor diesem Hintergrund bleibt abzuwarten, ob und inwieweit in den nächsten Monaten auch Erleichterungen im Hinblick auf die derzeit noch geltenden pandemiebedingten Maßnahmen und Regelungen beschlossen werden, die bei der Beschäftigung von Saison­arbeitnehmern in Betrieben der Land- und Forstwirtschaft und des Gartenbaus zu beachten sind. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Regelungen kann beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft unter https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Landwirtschaft/rahmenbedingungen-saisonarbeitskraefte.html heruntergeladen werden – auch in rumänischer, polnischer und englischer Sprache.

Einreise aus ausländischem Risikogebiet

Saisonarbeitnehmer haben pandemiebedingt bei der Einreise nach wie vor die Corona-Virus-Einreiseverordnung zu beachten. Sie ist in der jetzigen Fassung zunächst bis 3. März 2022 gültig, wobei eine Verlängerung oder vergleichbare Anschlussregelung gegebenenfalls zu erwarten ist. Die Verordnung regelt spezielle Anmelde-, Quarantäne- und Nachweispflichten, die bei Einreise in die Bundesrepublik Deutschland nach einem Aufenthalt in einem ausländischen Hochrisikogebiet oder Virusvariantengebiet zu beachten sind. Diese Gebiete sind auf der Liste des Robert-Koch-Instituts unter https://www.rki.de/risikogebiete ausgewiesen und auch erklärt. So müssen Saisonarbeitnehmer vor ihrer Einreise die digitale Einreiseanmeldung unter https://www.einreiseanmeldung.de ausfüllen, wenn sie sich bis zu zehn Tage vor der Einreise in einem der beiden Risikogebiete aufgehalten haben. Die Bestätigung der digitalen Einreiseanmeldung haben die Saisonarbeitnehmer bei der Einreise mit sich zu führen. Sofern eine digitale Anmeldung aufgrund fehlender technischer Ausstattung oder aufgrund technischer Störung nicht möglich war, ist stattdessen ausnahmsweise eine vollständig ausgefüllte Ersatzmitteilung in Papierform mitzuführen und gegebenenfalls dem Beförderer beziehungsweise der Grenzkontrollbehörde vorzulegen.

Zudem müssen alle einreisenden Saisonarbeitnehmer einen negativen Test (PCR-Test oder Antigentest, maximal 48 Stunden alt), eine Genesung oder eine vollständige Impfung nachweisen. Der Nachweis muss auf Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch oder Spanisch ausgestellt sein. Die Kriterien für einen gültigen Genesenennachweis sind unter https://www.rki.de/covid-19-genesenennachweis , die Kriterien für einen gültigen Impfnachweis unter https://www.pei.de/impfstoffe/covid-19 veröffentlicht. Einreisende aus einem Virusvariantengebiet müssen allerdings über einen negativen, maximal 48 Stunden alten PCR-Test verfügen; nur ein Genesenen- oder Impfnachweis sind nicht ausreichend.

Wann besteht bei Einreise Quarantänepflicht?

Schließlich gilt bundesweit für Saisonarbeitnehmer bei Einreise eine Quarantänepflicht, wenn sie sich bis zu zehn Tage vor der Einreise in einem der beiden Risikogebiete aufgehalten haben. Bei Einreise aus einem Hochrisikogebiet beträgt die Quarantänedauer zehn Tage, wobei stattdessen eine fünftägige Arbeitsquarantäne möglich ist. Die Quarantäne endet sofort bei Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises. Eine Freitestung nach fünf Tagen ist ebenfalls möglich. Bei Einreise aus einem Virusvariantengebiet beträgt die Quarantänedauer 14 Tage, wobei weder eine Arbeitsquarantäne noch eine Freitestung möglich ist. Einen Überblick über die Anmelde-, Quarantäne- und Nachweispflichten kann der Webseite des Bauernverbandes Schleswig-Holstein unter https://www.bauern.sh/themen/corona-virus.html entnommen werden.

Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes

Im Hinblick auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz für (Saison-)Arbeitnehmer ist zu beachten, dass das Infektionsschutzgesetz zunächst befristet bis einschließlich 19. März 2022 bundesweit einheitliche Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz vorsieht. Aufgrund entsprechender Vorgaben durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie auch durch die Arbeitsschutzbehörden der Bundesländer existiert mittlerweile ein umfassendes Regelwerk. Dies gibt dem Arbeitgeber Sicherheit bei der Auswahl und Umsetzung geeigneter Maßnahmen zum betrieblichen Infektionsschutz, wie zum Beispiel zusätzlicher Hygieneregeln, Abstandsgebote und organisatorischer Regelungen zur Minimierung von Kontakten zwischen den Beschäftigten (zum Beispiel durch Einteilung in feste, kleine Arbeitsgruppen). Ein Überblick über entsprechende Maßnahmen kann ebenfalls der Webseite des Bauernverbandes Schleswig-Holstein unter https://www.bauern.sh/themen/corona-virus.html sowie der Webseite der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände unter https://www.arbeitgeber.de/covid-19/#Covid-19%20Themen entnommen werden. Auch die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) gibt auf ihrer Webseite unter https://www.svlfg.de/corona-saisonarbeit konkrete Hinweise, wie zum Beispiel zur Unterbringung von Saisonarbeitnehmern in Gemeinschaftsunterkünften. Auch hier bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten.

Mindestlohn gilt auch für Saisonarbeitnehmer

Auch ausländische Saisonarbeitnehmer haben bei Aufnahme einer Saisontätigkeit in Deutschland grundsätzlich Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Seit 1. Januar 2022 beträgt der gesetzliche Mindestlohn 9,82 € brutto je Zeitstunde. Er wird ab 1. Juli 2022 auf 10,45 € brutto je Stunde erhöht. Die Anhebung ab 1. Juli 2022 erfolgt in der Erntesaison und wäre gegebenenfalls in den Arbeitsverträgen miteinzubeziehen. Die neuen Mindestlohnhöhen sind von allen Arbeitgebern in allen Branchen als Lohnuntergrenze zu berücksichtigen, wenn das Mindestlohngesetz ohne Ausnahme anzuwenden ist. Arbeitgeber haben allerdings zu prüfen, ob für ihre Branche Tarifverträge mit höheren Löhnen als der gesetzliche Mindestlohn existieren, die gegebenenfalls Anwendung finden. Entsprechend dem Koalitionsvertrag hat das Bundeskabinett bereits den Entwurf eines Gesetzes beschlossen, wonach der gesetzliche Mindestlohn zum 1. Oktober 2022 auf 12 € pro Stunde angehoben werden soll. Dies bleibt zunächst abzuwarten.

Fazit

Auch in der Erntesaison 2022 ist die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer – insbesondere aus Osteuropa – nach wie vor für deutsche Arbeitgeber eine große Herausforderung, weil eine Vielzahl von Regelungen zu beachten und entsprechende Verpflichtungen einzuhalten sind. Die Nichteinhaltung dieser Verpflichtungen kann unter Umständen ein empfindliches Bußgeld nach sich ziehen. Vor diesem Hintergrund sollten Arbeitgeber, die ausländische (Saison-)Arbeitnehmer beschäftigen möchten, sich hier zunächst umfassend rechtlich beraten lassen. Für die arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Beratung sollten sich Arbeitgeber entweder an den Bauernverband oder aber an einen Rechtsanwalt wenden, für die steuerrechtliche Beratung an ihren jeweiligen Steuerberater. In Teil 2 in Ausgabe 12 werden wichtige sozialversicherungsrechtliche Regelungen für eine Saisonbeschäftigung 2022 dargestellt.

Verantwortung für globale Versorgung annehmen

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Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) betont die sichere Versorgungslage mit Lebensmitteln in Deutschland. Er erteilt Forderungen nach einer agrarpolitischen Kehrtwende eine klare Absage. Frans Timmermans, Vizepräsident der EU-Kommission, warnt schon jetzt vor einem „historischen Fehler“, würden die Nachhaltigkeitsvorhaben im Rahmen des Green Deal nicht konsequent weiterverfolgt werden. 

Die Härte dieser Aussagen erstaunt. Denn angesichts des Krieges in der Ukraine sind Denkverbote unangebracht. Die Forderung anderer Politiker ist daher richtig, die Einschränkungen in der Lebensmittelproduktion, die unter anderem mit der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) einhergehen, zumindest auf den Prüfstand zu stellen (siehe Seiten 10 und 11).

Die Ukraine ist ein hochattraktiver Standort für Landwirtschaft. Rund 32 Mio. ha umfasst das dortige Ackerland. Das entspricht etwa einem Drittel der Ackerfläche der Europäischen Union. Gemeinsam mit Russland ist die Ukraine für rund 30 % der globalen Weizen­exporte verantwortlich. Durch die Folgen des Krieges sind aktuell sowohl die Produktion als auch die Exportfähigkeit aus der Schwarzmeerregion eingeschränkt.

Laut einer Analyse von Prof. Stephan von Cramon-Taubadel von der Universität Göttingen wird die russische Invasion enorme Konsequenzen für Millionen von ­Ukrainern, für die Sicherheit in Europa, die Energiemärkte und auch für die Agrarmärkte und die globale Ernährungssicherheit haben. Von Cramon-Taubadel schätzt, dass die ukrainische Getreideproduktion in diesem Jahr um mindestens 35 Mio. t gegenüber 2021 sinken werde. Russlands Produktion werde zwar aller Voraussicht nach nicht betroffen sein, doch logistische und finanzielle Sanktionen würden zu Verzögerungen und Handels­umlenkungen führen, wodurch es möglicherweise auch zu einer Reduktion der russischen Getreideexportmenge kommen werde. 

Die Weltmarktpreise für Getreide haben bereits historische Höchststände erreicht. Die Ernährungssicherheit in Industrieländern wie Deutschland ist zwar nicht gefährdet, aber die Inflation der Nahrungsmittelpreise wird angeheizt. Die meisten Haushalte könnten das verkraften, und einkommensschwache Haushalte, die davon besonders betroffen seien, könnten mit zielgerichteter finanzieller Unterstützung zumindest entlastet werden, so von Cramon-Taubadel.

Allerdings sei die Situation in denjenigen Entwicklungsländern besonders katastrophal, die auf Nahrungsmittelimporte angewiesen seien. Jetzt bedrohten Versorgungsengpässe und hohe Getreidepreise die Ernährungssicherheit von mehreren 100 Millionen Menschen, vor allem in Afrika und Südostasien.

Es ist daher geboten, die ernährungspolitischen Scheuklappen abzulegen und die Gemeinsame EU-Agrarpolitik zu überdenken. Es geht dabei nicht darum, alle Nachhaltigkeitsziele zu verwerfen. Maßnahmen sollten aber – wenn möglich – darauf ausgerichtet werden, die hiesige Landwirtschaft nachhaltiger und produktiver zugleich aufzustellen, anstatt die Nachhaltigkeit auf Kosten der Produktivität zu fördern. 

Dr. Robert Quakernack. Foto: bb

Timmermans warnt vor „historischem Fehler“

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Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und seiner Auswirkungen auf die Agrarmärkte und die Lebensmittelversorgung wird die Europäische Kommission ihre Nachhaltigkeitsstrategien einer erneuten Prüfung unterziehen. Das hat EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski im Anschluss an den informellen Agrarrat vergangene Woche angekündigt.

Man müsse jetzt dafür sorgen, dass die Agrarproduktion in Europa gesichert werde, erklärte der Pole. Die Ziele der Nachhaltigkeitsstrategien würden im Kontext der Lebensmittelversorgung und der neuen Situation in den nächsten Wochen geprüft. In diesem Zusammenhang verwies Wojcie­chows­ki auf Flächenstilllegungen und die Möglichkeit, auf den Brachen Proteinpflanzen anzubauen.

Ein Kurswechsel deutet sich zudem in Sachen privater Lagerhaltung (PLH) von Schweinefleisch an. Auch diese Maßnahme wollte der EU-Agrarkommissar nicht mehr ausschließen, genauso wie einen Einsatz der Krisenreserve. Die Kommission prüfe die Möglichkeit von Interventionsmaßnahmen, vor allem für Schweinefleisch, so der Pole. Er stellte zudem den Einsatz des Europäischen Mechanismus zur Krisenvorsorge und Krisenreaktion im Bereich der Ernährungssicherheit (EFSCM) und der angekündigten Expertengruppe für die Krise am Schweinemarkt in Aussicht.

Der geschäftsführende Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, hat Anfang der Woche hingegen davor gewarnt, wegen des Ukraine-Krieges die im Green Deal geplanten Maßnahmen zu stoppen. Nach Ansicht des Niederländers, der hauptverantwortlicher Kommissar für den Green Deal ist, wäre es ein „historischer Fehler“, wenn die Europäische Union ihre Nachhaltigkeitsvorhaben nun verlangsamen oder sogar ganz begraben würde.

Agrarmärkte im Blick

Quer durch die Mitgliedstaaten wurden vergangene Woche Forderungen laut, für eine ausreichende Absicherung der Ernährungsgrundlagen zu sorgen. Der französische Bauernverband (FNSEA) appellierte an Brüssel, die Ernährungssouveränität wieder zur „obersten Priorität“ zu machen. Als Erstes müsse der in Verbindung mit der Farm-to-Fork-Strategie zu erwartende Rückgang der Agrarproduktion „grundlegend“ infrage gestellt werden. Stattdessen müsse die Nahrungsmittelerzeugung in der Gemeinschaft ausgeweitet werden, allerdings auf nachhaltige Weise. Unmittelbar verabschieden sollte sich die Politik laut FNSEA von den Vorgaben GAP zur Stilllegung von Flächen.

Energiepreise steigen

Die polnische Agrarbranche sieht angesichts der durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Verwerfungen an den Agrar- und Energiemärkten ebenfalls – zumindest vorläufig – keinen Spielraum zur Umsetzung des Green Deal und der Farm-to-Fork-Strategie. Die Organisation der Verbände der Agrarproduktion (FBZPR) forderte die EU-Kommission auf, das Inkrafttreten der Strategien zu verschieben und das europäische Emissionshandelssystem auszusetzen. Die polnische Branchenvereinigung befürchtet, dass der Krieg die Energiepreiskrise weiter anheizen wird. Das dürfte sich nochmals preissteigernd auf den Düngermarkt auswirken.

Auch von der Iberischen Halbinsel kamen Forderungen nach einem schnellen Handeln, um die Versorgung mit Lebens- und Futtermitteln in der EU sicherzustellen. Nach Einschätzung von Spaniens Landwirtschaftsminister Luis Planas ist es geboten, die Prioritäten der GAP zu ändern. Deren Vorgaben müssten flexibler gestaltet werden, um die Produktion in den Mitgliedstaaten zu erhöhen. Außerdem müssten die Importregeln an die aktuelle Situation angepasst werden, so Planas. Gleichlautende Forderungen stellte der spanische Bauernverband Asaja. Nach dessen Ansicht wurde mit den ersten Kriegstagen „die Inkonsequenz der GAP-Ansätze“ deutlich. Portugals Landwirtschaftsministerin Maria do Céu Antunes erinnerte daran, dass die GAP ursprünglich begründet worden sei, um die Nahrungsmittelversorgung in Europa sicherzustellen. Dieses Ziel sei jetzt wieder wichtig. Das Produktionspotenzial der Mitgliedstaaten müsse konsequent genutzt werden. 

Die gute Seele von Emkendorf

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Seit drei Jahren schlüpft Regina Ritter, Leiterin der Herrenhausverwaltung auf Gut Emkendorf, regelmäßig in die Rolle der Friederike Juliane Gräfin von Reventlow (1763-1816). Bei einer einstündigen Führung mit anschließender Kaffeetafel taucht sie in das Leben der früheren Gutsherrin Julia, wie sie hier schlicht genannt wird, ein.

„Sobald ich mein Kostüm anziehe und die Perücke überstreife, fühle ich mich tatsächlich wie Julia“, meint Regina Ritter und lächelt. „Auch wenn ich nach einer Führung mit den Besuchern bei Kaffee und Kuchen im Gartensaal zusammensitze, reden sie mich oft noch mit ‚Julia‘ an und stellen direkt an sie ihre Fragen“, freut sich die langjährige Gutsangestellte.

Aus reichem Elternhaus

Dieses Julia-Gemälde schuf Angelika Kauffmann. Früher hing es direkt über dem Bett ihres Gatten Fritz.  Foto: Silke Bromm-Krieger

Julia kam laut Biographischem Lexikon am 16. Februar 1763 in Kopenhagen zur Welt und hatte acht Geschwister (andere Quellen berichten von vier oder sechs Geschwistern). Ihre Eltern waren der Unternehmer und Gutsbesitzer Heinrich Carl von Schimmelmann und Caroline Tugendreich geborene Friedeborn. Die Familie wohnte meist im Sommer auf Schloss Ahrensburg und im Winter im Kopenhagener Palais. Da ihr Vater durch atlantischen Dreieckshandel (zu dem auch Sklavenhandel gehörte) und karibische Zuckerrohrplantagen zu großem Reichtum gelangt war, genoss die kleine Julia eine luxuriöse, standestypische Kindheit. Schon früh erhielt sie Musik- und Ballettunterricht. Privatlehrer brachten ihr die Kunst und das Zeichnen näher. Außerdem lernte sie Französisch und Italienisch. So wuchs sie zu einer weltgewandten und gebildeten jungen Dame heran. Im Jahr 1779 heiratete sie Friedrich Karl („Fritz“) Graf von Reventlow (1755-1828), einen Angehörigen des holsteinischen Uradels. Diese Verbindung stellte sich als sehr glücklich heraus. Zunächst lebten Julia und ihr Mann in Stockholm, dann in London, wo Fritz als königlich dänischer Gesandter beschäftigt war. Schließlich ließen sie sich in Emkendorf nieder, zwischen Rendsburg und Westensee gelegen. Fritz quittierte seinen Dienst, und die beiden widmen sich fortan der Umgestaltung des um 1730 im spätbarocken Stil erbauten Herrenhauses.

Aufwändiger Umbau

Als Fritz nach dem Tod seines Vaters das Haus 1783 geerbt hatte, war es stark heruntergekommen. Ein paar Jahre später zog er mit seiner Gattin ein, und sie begannen, es aufwändig umzubauen. Mit dem Tod ihres Vaters erbte auch Julia. „Sie erhielt ein Fünftel der jährlichen Erträgnisse seines immensen Vermögens. Diesen konstanten Geldfluss nutzte das Ehepaar Reventlow für die reiche Ausgestaltung des Gutes“, bemerkt Regina Ritter. Von zwei Italienreisen brachte es Bilder, Skulpturen, Möbel und Kunstschätze mit. Zudem stattete der römische Maler Pelicia ihr Zuhause mit Malereien aus. 1791 kam Architekt und Baumeister Carl Gottlob Horn hinzu. Er überformte das Herrenhaus im klassizistischen Stil und legte auf der Rückseite einen Landschaftspark nach englischem Vorbild an. Ab 1796 wirkte der Schweizer Stuckateur Tadey für einige Zeit an der künstlerischen Ausgestaltung der Innenräume mit.

Geistreich und liebenswürdig

Auf dem Gut hielt Julia weise ordnend das Zepter in der Hand, obwohl sie gesundheitlich angeschlagen und oft ans Bett gefesselt war. Möglicherweise litt sie an Schwindsucht. Es gab damals jedoch ebenfalls Stimmen, die andeuteten, ihr chronisches Leiden könnte psychosomatischer Natur sein. Zeitzeugen beschreiben sie als geistreich, liebenswürdig, in hohem Maße wohltätig und zugleich besorgt um die Bildung und das Wohlsein ihrer Gutsuntertanen. Alle, die mit ihr in Kontakt kamen, soll sie durch ihre Seelenmilde, zartes Gefühl und lebhafte Empfänglichkeit beeindruckt haben. „Wenn man nach Emkendorf kam, kam man zu Julia. Sie war hier die gute Seele. Fritz war zielstrebig, direkt, im Umgang aber zuweilen etwas bissig“, merkt Regina Ritter an.

Zu Erben kommen die kinderlosen Eheleute um 1814 durch Adoption von Joseph und Heinrich, den beiden älteren Söhnen von Julias Nichte Caroline Friederica Gräfin Criminil. Eine Pflegetochter war die junge Gräfin Ina Holk. Überliefert ist, dass die Reventlows sich auch um Kinder aus den Familien ihrer Angestellten und aus dem Dorf kümmerten. Des Weiteren ließen sie „sieben unbemittelte Kleine“ in ihrem Haushalt aufziehen, die von Julia unterwiesen wurden, wie Frank Trende in seinem Buch „Herrenhaus-Geschichten im Herzen Schleswig-Holsteins“ erwähnt.

Daneben war Julia schriftstellerisch tätig. Sie verfasste Prosawerke und christliche Erbauungsschriften für die Gutsuntertanen. So entstand 1791 angelehnt an eine Publikation des Schweizer Reformpädagogen Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827) ihre pädagogische Schrift „Sonntagsfreuden des Landmanns“.

Der Rote Salon, der sich an Julias früherer Suite (heute Bibliothek) anschloss, ist seit 1790 als einziger unverändert. So sieht man hier noch die Stuck- und Damastbespannung der Wände im Original. Foto: Silke Bromm-Krieger

Weimar des Nordens

Julia, evangelisch, tiefreligiös und dem Pietismus nahestehend, begründete mit ihrem Mann darüber hinaus den Emkendorfer Kreis. Dies war ein Zirkel, zu dem bedeutende adlige und intellektuelle Frauen und Männer mit einer konservativen Gesinnung gehörten, die politische, religiöse und kulturelle Interessen teilten. Da der Graf als Kurator Kontakt zur Kieler Universität pflegte, waren unter den Mitgliedern auch Professoren und Mediziner. Zum Kreis gehörten unter anderen die Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock und Matthias Claudius sowie der Züricher Theologe Johann Kaspar Lavater.

Unter der Leitung von Julia widmeten sich die illustren Gäste der englischen und französischen Literatur, ließen sich vorlesen oder debattierten. Auf einer kleinen Bühne, die eigens beim Umbau des Blauen Salons im Obergeschoss eingerichtet worden war, spielten sie Theater und musizierten. Das brachte dem Gut die Bezeichnung „Weimar des Nordens“ ein. „Gern hätte Julia auch einmal Johann Wolfgang von Goethe willkommen geheißen. Aber dieser schlug alle Einladungen aus, hatte immer Ausreden parat. Er weiß gar nicht, was ihm entgangen ist“, meint Regina Ritter schmunzelnd.

Eine einflussreiche Frau

Julia von Reventlow war im 18. Jahrhundert eine bedeutende und kulturell einflussreiche Frau. Im Stormarn-Lexikon wird darauf hingewiesen, dass sie als Miterbin der Zuckerrohrplantagen ihres Vaters innerhalb der Familie über die damit verbundene Sklavenhaltung diskutierte. „Sie setzte sich dafür ein, die Lebensbedingungen der Sklaven zu verbessern und veranlasste die Herrnhuter Brüdergemeinde, Missionare in die Schimmelmannsche Besitzungen zu entsenden“, heißt es dort. Ihr Bruder Ernst, dem sie eng verbunden war, sorgte schließlich als dänischer Finanz- und Handelsminister maßgeblich dafür, dass der Sklavenhandel in Dänemark und dessen überseeische Gebiete 1792 verboten wurde.

„Am 27. Dezember 1816 starb Julia nach langem Leiden. Sie wurde in der Catharinenkirche in Westensee beerdigt“, weiß Regina Ritter.

Zum Schluss des Gesprächs schlüpft sie noch flink in ihr schönes Kostüm und verwandelt sich auf wundersame Weise in Julia. Lebhaft erzählend führt sie elegant und graziös durch die Räume im Erdgeschoss. Da das Herrenhaus gerade im Winterschlaf liegt, bleiben an diesem Tag die Fensterläden geschlossen. Das gedämpfte Licht sorgt für eine ganz eigene Stimmung. Hautnah spürt man: Hier atmet Geschichte, die noch heute viel vom früheren Geist Emkendorfs und seiner guten Seele Julia preisgibt.

Gruppenführungen ab 15 Personen können bei Regina Ritter individuell vereinbart werden. Anmeldung unter Tel.: 0 43 30-99 46 90, anfrage@gutemkendorf.de
Weitere Infos unter gutemkendorf.de

Die frühere Parkanlage mit dem Hasensee ist nur in Teilen erhalten. Heute ist sie größtenteils öffentlich zugänglich. Foto: Silke Bromm-Krieger
In den Jahren der Französischen Revolution fanden im Herrenhaus auch bedeutende französische Emigranten gastliche Aufnahme. Foto: Silke Bromm-Krieger

Historisches Juwel an Stahlseilen

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Blaulicht und Sirenenklang an der Schwebefähre – doch diesmal wegen eines freudigen Ereignisses: Vergangenen Freitag ging die wiederhergestellte Schwebefähre an der Rendsburger Hochbrücke auf Jungfernfahrt über den Nord-Ostsee-Kanal.

Sechs Jahre hat es gedauert, und nun fährt sie wieder, die Rendsburger Schwebefähre – „schweben“ ist eigentlich der falsche Ausdruck, denn das Gefährt hängt an Stahlseilen. Am 8. Januar 2016 war die 1913 in Dienst gestellte Vorgängerfähre mit einem Frachter kollidiert und wurde dabei zerstört. Nur zwei Personen waren an Bord und erlitten leichte Verletzungen.

Das neue Modell, fast genauso gebaut wie das alte, aber technisch modernisiert, hat 13,5 Mio. € gekostet. Neben dem praktischen Nutzen vor allem für die Kanalquerung von Fußgängern und Radfahrer (nur vier Autos haben Platz) ist die Schwebefähre ein historisches Juwel: In Europa gibt es nur noch acht von ihnen, in Deutschland eine weitere an der niedersächsischen Oste. 

Mit Wasserfontänen und Sirenenklang grüßte die Feuerwehr. Foto: Tonio Keller