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Verkehrssicherungspflichten im Revier

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Verkehrssicherungspflichten treffen denjenigen, der eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält. Er hat die Pflicht, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen (Sicherungsmaßnahmen) zu treffen, um Schäden anderer zu verhindern. Bekannt sind Verkehrssicherungspflichten in der Jagd insbesondere im Zusammenhang mit Bewegungsjagden. Allerdings kann auch sonst im laufenden Jagdbetrieb der Jagdausübungsberechtigte für von ihm gesetzte Gefahrenquellen haftbar gemacht werden. Der Bundesgerichtshof hatte unlängst den Fall eines Radfahrers zu entscheiden, der an einer Absperrung im Revier gestürzt war, die vom Jagdausübungsberechtigten errichtet wurde, um den Pkw-Verkehr im Revier zu reduzieren. Auch marode Ansitzeinrichtungen sind regelmäßig ein Thema der Gerichte.

„Jagdliche Einrichtungen unterliegen der Verkehrssicherungspflicht. Mit der Benutzung durch unbefugte Dritte ist zu rechnen“, warnt deshalb der Jagdverband auf seiner Homepage.

Es wird demgegenüber die Meinung vertreten: „Besteigt ein Unbefugter einen Hochsitz, haftet der Jagdausübungsberechtigte grundsätzlich nicht.“ Anscheinend ein Widerspruch, den die Rechtsprechung je nach Lage des Einzelfalles löst. Die Landesjagd- und -waldgesetze verbieten auch in Schleswig-Holstein das Betreten jagdlicher und forstlicher Einrichtungen durch Waldbesucher. Aber wer weiß das schon?

Ob ein angebrachtes Schild „Betreten verboten“ die rechtliche Situation entscheidend ändert, ist strittig. Vorgeschrieben ist ein solches Schild jedenfalls nicht. „Das Anbringen eines Verbotsschildes ist also entbehrlich. Für rechtswidrige Handlungen gibt es keinen (Schadens-)Ersatz“, hatte ein hessisches Landgericht eindeutig formuliert.

Das Oberlandesgericht Braunschweig dagegen meinte in einem ähnlichen Fall, dass der Jagdpächter verpflichtet sei, zumutbare Maßnahmen gegen ein unbefugtes Besteigen zu treffen, wenn ein Anreiz zum Besteigen gegeben sei, etwa wegen einer verlockenden Aussicht.

Schutz von Kindern und Jagdgästen

Hier ist sehr gut zu sehen, wie Leitersprossen und Geländer mit neuem Holz versehen worden sind. Einige Streben müssen noch montiert werden, dann steht dem sicheren Ansitz nichts mehr im Weg. Fotos: Jagd Fargau

Dies zeigt, dass die Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen uneinheitlich ist, tendiert allerdings in die Richtung, dass Unbefugte keinen Schutz genießen, wenn sie fremdes Eigentum betreten. Allerdings gibt es auch Fälle, in denen die Verkehrssicherungspflicht enger gefasst wird. Das kann der Fall sein bei Hochsitzen, die ohne Absperrung und Warnung direkt am Wegesrand stehen und eventuell gar einen weiten Rundumblick versprechen. Vollkommen in der Haftung stehen Hochsitz­eigentümer, wenn Kinder den Hochsitz erklettern und ein Unfall passiert. Selbst ein Warnschild reicht hier nicht aus.

Eine strenge Verkehrssicherungspflicht besteht gegenüber Jagdgästen, die den Hochsitz benutzen. Insbesondere wenn die Jagdgäste für die Jagd bezahlen, dürfen sie sichere Ansitze erwarten. Um deren berechtigtes Betreten abzusichern, muss der Pächter den Sitz regelmäßig warten und überprüfen. Hochsitze und Kanzeln müssen nach den Unfallverhütungsvorschriften fachgerecht errichtet und mindestens einmal pro Jahr überprüft werden. Während es für die sachgerechte Errichtung konkrete Vorgaben und Hinweise gibt, werden Art und Umfang der Überprüfung in keiner Weise festgelegt.

Nach der Rechtsprechung sind sichtbare Schäden und wahrnehmbare Instabilität zu beseitigen. Des Weiteren sind zusätzlich die typischen Schwachstellen eines Hochsitzes (insbesondere die horizontal verlaufenden Hölzer und Querbalken) gezielt und mit geeignetem Werkzeug (zum Beispiel Messer, Spitzhammer) auf Festigkeit zu überprüfen. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf die Oberseiten der Querhölzer und die Verbindungsstellen gelegt werden, da eventuelle innere Fäulnisprozesse regelmäßig von der dem Regen besonders ausgesetzten Oberseite der Hölzer ausgehen. Kontrollen müssen zu Beweiszwecken dokumentiert werden, insbesondere dann, wenn regelmäßig ortsfremde Jagdgäste diese Einrichtungen benutzen.

Die Hochsitze sind im Eigentum des Jagdausübungsberechtigten und bleiben dies auch nach dem Ende der Pachtzeit. Nach dem Ende des Pachtverhältnisses müssen die Ansitzeinrichtungen entfernt oder vom Nachfolger übernommen werden. Ansonsten bleibt die Verkehrssicherungspflicht des (früheren) Jagdausübungsberechtigten bestehen. Werden die Ansitze von dem Nachfolger weitergenutzt, dann trifft gegebenenfalls die Verkehrssicherungspflicht auch ihn.

Zusammenfassend besteht bei jagdlichen Einrichtungen wie Kanzeln und Hochsitzen immer eine Verkehrssicherungspflicht gegenüber Jagdgästen. Gegenüber Dritten ist sie durch Betretungsverbot eingeschränkt und hängt von Gegebenheiten im Einzelfall ab.

Bei Fallen unbedingt beachten

Allgemein gilt: Wer mit Fallen arbeitet, verpflichtet sich zur Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht. Das heißt, er verpflichtet sich, alle notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um Schäden bei Mitmenschen und Haustieren aufgrund der geschaffenen Gefahrenquelle zu verhindern. Alle Fallenarten müssen so aufgestellt werden, dass sie so selektiv wie möglich fangen. Für geschützte und zu schonende Tierarten darf keine Gefahr bestehen.

Sofern Fangeisen eingesetzt werden dürfen, müssen sie daher in einen abschließbaren Fangbunker eingebaut werden, der über eine Eingriffssicherung verfügt. Dadurch soll die Falle bei einem möglichen unberechtigten Öffnen des Deckels automatisch unschädlich gemacht werden. Allgemein gilt, dass Totfangfallen erst nach erfolgreichem Ankirren scharf gemacht werden sollen.

Wer eine Totschlagfalle aufstellen möchte, hat die erforderliche Verkehrssicherungspflicht und die jeweiligen Landesjagdgesetze zu beachten. Im Revier sollten Totschlagfallen in Fangbunker, Fallenkästen oder Fangburgen eingebaut werden. Dadurch werden sie für Unbefugte (spielende Kinder) nicht zur Gefahr und ein möglichst tierschutzgerechter Fang wird gewährleistet.

In Schleswig-Holstein dürfen nach § 3 der Fangjagdverordnung Totfangfallen nur in geschlossenen Räumen, Fanggärten, in Fangbunkern oder Fangkisten aufgestellt werden, deren Zugangsöffnung bei Bügelweiten bis zu 51 cm nicht größer als 8 cm, bei den übrigen Bügelweiten nicht größer als 25 cm sein darf. Außerdem sind sie im unmittelbaren Gefahrenbereich mit dem Hinweis auf einem wetterfesten Schild „Vorsicht Falle – Verletzungsgefahr“, verbunden mit einem zur Warnung dienenden Piktogramm, zu versehen.

Weitere Einrichtungen

Im eingangs beschriebenen Fall hatte der Jagdausübungsberechtigte im Einvernehmen mit der ebenfalls beklagten Gemeinde ein sogenanntes Ziehharmonika-Heck mit Stacheldrähten aufgestellt, an welchem das Verkehrsschild 260 – Verbot des Befahrens mit Kraftfahrzeugen – befestigt war. Ziel dieser Absperrung war die Ruhe im Revier durch den Ausschluss von Kraftfahrzeugen von dem Weg. Der Bundesgerichtshof sah in diesem Fall die im Verkehr erforderliche Sorgfalt im zivilrechtlichen Sinne des § 276 Absatz 2 Bundesgesetzbuch nicht eingehalten. Es sind diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, vorsichtiger, umsichtiger und gewissenhafter Mensch für erforderlich halten durfte, um andere Menschen vor Schäden zu bewahren.

Im vorliegenden Fall war der Waldweg regelmäßig von Freizeitradfahrern wie dem Kläger genutzt. Nach dem oben genannten Schild war Radfahren auf diesem Weg auch nicht untersagt. Die Absperrung mit dünnen und leicht übersehbaren Drähten setzt eine vermeidbare Gefahrenquelle. Der Jagdausübungsberechtigte wurde zu Schadensersatz und Schmerzensgeld verurteilt. 

Fazit

Wer eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, ist verantwortlich, wenn Dritte zu Schaden kommen. Er hat die Pflicht, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen (Sicherungsmaßnahmen) zu treffen, um Schäden anderer zu verhindern. Der Verantwortliche, in der Regel der Eigentümer der Anlage, sollte seine Sicherungsbemühungen gegebenenfalls vor Gericht auch beweisen können.

Mikroplastik unter den Hufen

Thomas Ungruhe, Leiter der Abteilung Vereine, Umwelt, Breitensport und Betriebe (VUBB) der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), hielt bei der digitalen Pferd-und-Umwelttagung des Pferdesportverbandes Schleswig-Holstein gleich zwei Vorträge. Zum Abschluss des Abends widmete er sich dem Thema der Kunststoffe auf Reitplätzen.

Ein Reitplatzboden muss seinen Einsatzzweck erfüllen, also tritt-, rutsch- und scherfest sein, den Aufprall der Pferdehufe dämpfen, im richtigen Maß nachgeben und sprungsicher sein. Als Basismaterial werden Quarzsande verwendet, die hierfür die richtigen Eigenschaften aufweisen. Das Volumen der Zuschlagstoffe, die dazu dienen sollen, die Langlebigkeit des Bodens zu erhöhen und bestimmte Eigenschaften zu verbessern, liegt laut Thomas Ungruhe bei nur 1 bis 3 %. Doch welche Zuschlagstoffe verwendet werden, kann weitreichende Konsequenzen haben.

„Auf Reitplätzen werden verschiedenste synthetische Zuschlagstoffe wie zum Beispiel Vliese, Teppichreste oder Mullbinden zerkleinert eingesetzt, in früheren Jahren auch Gerbmaterialien der Lederindustrie oder Kabelreste der Autoindustrie. Also Materialien, die dort nichts zu suchen haben“, so der Leiter der Abteilung VUBB. Die Folgen seien Belastungen der Umwelt sowohl durch Mikroplastik als auch durch die enthaltenen chemischen Stoffe. „Die Chemiefrage ist für uns fast noch wichtiger als die Mikroplastikfrage“, so Ungruhe. Häufig würden Teppiche und Matten aus der Autoindustrie verwendet, die mit Flammschutzmitteln behandelt seien.

Thomas Ungruhe informierte bei der digitalen Pferd- und Umwelttagung über das Thema der Kunststoffe auf Reitplätzen. Foto: FN-Archiv/Foto Kaup

Ungruhe erklärte, dass die verarbeiteten Materialien unter anderem durch die Scherkräfte auf dem Reitplatz zu sehr kleinen Teilen zerrieben würden. Als Mikroplastik werden bereits Plastikteile von 5 mm Größe bezeichnet, doch in wissenschaftlichen Studien sei festgestellt worden, dass die Stoffe auf Reitplätzen auf eine Größe von bis zu 0,01 mm zerrieben würden.

Umweltbelastung möglichst reduzieren

Durch Austragungen in die Umwelt wird Mikroplastik zu einer Belastung für die umgebende Natur. Ungruhe führte aus, dass beispielsweise durch Starkregen Zuschlagstoffe in die Umgebung gespült würden. Insbesondere Betreiber von Reitanlagen in Wasserschutzgebieten müssten darauf achten, eine Grundwassergefährdung zu vermeiden. Doch auch ein trockener Boden in Verbindung mit Wind führe zu Austragungen. „Da kann es schnell zu Beschwerden von Nachbarn kommen, die Zuschlagstoffe in ihren Beeten finden“, berichtete er.

Mit gutem Wassermanagement und regelmäßiger Pflege des Platzes könne die Umweltbelastung reduziert, jedoch nicht ganz verhindert werden. Ungruhe riet zu einem Rückhaltemanagement, zu dem beispielsweise eine regelmäßige Sichtkontrolle oder das Zurückfegen des ausgetragenen Bodens gehören.

Diese Maßnahmen könnten Betreibern von Reitplätzen mit synthetischen Zuschlagstoffen auch durch Naturschutzbehörden auferlegt werden, denn auch diese sowie die Landesumweltministerien beschäftige die Diskussion um Mikroplastik. Ungruhe berichtete, dass ausgehend von der Problematik synthetischer Zuschlagstoffe auf Kunstrasenplätzen Verbotsdiskussionen geführt würden, die in Zukunft auch den Reitsport betreffen könnten. Die Europäische Chemikalien-Agentur (Echa) arbeite bereits an Verordnungen zur Vermeidung bestimmter Chemikalien.

Der Fachmann betonte, dass synthetische Zuschlagstoffe zu diesem Zeitpunkt nicht verboten seien, riet Reitplatzbetreibern jedoch zu gut überlegtem Vorgehen. Schon jetzt seien weitreichende Auflagen bis hin zu Rückbauauseinandersetzungen möglich, auch als Konsequenz von Nachbarschaftsstreitigkeiten.

Forderungen an die Hersteller stellen

Daher müssten die Betreiber vor der Verwendung von Kunststoff in der Tretschicht die Genehmigungserfordernisse des Landes prüfen, die Bauordnung und das Wasserrecht beachten und sich intensiv informieren. „Eine Baugenehmigung kann auch erforderlich sein, wenn nur das Material gewechselt wird“, so Ungruhes Hinweis. Im Vorfeld solle sich jeder die Frage stellen, ob er die synthetischen Stoffe auch wirklich braucht.

Abschließend gab Ungruhe den Eigentümern von Reitplätzen konkrete Handlungsempfehlungen mit auf den Weg. Der wichtigste Punkt sei, Forderungen an die Hersteller und Lieferanten zu stellen, die der eigenen Absicherung dienten. So sollte darauf bestanden werden, dass nur schadstoffarme und noch nicht gebrauchte Kunststoffe verwendet werden und ein Prüfberichtsergebnis der chemischen Analyse der gelieferten Charge mitgeliefert wird. „Ein Sicherheitsdatenblatt reicht nicht, es muss das Ergebnis der chemischen Analyse sein“, betonte der Experte und fügte hinzu: „Außerdem muss man unbedingt an mehreren Stellen Proben des gelieferten Materials ziehen und diese aufbewahren, denn bei einer rechtlichen Auseinandersetzung muss man Beweise liefern. Ein offizieller Prüfbericht kostet zwar Geld, ist aber notwendig, um auf der sicheren Seite zu sein.“

Einen wesentlichen Unterschied mache auch die Frage, ob das Material als Abfall oder als Produkt deklariert sei. „Wenn es ein Produkt ist, muss man eine Produktbeschreibung mit den Inhaltsstoffen erhalten“, so Ungruhe. Nicht zuletzt sei dieser Unterschied bei der Entsorgung des Bodens zu beachten, denn es gebe große Preis­unterschiede zwischen der Entsorgung von Abfall und von Produkten. Auch damit der Boden möglichst ohne weitere Umweltbelastung entsorgt werden könne, sei es unverzichtbar, über die enthaltenen chemischen Stoffe Bescheid zu wissen.

Reitplatzbetreiber finden gesammelte Informationen unter anderem in dem Arbeitsblatt „Kunststoffhaltige Tretschichten auf Reitplätzen“ des Landes Nordrhein-Westfalen, an dem mehrere Landesumweltministerien, Hersteller, Reitplatzbauer, Landespferde­sportverbände und die FN mitgearbeitet haben.

Bachelor of Science … und jetzt?

Die aktuellen Hygieneregeln der Corona-Pandemie ließen es zu: Am 18. Februar konnten 51 Absolventinnen und Absolventen in feierlichem Rahmen ihre Urkunden zum Abschluss ihres Bachelorstudiums der Landwirtschaft beziehungsweise ihres Masterstudiums des Agrarmanagements in Empfang nehmen.

Dekan Prof. Martin Braatz und viele Helferinnen und Helfer hatten in der Halle der Landwirtschaftskammer in Rendsburg einen festlichen Rahmen hergerichtet. Eltern, Partnerinnen und Partner, Freundinnen und Freunde konnten den Studienabschluss per Videokonferenz verfolgen.

Der Fachbereich sei froh, dass die Prüfungswochen und die Abschlussfeier in Präsenz hätten stattfinden können, sagte Braatz. Trotz dreier digitaler Semester waren die Leistungen der 41 Bachelors und zehn Master überdurchschnittlich. „Sie können auf eine ganz besondere Studienzeit zurückblicken. Das Engagement und die Disziplin aller Lehrenden und Studierenden haben geholfen, alle Hürden von Zoom und Moodle zu überspringen. Damit sind die heute verteilten Urkunden und Zeugnisse der große Nachweis eines erfolgreichen Kompetenzerwerbs während ihres Studiums“, betonte der Dekan stolz. Den Absolventinnen und Absolventen gab er zu verstehen, dass sie ab heute die Visitenkarte des Fachbereichs und damit auf dem Arbeitsmarkt die Wegbereiterinnen und Wegbereiter für alle nachfolgenden Studierenden sein würden.

Nicht lamentieren, sondern verändern

Der Vizepräsident der Fachhochschule Kiel, Prof. Dr. Tobias Hochscherf, beglückwünschte die Absolventinnen und Absolventen zu ihrem gelungenen Abschluss. „Halten Sie nach dieser Feier aber auch noch einmal inne, blicken sie dankbar auf das Erreichte zurück und genießen Sie den Moment“, gab er ihnen mit auf den Weg.

Bevor die Urkunden und Zeugnisse überreicht wurden, würdigte der Vorsitzende des Prüfungsausschusses, Prof. Albrecht Mährlein, die Disziplin der Studierenden während ihres Studiums. „Sie haben die besonderen Herausforderungen in ihrer Studienzeit angenommen, dafür meinen Respekt an Sie.“ Er ermutigte die Gruppe, „nicht zu lamentieren, sondern Veränderungen vorzunehmen, wenn rationale Entscheidungen diese erforderlich machen. Fangen Sie einfach damit an!“

Studium im maritimen Kontext

Unter Regie von Prodekanin Prof. Katrin Mahlkow-Nerge begann die Übergabe der Urkunden. Sie hatte dafür in akribischer Vorarbeit von jeder Absolventin und jedem Absolventen Besonderheiten aus dem Studium und zum zukünftigen Berufsfeld recherchiert und zum Besten gegeben. Viele Episoden führten dabei zum Schmunzeln der Zuhörer.

Für die Absolventinnen und Absolventen fassten Mats Petersen für die Bachelors und Henrike Grotsch für die Master ihre Eindrücke aus dem Studium zusammen. „Bachelor of Science … und jetzt?“, fragte Petersen. Das Ziel des Studiums der Landwirtschaft sei in der Beschreibung des Studiengangs formuliert: Führungskraft in der Landwirtschaft und im landwirtschaftlichen Umfeld. Im maritimen Kontext, man hat schließlich am Nord-Ostsee-Kanal studiert, sei das vergleichbar mit dem Kapitän eines Schiffes. Dessen Aufgabe erfordere ein Schiff mit dem Rumpf, dem Studiengang, als Grundlage. Um ans Ziel zu kommen, sei Energie notwendig, quasi der Motor und der Antrieb. „Dieser Teil des Schiffes stellt den stetigen Kompetenzerwerb während des Studiums dar. Anker und Ruder dienen praktisch der Orientierung und der Kontrolle des Studienfortschritts, und im Laderaum ist viel Platz für das durch die Vorlesungen erreichte Wissen“, sagte Petersen. Daher auch die Bezeichnung „Container-Module“. Für die sichere Steuerung eines Schiffes bedürfe es der Lotsen, also der Lehrenden. Zudem brauche jedes Schiff einen Heimathafen, also den Fachbereich Agrarwirtschaft mit der Hafenmeisterei, dem Sekretariat. Mit dem Abschluss könnten die Studierenden jetzt in See stechen, schloss Petersen, er werde sich aber immer auch auf ein Wiedersehen im Heimathafen freuen.

Henrike Grotsch verglich die Besonderheiten des Masterstudiengangs mit dem Ackerbau. Gute Aussaat und Pflege eines Bestandes, also das ständige Bemühen um Kompetenzerwerb durch die Vorlesungen und die Unterstützung durch die Lehrenden, führten auch zu einer guten Ernte, also zum erfolgreichen Studienabschluss. Die Erkenntnis aus dem Studium sei aber auch, dass man aus vielen Fehlern auch viel lernen könne und dass ein gutes Netzwerk zu vielen Überlebenstipps während des Studiums beitrage.

Prof. Schlüter geht in Ruhestand

Nach 64 Hochschulsemestern wurde an diesem Abend Prof. Klaus Schlüter in den wohlverdienten Ruhestand entlassen. „Wir verabschieden einen Kollegen, der das heutige Format des Fachbereichs entscheidend mitgeprägt hat, und bedanken uns für sein vielfältiges Engagement an der Fachhochschule und am Fachbereich“, würdigte Prof. Dr. Rainer Wulfes die Verdienste von Schlüter in seiner Laudatio (siehe unten).

Dieser dankte dem Kollegium und allen Mitarbeitenden des Fachbereichs für die gute Zusammenarbeit. In einem kurzen Rückblick ließ er seine Dienstzeit unter dem Motto „Nichts ist beständiger als der Wandel“ Revue passieren.

Zum Abschluss der Feierstunde beglückwünschte der Vorsitzende der Vereinigung der Agraringenieure, Diplom-Ingenieur (FH) Stefan Heins, die Absolventinnen und Absolventen zu ihrem erfolgreichen Abschluss. „Entwickeln und bewahren Sie Leidenschaft in allem, was Sie tun, dann werden Sie darin auch erfolgreich sein“, gab er ihnen mit auf den Weg. „Wenn innen nichts brennt, kann außen nichts leuchten!“ Er warb für die Mitgliedschaft in der Vereinigung, um weiterhin den Kontakt zum Fachbereich zu halten und das erworbene Netzwerk zu pflegen.


Bachelorabsolventinnen und ­-absolventen: Sören Andersen,Steinfeld; Nikolai Arndt, Sterley; Lina-Sophie Blohme, Langwedel; Broder Bock, Nübbel; Jörn Bock, Nübbel; Lars Bornholdt, Barmstedt; Timo Breiholz, Hohenlockstedt; Kim Fenja Ehrk, Klamp; Frerk Elm, Nordleda; Michel Fastenau, Thedinghausen; Sophie Feye, Wardenburg; Arne Frerichs, Nordenham; Nadine Groenewold, Hörsten; Katja Helena Hartmann, Lübeck; Hannes Holm, Westerrönfeld; Anna Horstmann, Jerrishoe; Alica Huckfeldt, Heede; Mathis Klee, Helve­siek; Ngoc Tu Ly, Kiel; Niko Ohrt, Haale; Lukas Osterkamp, Sie­versdorf; Mats Petersen, Maasbüll; Kristin Radtke, Grabau; Jan­ne Richling, Wie­mersdorf; Inken Rörup, Amelinghausen; Jan Sander, Uetze; Florian Matthias Schmidt-Holländer, Saustrup; Leonie-Antonia Schulz, Haselau; Theresa Schweim, Krems II; Aviel Sender, Kiel; Mona Sengpiehl, Rieseby; Cornelius Strittmatter, Kiel; Marie Strübe, Haale; Daniel Struve, Eggstedt; Lars Erik Thomsen, Holtsee; Jasmin Ulke, Westerrönfeld; Hauke Wegner, Berkenthin; Lisa Wieckhorst, Neustadt; Thilo Wohlers, Barg­stedt; Anna Zamjatnins, Nettelsee; Emily Ziegler, Saarwellingen

Masterabsolventinnen und ­-absolventen: Vanessa Christian, Stördorf; Mareike Clausen, Ahneby; Wiebke Frahm, Koberg; Samuel Friedl, Salach; Lisa Gehrt, Börm; Henrike Grotsch, Schönkirchen; Dalia-Elen Möller, Altenholz; Karen Reiter, Bad Oldesloe; Nils Suhr, Owschlag; Thore Witthinrich, Hohenwestedt


Prof. Klaus Schlüter im Ruhestand

Prof. Klaus Schlüter.  Foto: Patrick Knittler

Nach 64 Hochschulsemestern wurde bei der diesjährigen Abschlussfeier des Fachbereichs Agrarwirtschaft Prof. Klaus Schlüter in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet. Schlüter wurde 1990 an den damaligen Fachbereich Landbau berufen, um dort die Fachgebiete Phytomedizin und Botanik zu vertreten. Seine aktive Dienstzeit am Fachbereich war geprägt von seiner ambitionierten und professionellen Lehre, von einer stets engagierten Betreuung der Studierenden, der umfangreichen Publikations- und Vortragstätigkeit über seine praxisorientierte Forschung sowie seiner Gremienarbeit im Fachbereich und der Fachhochschule Kiel. Der Aufbau und die Weiterentwicklung des Versuchsfeldes Lindenhof waren eine besondere Leidenschaft Schlüters. Die heutige Ausrichtung des Lindenhofs, die personelle und technische Ausstattung sind im Wesentlichen seinem Engagement bei der Beschaffung finanzieller Mittel zu verdanken und trugen maßgeblich zur Erfolgsgeschichte und der mittlerweile bundesweiten Reputation des Lindenhofes sowie des ganzen Fachbereichs bei. Für diese besondere Leistung wurde Prof. Schlüter die Hochschulmedaille verliehen. Prof. Rainer Wulfes

Wahrheit ist nicht relativ

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„Im Krieg ist die Wahrheit das erste Opfer“ – dieser Ausspruch wird dem US-Senator Hiram Johnson schon im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg zugeschrieben und ist inzwischen viel zitiertes Allgemeingut geworden. Kaum jemals, jedenfalls während unserer Erlebenszeit, hat sich dieser Satz so sehr bewahrheitet wie im gegenwärtigen Krieg Wladimir Putins gegen die Ukraine.

Ein Krieg, der in Putins eigenem Land unter scharfer Strafandrohung nicht Krieg genannt werden darf. Massenhafte Bombardierungen von Wohnvierteln, Krankenhäusern und Schutzbunkern, die lediglich militärische Ziele sein sollen. Ein ukrainischer Präsident von jüdischer Herkunft mit Naziopfern in seiner Ahnenreihe, der angeblich ein Faschist ist. Und wenn Kriegsverbrechen in der Ukraine nicht mehr zu leugnen sind, dann soll sie deren Regierung am eigenen Volk begangen haben, um das russische Militär zu diskreditieren. Fatal, dass anscheinend ein Großteil der russischen Bevölkerung diese Tatsachenverdrehungen glaubt, vielleicht aber auch nur eingeschüchtert vorgibt, sie zu glauben. Wenn die Wahrheit der simpelsten Aussagen so mit Füßen getreten wird, offenbart sich die Lüge umso deutlicher – jedenfalls für die, die sehen können und zu sehen imstande sind.

Doch haben nicht auch wir, als Gesellschaft, seit Jahrzehnten den Wahrheitsbegriff immer mehr verwässert? Damit meine ich nicht einmal ausgesprochene Betrüger, also diejenigen, die – ob in Wirtschaft, Politik oder Privatleben – Tatsachen zu ihrem Vorteil drehen oder mit falschen Versprechen Menschen zu manipulieren versuchen. Die hat es zu allen Zeiten gegeben und wird es immer geben. Nein, ich ziele auf den Mythos der „relativen Wahrheit“ ab, der in unserem postmodernen Zeitalter wohlfeiles Allgemeingut geworden ist.

Wer hätte nicht schon gehört oder gar selbst gesagt, dass „jeder seine eigene Wahrheit“ habe oder dass „dies deine Wahrheit, jenes aber meine Wahrheit“ sei? So wird alles eine beliebige Ansichtssache, keiner Aussage kann gültig widersprochen werden. Ein Streit der Argumente, der erkenntnisfördernd sein könnte, wird vermieden, ja gerät in den Verdacht einer unerfreulichen Störung.

Nun sind ja anderseits unter dem Zeichen der Wahrheit die entsetzlichsten Verfolgungen und Gräueltaten geschehen – die „Heiligen Kriege“ der Rechtgläubigen, die glauben, die Wahrheit gepachtet zu haben und anderen überstülpen zu dürfen, ja zu müssen. Ist es nicht ein Fortschritt der toleranten Gesellschaft, von solchen Wahrheitsansprüchen Abstand zu nehmen und jeden nach seiner Façon selig werden zu lassen, wie es der alte König von Preußen propagiert hatte? Gewiss, doch der Unterschied ist, dass es hierbei um Werte geht, um Glaubenssätze, um Weltanschauungen, um die Frage von Gut und Böse – und dabei gibt es tatsächlich keine absoluten Wahrheiten. Allein schon aus diesem Grund: Wer sollte sie objektiv gültig festlegen?

Im Bereich der Tatsachen allerdings kann man durchaus, wenn auch nicht immer, feststellen, was zutreffend ist und was nicht. Auf die Frage, ob der Postbote heute schon da war, gibt es nur eine richtige Antwort – ja oder nein –, selbst dann, wenn ich sie nicht herausbekomme. Ist das unbedeutende Kleinkrämerei angesichts wichtiger Menschheitsfragen? Im Licht des gegenwärtigen Krieges zeigt sich, dass es keineswegs so ist. Die Forschung nach Tatsachen ist vielleicht die einzige Basis, auf der wir uns jenseits von Weltanschauungen objektiv verständigen können. Wenn wir wieder der Wahrheit die Ehre geben.

Versorgung mit Nahrung und Energie sicherstellen

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Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine bringt auch für Schleswig-Holstein weitreichende Veränderungen mit sich. Die bittere Gewissheit, dass der Krieg nach Europa zurückgekehrt sei, zwinge zum Umdenken und Umsteuern, sagte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) vergangene Woche Mittwoch in einer Regierungserklärung. Die ukrainischen Flüchtlinge müssten untergebracht, der Bevölkerungsschutz gewährleistet und die Versorgung mit Energie und Nahrung gesichert werden, so Günther.

Die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge ist laut Günther derzeit die größte Herausforderung. Derzeit lebten mehr als 2.600 Kriegsflüchtlinge in den Landesunterkünften sowie weitere 3.000 in den Kreisen. Der Ministerpräsident kündigte an, binnen eines Monats weitere 5.500 Plätze in den Landesunterkünften Rendsburg, Bad Segeberg, Boostedt und Neumünster schaffen zu wollen. Zudem werde der Katastrophenschutz rascher als geplant ausgebaut – mit einem neuen Lager, einem Krisenzentrum, moderneren Fahrzeugen und Geräten sowie einer einheitlichen Leitstellensoftware für Polizei, Feuerwehr und Zivilschutz.

Um noch schneller unabhängig von russischem Öl und Gas zu werden, seien das geplante LNG-Terminal in Brunsbüttel und die vorgesehene Elektrobatteriefabrik in Heide wichtige Bausteine: „Mit Wasserstoff und Grünen Batterien reduzieren wir unsere Abhängigkeit“, betonte Günther. Er nannte es zudem „ethisch nicht verantwortbar“, weitere Agrarflächen aus der Produktion zu nehmen. Die Produktion von Lebensmitteln sei derzeit wichtiger als der Umweltschutz.

Landtagsvizepräsidentin Kirsten Eickhoff-Weber (SPD) warnte indes vor einer Rolle rückwärts in der Agrarpolitik. Die Zukunftskommission Landwirtschaft und auch der Dialog in Schleswig-Holstein hätten die Weichen in Richtung einer nachhaltigen und zukunftssicheren Landwirtschaft gestellt. „Dem sollten wir weiter folgen“, unterstrich Eickhoff-Weber. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), der Green Deal, die Farm-to-Fork-Strategie, die Novellierung der Düngeverordnung und die nationale Ackerbaustrategie müssten weitergetrieben werden für eine nachhaltige, zukunftssichere Landwirtschaft. „Wir dürfen bei den aktuellen großen Herausforderungen die Klimakrise, die Biodiversitätskrise, die Bodenkrise und die Wasserkrise nicht aus dem Blick verlieren“, so die SPD-Politikerin. Sie forderte zudem eine strengere Kontrolle der Märkte. Die dramatischen Preissteigerungen bei Agrargütern seien zum Teil eine Folge von Spekulationen.

Auch Bernd Voß, landwirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen, appellierte für die konsequente Umsetzung des Green Deal. Man müsse jedoch darüber nachdenken, wie man den von hohen Getreidepreisen besonders betroffenen Ländern Afrikas und Asiens helfen könne. Voß forderte: „Was wir brauchen, ist eine bessere Verteilung von Lebensmitteln, Finanzhilfen für das Welternährungsprogramm, ein Lebensmittelrettungsgesetz gegen die Verschwendung von Lebensmitteln – 30 bis 40 Prozent landen im Müll – mehr Kreislaufwirtschaft, das heißt flächengebundene Tierhaltung, und ausgewogenere Flächennutzung.“ 70 % der landwirtschaftlichen Fläche würden für den Anbau von Futtermitteln und Kraftstoffen genutzt.

Oliver Kumbartzky, agrarpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, erklärte: „Wir dürfen uns keiner Möglichkeit verwehren, wenn wir die Energie- und Lebensmittelversorgung der Menschen im Land sicherstellen wollen.“ Er begrüßte die jüngste Weichenstellung für ein LNG-Terminal in Bruns­büttel. Das sei gut für die Versorgungssicherheit. Brunsbüttel sei ein idealer Standort für eine Energieimport-Infrastruktur. Dies gelte für LNG, aber auch für Wasserstoff oder andere verflüssigte Energieträger, die ebenso aus Regenerativer Energie gewonnen würden. Mit Blick auf die steigenden Agrarpreise mahnte Kumbartzky: „Die Herausnahme weiterer Flächen aus der landwirtschaftlichen Produktion oder die Absicht, den Anteil ökologischer Landwirtschaft auszuweiten, bedeuten weitere Produktionseinbußen und eine Verknappung der Menge auf den Märkten.“ Das müsse ausgesetzt werden. Den Europäern als hoch entwickelten Industrienationen obliege vor dem Hintergrund drohender Engpässe in Entwicklungs- und Schwellenländern eine besondere ethische Verantwortung. 

Explodierenden Preisen mit Effizienz begegnen

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Unter der Überschrift: „Das neue Gold – Preisexplosion bei Düngemitteln“ lud der Industrieverband Agrar (IVA) Ende vergangener Woche zu einer Onlineveranstaltung ein.

Laut Dr. Sven Hartmann, Fachbereichsleiter Pflanzenernährung und Biostimulanzien beim IVA, befindet sich der Düngemittelmarkt in einer nie da gewesenen Ausnahmesituation. „Die Preise für Düngemittel sind seit Mitte 2021 stark angestiegen und anhaltend hoch. Besonders betroffen sind Stickstoffdünger, bei denen Preissteigerungen bis zu 300 Prozent zu beobachten sind“, so der Experte. Auch Düngemittel mit Phosphat und Kali seien betroffen. Der Überfall Russlands auf das Nachbarland bringe außer riesigem Leid für die Menschen auch weitere Preisanstiege mit sich.

Neben der Preisexplosion machten aufgrund von Lieferengpässen bei Rohstoffen und gestörten Handels- und Lieferketten regional zunehmend auch die Verfügbarkeiten zu schaffen. Hartmann erklärte: „Viele Landwirte sind für die nun startende Saison noch nicht ausreichend mit Dünger eingedeckt – auch weil sie auf niedrigere Preise gehofft haben.”

Effiziente Düngung
wichtig wie nie

Marco Fleischmann, Vorsitzender des IVA-Fachbereichs Pflanzen­ernährung, betrachtete die Entwicklung auf den Rohstoffmärkten und deren Auswirkungen. „Seit dem dritten Quartal 2021 beobachten wir einen deutlichen Preis­anstieg bei Rohstoffen und Düngemitteln“, so Fleischmann. Der Kriegsausbruch habe die Situation verschärft. Schließlich sei die Region Russland, Ukraine, Belarus ein wichtiger Handelspartner im Düngemittel- und Agrarsektor für die Europäische Union.

Langfristig sei die Suche nach „Green Ammonia“, also nachhaltig hergestellten Düngemitteln, eine Lösung. Einige Mitgliedsunternehmen arbeiteten bereits daran.

Zunächst gehe es aber darum, mehr Effizienz und Einsparungen zu erreichen, unter Absicherung gleichbleibender Erträge und Qualitäten. Hier seien moderne und nachhaltige Technologien gefordert. Trotz hoher Kosten sei die bedarfsgerechte und ausgewogene mineralische Düngung essenziell für die Ertragsabsicherung. Zusätzlich müssten weitere Hilfsmittel wie Digitalisierung und Präzisionslandwirtschaft, Inhibitoren und Biostimulanzien für die höchstmögliche Ausnutzung der Nährstoffe sorgen.

Am Beispiel Schwefel erinnerte er daran, dass die Versorgung der Bestände mit diesem Element bei gleichbleibendem N-Einsatz die Ausnutzung erhöht. Auch in Roten Gebieten könnten so Erträge gesichert werden.

Digitale Hilfsmittel und langfristige Planung

Landwirt Marco Gemballa aus Mecklenburg-Vorpommern beschrieb, wie er auf seinem 600-ha-Betrieb mit der aktuellen Situation umgeht. Drastisch schwankende Niederschlagsmengen – vor allem in den Vegetationsmonaten – hätten den Anbau trotz möglicher Bewässerung seit Jahren herausgefordert. Auch deshalb gehöre höchste N-Effizienz seit Jahren zu den Zielen der Agrargesellschaft am Graben. Eine Maßnahme sei eine weite Fruchtfolge, die auch Fruchtarten mit hoher N-Effizienz wie Mais und Zuckerrüben enthalte. Auch organische Düngung werde genutzt, sei aber in dieser Region mit nur einem Viertel des durchschnittlichen Tierbesatzes Deutschlands nicht ganz einfach. Daneben bediene man sich ausgiebig der bereits von Fleischmann angesprochenen digitalen Hilfsmittel. „Mit N-Fotoanalyse, Biomassekarten und daraus abgeleiteten Streukarten erreichen wir beim eingesetzten Stickstoff eine Düngeeffizienz von 80 Prozent“, berichtete Gemballa. Der N-Sensor helfe bei der N-Einsparung, was sich in der Verringerung des N-Saldos auf 32 kg/ha ausdrücke. Gleichmäßige, höhere Erträge, weniger Lager sowie gleichmäßige und höhere Proteingehalte seien ebenfalls darauf zurückzuführen. Auch beim Phosphat habe man eine höchstmögliche Ausnutzung und damit einen Saldo von nur 2 kg/ha erreicht. Gemballa beschrieb: „Je mehr eingesetzter Nährstoff mit dem Erntegut abgefahren wird, desto besser. Das Ziel ist höchste Effizienz.“

Glücklicherweise kaufe sein Betrieb Düngemittel bereits ein Jahr im Voraus. So habe er für die aktuelle Saison bereits vor Beginn der Preissteigerungen eingekauft. Viele Berufskollegen hätten auf eine spätere Beruhigung der Preissteigerung gehofft und deshalb den Einkauf lange hinausgezögert – mit den aktuell dramatischen Folgen. Doch auch ihn werde für das kommende Jahr der Preissprung hart treffen. Er rechnete vor: „Bei unseren mehrjährig 165 Kilo N pro Hektar rechnen wir mit Kostensteigerungen nur beim N-Dünger von 350 Euro pro Hektar. Weitere 150 Euro kommen für die anderen Nährstoffe hinzu.“ Aktuell könne man die Kostensteigerungen durch höhere Marktpreise wettmachen. So nutze sein Betrieb erste Vorverkäufe für die Ernte 2023 zur Absicherung. Catrin Hahn

Tropenkind mit Vorlieben

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Wärme und Sonne vorausgesetzt, begeistert die Prunkwinde mit schnellem Wachstum und wunderschönen Blüten. Die beliebte Kletterpflanze überzieht in Windeseile Rankgitter, Pergolen und Zäune bis in 3 m Höhe. Je früher die Aussaat erfolgt, desto eher beginnt das Schauspiel.

Ipomoea tricolor, die Blaue Prunkwinde, stammt ursprünglich aus Mittelamerika. Hierzulande wächst sie nur einjährig und wird alljährlich neu ausgesät. Zwar kann die Aussaat von April bis Mai direkt im Freiland erfolgen, vorteilhafter ist jedoch die Vorkultur ab Mitte März auf der Fensterbank bei etwa 18 bis 22 °C. Erfahrungsgemäß entwickeln sich die Pflanzen dadurch besser und kommen früher in die Blüte. Am einfachsten gelingt die Vorkultur in kleinen, mit Aussaat­erde gefüllten Töpfchen. In jeden Topf legt man zwei bis drei Samen und gibt eine dünne Schicht Erde darüber. Das Substrat ist immer ausreichend feucht zu halten. Wer ein Frühbeet oder Gewächshaus besitzt, sollte die Töpfe bei Sonnenschein tagsüber darin unterbringen. Die Extraportion UV-Licht in Verbindung mit den warmen Sonnenstrahlen verhilft zu einer besseren Entwicklung. Es empfiehlt sich, schon den Jungpflanzen in ihren Töpfen Kletterhilfen (zum Beispiel Schaschlik­spieße oder sogenannte Splittstäbe mit einer Länge von 30 bis 60 cm) anzubieten, da sie sich ansonsten umeinanderranken würden. Aufgrund ihrer Vorliebe für Wärme darf die Prunkwinde erst nach den Eisheiligen ins Freie.

Sonnig gelegene Durchgänge können auch mit Prunkwinden verschönert werden. Foto: Karin Stern

Bei der Pflanzung ins Beet ist ein Abstand von 40 bis 50 cm einzuhalten. Die Prunkwinde gedeiht auch gut in Kübelkultur. Dabei sollte der Topf mindestens ein Volumen von 10 l, besser jedoch mehr aufweisen. Eine Tonscherbe auf dem Wasserabzugsloch und eine dünne Schicht Kies als Drainage darüber sorgen dafür, dass überschüssiges Gießwasser abfließen kann. Tipp: Hochwertige Kübelpflanzen­erde verwenden. Billigerde hält Wasser nicht so gut und ist nur gering strukturstabil. Um die Wuchsleistung zu vollbringen, braucht die Prunkwinde ausreichend Nahrung. Kübelpflanzen erhalten daher vier bis sechs Wochen nach der Pflanzung einmal pro Woche einen Flüssigdünger für Blütenpflanzen ins Gießwasser. Die Erde sollte ausreichend feucht sein, aber nicht zu nass. Prunkwinden vertragen keine Staunässe. Ausgepflanzte Exemplare bekommen gleich etwas reifen Kompost als Startdüngung. Gut geeignet sind zudem Langzeitdünger für die Versorgung über die komplette Saison hinweg.

Besonders schön wirkt die Prunkwinde an fächerförmigen Kletterhilfen, da sie zunächst etwas in die Höhe wächst und dann in die Breite geht. Prunkwinden nehmen Rankgerüste ebenso gerne als Kletterhilfe in Anspruch wie selbst gebaute Varianten aus Bambus, Weide, Seilen oder Schnüren. Hübsch wirken sie auch an Obelisken. Gerne umranken die Triebe Balkongeländer, Holzzäune und Mauern. Ein vollsonniger, warmer, windgeschützter Platz mit kalkhaltigem, nicht zu nährstoffreichem Boden ist genau richtig. In kühlen und feuchten Sommern kann die Entwicklung der Pflanzen etwas hinter den Erwartungen zurückbleiben.

Am Samenständer finden sich meist drei verschiedene Windenarten: die Blaue Prunkwinde (Ipomoea tricolor), die Bunte Prunkwinde (Ipomoea purpurea) und die etwas seltener anzutreffende Mondwinde (Ipomoea alba). Deren 15 cm große Blüten sind etwas für Nachtschwärmer, da sie sich erst am Abend öffnen. Dann glänzen sie herrlich silbrig-weiß und verströmen einen starken Duft. Die Bunte Prunkwinde lockt mit Blütenfarben von Weiß über verschiedene Blau- und Violetttöne bis hin ins Rötliche. ‚Star of Yelta‘ gilt mit einem intensiven Dunkelviolett und weißem Kelchinneren als eine der schönsten Sorten. ‚Sunrise Serenade‘ präsentierte gefüllte Blüten in Karminrot, ‚Picotee Mix‘ zeigt aparte, weiß gerandete Blüten. Sie erscheinen von Juni bis zum Herbst. Dürfen die Pflanzen ihre Samen ausbilden, kommen sie oft im nächsten Jahr von alleine wieder. Wer sich am Samenständer nicht für eine bestimmte Farbe entscheiden mag, greift zu einer Mischung und lässt sich von der Vielfalt überraschen. Die Blaue Prunkwinde, manchmal auch als Kaiserwinde angeboten, überzeugt mit ihren bis zu 11 cm großen Blüten. Sämtliche Sorten zeigen blaue bis fliederfarbene Töne, teils abgesetzt mit dunklen oder weißen Streifen. Das weiße Herz jeder Blüte leuchtet je nach Lichtverhältnissen geradezu magisch aus der Blütenmitte hervor.

Die Bunte Prunkwinde ‚Sunrise Serenade‘ (Ipomoea purpurea) leuchtet in kräftigem Karminrot. Foto: Karin Stern

Ab Juli öffnen sich die Blüten zeitig am Morgen, schließen sich am Nachmittag wieder und geben den Blick auf das dichte, herzförmige Laub frei. Die Blaue Prunkwinde läuft nur an sonnigen und warmen Standorten zur Hochform auf und braucht außerdem einen leicht sauren Boden, der keinesfalls austrocknen darf. Sortentipps: ‚Heavenly Blue‘ und ‚Himmelblau‘.

Das Dilemma mit dem Laufhof

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Der Wunsch nach mehr Tierwohl durch zusätzliche Freigeländeflächen erzeugt einen Zielkonflikt, denn verschmutzte Flächen erhöhen die Ammoniakemissionen.

Rinder vertragen tiefe Temperaturen gut, zumindest solange sie genügend Energie für die Thermoregulation zur Verfügung haben. Im ursprünglichen Lebensraum suchten sie bei Bedarf Schutz in lichten Wäldern und waren ansonsten eher Bewohner offener Landschaften. So bevorzugen Kühe bei stärkerem Wind und intensiverer Sonneneinstrahlung den geschützten Stall gegenüber einem Laufhof. An sonnigen Wintertagen drängen sie jedoch nach draußen und genießen die Sonneneinstrahlung.

Eine gewachsene Sozialstruktur mit stabilen Dominanzbeziehungen wie bei frei lebenden Rinderherden gibt es unter Stallhaltungsbedingungen derzeit kaum. In der Regel werden trockenstehende Kühe separat gehalten. Auch Bestandsergänzungen sorgen für regelmäßige Eingliederungen neuer Herdenmitglieder. Als Distanztiere achten Rinder beim Liegen, der Fortbewegung und der Nahrungsaufnahme auf eine angemessene Sozialdistanz in Abhängigkeit vom jeweiligen Rang in der Herde. Ressourcenverknappung wird daher bei Haltung und Management vermieden, jedes Tier hat einen Liegeplatz, und das Tier-Fress­platz-Verhältnis liegt in der Regel bei ständiger Futtervorlage bei 1,2:1 oder darunter. Zu Stoßzeiten geht es auf angegliederten Laufhöfen durchaus eng zu.

Gerade die ersten und letzten Sonnenstunden des Tages verbringen Kühe gerne im Freien, sowohl im Sommer als auch im Winter. Laufhöfe größer zu bauen, ist sicherlich keine Option. Wo viele Kühe sich aufhalten, fällt viel Gülle an. In der Regel gibt es für Laufhöfe kein Entmistungskonzept, die Schieberbahnen enden im Stallgebäude und die Außenfläche muss mobil oder von Hand entmistet werden. Beides bedeutet, dass aus arbeitswirtschaftlichen Gründen in der Praxis im günstigsten Fall einmal täglich entmistet wird.

Ammoniakemissionen zu reduzieren ist wichtig

Aus dem Kot-Harn-Gemisch entsteht Ammoniak. Das ist das Dilemma. Der Wunsch nach mehr Tierwohl durch zusätzliche Freigeländeflächen erzeugt einen Zielkonflikt, denn verschmutzte Flächen erhöhen die Ammoniakemissionen. Jeder zusätzliche emissionsaktive Quadratmeter schlägt mit 8 g pro Tag zu Buche. Das summiert sich bei 1,5 m² pro Kuh jährlich auf zirka 4 kg zusätzliche Ammoniakemissionen – wobei doch genau hier unbedingt reduziert werden sollte, da die Rinderhaltung ungefähr die Hälfte der gesamten deutschen Ammoniakemissionen erzeugt.

Die aktuelle Bauausführung angegliederter Laufhöfe bringt folglich gleich mehrere Zielkonflikte mit sich:

• Das Flächenangebot ist für das Distanztier Rind zu bevorzugten Nutzungszeiten eigentlich zu klein, die Tiere drängen sich eher und gelaufen wird kaum.

• Der Laufhof wird zur Arbeitsfalle, die Reinigung ist meist Handarbeit.

• Es entstehen pro Kuh über 25 % höhere Ammoniakemissionen.

Innovative Lösung: Strukturierte Laufhöfe

Wenn Kühe auf dem Laufhof in der Regel herumstehen und sich kaum fortbewegen, bietet es sich an, nach dem Vorbild des Liegeboxenlaufstalls auch auf dem Laufhof eine Strukturierung zu schaffen. Boxen, die wahlweise zum Stehen oder Liegen aufgesucht werden können, bieten einen geschützten Rückzugsort. Wie im Stall ermöglichen Trennbügel eine geringere Distanz und bieten so mehr Tieren stressarmen Platz auf dem Laufhof. Das Projekt EIP (Europäische Innovationspartnerschaft) Agri Bauen in der Rinderhaltung hat bei mehreren innovativen Bauvorhaben strukturierte Laufhöfe geplant, welche von den Betrieben gebaut wurden und nun von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt wissenschaftlich untersucht werden.

Die Entmistungsachsen werden auf diese Art und Weise auf dem Laufhof fortgesetzt. Mistabwürfe können entweder weiter geschützt innerhalb des Gebäudes bleiben und Klappwendeschieber eingesetzt werden, oder sie werden auch am Ende des Laufhofes platziert. Dann bleiben nur die Quergänge für die manuelle Reinigungsarbeit übrig. Gegebenenfalls kann das Gebäude sogar etwas kürzer gebaut werden, wenn der letzte Quergang anstatt innerhalb des Gebäudes außen über den Laufhof geführt wird. Dann spart die Bauweise nicht nur Arbeitszeit, sondern auch Baukosten.

Strukturierte Laufhöfe ermöglichen den Tieren, alle Verhaltensweisen auch auf dem Laufhof auszuüben. So werden die Futterachsen ebenfalls auf den Laufhof gezogen. Sie sollten überdacht werden, um das Futter vor der Witterung zu schützen. Insgesamt führt das zusätzliche Platz­angebot so zu einer lockereren Belegung der verfügbaren Stallplätze, da die Tiere mehr Optionen zur Verfügung haben. Die Wissenschaft empfiehlt eine Unterbelegung von 10 %, die bei Neubauten aber fördertechnisch nicht realisierbar ist. Mit den Boxen auf dem Laufhof wird es für die Tiere leichter, einen mit Trennbügeln geschützten Ruheort zu finden.

Die Futterachsen werden bei diesem sechsreihigen Laufstall des EIP-Rindbetriebes Bunz bis in den Laufhof gezogen und die Entmistungsachsen fortgeführt. Dadurch verbleiben wenige Quadratmeter auf den Quergängen des Laufhofes für die manuelle Entmistung. Foto: Prof. Barbara Benz

Wenn es im Sommer heiß ist, bevorzugen die Kühe besonders in der Mittagshitze den wärmegedämmten Stall und gehen eher vormittags oder abends hinaus. Abhilfe kann ein kühlendes Gründach schaffen, das auf der südöstlichen Fressachse besonders effektiv ist. Dachbegrünungen speichern Regenwasser und dienen damit der Wasserretention. Das Wasser verdunstet dann bei Hitze und sorgt dadurch für kühlere Umgebungsluft beim Fressen. Die Dachfläche ist nicht versiegelt und stellt eine ökologisch wertvolle Fläche dar. Außerdem ist das optische Erscheinungsbild des Stalls durch ein begrüntes Dach positiv beeinflusst. 

Dachbegrünungen verringern nicht nur den Wärmeeintrag und speichern Regenwasser, sondern wirken durch die Verdunstungskälte aktiv kühlend auf die Umgebung. Außerdem leisten sie einen positiven Beitrag zum ästhetischen Erscheinungsbild eines Stalls, so wie hier beim EIP-Rindbetrieb Werner. Foto: Prof. Barbara Benz

Baulich-technische Details oft entscheidend

An den Fressbereichen sollten die Kühe, so wie im Stall auch, auf erhöhten Fressständen stehen können. Diese sind mit Trennbügeln mindestens an jedem zweiten Platz abgetrennt, sodass auch hier konsequent das Prinzip des Liegeboxenlaufstalls fortgeführt wird, durch Strukturierung geschützte Orte zu schaffen. Dadurch können die Tiere ungestört fressen, und die Entmistungsfrequenz kann an den erhöhten Kot- und Harnanfall im Fressgang angepasst werden. Gleichzeitig sinken die Emissionen, denn die emissionsaktive verschmutzte Fläche wird um zirka 15 % reduziert. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Ausführung der Liegeboxenkonstruktion. Kühe sollten immer die Boxen zusätzlich zum Liegen auch zum Stehen nutzen können. Dafür ist die Positionierung des Nackensteuers entscheidend. Keinesfalls darf ein Stabilisierungsrohr eine Doppelfunktion ausüben. Ein niedriges, flexibles Nackensteuer ermöglicht das klauenschonende Stehen mit allen vier Gliedmaßen innerhalb der Liegebox.

Bei Regenwetter sind Kühe auch gerne auf dem Laufhof und nutzen die Boxen dann zum ungestörten Ruhen oder zum Wiederkäuen im Stehen. Voraussetzung hierfür sind das niedrig positionierte flexible Nackensteuer und das Stabilisierungsrohr oberhalb der Kuh. Foto: Prof. Barbara Benz

Konfliktlösung zwischen Tierwohl und Umwelt

Strukturierte Laufhöfe können entweder direkt beim Stallkonzept eingeplant oder nachträglich angebaut werden. Dadurch vermehren sich die Möglichkeiten der Tiere, sich einen angenehmen Aufenthaltsort je nach Witterung frei auszuwählen. Der Zielkonflikt zwischen höherem Tierwohl und negativer Umweltwirkung kann durch die Strukturierung des Laufhofes teilweise aufgelöst werden. Wenn baulich-technische Maßnahmen zur Reduktion von Ammoniak­emissionen außerdem auch im Stall eingebaut oder nachgerüstet werden, lassen sich die Mehr­emissionen durch die zusätzliche verschmutzte Laufhoffläche sogar vollständig kompensieren. Zielführende Maßnahmen sind hier der Einbau erhöhter Fressplätze mit einem Minderungspotenzial von zirka 15 % und emissionsmindernde Laufgangbeläge, welche derzeit mit zirka 20 % Emissionsminderung eingestuft werden.

Bei mehrhäusigen Ställen lässt sich der Laufhof im Fressgang integrieren, sodass das erhöhte Platzangebot im Fressgang einen besonderen Mehrwert bringt. Im EIP-Rindbetrieb Stier wird der Laufhof mithilfe einer sensorgesteuerten Jalousie beschattet, wodurch die fressenden Kühe vor der Sonnen­einstrahlung geschützt werden. Foto: Prof. Barbara Benz

Fazit

Laufhöfe bieten 365 Tage im Jahr mehr Tierwohl, erhöhen aber die Ammoniakemissionen. Zu Stoßzeiten drängen sich die Tiere auf dem Laufhof, dieser ist dann fast zu eng. Strukturierung schafft Abhilfe: Kühe erhalten Rückzugsorte, emissionsaktive Flächen werden reduziert, die Arbeitswirtschaft verbessert sich. Auf baulich-technische Details bei der Konstruktion der erhöhten Fressstände und der Liegeboxen ist zu achten. 365 Tage Freigeländezugang sind sogar ohne eine Verschlechterung der Umweltwirkung möglich und versprechen dabei positive Effekte fürs Tierwohl.

75 Veranstaltungen zum Jubiläum

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300 LandFrauen aus ganz Schleswig -Holstein trafen sich am Dienstag zu ihrer diesjährigen Vertreterinnenversammlung in den Holstenhallen in Neumünster. Die Delegierten starteten unter anderem die Aktion, mit der der Verband in diesem Jahr sein 75-jähriges Bestehen feiert. Dazu sind im ganzen Land 75 Veranstaltungen geplant, die auf einer Karte im Internet abrufbar sein werden. Am 10. Juni wird das Jubiläum zudem beim LandFrauentag mit einem großen Fest begangen.

Ein ausführlicher Bericht über die Vertreterinnenversammlung folgt in der nächsten Ausgabe.

Neue App für effiziente und umweltgerechte Bewirtschaftung

Unter gruenlandportal-sh.de wird seit vergangener Woche erstmalig eine umfassende und innovative Plattform zu allen Themen des Grünlands in Schleswig-Holstein geboten, auf der Informationen aus Wissenschaft, Beratung und Praxis zusammengeführt werden.

Verschiedene Sektionen des Portals liefern Empfehlungen für die unterschiedlichen Grünlandregionen im Land und bieten Landwirtinnen und Landwirten Anregungen für betriebs- und standortindividuelle Optimierungsansätze. Das neu entwickelte und deutschlandweit einzigartige Beratungstool soll bei einer standortangepassten und umweltgerechten Grünlandbewirtschaftung unterstützen. Die App ist kostenlos und eine wertvolle Hilfe für die 4.000 Milchviehbetriebe.

Ende März wurde die App auf dem Hof der Familie Feddersen in Wanderup (SLFL) offiziell vorgestellt und veröffentlicht. Die Präsidentin der Landwirtschaftskammer, Ute Volquardsen, betonte in ihrer Begrüßung die Wichtigkeit der Digitalisierung in der Landwirtschaft. Sie freute sich, dass mit dem „Grünlandportal“ den Grünlandwirtinnen und -landwirten ein Angebot gemacht werden könne, sich noch fitter zu machen für eine nachhaltige, effiziente und zukunftstaugliche Grünlandbewirtschaftung in Schleswig-Holstein. Die Grünland-App wurde vom Entwicklerteam vorgestellt. Dazu gehören Tammo Peters und Malin Bockwoldt von der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein (LKSH) und Arne Poyda (ehemals an der Kieler Universität). Weiterhin informierte Prof. Conrad Wiermann (Fachbereich Agrarwirtschaft, Fachhochschule Kiel) bei einem Pressetermin am 25. März über die Hintergründe und die Notwendigkeit der App.

Wunsch der Betriebe umgesetzt

In Projekten, in denen die Institutionen mit Landwirtinnen und Landwirten zusammenarbeiteten, wurde oft der Wunsch nach solch einer App geäußert. Landwirt Ingwer Feddersen ist begeistert, dass er nun direkt mit dem Handy gebündelt so viele Informationen zum schleswig-holsteinischen Grünland schnell und einfach abrufen kann.

Eine hohe Grundfutterqualität auf dem Futtertisch, das ist es, was das Milchvieh benötigt“. Foto: Isa-Maria Kuhn

Der Betrieb Feddersen besteht in der vierten Generation und bewirtschaftet 165 ha. Die Familie hat einen klassischen Milchviehbetrieb und hält 180 Schwarzbunte Kühe. Betriebsleiter Ingwer Feddersen macht sich die Digitalisierung künftig auch beim Melken und Füttern zunutze und wird die neue App nutzen. „Unsere Kühe benötigen viel gesundes Futter, eine hohe Qualität der Silage. Da will ich nichts dem Zufall überlassen“, sagte er. Der Betrieb hat sich deshalb auch bei der Entwicklung der App gern mit eingebracht.

Grünland rückt in den Fokus

In Schleswig-Holstein stellt das Grünland mit mehr als einem Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche ein prägendes Landschaftselement dar. Gut 317.000 ha werden als Dauergrünland genutzt, wovon der größte Anteil den Milchvieh-Futterbaubetrieben sowie Pferde und Schafe haltenden Betrieben als wesentliche Futtergrundlage dient. Doch auch als Lebensraum für eine vielfältige Flora und Fauna sowie als Kohlenstoffspeicher in Böden erfüllt das Grünland wichtige Ökosystemleistungen. Und diese sind besonders wichtig in Zeiten des schnell voranschreitenden Klimawandels und Biodiversitätsverlustes in der Agrarlandschaft.

Das Grünland ist aufgrund einer Vielzahl von Managementpraktiken sowie variierender Standorteigenschaften und Artenzusammensetzungen extrem divers. Es ist ein hohes Maß an Wissen erforderlich, um die Flächen standortangepasst und in Abhängigkeit vom Bewirtschaftungsziel optimal zu bewirtschaften und folglich der Multifunktionalität des Grünlands gerecht zu werden.

Bezüglich dieser Herausforderungen in der Grünlandbewirtschaftung liefern die LKSH, die Fachhochschule Kiel (FH Kiel) und die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU Kiel) seit vielen Jahren qualifizierte Forschung, Lehre und Beratung. Die App „Grünlandportal Schleswig-Holstein“ wurde in Kooperationsarbeit durch diese Institutionen entwickelt. In der App gibt es verschiedene, teils interaktive Bereiche, in die unter anderem Informationen zu Themenkomplexen wie effizienter Grünlandnutzung, Bodenschutz, Weidewirtschaft, Klimaschutz, Biodiversität, Düngung und Grünlandbewirtschaftung im Moor einfließen. Die dynamische Anpassung der Inhalte ermöglicht die Bereitstellung von Informationen zu den aktuellsten Grünlandthemen. Dies kann einen entscheidenden Beitrag für eine optimale Futterproduktion bei gleichzeitiger Sicherung wichtiger Ökosystemdienstleistungen des Grünlands liefern.

Und so funktioniert die App

Das Grünlandportal SH ist in vier Kategorien gegliedert, die über das Hauptmenü zu erreichen sind:

Thematische Informationen
In dieser Sektion sind thematische Informationen rund um das Grünland gesammelt. Über aufrufbare Themenfelder können Auskünfte zu verschiedenen Fachbereichen erlangt werden, die mit der Grünlandbewirtschaftung assoziiert sind. Diese Sektion wird stets erweitert und aktualisiert.

Reifeprüfung Grünland
Als weiterer Baustein des Portals wurde die „Reifeprüfung Grünland erster Schnitt“ implementiert. Sie ist seit Jahrzehnten ein gefragtes Beratungsinstrument, das nun umfassend digitalisiert wurde und den Anwenderinnen und Anwendern jetzt auf innovative Weise zur Verfügung steht. Dieses Beratungstool zeigt, bei wöchentlicher Aktualisierung und Visualisierung, landschaftsraumspezifische Prognosen zum Graswachstum und der Futterqualitätsentwicklung im Frühjahr für die Ermittlung des optimalen ersten Erntezeitpunktes.

Vegetationsbeginn Dauergrünland
Hier können Informationen zum Vegetationsbeginn von Dauergrünland in Schleswig-Holstein tagesaktuell und standortspezifisch eingesehen werden. Ab diesem Zeitpunkt können Nährstoffe effizient und fortlaufend von der Pflanze genutzt werden. So kann der Zeitpunkt der organischen und mineralischen Düngung am jeweiligen Standort optimiert und damit die Nährstoff-Nutzungseffizienz erhöht werden. Gerade Betriebe, die ihr Grünland auf leichten Standorten bewirtschaften, können die Anwendung für eine effizientere Düngung im Frühjahr nutzen.

Grünlandtest „Standortgefährdung“
Als weitere Rubrik gibt es einen interaktiven Test, bei dem über einen Fragenkatalog ermittelt werden kann, wie gefährdet eine spezielle Grünlandfläche für Stickstoffverluste, die Einwanderung unerwünschter Pflanzenarten sowie Bodenschadverdichtungen ist. Anhand der Fragen wird nicht nur eine Einschätzung für dieses Gefährdungspotenzial generiert, sondern darüber hinaus angepasste Hinweise auf einzelne Themenfelder aus den thematischen Informationen gegeben. Auf diese Weise kann nicht nur ein mögliches Problem ermittelt werden, sondern den Anwenderinnen und Anwendern werden darüber hinaus unmittelbar passende Lösungsansätze geliefert.

Und das sind die Förderer

Die Desktopversion sowie die mobile App für iOS wurden mit Mitteln aus den Projekten „Nährstoffeffiziente Flächenkonzepte für Grünlandstandorte“ und „Gemeine Rispe“ entwickelt, die im Rahmen der Europäischen Innovationspartnerschaft (EIP agri) gefördert wurden. Für die mobile App für Android wurden Mittel durch die Stiftung Schleswig-Holsteinische Landschaft bereitgestellt. Hosting und Support der Anwendungen werden durch Eigenleistungen der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein getragen.

Fazit

Mit dem „Grünlandportal Schleswig-Holstein“ ist es gelungen, eine digitale Plattform zu schaffen, die Informationen rund um das Grünland auf innovative Weise zusammenführt. Die Desktopversion ist unter gruenlandportal-sh.de zu finden. Die mobile App kann in den gängigen App-Stores kostenlos heruntergeladen werden.