Die befriedigenden Aussaatbedingungen im Herbst 2021 sowie der abermals sehr milde Winter verhalfen dem Wintergetreide zu einer guten Ausgangssituation zum Vegetationsstart. Anhaltende Nachtfröste im März sowie die hohen Niederschlagsmengen im Februar ließen die Bestände jedoch insbesondere auf schweren Böden leiden.
Viel Blattmasse ging dennoch nicht verloren, womit auch die Pilzkrankheiten gut überwintern konnten. Rostkrankheiten sowie der Echte Mehltau profitieren davon besonders. Entscheidend für die weitere Krankheitsentwicklung bleiben dennoch die pflanzenbaulichen Grundlagen sowie die Witterung vor allem in den Monaten April und Mai.
Der Gelbrost hat in Weizen und Triticale aufgrund des Auftretens immer neuer, virulenter Rassen eine hohe Bedeutung erlangt. Die Ansprüche an die Blattnässedauer mit zwei bis sechs Stunden und die Temperatur von 11 °C für eine erfolgreiche Sporenkeimung sind sehr niedrig. Gleichzeitig besitzen die neuen Rassen eine Toleranz für hohe Temperaturen. Damit sind die neuen Rassen einerseits auf trocken-warme Witterung angepasst und können andererseits trotzdem frühzeitig ab Mitte April in der Vegetation auftreten. Die möglichen Ertragsverluste sind damit bei Gelbrostbefall besonders groß. Etwas höhere Ansprüche an die Temperatur und Blattnässe hat der Zwergrost in der Gerste. Dennoch kann dieser besonders in anfälligen Sorten und bei strahlungsreicher Witterung bereits frühzeitig in der Gerste auftreten. Der Weizenbraunrost und der Roggenbraunrost benötigen deutlich höhere Temperaturen für Infektion und Wachstum, weshalb diese selten vor dem Fahnenblattstadium auftreten. In der Gerste hat die Ramularia-Sprenkelkrankheit (Ramularia collo cygni) sehr an Bedeutung gewonnen. Die Infektionswege sind noch nicht abschließend geklärt. Niederschlagsreiche Witterung mit hoher Blattnässedauer zur Schossphase, insbesondere der Fahnenblattentwicklung, fördert jedoch die Infektion. Symptome treten erst bei sehr strahlungsreicher Witterung zur Milchreife mit dann teils stärkeren Ertragseinbußen auf. Von Südost nach Nordwest Schleswig-Holsteins nahmen in den vergangenen Jahren die Symptome ab.
Septoria benötigt häufige Niederschläge
Die Septoria-Blattdürre betrifft hauptsächlich den Winterweizen und ist dort die wichtigste Blattkrankheit. Die Verbreitung erfolgt über Regentropfen, wobei mindestens 3 mm Niederschlag zum Austreten der Sporen aus den Pyknidien nötig sind. Ab einer Blattnässedauer von 24 bis 48 Stunden keimen die Sporen. Hohe Niederschläge und lange Blattnässe verstärken den Befallsdruck. Aufgrund der kurzen Verbreitungswege baut sich der Befall über die Blattetagen auf. Rhynchosporium-Blattflecken, die in der Gerste und im Roggen auftreten, haben an die Blattnässe ähnliche Ansprüche. Auch erfolgt die Verbreitung über Regentropfen. Aufgrund der guten Sortentoleranzen und besonderen Anpassung an kühle Temperaturen ist die Bedeutung weniger groß. Der Echte Mehltau hat in den vergangenen Jahren an Relevanz eingebüßt. Dieser benötigt eine hohe Luftfeuchtigkeit, ein feuchtes Mikroklima im Bestand und milde Temperaturen. Intensive Sonneneinstrahlung und Trockenheit sowie lang anhaltend kühlere Witterung auch bei Niederschlägen hemmen die Entwicklung stark.
Gesunde Sorten sparen Fungizideinsatz
Mit Ausnahme der Ramularia-Sprenkelkrankheit liegen bei allen Getreidekulturen hohe Toleranzunterschiede gegenüber den gängigen Krankheiten vor. Besonders gegenüber den Rostkrankheiten und dem Echten Mehltau sind diese Unterschiede stark ausgeprägt. Häufig legen die Resistenzeigenschaften der populärsten Sorten im Anbau in Verbindung mit der Witterung das gesamte Befallsgeschehen fest. Insofern ist derzeit die Sortenwahl im Getreide der Schlüssel zur Einsparung von fungiziden Maßnahmen. Hierzu bietet die Landwirtschaftskammer (LKSH) aktuelle Boniturergebnisse und Einordnungen der Sorten in den Landessortenversuchen. Im Fall der Septoria-Blattdürre reduziert auch eine Verschiebung der Weizenaussaat in den Oktober den Befallsdruck stark.
Resistenzentwicklungen verlangsamen
Aufgrund der hohen Anwendungshäufigkeit der Fungizide schreiten die Resistenzen der Septoria-Blattdürre und des Echten Mehltaus im Weizen sowie der Ramularia-Sprenkelkrankheit und der Netzfleckenkrankheit in der Gerste fort. Sowohl im Weizen als auch in der Gerste sollten daher die Azolfungizide Prothioconazol und Mefentrifluconazol (Revysol) möglichst selten und im Wechsel eingesetzt werden. Die Wirkstoffgruppe der Carboxamide sollte nur einmal in der Saison Anwendung finden. Im Weizen ist der neue Wirkstoff Fenpicoxamid (Produkte: Univoq, Questar) hierzu eine wirkungsvolle Alternative. Auch das weniger resistenzgefährdete Kontaktfungizid Folpan 500 SC ist als Mischpartner insbesondere zu Azolfungiziden in der Kontrolle der Septoria-Blattdürre hilfreich. Gegenüber dem Echten Mehltau im Weizen dürfen die Produkte Input Triple, Flexity und Property nur in anfälligen Sorten bei hohem Befallsdruck zum Einsatz kommen.
Relevante Blattetagen schützen
Grundsätzlich sollten sich Behandlungen auf die oberen drei Blattetagen konzentrieren, da diese ertragsrelevant sind. Nur in sehr Gelbrost anfälligen Sorten kann bereits bei frühem Befall eine vorzeitige Kontrolle nötig sein. Neben dem Gelbrost ist mit der Entwicklung der Blattetage F-2 in Weizen und Triticale auf Symptome des Echten Mehltaus zu achten. Im Winterweizen gilt dies auch für Infektionsereignisse der Septoria-Blattdürre. Hier können Prognosemodelle helfen (zum Beispiel www.isip.de). Eine regelmäßige Kontrolle der Bestände ist jedoch unerlässlich. Mit der Anfälligkeit der angebauten Sorte ist außerdem eine Abschätzung des Krankheitspotenzials möglich. Azolfungizide können den Gelbrost kontrollieren0. Positiv stechen Tebuconazol, Prothioconazol und Metconazol hervor. Gegen die Septoria-Blattdürre ist der Einsatz des Kontaktfungizides Folpan 500 SC in Kombination mit einem Azol-Fungizid sinnvoll. In anfälligen Sorten sollte die Wahl des Azol-Partners auf das Produkt Revystar oder ein prothioconazolhaltiges Präparat fallen. Die Aufwandmengen sind anhand des Befallsdrucks zu wählen. In gesunden Sorten sind auch weniger potente Azolfungizide, wie zum Beispiel das Produkt Orius, als Mischpartner ausreichend. Eine Kontrolle des Echten Mehltaus in Weizen und Triticale ist durch robuste Aufwandmengen der Produkte Pronto Plus oder Input Classic möglich. In anfälligen Sorten kann die Zugabe von Flexity beziehungsweise Property oder der Einsatz von Input Triple hilfreich sein. Ab dem Fahnenblattstadium liegt im Winterweizen der Schwerpunkt auf den Krankheiten der Septoria-Blattdürre, dem Gelbrost und dem Braunrost. Für den Gelb- und Braunrost trifft dies auch auf Triticale zu. Besteht Infektionsgefahr oder werden Rostsporenlager beobachtet, sind Kombinationsprodukte zu wählen. Je nach Krankheitsschwerpunkt sollte die Wahl auf Revytrex, Univoq oder Ascra Xpro (Septoria) sowie Elatus Era oder Gigant (Rost) fallen. In der Blüte von Triticale und Weizen ist ein Schutz vor Ährenfusarien zum Beispiel durch das Produkt Prosaro möglich.
Besonders in anfälligen Sorten ist in der Wintergerste zunächst auf den Zwergrost zu achten, welcher mit Azolfungiziden gut zu kontrollieren ist. Bei stärkeren Symptome von Rhynchosporium-Blattflecken in der Gerste und im Roggen ist ein prothioconazolhaltiges Produkt zu bevorzugen. Die wichtigste Maßnahme sowohl im Winterroggen als auch in der Wintergerste bleibt die Abschlussbehandlung zum Ährenschieben. Eine zufriedenstellende Eindämmung der Ramularia-Sprenkelkrankheit in der Gerste, die außerdem einen Schutz vor Zwergrost und Netzflecken bietet, ist derzeit nur mit den Produkten Revytrex + Comet oder Ascra Xpro in jeweils hohen Aufwandmengen möglich. Eine Zumischung von Folpan 500 SC ist im Rahmen der diesjährigen Notfallzulassung in der Gerste zusätzlich sinnvoll. Im Winterroggen sollten bei ersten Sporenlagern die Produkte Elatus Era oder Gigant gewählt werden, da in dieser Phase der Braunrost dominiert.
Fazit
Die Witterung, insbesondere in den Monaten April und Mai, in Kombination mit der Anfälligkeit der angebauten Sorten gibt die Entwicklung der Pilzkrankheiten vor. Bei trockener Witterung dominieren die Rostkrankheiten. Häufige Niederschläge fördern die Septoria-Blattdürre im Weizen. Eine regelmäßige Kontrolle der Bestände ist für die Beurteilung jedoch unerlässlich. Ziel muss es sein, die oberen drei Blattetagen zu schützen. Dahingehend sollten Fungizidmaßnahmen ausgerichtet sein.