Der Schlachthofskandal in Flintbek hat die Branche und die Öffentlichkeit schockiert. Um künftigen Missständen vorzubeugen, aber auch um korrekte Schlachtereien zu schützen, hat der Kreis Rendsburg-Eckernförde die Betriebe in seiner Zuständigkeit aufgefordert, Videoanlagen zu installieren, um dem Veterinäramt lückenlose Kontrollen zu ermöglichen – zunächst auf freiwilliger Basis. Alle vier Betriebe im Kreis beteiligen sich an dem Pilotprojekt.
Seit einem Monat läuft die Videokamera in der Landschlachterei Neidhardt in Holtsee. Norbert Neidhardt findet das Projekt gut. „Wir haben nichts zu verbergen“, sagt er, „wir haben uns auch vorher bemüht, den Tieren so wenig Leid wie möglich zuzufügen, und fühlen uns durch die Kamera nicht bedrängt.“
Die Schlachterei ist ein Familienbetrieb in dem kleinen Ort am Rand der Hüttener Berge, gegründet 1971 und dann 2005 am jetzigen Standort zusammengefasst. Geschlachtet werden im Jahr etwa 500 Rinder, 1.100 bis 1.200 Schweine, 2.000 bis 3.000 Schafe. Drei Generationen arbeiten mit – auch noch der rührige 82-jährige Hans-Jürgen Neidhardt, der beim Besuch des Reporters gut gelaunt Scherze macht. Alle Mitarbeitenden waren mit der Installation der Kameras einverstanden.
Nur lebendes Tier gefilmt
Norbert Neidhart zeigt die Aufnahme einer Schlachtung am Tag zuvor, die er selbst durchgeführt hat. Zwei Schweine sind zu sehen, sie laufen ruhig umher. Mit der Elektrozange betäubt Neidhardt eines der Schweine, es fällt, wird von ihm aufgehängt und entblutet. Das andere Schwein lässt sich sichtlich davon nicht stören, verhält sich, als wäre nichts geschehen.
Gefilmt wird nur während des Auftriebs der Tiere und während der Tötung, denn nur der Umgang mit den lebenden Tieren betrifft den Tierschutz. Auch wenn die Kamera nicht rund um die Uhr läuft, würde das Löschen einer unvorteilhaften Aufnahme bemerkt, denn die Tiere sind dokumentiert. Eine Kuh kann nicht einfach verschwinden.
„Die Veterinäre schauen, ob die Tiere Auffälligkeiten zeigen, ob sie normal laufen, ob sie gezerrt oder gar geschlagen werden und natürlich ob die Betäubung und Tötung sauber verlaufen“, erklärt der Betriebsleiter. Die Aufnahmen werden aufbewahrt bis zur nächsten Veterinärkontrolle, maximal bis zu einem Jahr. So lange läuft das Pilotprojekt.
„Wir müssen liefern“
In Holtsee bestand der Vorteil, dass bereits eine Videoanlage zur Diebstahlsicherheit. für den Außenbereich und für verschiedene Räume in Betrieb war. So mussten nur zwei weitere Kameras angeschafft und dazugeschaltet werden – eine im Auftriebsbereich der Tiere und eine im Tötungsraum. Die Kosten von rund 3.000 € übernahm der Kreis. „Wir brauchten nur die Kostenvoranschläge einzureichen“, berichtet Neidhardt. Über die nötige Qualität der Aufnahmen müsse man erst Erfahrungen sammeln, in jedem Fall muss es ein laufender Film sein und nicht lediglich aufeinanderfolgende Standbilder.
Neidhardt fühlt sich durch die Kreisbehörde gut unterstützt und begleitet. „Das Veterinäramt ist ja in der Bringschuld gegenüber dem Verbraucher – und wir auch“, stellt er fest. „Sie müssen liefern, wir müssen liefern.“
Erfahrungen sammeln
Auch die Fleischerei Einfeld in Negenharrie bei Neumünster (das Bauernblatt berichtete in Ausgabe 1) beteiligt sich seit einem Monat an dem Projekt. „Wir sammeln erst Erfahrungen, es ist für beide Seiten neu“, sagt Sina Einfeld-Tensfeldt. Dem Vorhaben sei sie grundsätzlich aufgeschlossen und habe dabei Rückhalt von ihren Mitarbeitenden. Doch müssten Vor- und Nachteile noch beobachtet werden. „Es ist ein Schutz für uns, weil wir belegen können, dass wir das richtig und vernünftig machen“, sagt Einfeld-Tensfeldt. Sie rechnet künftig sogar mit Zeitersparnis bei den Kontrollen, weil der Veterinär nicht dem ganzen Schlachttag beiwohnen müsse, wobei es auch Leerlauf gebe. „Vielleicht kann man die Zeit effektiver nutzen.“
„Nicht ganz freiwillig“
Nicht alle Kollegen waren von dem Vorstoß der Kreisbehörde begeistert, weiß Innungsmeister Roland Lausen aus Silberstedt im Kreis Schleswig-Flensburg. Er hat die Vorbesprechungen begleitet, zu denen der Kreis die Schlachter gebeten hatte. „So ganz freiwillig war das nicht, denn wer nicht mitmacht, der wird in Zukunft häufiger kontrolliert, möglicherweise alle zwei bis drei Wochen statt ein oder zwei Mal im Jahr“, sagt Lausen.
Kontrollen kosten den Betrieb Geld – im Schnitt in der Größenordnung von 300 €. Doch entscheidender ist: Wenn Mitarbeiter ihr Recht auf Verweigerung der Aufnahme geltend machten, dürften sie nicht mehr schlachten, müssten anderweitig eingesetzt werden, was bei Personalmangel ein Problem sei und die Entlassung zur Konsequenz haben könne, so Lausen. Manche Schlachter hätten auch Sorge, dass ihnen Fehler oder Pannen – auch geringfügige – später zum Verhängnis würden. Und schließlich kursiere die Befürchtung, Videoaufnahmen könnten in unrechte Hände geraten, falsch interpretiert oder gar zu Agitation missbraucht werden. Natürlich verlassen die Filme nicht das Haus, aber die Befürchtung sei dennoch bei manchen im Raum.
„Wir tun alles, um den Tierschutz nach vorn zu bringen, dabei können Videoinstallationen eines der Mittel sein“, resümiert der Innungsmeister. Die Aufgabe sei, die Betriebe dafür zu sensibilisieren und ihre Bedenken zu entkräften.
Zum Handeln gezwungen
Der Tierwohlskandal in dem Schlachtbetrieb in Flintbek im Sommer vergangenen Jahres hat die Veterinärbehörde zum Handeln gezwungen. „So etwas darf nicht mehr vorkommen“, sagt Kreisveterinärin Manuela Freitag, „und dafür genügen gelegentliche Stichproben nicht. Wir hätten ansonsten die Kontrollhäufigkeit stark erhöhen müssen.“
So habe man die vier Schlachtbetriebe im Kreis zusammen mit dem Innungsmeister zu Vorgesprächen gebeten, um sie von dem Pilotprojekt der Videoüberwachung zu überzeugen. „Es gab drei Gespräche mit genügend Zeit dazwischen, um sich in Ruhe mit dem Thema vertraut zu machen und Bedenken zu formulieren“, erklärt Freitag. Man wollte nicht „Polizei spielen“, sondern überzeugen, dass Videoaufzeichnung ein Zugewinn für alle sei. „Es ist eine Möglichkeit zu demonstrieren: Wir machen das ordentlich. Das schlägt sich auch bei den Kunden nieder und kann ein Wettbewerbsvorteil sein.“ Sie freut sich, dass alle vier Schlachtbetriebe im Kreis sich dafür entschieden haben.
Das Pilotprojekt wurde auch dem Umwelt- und Agrarausschuss des Landtages vorgestellt (das Bauernblatt berichtete in Ausgabe 9). Nach Abschluss des Jahres sieht die Kreisveterinärin denn auch das Land am Zuge. „Wir erwarten, dass sich da etwas bewegt.“ Denn daran besteht für sie kein Zweifel: Eine Videoüberwachung der Schlachtung werde und müsse kommen. In anderen Ländern wie Spanien sei sie bereits Pflicht. „Wenn man Tierschutz will, ist das die einzige Alternative, die wirksam ist.“
Die Schlachtbetriebe im Kreis Rendsburg-Eckernförde wären dann schon mal vorn dran.




