In guter Tradition erscheint jedes Frühjahr der Rinderreport der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein als landesweite Auswertung der Betriebszweigauswertungen der Milchviehbetriebe. Dabei genießt die umfangreiche Datengrundlage auch im bundesweiten Vergleich eine besondere Bedeutung. Gleichzeitig ist die Gesamtheit der Betriebsdaten mit einer landesweiten Feldstudie vergleichbar. Sie gibt Orientierung für Einzelbetriebe, jedoch ist die Ableitung einzelbetrieblicher Kennwerte nicht ohne Risiko.
Die Grundlage des Rinderreports bilden die Betriebszweigauswertungen (BZA) der Rinderspezialberatungsringe, welche mit dem Einverständnis der Landwirte der Landwirtschaftskammer zur Verfügung gestellt werden. Die Aufgabe der BZA ist es, die Leistungen des Betriebszweiges Milchviehhaltung den mit der Milchproduktion verbundenen Kosten gegenüberzustellen. Für die Qualität der Auswertung kommt der Verteilung der Kosten eine zentrale Bedeutung zu. Während im Betriebsalltag der landwirtschaftliche Betrieb als eine Einheit agiert, bei der Arbeitsleistung und Maschinen gemeinsam genutzt werden, muss für die BZA so genau wie möglich bestimmt werden, wie viel seiner Arbeitszeit der Mitarbeiter wirklich für die Milchviehhaltung verwendet hat.
Fällt das kalkulatorische Betriebszweigergebnis im Durchschnitt der Betriebe über mehrere Auswertungsjahre negativ aus, wirft dies häufig die Frage auf, wie sich Betriebe über eine längere Zeit damit am Markt behaupten können. Die BZA stellt immer eine rückwirkende Betrachtung dar und lässt keine Prognosen über die zukünftige Wirtschaftlichkeit des Unternehmens zu. Ziel der BZA ist die vollständige Entlohnung aller Produktionsfaktoren, auch jener, für die kein realer Zahlungsverkehr entsteht. Die in der BZA angesetzten Faktorkosten für die Arbeitszeit des Betriebsinhabers und seiner Familie, die betriebseigenen Flächen und die Versetzungen der Färsen aus dem Betriebszweig Jungtieraufzucht stellen Kostenpunkte dar, welche der Betrieb langfristig erwirtschaften muss, für die aber keine Geldmittel fließen. Die Beurteilung der Liquidität findet daher nicht auf Basis des Betriebszweigergebnisses statt, sondern erfolgt über den Kennwert Cashflow, der zusätzlich aus der BZA abgeleitet werden kann.
Betriebszweiganalyse
Als Ergebnis der BZA wird das kalkulatorische Betriebszweigergebnis (BZE) der Milchkuhhaltung inklusive der Kosten für die Färsenaufzucht ausgewiesen. Der erzeugte organische Dünger wird nicht monetär bewertet, und Prämien aus den Direktzahlungen werden nicht zu den Leistungen gezählt. Erst die Verwendung der standardisierten Einheit ct/kg ECM (energiekorrigierte Milch) macht den Vergleich der Stückkosten pro produzierter Einheit möglich. Der erzeugten Milch als Produkt des Betriebszweiges werden alle Kosten, umgerechnet auf das Kilo ECM, in Rechnung gestellt. Genauso werden alle erbrachten Leistungen in ct/kg ECM ausgewiesen und ermöglichen den Vergleich aller Betriebe, unabhängig von der betriebsindividuellen Bedeutung der Koppelprodukte (unter anderem Schlacht- und Zuchtvieh), Milchinhaltsstoffen oder Vermarktungsform.
Die Betriebszweiganalyse Milch erlaubt nur eine Aussage über den Betriebszweig Milchviehhaltung, nicht über den gesamten landwirtschaftlichen Betrieb. Sie soll rückblickend die Frage beantworten, ob der Betriebszweig für sich alleine betrachtet wirtschaftlich gearbeitet hat. Verflechtungen mit anderen Betriebszweigen werden bewusst aufgelöst, und Leistungen, welche nur für die Milchviehhaltung erbracht werden, werden gesondert ausgewertet. Je diverser der Betrieb aufgestellt ist, desto weiter entfernt kann die gesamtbetriebliche Situation von der differenzierten Betrachtung der Milchviehhaltung sein. Leistungen der Milchviehhaltung für andere Betriebszweige, beispielsweise die Lieferung von Nährstoffen für die Energieerzeugung in einer Biogasanlage, können der Milchviehhaltung nur zugerechnet werden, wenn auch ein monetärer Austausch zwischen den Betriebszweigen stattgefunden hat.
Vergleichsgruppen
Wie wirken sich unterschiedliche Betriebsstrukturen auf die ökonomischen Leistungen der Betriebe aus? Um diese Frage beantworten zu können, lassen sich die BZE der Betriebe in passende Vergleichsgruppen einteilen. Die Bildung von Vergleichsgruppen ist nur dann sinnvoll, wenn auch ein Zusammenhang zwischen der betrieblichen Kennzahl und dem Einfluss auf das BZE gegeben ist. So ist eine Sortierung nach der produzierten Milchmenge oder der Herdengröße sinnvoll, da diese einen direkten Einfluss auf die Verteilung der Produktionskosten haben. Die Verteilung nach der Herdenrasse oder dem Melksystem hat hingegen nur mittelbaren Einfluss auf das BZE, da mit der Entscheidung für eine bestimmte Rasse oder das Melkverfahren häufig auch andere strukturelle Entscheidungen verbunden sind. So haben die Betriebe mit Side-by-Side-Melkständen im Durchschnitt häufig größere Herden, und Betriebe mit der Hauptrasse Angler sind kleiner als der Durchschnitt der Betriebe. Trotzdem lassen sich auch in diesen Auswertungen interessante Unterschiede erkennen, beispielsweise bei der Bedeutung der Koppelprodukte oder den Kosten der Arbeitserledigung.
Ist eine höhere Milchleistung für meinen Betrieb wirtschaftlich? Konnten durch mehr Weidegang für die Kühe Produktionskosten eingespart werden? Fragen, die sich rein ökonomisch rückblickend mit der BZA besser beurteilen lassen. Der Erfolg des Betriebes wird auf diesem Wege aber letztendlich nur am BZE gemessen. Die landesweite Auswertung kann Orientierung liefern, welches Ergebnis der Durchschnitt der Betriebe im gleichen Wirtschaftsjahr in der Lage war zu erreichen. Die Bildung von Vergleichsgruppen kann bei der Stärken-Schwächen-Analyse helfen, um die einzelbetriebliche Entwicklung besser einzuordnen.
Grenzen der Auswertung
Die standardisierte Auswertung eines Betriebszweiges erlaubt es, die darauf ausgewiesenen Kennzahlen der Produktionstechnik, der -kosten und der Leistungen bis hin zum BZE vergleichbar zu machen. Bei diesem Vergleich und der daraus folgenden Bewertung gibt es bei verschiedenen Kennwerten einiges zu beachten. Beispielsweise haben die ausgewiesenen Kosten für den Tierarzt und Besamungen in ct/kg ECM keinen eindeutigen Zusammenhang zur Tiergesundheit oder dem Besamungsaufwand auf dem Betrieb. Hohe Tierarztkosten können einerseits entstehen, indem Gesundheitsprophylaxe durch Impfungen durchgeführt wird. Anderseits können hohe Tierarztkosten auch durch häufige Behandlungen in Krankheitsfällen entstehen. Anhand der Höhe der Tierarztkosten kann nicht beurteilt werden, ob die Tiere auf dem jeweiligen Betrieb häufiger krank oder sehr gesund sind. Anders formuliert: Hohe Tierarztkosten können sich durchaus rechnen, wenn die ergriffenen Prophylaxemaßnahmen zu einer besseren Tiergesundheit und möglicherweise höheren Leistungen führen. Hier wird deutlich, dass ein Vergleich von Einzelkennwerten nur unter Berücksichtigung des BZE eine fachlich korrekte Interpretation zulässt.
Ein ähnliches Beispiel bieten die Besamungskosten. Die Betrachtung der Besamungskosten lässt keine direkte Schlussfolgerung auf den Trächtigkeitserfolg bei Kühen und Färsen zu. Wie der Kennwert „Besamung und Sperma“ bereits verrät, werden hier ausschließlich die Kosten für künstliche Besamungen erfasst. Wird ein Bulle für den Natursprung auf dem Betrieb gehalten, gehen die Kosten zwar in die BZA ein, aber nicht unter dem Kostenpunkt für Besamungen. Dies begründet sich darin, dass es kaum möglich ist, die Kosten für den Deckbullen ausreichend genau zu erfassen. Eine Bewertung der Fruchtbarkeit der Herde allein anhand der Höhe der Besamungskosten kann nicht vorgenommen werden.
Das BZE entscheidet
Über die Hälfte der Produktionskosten wird von den Grund- und Kraftfutterkosten verursacht. Der Kraftfuttereinsatz ist dabei eine entscheidende Kenngröße. Hierbei sind die verschiedenen Einheiten zu beachten. Während der absolute Kraftfutterverbrauch je Kuh und Jahr in hochleistenden Herden höher ist als in geringerleistenden Herden, sagt dies noch nichts über die Kraftfuttereffizienz aus. Die Auswertungen bestätigen Jahr für Jahr, dass hochleistende Herden mit einem höheren Kraftfutterverbrauch je Kuh und Jahr häufig geringere Kraftfutteraufwände je Kilo ECM haben. Die Kraftfuttereffizienz ist also in höherleistenden Herden im Durchschnitt der Betriebe besser als in geringerleistenden Herden.
Die dargestellten Beispiele zeigen, dass Produktionskennwerte und einzelne Kostenpunkte allein nicht immer eine verlässliche Aussage ermöglichen. Dies betrifft sowohl den Vergleich der BZA zwischen Einzelbetrieben als auch die Gegenüberstellung von Vergleichsgruppen. Insbesondere die Produktionskennwerte einer Vergleichsgruppe liegen häufig sehr nah beieinander, während die ökonomischen Ergebnisse gleichzeitig sehr unterschiedlich ausfallen können. Sollen ökonomische Aussagen getroffen werden, kann dies nicht allein anhand von Produktionskennwerten erfolgen. Das BZE muss zwingend mit einbezogen werden – anders ist keine Bewertung möglich.
Aufgrund der großen Datenmenge und für eine bessere Übersichtlichkeit werden nicht alle vorhandenen Kennzahlen im Rinderreport veröffentlicht. Die Datengrundlage ermöglicht weitere detailliertere Auswertungen. Von der Berechnung nicht ausgewiesener Kennwerte muss abgeraten werden, da den unterschiedlichen Auswertungen verschiedene Grundgesamtheiten zugrunde liegen. Dadurch ist es nicht möglich, verschiedene Kennzahlen miteinander zu verrechnen.
Fazit
Der jährlich erscheinende Rinderreport umfasst eine Vielzahl an Auswertungen und ermöglicht durch die standardisierte Form einen Vergleich über die letzten Jahrzehnte. Die standardisierte Vorgehensweise erlaubt Analysen und Vergleiche zwischen verschiedenen Betrieben oder eines Betriebes mit einer Vergleichsgruppe. Bei der Analyse einzelner Kennwerte sollten deren Berechnungsgrundlagen bekannt sein. Allgemeingültige ökonomische Aussagen sollten nur unter Berücksichtigung des BZE getroffen werden. Von der Berechnung nicht ausgewiesener Kennwerte im Rinderreport sollte Abstand genommen werden, da den Vergleichsgruppen verschiedene Grundgesamtheiten zugrunde liegen. Die Veröffentlichung des aktuellen Rinderreportes für das Wirtschaftsjahr 2020/2021 folgt in Kürze.