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Raus aus den vier Wänden

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Die Haltung im Offenstall erfüllt die natürlichen Bedürfnisse von Pferden in puncto Bewegung, Licht, Luft und Sozialkontakten am besten. In der Theorie also perfekt, doch in der Praxis hapert es oft. Das liegt meist nicht am Vierbeiner, sondern am Offenstall, der schlichtweg nicht zum Pferd passt. Doch gibt es überhaupt pferdefreundliche Alternativen?

Der Begriff „Offenstall“ kann weit gefasst werden: Vom knietiefen Matschplatz mit notdürftigem Unterstand bis hin zum Aktivstall mit ausgeklügelter Raumaufteilung und computergesteuerter Fütterung fallen zahlreiche Varianten in diese Kategorie. Nicht alles, was sich Offenstall nennt, ist auch wirklich pferdegerecht. Pferdebesitzer, die bereits schlechte Erfahrungen gesammelt haben, sind nicht selten überzeugt: „Mein Pferd ist nicht für den Offenstall geeignet.“

Damit sich das Pferd wohlfühlen kann, müssen einige Grundvoraussetzungen erfüllt sein, etwa ausreichend Platz. In den „Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sind unter anderem die Mindestvoraussetzungen für die Gruppenhaltung von Pferden angegeben. Nicht alle Pferde kommen allerdings mit diesen Mindestmaßen zurecht. Einige werden in der Folge aggressiv oder lethargisch und mitunter vorschnell als „offenstalluntauglich“ abgestempelt. Wäre mehr Platz vorhanden, würden vermutlich auch mehr Pferde in einem Offenstall gut zurechtkommen. Daher gilt: Großzügige Liegemöglichkeiten, reichlich Auslauffläche und genügend Fressplätze tragen entscheidend dazu bei, dass das Konzept Offenstall funktioniert.

In Außenboxen herrschen besseres Klima und weniger Langeweile als in Innenboxen, doch auch diese Haltungsform hat viele Nachteile. Foto: Imago

Auch die räumliche Situation ist wichtig: Hat der Liegebereich zwei Ausgänge, ist er eher quadratisch oder ein langer Schlauch, gibt es Raumteiler? Für Pensionspferdebetriebe ein Dilemma: Es ist natürlich einfach, auf dem Papier mehr Platz zu fordern. Betriebe möchten ihren Einstellpferden auf der einen Seite einen guten Platz bieten, auf der anderen Seite macht es wirtschaftlich einen Unterschied, wie viele Pferde auf der vorhandenen Fläche untergebracht sind. Schließlich haben viele Betriebe unter den aktuellen Bedingungen ohnehin schon schwer zu knabbern.

Bedürfnisse der Pferde berücksichtigen

Das tägliche Stallmanagement trägt ebenfalls entscheidend dazu bei, ob die Vierbeiner sich im Offenstall wohlfühlen – oder eben nicht. Hierzu zählen beispielsweise geringe Fluktuation und individuelle Fütterung. Bei ständigem Pferdewechsel entsteht Unruhe. Die Rangordnung muss jedes Mal neu geklärt werden, was zu vermehrten Rangeleien und mitunter Verletzungen führt. Auch in Gruppenhaltung sollte es möglich sein, jedem Pferd seine individuelle Futterportion zuzuteilen. Das ist zugegebenermaßen eine Herausforderung und kann nur durch Fressständer oder computergestützte Fütterung gewährleistet werden. Alternativ müssen die Pferdebesitzer mehr eingebunden werden, also etwa Kraftfutter selbst zufüttern. Selbstverständlich müssen darüber hinaus die Sauberkeit stimmen, die Qualität des Futters einwandfrei sein und der Stallbetreiber über fundiertes Fachwissen und Erfahrung verfügen.

Bleiben noch die Vierbeiner selbst, die mitbestimmen, ob es im Offenstall klappt. Grundsätzlich sollte die Herde nicht allzu bunt gemischt sein, da die Anforderungen an den Stallbau dann enorm sind. Vor allem (Gitter-)Abstände sind problematisch, denn was für einen mächtigen Kaltbluthuf keine Gefahr darstellt, kann für einen zierlichen Ponyhuf zur Falle werden. Unterschiedliche Altersstufen sind im Offenstall grundsätzlich kein Problem. Allerdings sollten sehr junge Pferde immer gleichaltrige Freunde haben, sehr alte Pferde hingegen sind mitunter mit Youngsters überfordert.

In gemischten Pferdeherden können Wallache, die sich wie Hengste benehmen, zu einem großen Problem werden. Schließlich sind Stutenbesitzer nicht erfreut, wenn der Wallach regelmäßig auf den Rücken ihrer Stute springt – abgesehen von der Verletzungsgefahr. Zudem gibt es noch den „Problemfall“ Hengst. Zwar kommt eine Studie der Freien Universität Berlin zu dem Schluss, dass Hengste durchaus in Gruppen gehalten werden können, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Eine wirklich artgerechte Haltung von Hengsten im Offenstall ist dennoch eine enorme Herausforderung.

Grundsätzlich kann also (fast) jedes Pferd im Offenstall gehalten werden, wenn auf die Bedürfnisse der Bewohner eingegangen wird. Allerdings ist es für Pferdebesitzer schlichtweg nicht immer möglich, einen solchen optimal auf die Bedürfnisse ihres Vierbeiners zugeschnittenen Offenstall zu finden, noch dazu in angemessener Entfernung. Dann muss ein adäquater Kompromiss her.

Eine Innenbox stellt eigentlich keine Alternative dar, denn diese Haltungsform ist oft nicht pferdegerecht: Ein so großes Tier auf einer Fläche von etwa 12 m2 für viele Stunden am Tag einzusperren, sollte heutzutage nicht mehr sein. Ein Pferd braucht freie Bewegung und Artgenossen. Es gibt sicher Betriebe, die trotz Innenboxenhaltung den Pferden ausreichend Auslauf mit Artgenossen bieten, allerdings stehen noch immer zu viele Pferde zu viele Stunden in zu engen Innenboxen. Übrigens: Freie Bewegung heißt, das Pferd darf selbst bestimmen – Führanlage oder Laufband zählen also nicht dazu.

Bewegung, Kontakte, Licht und Luft

Eine Verbesserung der reinen Innenbox ist die sogenannte Kurtz-Box, benannt nach ihrem Erfinder Andreas Kurtz. Ein Teil der Zwischenwand ist hier durch senkrechte Gitterstäbe ersetzt, die bis zum Boden reichen. Die Pferde können den Kopf hindurchstrecken und so besser Kontakt zum Nachbarn aufnehmen, beispielsweise gegenseitig Fellpflege betreiben. Vor allem für Hengste, die ja zum Großteil in Einzelboxen leben, kann dies eine Verbesserung sein. Der tägliche Auslauf muss dennoch gewährleistet werden.

Außenboxen sind nicht viel besser zu bewerten als Innenboxen, zumindest was den Platzbedarf und den Kontakt zum Nachbarn betrifft. Den Pferden wird hier lediglich die Möglichkeit geboten, hinauszuschauen, was die Langeweile ein wenig abmildern kann und für besseres Stallklima sorgt. Ansonsten überwiegen wie auch bei der Innenbox die Nachteile und es muss entsprechend für ausreichende Bewegung und Kontakte mit anderen Pferden gesorgt werden.

In Boxen mit angrenzender „Terrasse“ können die Pferde selbst entscheiden, wann sie draußen oder drinnen sind. Foto: Imago

Viele Pferde leben mittlerweile in Paddockboxen. Diese Boxen mit direkt angrenzender Terrasse bieten zum einen mehr Platz als reine Boxen, außerdem können die Pferde frei entscheiden, wann sie draußen stehen und wann lieber nicht. Das gilt natürlich nur, wenn die Tore zum Paddock bei schlechtem Wetter nicht geschlossen werden, was leider in manchen Betrieben durchaus Usus ist.

Als Mittelweg zwischen Innen- und Paddockbox wird mitunter der Zugang zum Paddock nachts grundsätzlich verschlossen, beispielsweise wenn sonst nicht sichergestellt werden kann, dass nachts kein Unbefugter von außen an den Stall gelangt. Paddockboxen können allerdings auch nur dann eine mögliche Alternative zum Offenstall sein, wenn die Pferde zusätzlich täglich bei jeder Witterung mehrere Stunden gemeinsam mit Artgenossen auf die Weide oder auf einen Schlechtwetterauslauf dürfen. Schließlich ist die Bewegungsmöglichkeit im Paddock, der meist in etwa so groß ist wie die Box, doch sehr begrenzt.

Einige Pferdebetriebe bieten Minioffenställe an, also Offenställe, in denen vielleicht nur zwei oder vier Pferde zusammenleben. Gerade für Vierbeiner, die bereits älter sind oder sich grundsätzlich in größeren Herden schwertun, ist dies oft eine durchaus gute Lösung. Diese Minioffenställe können auch – wenn baulich möglich – durch das Zusammenlegen von zwei oder mehreren benachbarten Paddockboxen erstellt werden. Solche flexiblen Boxensysteme müssen aber schon beim Stallbau mit eingeplant werden, nachträglich ist eine solche Veränderung oft nur schwer umsetzbar.

Weidehaltung braucht gutes Management

In Laufställen wohnen die Pferde gemeinsam in einem Innen- oder Außenstall, der idealerweise in Liege- und Fressbereich unterteilt ist. Wichtig ist, dass der Stall entsprechend großzügig dimensioniert ist und die Vierbeiner zusätzlich täglich an die frische Luft dürfen. Allerdings ist diese Haltungsform in Pensionsställen selten zu finden, eher in Gestüten oder Aufzuchtställen.

Eine weitere Alternative zum Offenstall ist die ganzjährige Weidehaltung. Diese entspricht dem Herden- und Lauftier sehr, stellt aber große Anforderungen an das Management. Notwendig sind unter anderem ein geeigneter Standort mit entsprechender Bodenbeschaffenheit, sehr große Flächen für wenige Pferde, ein stets trockener, zugluftfreier und eingestreuter Unterstand, ganzjährige frostfreie Wasserversorgung sowie befestigte Futterplätze für die Zufütterung. Sonst wird aus der ganzjährigen Weidehaltung recht schnell eine matschige, unhygienische Angelegenheit.

Von den gängigen Haltungsformen kommt der Offenstall den grundlegenden Bedürfnissen der Lauf- und Herdentiere am nächsten. Viele Pferdebesitzer haben das erkannt, weshalb sich Offenställe großer Nachfrage erfreuen. Kritiker führen gern das Argument an, dass nicht jedes Pferd für die Haltung im Offenstall geeignet sei. Meist ist es aber vielmehr so, dass der Offenstall nicht zum Vierbeiner passt, da dessen individuelle Ansprüche nicht berücksichtigt werden (können), beispielsweise wenn der Vierbeiner ein großes Platzangebot benötigt, der Offenstall aber „nur“ Mindestmaße bietet. Auch die Entfernung vom Wohnort des Besitzers spielt eine wichtige Rolle, schließlich soll die tägliche Fahrt in den Stall nicht zum Zeiträuber werden – ganz abgesehen von den hohen Sprit­kosten.

Um all das unter einen Hut zu bringen, können beispielsweise eine große Paddockbox mit täglichem Auslauf, ein Minioffenstall, ein Laufstall oder die ganzjährige Haltung auf der Weide eine akzeptable Alternative zum Offenstall darstellen. Werden Pferde in Innen- oder Außenboxen gehalten, sollten sie sehr viel Zeit außerhalb dieser vier Wände verbringen, und zwar gemeinsam mit ihresgleichen.

Ganzjährige Weidehaltung erfordert sehr gutes Management, damit daraus keine matschige Angelegenheit wird. Foto: Imago

Für ein friedliches Miteinander an der Schule

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Mechthild Spöde hat ein offenes Herz für Kinder und Jugendliche. An jedem Mittwochvormittag geht sie in die Bergschule Fockbek im Kreis Rendsburg-Eckernförde. Hier ist die Seniorpartnerin in School, kurz SiS, im ehrenamtlichen Einsatz. Als SiS-Mediatorin begleitet sie Schülerinnen und Schüler beim Suchen und Finden von Lösungen für einen friedlichen Umgang miteinander.

Ein Mittwochvormittag, Laura (Name geändert) bittet Mechthild Spöde um ein Gespräch. Dafür verabreden sie sich wenig später in der „Insel“. Das ist ein etwas versteckt liegender Begegnungsraum im weitläufigen Schulgebäude. Niemand sieht, wer gerade ein- und ausgeht. Hier kann Laura sich vertrauensvoll öffnen. Sie weiß, alles, was sie gleich sagen wird, wird im Raum bleiben. Die SiS-Mediatorin wird die Gesprächsinhalte ohne ihre ausdrückliche Einwilligung nicht weitererzählen, weder an die Lehrkräfte noch an die Schulleitung. In dieser Sicherheit berichtet die Schülerin, dass jemand im schulischen Umfeld ihr das Smartphone weggenommen und entsperrt habe, um Inhalte aus ihren privaten Nachrichten an Mitschüler weiterzuleiten und sie damit lächerlich zu machen. Das fühle sich für sie schlecht an, sie wisse nicht, wie sie damit umgehen solle.

Mechthild Spöde hört Laura aufmerksam zu. Sie fragt behutsam, wie es ihr gerade geht und was ihr in diesem Moment wichtig wäre. Gemeinsam suchen sie nach einer möglichen Lösung. Sie thematisieren auch, wie Laura sich in Zukunft vor solch einer Situation schützen kann. Nach dem Gespräch ist die Schülerin erleichtert. Es war für sie entlastend, das Erlebte zu teilen und dabei ihre eigenen Gedanken und Gefühle zu ordnen. Jetzt sieht sie klarer und hat eine Entscheidung getroffen: Sie will auf diesen „Jemand“ zugehen und fragen, ob er freiwillig zu einem gemeinsamen Treffen mit der SiS-Mediatorin bereit wäre, um über den Vorfall zu sprechen.

Dies ist nur eine beispielhafte Episode aus dem reichen Betätigungsfeld der Ehrenamtlichen, die sich hauptsächlich um Kinder der 5. bis 7. Klasse kümmert. Ob bei einem Streit auf dem Pausenhof, Konflikten mit Klassenkameraden oder bei Sorgen im familiären Umfeld – bei ihr finden die Schüler immer ein offenes Ohr. „In 90 Prozent meiner Gespräche reicht es, für die Kinder einen vertraulichen und vertrauten Raum zum Reden zu schaffen und zuzuhören. Bei etwa zehn Prozent braucht es weiterführende Maßnahmen, für die ich als Ehrenamtliche nicht zuständig bin, etwa wenn es um eine mögliche Kindeswohlgefährdung geht. Dann gebe ich an die zwei Schulsozialarbeiterinnen ab“, informiert sie.

Friedensarbeit im Kleinen

Die 67-Jährige, die früher in der Energiewirtschaft arbeitete, ist eine von derzeit über 1.300 Senioren in Deutschland, die nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben Schülern an Schulen zur Seite stehen. „Für mich ist dies eine unglaublich bereichernde Aufgabe, ein Stück Friedensarbeit im Kleinen. Ich komme generationsübergreifend mit jungen Menschen in Kontakt, kann sie auf dem Weg des Erwachsenwerdens in ihrer Persönlichkeitsbildung begleiten, erweitere meinen Horizont und bleibe durch viele neue Impulse geistig aktiv und rege“, bringt sie die positiven Aspekte des Ehrenamts auf den Punkt. Üblicherweise im Zweierteam sind die SiS-Mediatoren an einer Schule tätig, wobei die Corona-Pandemie der vergangenen Jahre deutliche Spuren hinterließ.

Riesengewinn für die Schule

Für die Senioren bedeutete Corona das plötzliche Aus ihres Einsatzes. Sie sollten vor der Erkrankung geschützt werden und mussten deshalb längere Zeit pausieren. Etliche orientierten sich daraufhin um, so auch der Tandempartner von Mechthild Spöde. Deshalb freut sie sich, dass mit Katrin List (64) und Dagmar Göpel-Fillmer (66) seit Januar dieses Jahres zwei neue Seniorpartnerinnen an die Bergschule gekommen sind.

SiS-Mediatorinnen Katrin List, Mechthild Spöde und Dagmar Göpel-Fillmer (v. li.) leisten einen wertvollen Beitrag für ein positives Lernklima und eine friedliche Streitkultur.

Hierfür durchliefen die beiden im Herbst vorigen Jahres eine vorbereitende Weiterbildung. Über die SiS-Mediatoren zeigt sich auch Schulleiterin Ute Shabanpoor hocherfreut. „Für uns und für alle Schulen des Landes sind sie ein Riesengewinn. Wir sind froh und dankbar, dass es sie gibt. Sie sind eine Entlastung, für Lehrer und Schüler“, stellt sie heraus. Besonders in der herausfordernden Corona-Zeit, als die Senioren nicht an der Schule sein durften, hätten Lehrkräfte und Schulsozialarbeiterinnen einmal mehr gemerkt, wie sehr sie fehlten und wie wichtig sie für die Kinder seien, weil sie eben nicht direkt in den Schulablauf mit all seinen Regeln und Gegebenheiten eingebunden seien. „Sie kommen von außen, müssen nicht bewerten, keine Noten geben oder Hausaufgaben einfordern. Während ich als Schulleiterin einen festgelegten Auftrag habe, in einigen Fällen eine ganze Handlungskette in Gang setzen müsste, können die SiS-Mediatoren flexibler agieren, neue Sichtweisen einbringen und manch kleineres Problem sofort lösen, bevor es groß wird“, betont die Direktorin.

Wertvolle Unterstützung

Lehrerin Tania Ehmke, Stufenleiterin der 5. bis 7. Klassen, schätzt die Arbeit der Ehrenamtlichen ebenfalls sehr. Sie seien eine wertvolle Unterstützung für das gesamte multiprofessionelle Schulteam. Sie ergänzt: „Wir Lehrkräfte können nicht jeden Einzelnen zeitnah auffangen. Die SiS-Mediatoren nehmen sich für die Kinder Zeit, die uns im Schulalltag oft fehlt. Der Unterricht muss ja weitergehen.“ Schulsozialarbeiterin Tanja Brommann resümiert mit Blick auf die Ehrenamtlichen anerkennend: „Wir wären aufgeschmissen ohne euch.“ Bei ihr würde es meist eine Woche dauern, bis ein Gesprächstermin frei werde. So lange könnten manche Kinder aber nicht warten. Und was meinen die Schüler? Hanna und Wiktoria, beide zwölf Jahre alt, sind bereit, darüber mit dem Bauernblatt zu reden. Die besten Freundinnen gehen in die 6. Klasse. „Als wir in der 5. Klasse waren, wurden die SiS-Mediatoren im Unterricht vorgestellt. So erfuhren wir, dass es sie an unserer Schule gibt und was sie machen“, blickt Wiktoria zurück. Hanna findet es gut, dass sie jederzeit die Chance hat, mit einem Anliegen oder Problem zu ihnen zu gehen. Dies sei auch während des Unterrichts möglich, man müsse sich nur bei der Lehrkraft abmelden.

„Manchmal gibt es Dinge, die man mit den Eltern zu Hause nicht so gern besprechen mag“, gibt sie zu bedenken. Beide Schülerinnen haben in der Vergangenheit – wie unzählige ihrer Mitschüler – schon mit Mechthild Spöde gesprochen und dies als hilfreich empfunden. „Es sagen aber auch nicht alle, dass sie bei ihr waren“, wissen sie. Die Seniorin bemerkt, dass sie sich jedes Mal genau überlege, ob sie Schüler, die bei ihr waren, auf dem Schulhof, in einer größeren Öffentlichkeit, grüßen und ansprechen solle oder lieber nicht, weil sie die Vertraulichkeit wahren möchte. Abschließend erzählen die Schülerinnen, dass sie sich wünschten, die SiS-Mediatorinnen wären nicht nur an einem Tag in der Woche in der Schule. In der Vergangenheit des seit zehn Jahren laufenden Angebots habe es schon einmal zwei Teams gegeben, die zwei Tage in der Woche abdeckten.

Seniorpartner gewünscht

Besonders Jungen im Teenageralter äußerten darüber hinaus den Wunsch, sich einem Mann anvertrauen zu können. Das SiS-Team möchte deshalb ausdrücklich auch sie ermutigen, als Seniorpartner in School aktiv zu werden. „Wir suchen aktuell landesweit neue Mitstreiter. Auch wenn erst im Herbst der nächste Weiterbildungslehrgang beginnt, können sich interessierte Frauen und Männer bereits jetzt bei uns melden und an einer Schule hospitieren.“



Info

Der Bundesverband Seniorpartner in School e. V. wurde 2001 gegründet, um Kindern und Jugendlichen in Schulen zu helfen, ihre Alltagskonflikte gewaltfrei zu lösen. Er hat 14 Landesverbände und ist mit über 1.300 SiS-Mediatoren an 380 Schulen an 70 Standorten vertreten. Der Landesverband Schleswig-Holstein e. V. gründete sich 2006 und ist an 17 Schulen aktiv. Regionalgruppen gibt es in Rendsburg, Flensburg und Schleswig. Hier tauschen sich die SiS-Mediatoren monatlich aus und erhalten Supervisionen und Fallberatungen. Jährlich findet für Neueinsteiger der Generation 55+ eine 80-stündige, kostenlose Weiterbildung in drei Blöcken statt. Weitere Infos unter sis-schleswig-holstein.de oder info-mediatoren@sis-­schleswig-holstein.de

Getreidemarkt: Neue Impulse nach der Ruhephase

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Seit Wochen geht es am Getreidemarkt nicht vor und nicht zurück. Im Handel fehlt es an Nachfrage, weder aus dem Inland noch aus dem Ausland kommen viele Aufträge. Aufseiten der Erzeuger hat man seit Oktober die purzelnden Preise beobachtet und bedauert, nicht mehr Getreide verkauft zu haben. Viele Landwirte fragen sich, ob sie den Preisverfall besser hätten voraussehen können. Das kann man nie wirklich, so viel ist klar. Man hätte nur feststellen können, dass gewisse Preishöhen unvergleichlich gewesen sind und entsprechend mehr Realismus bei der Vermarktung nicht geschadet hätte. Seit Wochen zeigen inländische Abnehmer kaum Bedarf an Getreide und Raps. Man hat aus den Corona-Jahren gelernt, lieber mehr Vorrat auf Halde zu legen. Mit der Aussicht auf weiter nachgebende Einkaufspreise haben sie deshalb einen langen Atem. Zudem sehen sich Futtermittelhersteller mit sinkenden Nutztierbeständen und infolgedessen einer sinkenden Nachfrage konfrontiert. Sie haben tendenziell mehr Ware im Lager als nötig und berichten auch nicht mehr von Lieferengpässen bei Komponenten, lediglich Rapsschrot bleibt auf wundersame Weise knapp und teuer. Dabei ist der Rapsmarkt gut mit heimischer und importierter Saat versorgt und hat deswegen über neun Monate ordentlich an Preishöhe verloren. Wirft man zurzeit einen Blick auf die Börse, kann man eine Kehrtwende sehen. In den letzten zwei Wochen drehte sich die Tendenz der Terminkurse für Weizen ins Positive. In dieser Woche nimmt der Kurs an der Matif noch mehr Fahrt auf, von 35 €/dt ist nicht mehr die Rede, aber 30 €/dt sind schon fast wieder drin.

Russische Kritik heizt Kurse an

Was steckt hinter dem Kursanstieg an der Börse? In den vergangenen Wochen hatten sich die Faktoren zwischen wechselhaften Wettermeldungen und Wechselkursen bewegt. Einfluss auf die Börse in Chicago nahm die Witterung in US-Anbaugebieten für Wintergetreide, vor allem Weizen reagierte darauf. Einfluss auf Chicago sowie Paris nahm die Witterung in den südamerikanischen Ländern, wo Mais und Soja teilweise erst seit Kurzem wachsen und teilweise schon geerntet werden. Dabei geht es vor allem um die außergewöhnliche Dürre in Argentinien. Am internationalen Getreidemarkt wird dieser Tage genügend Ware angeboten, besonders Weizen. Die europäischen Getreideexporte haben je nach Euro-Kurs eher das Nachsehen. Im Gesamtgefüge herrschte zuletzt auch ein Mangel an Impulsen, um die schwache Preisentwicklung umzukehren – diese Lücke füllt nun mal wieder Russland. Zum einen eskaliert die Situation im Ukraine-Krieg zunehmend, das Land berichtet von einer beginnenden russischen Offensive. Am vergangenen Freitag hatte Russland Kraftwerke im ganzen Land gezielt angegriffen. Zum anderen äußerten am selben Tag mehrere russische Beamte öffentlich Kritik am Getreideabkommen, das ukrainische Exporte ermöglicht. Die Situation erinnert an die Diskussionen um die letzte Verlängerung, die im November nur unter schwierigen Bedingungen erzielt worden war. Der Zeitraum von 120 Tagen läuft im März ab und fristgerecht melden sich besagte russische Beamte zu Wort, um Feuer in die Situation zu bringen. Man sei nach wie vor unzufrieden mit der Umsetzung des Abkommens, und zwar insbesondere mit dem Verhalten Europas. Fraglich ist, wie stark sich die Diskussion dieses Mal auf die Marktlage auswirken kann.

Marktangebot

Wie eingangs beschrieben, haben hierzulande viele Landwirte noch Ware zu liegen, die sie nicht zu den schwächeren Kursen verkaufen wollten. Selten ist das jedoch Weizen mit hohem Proteingehalt, wie er im Export gefordert wird. Auf europäischer Ebene ist gegenüber dem Vorjahr mehr exportiert worden, dennoch haben in den letzten Wochen vor allem russische Angebote am Markt dominiert und die EU-Ausfuhren eingegrenzt. Aus Polen und Rumänien wurde zuletzt auch von einem Überfluss an Getreide durch ukrainische Ausfuhren berichtet. Von einer Knappheit am Markt kann nicht die Rede sein, das sollte die Kursanstiege deckeln.

Ställe werden leerer, das Fleischangebot wird knapper

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Die Ställe werden leerer in Deutschland. Damit steht immer weniger Schlachtvieh zur Ver­fügung und den Schlachtunternehmen geht zunehmend die Rohstoffbasis verloren. Die Schweinefleischerzeugung bricht um fast 10 % ein. Das ist die geringste Menge seit 2014. Der hohe Milchpreis führt zu weniger Kuhschlachtungen. Auch die deutsche Geflügelfleischproduktion gerät in den Abwärtstrend.

Das geringe Schlachtviehangebot ließ die deutsche Fleischerzeugung 2022 spürbar sinken, die gewerbliche Fleischerzeugung ist nach vorläufigen Daten gegenüber dem Vorjahr um rund 620.000 t oder 8,1 % auf 7,03 Mio. t gesunken. Das geht aus aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes (Destatis) hervor. Die jetzt veröffentlichten Daten bedeuten den sechsten Rückgang in Folge. Im Jahr 2016 hatte die hiesige Fleischproduktion mit 8,28 Mio. t einen Höhepunkt erreicht. Seitdem ist das Aufkommen um 1,25 Mio. t oder gut 15 % gesunken und liegt nun auf dem niedrigsten Stand seit mehr als 15 Jahren.

Schlachtschweineangebot sinkt um 20 Prozent

Besonders deutlich fiel einmal mehr das Produktionsminus bei Schweinen aus. Den Statistikern zufolge kamen 2022 nur noch 47,05 Millionen Schweine an die Haken der gewerblichen Schlachtbetriebe; im Vergleich zum Vorjahr waren das 4,77 Millionen Stück oder 9,2 % weniger. Eine geringere Tierzahl wurde im Bundesgebiet zuletzt 2004 verarbeitet. Innerhalb von nur fünf Jahren hat sich das Schlachtviehangebot um 11,3 Millionen Schweine oder fast ein Fünftel verringert. Der Einbruch bei den Schlachtungen war 2022 ausschließlich auf das kleinere Schweineangebot aus heimischen Ställen zurückzuführen. Dieses nahm im Vorjahresvergleich um 4,84 Millionen oder 9,6 % auf 45,82 Millionen Tiere ab. Die Zahl der hierzulande geschlachteten Schweine aus dem Ausland nahm dagegen erstmals seit Längerem wieder zu, und zwar um 6,5 % auf 1,23 Millionen Stück. Die Landwirte lieferten im vergangenen Jahr ihre Tiere mit einem um rund 600 g auf 95,2 kg verringerten Schlachtgewicht an die Schlachtstätten, was den Produktionsrückgang zusätzlich verschärfte. Die Schweinefleischerzeugung verringerte sich gegenüber 2021 um 485.000 t oder 9,8 % auf knapp 4,48 Mio t. Auch dies war das geringste Niveau seit 2004.

Die seit Längerem sinkenden Schweinebestände, geringere Ferkelimporte, stark gestiegene Betriebskosten, eine nachlassende Schweinefleischnachfrage, die Afrikanische Schweinepest (ASP), rückläufige Drittlandsexporte, Probleme mit Hofnachfolgern sowie zunehmende Auflagen und eine fehlende Planungssicherheit durch die Politik sind laut Analysten wesentliche Faktoren für den Niedergang der hiesigen Schweineproduktion. Dieser war im vergangenen Jahr in allen Bundesländern zu spüren. Ausnahme war Sachsen, wo die Schweineschlachtungen auf geringem Niveau um 16,9 % auf 217.580 zulegten. Mit 16,10 Millionen Tieren kamen die meisten Schweine in Nordrhein-Westfalen an die Haken; im Vorjahresvergleich war das ein unterdurchschnittliches Minus von 5,7 %. Dahinter folgte Niedersachsen mit 15,06 Millionen geschlachteten Schweinen, was einem Rückgang von 10,8 % entsprach.

Hohe Milchpreise verringern Rinderangebot

Kaum besser sah es bei den Rindern aus. Die gewerblichen Schlacht- und Zerlegebetriebe bekamen hierzulande 2022 knapp drei Millionen Tiere angeliefert; gegenüber dem Vorjahr waren das rund 252.000 Stück oder 7,8 % weniger. Mitverantwortlich dafür war vor allem das geringere Schlachtviehangebot an weiblichen Tieren. So ging aufgrund der hohen Milchpreise die Zahl der ins Schlachthaus gelieferten Kühe im Vorjahresvergleich um 112.600 oder 10,1 % auf rund eine Million Stück zurück; bei den Färsen war ein Minus von 52.000 Tieren oder 9,1 % auf 520.000 festzustellen. Es wurden zudem 76.600 beziehungsweise 6,3 % weniger Bullen und Ochsen sowie 8.300 oder 2,7 % weniger Kälber als 2021 gewerblich zerlegt. Bei insgesamt moderat verringerten Schlachtgewichten war die deutsche Rindfleischerzeugung gegenüber 2021 um 8,2 % auf 985.000 t rückläufig.

Bei Schafen und Lämmern war im vergangenen Jahr ebenfalls ein spürbarer Produktionsrückgang zu verzeichnen. Den gewerblichen Schlachtbetrieben wurden insgesamt 1,11 Millonen Tiere angeliefert; verglichen mit 2021 waren das rund 97.000 oder 8 % weniger. Rund 90 % davon waren Lämmer. Die dazugehörige Fleischerzeugung nahm um 7,3 % auf knapp 23.000 t ab. Nicht eingerechnet sind hierbei die Hausschlachtungen von Schafen und Lämmern. Diese beliefen sich 2022 – wenn auch nur schwer zu erfassen – laut Destatis auf 18.340 Tiere; das waren 18 % weniger als im Vorjahr.

Geflügelpest senkt Produktion

In den Abwärtssog geriet 2022 auch die in den Vorjahren boomende Geflügelfleischerzeugung. Laut Destatis war die gewerbliche Produktion gegenüber 2021 um 2,9 % auf 1,54 Mio. t rückläufig. Das lag vor allem an der um 8,0 % auf 406.000 t gesunkenen Erzeugung von Putenfleisch. Hierbei war das Schlachtviehaufkommen um 2,64 Millionen auf 30,53 Millionen Puten rückläufig. Die bedeutendsten Geflügelart blieben die Jungmasthühner. Von diesen wurden laut statistischer Erfassung im vergangenen Jahr gut 631 Millionen Tiere geschlachtet, was einen kleinen Zuwachs von 0,8 % bedeutete. Allerdings kamen die Tiere mit einem geringeren Gewicht ins Schlachthaus, weshalb die Fleischerzeugung mit rund 1,07 Mio. t um 0,6 % unter dem Vorjahresniveau lag; dies war der erste Rückgang seit 2016. Das Minus in der deutschen Geflügelfleischerzeugung dürfte 2022 auch von den vielen Ausbrüchen der Geflügelpest beeinflusst worden sein. Das Virus wurde in viele Nutztierbestände eingeschleppt, was umfangreiche Keulungen zur Folge hatte. Zudem mussten zahlreiche Restriktionsgebiete mit strengen Verbringungsauflagen eingerichtet werden. age

Bender träumt von 100 Prozent Bio

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Für die Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium, Silvia Bender (Grüne), ist das Ziel von 30 % ökologisch bewirtschafteter Fläche bis 2030 nur der Beginn. „Für mich ist klar, 30 % Bio ist der erste Schritt zu irgendwann 100 % Bio“, sagte sie auf der Biofach in Nürnberg. Dennoch sei das im Koalitionsvertrag verankerte Bio-Ausbauziel kein Selbstläufer. Die Staatssekretärin räumte ein, dass es ambitioniert sei, aber aus ihrer Sicht machbar.

Es gebe im Moment viele, die das Bioziel der Ampelregierung anzweifelten und eine Revision verlangten, erklärte Bender. Aber es könne gelingen, wenn die Politik gemeinsam mit der Branche die Hürden beseitige, „die mehr Bio im Weg stehen“. Das sei das Ziel der Weiterentwicklung der „Zukunftsstrategie ökologischer Landbau“, erläuterte die Staatssekretärin. Das Neue sei, dass diese Strategie nicht nur auf das Berliner Agrarresort beschränkt bleibe, sondern eine Strategie der gesamten Bundesregierung werde.

Der erste Entwurf dieser „Strategie der Bundesregierung zur Stärkung der ökologischen Agrar- und Ernährungswirtschaft in Deutschland“ soll laut Ministeriumsangaben am 4. Mai bei der „BMEL-Nachhaltigkeitskonferenz“ vorgestellt werden. Im Sommer soll dieser dann dem Bundeskabinett vorgelegt werden.

Bender kündigte an, einige Maßnahmen würden bereits angestoßen, noch bevor der Weiterentwicklungsprozess abgeschlossen sei. Dazu zähle einerseits eine Informationskampagne für die Bevölkerung, die auf die vielen gesellschaftlichen Leistungen und Vorzüge von „Bio“ aufmerksam machen solle. Diese wird nach Aussage von Bender voraussichtlich in der Mitte oder im Herbst dieses Jahres starten. Darüber hinaus machte sie auf die Initiative zu mehr Bio in die Außer-Haus-Verpflegung aufmerksam. Hierzu hat am Mittwoch das Kabinett Änderungen beim Öko-Landbaugesetz (ÖLG) und Öko-Kennzeichengesetz (ÖkoKennzG) auf den Weg gebracht.

Bei der Weiterentwicklung der Zukunftsstrategie werden viele unterschiedliche Stakeholder beteiligt. Im Rahmen derselben Biofach-Veranstaltung präsentierten die beiden bereits bestehenden Kompetenzteams „Außer-Haus-Verpflegung (AHV)“ und „Bio-Wertschöpfungsketten (WSK)“ ihre bisher erarbeiteten Maßnahmenvorschläge. Zur AHV schlagen die 30 involvierten Teammitglieder unter anderem vor, einen verpflichtenden Bio-Anteil in Ausschreibungen der Betriebskantinen öffentlicher Einrichtungen einzuführen und die Kosten für die Bio-Zertifizierung für kleine Betriebe zu übernehmen.

Die insgesamt 26 WSK-Expertinnen und -Experten sehen unter anderem einen Bedarf für eine bundesweite virtuelle Akteurskarte für die Bio-Branche. Diese soll alle Akteurinnen und Akteure mit einer kurzen Beschreibung des jeweiligen Angebots sowie Kontaktdaten und geografischer Verortung aufführen. Zudem sollten nach Ansicht dieses Gremiums das Image des Handwerks verbessert und die Bildung entlang der Kette sowie die Kommunikationskompetenz ausgebaut werden.  age

Spekulationen um Bayer

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Neue Anteilseigner in Form von Hedgefonds könnten dem Arzneimittel- und Agrarriesen Bayer AG einige Kopfschmerzen bereiten. Der vor 160 Jahren gegründete Erfinder des Aspirins hatte zuletzt zu Jahresbeginn wieder viel Aufmerksamkeit von Investoren bekommen, die in Finanzkreisen als aktivistisch bezeichnet werden. Mitte Januar verkündete Jeff Ubbens Inclusive Capital Partners eine Beteiligung, ein größeres Aktienpaket hat ebenfalls Bluebell Capital Partners zusammengekauft. Und gleich wurde deutlich: Wer die Musik bezahlt, bestimmt, was sie spielt. Am 8. Februar hat Bayer bekannt gegeben, dass William N. Anderson mit Wirkung zum 1. Juni zum neuen Vorstandsvorsitzenden (CEO) bestellt ist. Anderson kommt vom Pharmakonzern Roche und wird bereits am 1. April die Nachfolge des derzeitigen Vorstandschefs Werner Baumann antreten, der Ende Mai ein Jahr früher in den Ruhestand geht. Die Fonds hatten schon im Vorfeld ihrer Investition nicht an Kritik gespart und Ambitionen hinsichtlich der Neubesetzung geäußert.

Baumann wird als Architekt des Monsanto-Deals in die Geschichte von Bayer eingehen. Das war die bis dahin größte Übernahme, die ein deutsches Unternehmen je gewagt hatte. Bayer zahlte 66 Mrd. US-$ (58,8 Mrd. €) für Monsanto. Damit setzte Baumann mit dem Saatgutgeschäft voll auf Genetik und Pflanzenschutz, die als Wachstumsmärkte identifiziert wurden. Bis 2050 müssten drei Milliarden Menschen mehr ernährt werden, und die weltweite Ackerfläche werde kleiner, war die Erklärung. Inzwischen hat Bayer durch verlorene Glyphosat-Prozesse in den USA weit mehr für die Übernahme bezahlt.

Auf der Hauptversammlung 2019 war Baumann als erster amtierender Vorstandschef eines Dax-Konzerns von den Aktionären nicht entlastet worden. Das einst wertvollste deutsche Dax-Unternehmen ist an der Börse nur noch rund 58 Mrd. € wert, und damit weniger, als es 2016 für Monsanto zahlte. Im vorigen Jahr liefen die Geschäfte gut, und Bayer wird 2022 mit einem Rekordgewinn von 13 Mrd. € abschließen, was einer Rekordrendite von 26 % entspricht. Dass dies an der Börse nicht honoriert wurde, zeigt den Vertrauensverlust. Denn die Aktien reagierten erst auf die Nachricht des Vorstandswechsels mit einem Kurssprung von mehr als 6 %.

Ob der wertmäßig geschrumpfte Agrar- und Chemie-Riese Bayer vor einer Aufspaltung steht, ist noch nicht sicher. Die Ambitionen einer Aufteilung in einen Pharma- und einen Agrarchemie-Konzern wurden von den aktivistischen Investoren bereits geäußert. Beide Geschäftseinheiten könnten grundsätzlich auch unabhängig voneinander existieren, sagen Analysten. Allerdings steige die Gefahr oder Möglichkeit einer Übernahme. Was die Entwicklung am Ende wirklich für die Agrarsparte bedeutet, muss man abwarten. Vielleicht ist es auch zu früh für eine Zerschlagung. Ein externer neuer CEO hat den Charme, unbelastet starten zu können.

Kampf gegen Bürokratie und Anbaualternativen

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Thomas Herkenrath, Präsident des Deutschen Kartoffelhandelsverbandes (DKHV), warnt davor, dass Kartoffeln knapp werden könnten für Handel und Verarbeiter. Die Vertreter der internationalen Kartoffelbranche tauschten sich auf dem 17. Internationalen Berliner Kartoffelabend über die aktuellen Marktanforderungen und politischen Entwicklungen aus, zu dem der DKHV am Vorabend der Fruit Logistica eingeladen hatte. Am 7. Februar diskutierten rund 450 Gäste aus 14 Ländern. Vertreter von über 150 Unternehmen und Institutionen nahmen an der Veranstaltung teil.

Die deutsche Kartoffelwirtschaft steht auch in Krisenzeiten für eine zuverlässige, nachhaltige Versorgung mit frischen Lebensmitteln. Das war die Botschaft von DKHV-Präsident Thomas Herkenrath bei der Eröffnung des Internationalen Kartoffelabends. Er unterstrich in seinem Eingangsstatement die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Branche. Das Kernprodukt der Branche, die Kartoffel, ist für ihn unschlagbar als preiswertes, sicheres und gesundes heimisches Lebensmittel, das zudem eine zentrale Rolle in der Ernährungsstrategie der Bundesregierung spielt.

Bürokratische Hürden belasten Unternehmen

Er richtete einen Appell an die Politik: „Bitte gefährden Sie dies nicht durch ständig weitersteigende Bürokratie und oftmals praxisfremde Überregulierung. Machen wir so weiter, gefährden wir den Produktionsstandort Deutschland und verfehlen unsere eigenen ehrgeizigen Produktionsziele.“ Für die Branche und den Verband forderte er ein Umdenken hin zu einheitlichen und nachvollziehbaren Regulierungen für die Kartoffelwirtschaft in ganz Europa. Er sprach auch die noch strikteren privatrechtlichen Forderungen des Lebensmitteleinzelhandels an, die zu den rechtlichen Vorgaben hinzukämen. Es gebe attraktive Alternativen für die Landwirte und Landwirtinnen, die immer öfter den Speisekartoffelanbau im eigenen Unternehmen kritisch prüften, gab Herkenrath zu ­bedenken.

Trotz bürokratischer Herausforderungen hat die Branche angesichts gestörter internationaler Lieferketten und der Folgen der Energiekrise ihre Leistungsfähigkeit bewiesen. „Der mittelständisch geprägte Kartoffelhandel hat in diesen Krisenzeiten seine enorme Flexibilität unter Beweis gestellt. Die Versorgung der Bevölkerung mit preiswerten Speisekartoffeln war zu jeder Zeit sichergestellt“, betonte Herkenrath.

Hocker: Wertschätzung sicherer Versorgung

Dr. Gero Hocker, landwirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, sprach sich dagegen aus, Unternehmen der Kartoffelwirtschaft noch stärker mit bürokratischen Auflagen zu belasten. Die Kartoffelbranche habe bereits viel unternommen, um den gesellschaftlichen Anforderungen an eine nachhaltige Produktion Rechnung zu tragen, sagte der Agrarpolitiker. „Wir brauchen Wertschätzung für die Arbeit derjenigen, die sich für eine sichere Versorgung mit Lebensmitteln einsetzen“, so Hocker. Die Politik müsse hier ihren Beitrag leisten, damit die Rahmenbedingungen auch künftig eine nachhaltige und für die Unternehmen tragfähige landwirtschaftliche Produktion sicherten, forderte Hocker.

pm/mbw

Verarbeitungskapazitäten und Rohstoffnachfrage steigen

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Die Kartoffelverarbeiter in Belgien, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden sind hungrig nach mehr Rohstoff, berichtete kürzlich die NEPG (North-Western European Potato Growers Foundation, Vereinigung der Nordwesteuropäischen Kartoffelerzeuger). Demnach werden im Verarbeitungszeitraum 2023-2024 mindestens 500.000 t Rohware mehr benötigt, weil die Verarbeitungskapazitäten ausgebaut wurden.

Foto: Imago

Die große Nachfrage hat bereits zu historisch hohen Vertragspreisen geführt, die um 30 bis 45 % gestiegen sind. Die NEPG weist darauf hin, dass die globale Erwärmung, die Zunahme von Umweltauflagen und die Struktur des Kartoffelanbaus mit auf Jahresbasis gepachteten Flächen den Kartoffelanbau riskanter und schwieriger machten.

Das höhere Preisniveau dürfte zu einer Flächenausdehnung führen. Die Kosten für die Pflanzgutproduktion sind gestiegen. Dies könnte zu einer geringeren Pflanzgutproduktion in der Saison 2023 führen. Der Pflanzgutsektor könnte mindestens 5.000 ha verlieren, was im Frühjahr 2024 zu Engpässen und höheren Preisen führen würde.         age

„Das Wichtigste sind Transparenz, Respekt und Loyalität“

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Das Ziel von Klaus-Peter Lucht sind zufriedene Bauern und Bäuerinnen in Schleswig-Holstein, die weiterhin Spaß an ihrem Beruf haben. Die Wahl zum Bauernverbandspräsidenten ist für ihn mit einer besonderen Verantwortung verbunden. Dialogbereitschaft in alle Richtungen steht auf seinem Programm – und die Vernetzung der Ehrenamtsmitglieder und ­Gremien zu fördern.

Herr Lucht, was ist der Unterschied zwischen Vizepräsident und Präsident des BVSH?

Klaus-Peter Lucht: Beide Ehrenämter machen irre viel Spaß. Als Vizepräsident unterstützt und entlastet man den Präsidenten bei vielen Aufgaben. Das Präsidentenamt hat nochmals andere Herausforderungen und steht unter anderen Vorzeichen. Die Verantwortung für die politische Gestaltung ist größer. Es stellt sich die Frage: Wie soll Landwirtschaft in Schleswig-Holstein aussehen auf dem Feld und in den Ställen? Gott sei Dank steht man nicht alleine da. Der enge Austausch und die kooperative Zusammenarbeit mit Präsidium und Landesvorstand sind der richtige Weg für mich. Zudem leisten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Hauptamt hervorragende Facharbeit.

Klaus-Peter Lucht Fotos: Ulrike Baer

Was macht der Präsident Klaus-Peter Lucht als Landwirt auf dem Hof?

Im Ehrenamt für den Bauernverband muss hauptsächlich mit dem Kopf gearbeitet werden, damit sich einiges bewegt. Als Landwirt melke ich nahezu täglich morgens die Kühe auf unserem Betrieb. Im Präsidentenamt besteht die Gefahr, dass man schnell die Bodenhaftung verliert, das verhindern± die Arbeit auf dem Betrieb, die Gespräche mit den Mitarbeitern und der Umgang mit den Tieren.

Das Präsidentenamt nimmt viel Zeit in Anspruch, das muss die Familie mittragen. Dafür bin ich vor allem meiner Frau Anke und unseren drei Kindern sehr dankbar. Mein ältester Sohn Sebastian hat Landwirtschaft gelernt und wurde nach dem Studium vor fünf Jahren Mitgesellschafter. Er verantwortet das tägliche Geschäft; den Ma­schinen-, Dünger- und Futtermitteleinkauf entscheiden wir gemeinsam. Für Verwaltungstätigkeiten und Dokumentation bin ich zuständig.

Am 10. Januar wurde gewählt. Wie haben Sie die Wahl empfunden, und welche persönlichen Ziele verbinden Sie mit Ihrer Wahl zum Präsidenten?

Ich hatte mit Heinrich Mougin einen starken und fairen Gegenkandidaten, den ich sehr schätze. Die Wahl wurde demokratisch in zwei Wahlgängen entschieden. Ich habe das große Glück, die Wahl knapp gewonnen zu haben. Daraus ergibt sich für mich eine besondere Verantwortung. Das ist mir bewusst. Ich sage das, weil für mich entscheidend ist, dass wir im Verband auf einem guten Weg sind, den Generationswechsel einzuleiten. Das haben wir in Teilen mit dieser Wahl geschafft. Auch wenn der Präsident älter ist als sein Herausforderer, ist der Landeshauptausschuss deutlich verjüngt. Von den 68 Mitgliedern im Landeshauptausschuss wurden 38 Bäuerinnen und Bauern zum ersten Mal in das Verbandsgremium gewählt und sind neu dabei. Es geht jetzt darum, die Erwartungen der jüngeren Generation stärker im Blick zu haben.

Genau mit diesen Erwartungen der jüngeren Generation werde ich zu Hause tagtäglich konfrontiert durch meinen Sohn und unseren täglichen Austausch, wohin die Reise in der Landwirtschaft und für unseren Betrieb geht. Es ist mir ein Anliegen, die jungen Mitglieder im Landeshauptausschuss gut zu vernetzen und mit Entscheidungsträgern aus den unterschiedlichsten Bereichen von Wirtschaft und Politik in Kontakt zu bringen, um ihnen den Prozess der politischen Willensbildung näherzubringen.

Seit dieser Wahl sind 35 Landwirtinnen in die Gremien des Bauernverbandes Schleswig-Holstein gewählt, die im Landeshauptausschuss sowie in den Kreishauptausschüssen vertreten sind …

Das ist für mich ein ganz wichtiger Schritt für den Verband. In den nächsten Wochen werden alle neu gewählten Unternehmerinnen eine Einladung von mir erhalten. Ich möchte mit ihnen ihre Einbindung im Verband besprechen und um ihre aktive Mitarbeit in den Fachausschüssen werben. Für eine erfolgreiche Verbandsarbeit brauchen wir die Expertise und die Meinungen der Landwirtinnen.

Ich werde meinem Vorstand vorschlagen, eine Unternehmerin aus unseren Gremien in den Landesvorstand zu kooptieren, und setzte auf Zustimmung. Wir sollten meines Erachtens nicht als reiner Männervorstand agieren.

Was erwarten Sie von einer Frau im Vorstand?

Es geht nicht um besondere Erwartungen, sondern um gute Erfahrungen, die ich in der Zusammenarbeit mit Frauen habe – angefangen auf dem Hof, dort sind meine Frau und ich gleichberechtigte Partner, als Ehepartner wie als Unternehmer. Als Kreisvorsitzender des Kreises Rendsburg-Eckernförde hatte ich mit der ersten Kreisgeschäftsführerin in Schleswig-Holstein, Rixa Kleinschmidt, eine sehr erfolgreiche Zusammenarbeit. Es ist ein fester Bestandteil meiner Erfahrung, dass gemischte Teams die besseren Ergebnisse herbeiführen. Deshalb habe ich auch die Vorstellung und den Anspruch, dass in jedem Ausschuss des Bauernverbandes eine Frau sein sollte, die von den Kreisen benannt oder als Gast gebeten wird. Der Punkt ist einfach, dass wir es uns nicht mehr leisten können, bei berufsständischen und politischen Diskussionen auf die Sicht der Frauen zu verzichten.

Was erwartet die neuen Amtsträgerinnen und Amtsträger beim Verband? Und was können sie von Ihnen erwarten?

Jede Amtsträgerin und jeder Amtsträger kann ein offenes Ohr von mir erwarten. Ich stehe immer für Fragen bereit, für neue Ideen und neue Wege. Was ich mir wünsche und erwarte, ist, dass die Ausschussmitglieder ihre Arbeit ernst nehmen, um unsere Landwirtschaft mit neuen Ideen voranzubringen. Das Wichtigste sind für mich Transparenz, Respekt und Loyalität, um auf dieser Grundlage gemeinsam Entscheidungen zu treffen. Wir werden als Landwirtinnen und Landwirte nur in der Mitte der Gesellschaft bleiben, wenn wir vertrauenswürdig sind, die Wünsche der Gesellschaft anhören und versuchen, Antworten zu geben. Mein grundsätzlicher Anspruch an die Agrarpolitik ist, dass wir mehr zu marktwirtschaftlichen Lösungen kommen und nicht beim Ordnungsrecht stehen bleiben.

Mechthilde Becker-Weigel, Chefredakteurin des Bauernblattes, und Klaus-Peter Lucht in der Diskussion

Die gesellschaftlichen und politischen Diskussionen um die Agrarwirtschaft haben deutlich an Fahrt aufgenommen. Muss man sich fragen, ob der Bauernverband demgegenüber eine träge Masse ist?

Nein, das sind wir gerade nicht! Wir sind schon deshalb keine träge Masse, weil wir es waren, die das Gespräch über Parteigrenzen und Organisationen hinweg im Dialogprozess angeschoben haben, und es hat sich gezeigt, dass es ein vernünftiger Weg war, gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

In den vergangenen Jahren wurden durch den Dialogprozess auf Bundes- und auf Landesebene Diskussionen initiiert, Verbündete gesucht und neue Partnerschaften eingegangen. Man kann heute nicht mehr sagen, dass eine bestimmte Partei auf der Seite der Bäuerinnen und Bauern steht. Denn Naturschutz und Klimapolitik gehen alle an. Vielmehr ist es so, dass für verschiedene Fragestellungen unterschiedliche Partner angesprochen werden, dazu zählen durchaus der Nabu oder der BUND, gerade wenn es um die Tierhaltung geht. Das hat sogar schon zu Verwirrungen geführt. Für eine artgerechte Tierhaltung stellt der Deutsche Tierschutzbund genau die gleichen Forderungen wie wir, und die Politik muss reagieren. Das sehen wir auch im Umweltbereich. So haben wir speziell für Schleswig-Holstein Niederungsbeiräte vorgeschlagen, wenn es um Niederungsstrategien und Moorschutz geht. Starke Befürworter dessen sind auch BUND und Nabu. Dass wir das geschafft haben, ist eine Leistung des aktiven Dialogprozesses der vergangenen Jahre.

Wir sind als Bauernverband keine träge Masse, sondern wir hinterfragen und sind reflektiert, und wir können das, was wir entscheiden, auch mit unseren Mitgliedern umsetzen.

Nach der Landtagswahl wurde aus dem schleswig-holsteinischen Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt ein Haus für die Landwirtschaft und eines für die Umwelt. Welche Herausforderungen bringt das Gespräch mit zwei Ministern?

Die neue Herausforderung ist tatsächlich, dass wir mit zwei Ministerien arbeiten. Ich hätte es lieber gesehen, wenn wir beides in einem Haus behalten hätten. Der große Vorteil besteht jetzt für mich darin, dass wir einen Agrarminister haben, der aus dem Berufsstand kommt. Werner Schwarz (CDU) hat als Agrarminister die große Aufgabe, das Ministerium mit jungen, dynamischen Fachleuten aufzubauen, die auch über die Legislaturperiode hinaus Agrarverwaltung und Agrarpolitik betreiben können. Mit einem eigenen Landwirtschaftsministerium wird der Position der Agrarwirtschaft wieder eine eigene Stimme gegeben. Das kann für die Landwirtschaft – für die nächsten zehn Jahre mindestens – ein großes Pfund sein, das wir pflegen müssen, auch wenn wir wahrscheinlich nicht in allen Positionen einer Meinung sind.

Welche großen Themen sehen Sie für den Verband?

In Schleswig-Holstein gibt es mehrere große Themen. Die Biodiversitätsstrategie, die das Land sich gegeben hat, bedeutet für die Landwirtschaft noch mehr Umweltauflagen und noch mehr Schutzgebiete, das Moor eingeschlossen. Der zweite Punkt ist der von Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) protegierte Nationalpark Ostsee. Bei einer Null-Nutzungszone in der Ostsee würde es darum gehen, an Land noch mehr Schutzgebiete einzurichten oder mit Minimierungsstrategien bei Düngung oder Pflanzenschutz zu arbeiten. Das sind für mich Megathemen, die wir in den kommenden fünf Jahren klären müssen. Beim Riesenthema Moorschutz geht es um produktionsintegrierte Lösungen für die Betriebe. Weiterer Flächenkauf durch die Stiftung und Stilllegung wären zu einfach und zu kurz gesprungen, denn wir dürfen die Landwirtschaft nicht isoliert betrachten, sondern müssen den gesamten ländlichen Raum im Auge behalten. Die Landwirtschaft in Schleswig-Holstein ist nun einmal ein wichtiger Wirtschaftsmotor.

Wir sollten auf den Gunststandorten unsere Möglichkeiten nutzen, Lebensmittel zu erzeugen, aber genauso Umwelt, Klima und Biodiversität zu produzieren. Dann haben wir eine Chance, in der gesellschaftlichen Diskussion dabei zu sein. Auf Bundesebene sind die Tierkennzeichnungsverordnung und die Haltungskennzeichnungsverordnung große Themen. Die Gefahr ist groß, dass wir an Wettbewerbsfähigkeit in der Tierhaltung gegenüber anderen Standorten in Europa verlieren. Ich spreche mich dafür aus, die Tierhaltungsgesetzgebung in einem europäischen Rahmen zu sehen. Auf EU-Ebene sind zudem die Farm-to-Fork-Strategie und das Naturschutzrecht große Herausforderungen, weil die politischen Anforderungen nicht wissenschaftlich fundiert sind, sondern einfach die Reduzierung von Pflanzenschutz, Düngung und Antibiotika fordern.

Haben Sie ein Motto für Ihre Präsidentschaft?

Ich sehe nach vorn und versuche, möglichst viele Menschen mitzunehmen. Ich hätte gerne zufriedene Bauern und Bäuerinnen in Schleswig-Holstein, die auch weiterhin Spaß an ihrem Beruf haben. Wenn ich dafür ein paar politische Zöpfe abschneiden kann, die uns zurzeit behindern, wie zum Beispiel im Vergaberecht, dann wären wir einen großen Schritt vorangekommen. Das ist mein Ziel. Aber was ich mir am meisten wünsche, ist endlich wieder Frieden in Europa!

Interview: mbw

So sehen Sieger aus

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Die Holsteiner waren zurück in den Holstenhallen: In Neumünster feierten die Züchter, Halter und Liebhaber die Junghengstkörung mit Auktion und die ­Verbandshengstpräsentation. ­Insgesamt bekamen 23 Vererber ein positives Körurteil, ­darunter fünf Prämienhengste und ein vom Publikum frenetisch ­gefeierter Siegerhengst ­namens Diamantado von Diamant de ­Semilly-Cayado.

„So sehen Sieger aus: Diaman­tado ist ein Hengst mit einem perfekten Körper, einem feinen Gesicht und ganz viel Hengstausdruck. Ein rundum gelungenes Zuchtprodukt“, fasste Zuchtleiter Stephan Haarhoff bei der Proklamation zusammen. Geboren wurde der Schimmel bei der Zuchtgemeinschaft Eggert und Schramm in Leezen, Kreis Segeberg. Für Jörg Schramm ist es bisher der größte Zuchterfolg. Er stellte zwar 2001 schon einmal in Elmshorn eine Siegerstute, „aber einen Siegerhengst zu züchten, bleibt wohl doch etwas Einmaliges“, so der Züchter.

Die Mutterstute El Cayada (Stamm 776) von Cayado stammt aus der Zucht von Inge Büch aus Struvenhütten, Kreis Segeberg, und ging mit einem Jahr in den Besitz der Zuchtgemeinschaft über. Dreijährig wurde sie bei der Elitestutenschau gut rangiert und hat inzwischen schon einige sehr gute Nachkommen hervorgebracht. „Das ist ein super Stamm“, schwärmt ihr Besitzer. „Tja, und dann musste es mal Diamant de Semilly sein“, verrät Schramm über die Anpaarung. Der Hengst, der zurzeit auf Platz zwei des Vererber-Rankings Springen des Weltzuchtverbandes für Sportpferde (WBFSH) steht, hatte sich sportlich erfolgreich und mit überzeugenden Nachkommen präsentiert. In Holstein hat er mit Diarado schon eine neue Hengstlinie begründet. „Das passte auch vom Typ und Gebäude gut zusammen“, meint Schramm.

Das Fohlen sei dann auch von Anfang an überragend gewesen: „Der Hengst ist einfach ein Ankommer“, freut er sich. Diamantado wurde Championatsfohlen und kam über die Auktion in Elmshorn in den Besitz von Wolfgang Zipperle aus Baden-Württemberg. Jörg Schramm verfolgte den Werdegang „seines“ Hengstes weiter und hielt immer Kontakt zu den Aufzüchtern. Der Hoffnungsträger wurde erst zu Gunnar Moor in Haselau, Kreis Pinneberg, gegeben und dann zu Roland Metzler in Seeth-Ekholt, Kreis Pinneberg. „Er ist einer der besten Vorbereiter bei uns“, freut sich Schramm über die Wahl.

Der Vorführer Roland Metzler (v. li.), die Züchter Sönke Eggert und Jörg Schramm, Letzterer mit Enkeltochter Janne Mike Römer, der erste Vorsitzende des Verbandes, Ulrich Steuber, der Besitzer Wolfgang Zipperle, Deike Ahsbahs aus der Körkommission und Maximilian Slawinski vom Verband freuten sich über den neuen Sieger. Foto: Christian Beeck

Obwohl sich der Schimmel von Anfang an gut präsentierte und auch beim Publikum schnell zum Liebling wurde, kann Schramm den Erfolg noch gar nicht so recht fassen. „Das macht schon was mit einem“, verrät er.

Fünf neue Prämienhengste im Lot

Der erste Reservesieger kommt aus dem Stall der Holsteiner Verband Hengsthaltungs GmbH. Union City von United Way-Connor wurde von Stephan Haarhoff für seine drei überdurchschnittlichen Grundgangarten und „viel Gummi“ gelobt. Darüber hinaus bescheinigte er dem groß gewachsenen Dreijährigen grenzenloses Vermögen und eine sehr gute Perspektive. Alf Bartholomäus aus Klein Offenseth, Kreis Pinneberg, zeichnet züchterisch für den Vertreter des Stamms 18A2 verantwortlich.

Aus der Zucht von Sven Völz aus Niedersachsen stammt der zweite Reservesieger: Cornet Superstar. Der Sohn des Cornet’s Quaprice-Quick Star aus dem Stamm 730B wurde von Haarhoff als „kompakter Sportler mit einer sehr guten Oberlinie, schnellen Reflexen und viel Vermögen“ bezeichnet. Der mit 162 cm eher kleine Schimmel sei „klein, aber fein“ und wurde für 57.000 € nach Sachsen-Anhalt verkauft.

Die weiteren Prämienhengste blieben unrangiert. Dinello, ein Dinken-Sohn aus einer Corrado I-Mutter, fiel als sehr hochbeiniger Hengst auf. „Er ist sehr korrekt aufgemacht und konnte in der Bewegung mit viel Kadenz im Trab überzeugen“, sagte Haarhoff. Er stammt aus der Zucht der Witt Pferdezucht GbR aus Wellinghusen, Kreis Dithmarschen, und wurde über die Auktion für 117.000 € dem Stall Hendrix in den Niederlanden zugeschlagen. Der fünfte Prämienhengst war Quel Mexx von Quel Homme de Hus aus der Zucht von Thomas Horns aus Bredenbekshorst, Kreis Segeberg. Ausgestellt wurde der laut Haarhoff „sehr komplette, typstarke Hengst“ von Familie Rödl aus Bayern.

Im Anschluss an die Proklamation des Siegerhengstes betrat Hendrik Schulze-Rückamp das Auktionatorenpult. Diamantado wurde bei der Auktion als Erster für 260.000 € zugeschlagen, aber wieder zurückgekauft. Nach Diamantado war es der gekörte Colcannon II, der mit 120.000 € den zweithöchsten Preis erzielte. Der Cornet Obolensky-Contender-Sohn aus der Zucht von Dr. Steven Passmann aus den USA wurde von seinem Züchter und Timm Peters aus Bargenstedt, Kreis Dithmarschen, ausgestellt und an Stammkunden aus Südafrika verauktioniert. Für 117.000 € wechselte außerdem der Prämienhengst Dinello von Dinken-Corrado I (Stamm 741) von der Witt Pferdezucht GbR den Besitzer. Im Schnitt legten die Kunden aus Deutschland, Südafrika, Italien, Ungarn und Belgien rund 47.000 € für die Pferde an.

Der erste Reservesieger, Union City von United Way-Connor, gehört der Holsteiner Verband Hengsthaltungs GmbH und wurde von Alf Bartholomäus aus Klein Offenseth, Kreis Pinneberg, gezüchtet. Foto: Christian Beeck

Nicht der Jahrhundertjahrgang

Als Berichterstatterin hatte der Verband Dr. Astrid von Velsen-Zerweck gewonnen. Die promovierte Agrarwissenschaftlerin und Landoberstallmeisterin im Haupt- und Landgestüt Marbach ist selbst lange aktiv geritten. „Eine Frau, die alles vereint, Zucht, Sport und Wissenschaft“, stellte Stephan Haarhoff sie vor. Es sei ihr eine große Ehre und Freude, sie kenne die Halle gut und sei von Kindesbeinen an hier unterwegs gewesen. Nach wie vor schätze sie die idealen Bedingungen hier, begann von Velsen-Zerweck ihren Bericht. Auch sie kam natürlich nicht umhin, die Terminverlegung zu erwähnen, die durch die neuen Leitlinien nötig geworden war. „Es ist gut, dass wir unseren Pferden mehr Zeit geben“, befand sie.

Auch sei ihres Wissens nach auf alle Eingaben des Veterinäramtes eingegangen worden. Lobend erwähnte sie, dass die Hengste am Mittwoch schon die Freispringgasse kennenlernen durften und Alexandra Bitter und ihr junges Team so fein auf jedes Pferd reagiert hätten. Auch die „ganz ehrliche“ Dreiecksbahn für die Pflastermusterung und dass die Körkommission auf ein gutes Fundament geachtet habe, fand ihre Zustimmung.

Eventuell sei der eine oder andere Hengst aber in der Vorauswahl nicht so genau ins Auge genommen worden, denn einige hätten nicht so gut gestanden. Es habe auch Beispiele für Übervorbereitung gegeben, dies sei aber eindeutig nicht gewünscht und auch nicht dem Körurteil zuträglich gewesen. „Überdenken sollte man mal das Freispringen“, empfahl die Fachfrau. Andere Verbände erzielten damit gute Ergebnisse, auf dem Weg in die Gasse auf das Führen zu verzichten und das Freispringen aus dem Freilaufen heraus ablaufen zu lassen. Mitunter sei das Freispringen etwas langatmig gewesen. „Ein strafferer Ablauf würde auch zu mehr Ruhe auf den Rängen führen“, war ihre Meinung.

Insgesamt sei es nicht der Jahrhundertjahrgang gewesen, aber doch eine Generation junger Vererber mit interessanten Blutlinien. Und: „Es gab tolle Springhengste.“ Abschließend appellierte sie noch einmal an „uns Pferdeleute“, die richtigen Werte vorzuleben: „Für die gesellschaftliche Akzeptanz des Reitsportes tragen wir alle zusammen die Verantwortung.“

Nach seinem Resümee zur ersten Holsteiner Woche gefragt, zeigte sich Ulrich Steuber, der erste Vorsitzende des Holsteiner Verbandes, zufrieden. „Es war ein toller Ablauf und die Atmosphäre entspricht dem, was wir uns vorgestellt haben. Die Pferde haben uns tatkräftig unterstützt“, befand er. Auch dass die Körung ohne „Ablenkung durch eine Reitpferdeauktion“ dastehe, gefiel ihm.

Stephan Haarhoff sagte abschließend, es gebe natürlich kleine Stellschrauben zu drehen, beispielsweise beim Freispringen, aber es sei alles ohne Zwischenfälle verlaufen. Mit dem Jahrgang 2020 zeigte er sich „erst mal ganz zufrieden. Wir hatten tolle Pferde mit einer großen genetischen Vielfalt.“ Allerdings sei auch streng ausgewählt worden: „Von 63 Hengsten nur 23 gekört – es gibt kaum einen anderen Körplatz, auf dem so scharf selektiert wird. Das ist aber der richtige Weg.“ 

Züchter des Jahres: Gerd Ohlsen

Zum Züchter des Jahres wurde in diesem Jahr Gerd Ohlsen gekürt. Aktuell sind es die außergewöhnlichen Erfolge seines Pferdes Caillan, die die internationale Springsportszene über den Mann von der Nordseeinsel Föhr sprechen lassen. Die drei wichtigsten Titel, die ein siebenjähriges Springpferd gewinnen kann, hat der Casall-Sohn im Jahr 2022 erreicht: Sowohl das Landes- als auch das Bundeschampionat sicherte sich Caillan und bei der Weltmeisterschaft im belgischen Lanaken setzte er seiner noch jungen Karriere mit dem Titelgewinn die Krone auf.

Gerd Ohlsen wurde in Neumünster als Züchter des Jahres ausgezeichnet. Foto: Janne Bugtrup

Sein Sportpartner dabei ist der Schwede Rolf-Göran Bengtsson. „Caillan ist eine der großen Nachwuchshoffnungen in meinem Stall. Wenn es darauf ankommt, ist er 100-prozentig fokussiert und leistungsbereit. Das erinnert mich sehr an seinen Vater Casall“, beschreibt Bengtsson den Wallach. Doch es sind nicht nur die Erfolge von Caillan, die mit Gerd Ohlsens Zucht in Verbindung gebracht werden. Einer seiner bisher größten Erfolge gelang ihm anlässlich der Körung 2012, als Quvee Prestige von Quidam de Revel als Siegerhengst die Holstenhallen verließ. Auch bei der diesjährigen Körung stellte Ohlsen mit Braeden von Balou du Rouet aus einer Mutter von Quvee Prestige einen gekörten Hengst.

Aber nicht nur Hengste, sondern auch international erfolgreiche Springpferde wurden in Oevenum auf Föhr geboren, wie unter anderem der Weltcup-Teilnehmer Pikeur Dylon von Diamant de Semilly (Markus Brinkmann), das 1,60-m-Springpferd Deleyn von Larimar (Sofia Cady/USA) oder der gekörte Hengst Queno von Quidam de Revel. pm