Eine Umsetzung der vom Bundeslandwirtschaftsministerium angestrebten Vorgaben für die Ausgestaltung von Milchlieferbeziehungen würde für Erzeuger und Meiereien Nachteile mit sich bringen. Das Ziel, die Landwirte in der Wertschöpfungskette zu stärken, würde nicht erreicht. Das geht aus einer Studie hervor, die das Kieler Institut für Ernährungswirtschaft (ife) gemeinsam mit dem Fachbereich Agrarwirtschaft der Fachhochschule Kiel vorgelegt hat.
Den Studienergebnissen zufolge sind Festpreismodelle für die Milcherzeuger mit erheblichen Kostenrisiken verbunden. Eine Besserstellung am Markt wird nicht erreicht. Auf der Seite der Meiereien droht ein verstärkter Strukturwandel. Die Wissenschaftler sehen kein Marktversagen, das einen staatlichen Eingriff in die Vertragsbeziehungen rechtfertigt.
„Die Pläne zur nationalen Umsetzung des Artikels 148 der Gemeinsamen Marktorganisation müssen endgültig vom Tisch“, fordert der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), Jörg Migende. Die Studie zeige eindeutig, dass die Anwendung von Artikel 148 die gesamte Wertschöpfungskette Milch und insbesondere auch die Erzeugerinnen und Erzeuger schwächen statt stärken würde, so Migende.
Eine zentrale Erkenntnis der Studie ist, dass Festpreisangebote, die auf Prognosen über die zukünftigen Milchpreise und nicht auf börsenbasierten Preisabsicherungsgeschäften beruhen, zwingend einen Preisabschlag gegenüber den erwarteten Milchpreisen notwendig machen. In einer Simulationsrechnung für das Jahr 2024 mit einem erwarteten Milchpreis von 42 ct/kg müsse den Wissenschaftlern zufolge aufgrund hoher Unsicherheit ein Risikoabschlag von 7 ct berücksichtigt werden.
Wird der erwartete Milchpreis später tatsächlich erzielt, wird der Betrag nach Ablauf der Festpreisperiode zwar nachgezahlt. „Laut unserer Analyse könnten diese Nachzahlungen in Deutschland insgesamt etwa 881 Millionen Euro betragen“, erklärte Prof. Torben Tiedemann von der FH Kiel. Zudem könnten auf die Milcherzeuger durch den Preisabschlag zusätzliche Zinskosten von rund 24 Mio. € zukommen. Der effektive Milchpreis würde also weiter sinken.
Preisabschläge erfolgen auch bei Festpreisangeboten auf der Basis von Termingeschäften. Wenn Festpreise für 80 % der Anlieferungsmenge angeboten werden sollen, liegen die Absicherungskosten für die Branche den Autoren zufolge im Mittel bei bis zu 100 Mio. €. Diese Kosten dürften sich in der Regel in geringeren Grundpreisen für die Rohmilch niederschlagen.
„Die Konsumentinnen und Konsumenten sind sehr preissensibel und akzeptieren Preisaufschläge nur in geringem Maß, selbst bei mehr Tierwohl“, erläuterte ife-Direktor Prof. Holger Thiele. Er erwartet daher, dass die höheren Kosten zu niedrigeren Grundpreisen für die Rohmilch führen. Nach Thieles Einschätzung könnte die Neuregelung einen Strukturwandel bei den Meiereien verstärken. Besonders kleinere und abgelegene Betriebe, die auf solidarische Genossenschaftsmodelle angewiesen seien, könnten durch individuelle Festpreise benachteiligt werden. „Auf Basis unserer bisherigen Ergebnisse plädieren wir dafür, von umfangreichen Verpflichtungen zu Festpreisverträgen mit festen Liefermengen Abstand zu nehmen und stattdessen marktorientierte Eigenlösungen im Risikomanagement zu fördern“, so Thiele. Seine Empfehlung an die Politik ist, auf bereits bewährte Preissicherungssysteme zurückzugreifen und diese finanziell zu unterstützen.
Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) kritisierte die Studie. Die Argumentation der Professoren zeige, dass an einer kompletten Verlagerung des Marktrisikos auf die Milchviehhalter festgehalten werden solle. Die schleswig-holsteinische Milchbäuerin und BDM-Vorständin Ursula Trede fragt sich: „Will man uns hier vormachen, dass Preisabsicherungssysteme uns Bäuerinnen und Bauern nichts kosten?“ Nur bei einer Umsetzung des Artikels 148 müssten sich laut BDM die Marktbeteiligten gemeinsam mit der Marktentwicklung befassen, um keine wirtschaftlichen Fehler zu machen. age, pm