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Das „Spiel“ beginnt von Neuem

Auch wenn das Jahr 2022 noch nicht zu Ende ist und es bisher mit vielen unliebsamen Überraschungen aufwartete, das kommende Jahr wirft dennoch ersten Schatten voraus. Alle Landwirte, die im Herbst 2021 Vorkontrakte abgeschlossen hatten – sei es auf Diesel, Kraftfutter oder Dünger –, hatten in diesem Jahr permanent ein leichtes Lächeln im Gesicht. Sollten sie also angesichts der zu erwartenden Entwicklung neue Vorkontrakte abschließen?

Hohe Verkaufspreise für Getreide, Raps und Milch, gepaart mit niedrigen Kosten bezüglich der eingesetzten Betriebsmittel – die Kalkulation ging auf. Aber nun laufen sukzessiv die Kontrakte aus, und es stellt sich die Frage: Was tun? Zurzeit werden nur sehr zögernd Kontrakte für das kommende Jahr vereinbart.

Düngemittel haben sich alle bis auf Kalk um mindestens das Dreifache verteuert (siehe Abbildung 1), für Kraftfutter (siehe Abbildung 2) liegt der Aufschlag bei etwa 50 %, und auch die Dieselpreise liegen deutlich über Vorjahresniveau. Der erste Impuls ist somit, bei solch einem Niveau keine Vorkontrakte zu zeichnen. Es stellt sich jedoch die Frage: Was spricht dafür, dass die Preise fallen, und was spricht dafür, dass eine weitere Preissteigerung zu erwarten ist?

Für Kraftfutter Vorkontrakte abschließen?

Die Preise für Kraftfutter werden bestimmt vom Angebot an Rohware und der Nachfrage nach Kraftfutter. Die Preise für Rohware – Futtergerste und Futterweizen – sind mittlerweile weit von ihren Höchstständen entfernt. Zurzeit zeigt der Trend nach unten. Der Preisverfall hängt sicherlich wesentlich vom Ukraine-Krieg und seinem weiteren Verlauf ab. Die Ukraine und Russland haben sich auf dem Papier auf einen Getreidekorridor geeinigt. Demnach könnten die Lagerbestände in der Ukraine – es ist die Rede von 30 Mio. t – nun abfließen. Die neue Ernte ist in diesen Zahlen noch nicht eingerechnet. Die Lagerräumung würde somit zu weiterem Preisverfall führen.

Für eine Preisabschwächung sprechen zudem:

• die zum Teil drastische Reduzierung der Tierbestände in Teilen Europas,
• eine weltweit geringere Nachfrage bei hohen Preisen und
• eine zunehmende Intensität des Anbaus bei hohen Preisen.

Für eine Preisstabilisierung spricht jedoch die nicht vorhersehbare Kriegsentwicklung. Wie umfangreich wird die Herbstaussaat sein? Mit welcher Intensität werden die Felder bewirtschaftet, da nicht alle Produktionsmittel in der Ukraine überall verfügbar sind? Ist die Ukraine erst der Anfang einer russischen Imperialismusstrategie? Wie werden sich der Klimawandel beziehungsweise die augenblicklich in vielen Teilen der Erde vorherrschende Dürre auf die jetzigen Erträge und die des kommenden Jahres auswirken?

In diesem Fall ist eine Prognose gleichzusetzen mit einem Blick in die Glaskugel. Dennoch wird einem weiteren Preisverfall an dieser Stelle eine hohe Wahrscheinlichkeit eingeräumt.


Folglich ist die Empfehlung: Abwarten, den Markt, das Wetter (weltweit) und die politische Lage beobachten und vorerst keine Vorkontrakte für Kraftfutter zeichnen.

Die Düngerpreise sind stark gestiegen. Aussicht auf einen sub­stan­ziellen Preisverfall bei Düngemitteln ist wohl eher nicht vorhanden. Foto: Peter Lausen

Für Dünger Vorkontrakte abschließen?

Schossen die Preise für Kraftfutter schon in die Höhe, so explodierten die Preise auf dem Düngermarkt regelrecht. Allerdings zeigt sich auch hier, dass es zu einer Konsolidierung gekommen ist, zum Teil sind die Preise schon rückläufig (zum Beispiel KAS und NHL). Auch der Düngermarkt wird zu einem erheblichen Teil vom Ukraine-Krieg determiniert, daneben jedoch auch vom Öl- und Gaspreis und auch vom Preis für Marktfrüchte. Generell gilt – das zeigte die Vergangenheit: Je höher die Preise der Marktfrüchte, desto höher war auch der Düngerpreis.

Wesentliche Einflussfaktoren sind aber die Öl- und Gaspreise. Der Rohölpreis bewegt sich: Von den Höchstpreisen im März liegt dieser jetzt schon 30 US-$/bbl entfernt bei um die 100 US-$/bbl. Russisches Öl wird darauf mit einem Abschlag von zirka 30 US-$/bbl gehandelt. Hinzu kommt aber die ausgewiesene Schwäche des Euro gegenüber dem Dollar, welche die hiesigen Energiepreise verteuert. Auf absehbare Zeit werden die Energiepreise somit um ein hohes Niveau schwanken, mit einer fundamentalen Änderung kann nicht gerechnet werden. Aussichten auf einen substanziellen Preisverfall bei Düngemitteln sind nicht vorhanden. Erschwerend kommt hinzu, dass aufgrund eines möglichen Gaslieferstopps vonseiten Russlands die Produktion von Düngemitteln zum Teil zum Erliegen kommen könnte. Freie Ware am Markt wäre somit „nicht“ vorhanden, da die Händler als Erstes die Kontrakte glattstellen müssten.

Die Empfehlung für Dünger lautet folglich: Sollte der Handel Vorkontrakte für Raps, Weizen oder Gerste auf einem hohen Preisniveau für das kommende Jahr anbieten, sollten – trotz hoher Preise – Düngemittelvorkontrakte über zumindest den überwiegenden Bedarf abgeschlossen werden, um eine ansprechende Ernte verwirklichen zu können und um der Sicherheit willen, vom Handel bedient oder zumindest als Erstes bedient zu werden.

Für Diesel Vorkontrakte abschließen?

Der Dieselpreis ist in den vergangenen Wochen wieder deutlich gesunken, zum Teil auf etwa 1,80 €/l. Allerdings gilt es zu bedenken, dass dieser Preis noch durch Reduzierung der Energiesteuer um 14 ct/l „künstlich“ reduziert wird. Diese Regelung läuft allerdings am 31. August 2022 aus, und es ist zurzeit auch keine Verlängerung der Maßnahme abzusehen. Folglich ist es Gebot der Stunde, Ende August alle physisch vorhandenen Tanklager zu füllen und dann erst einmal die weitere Entwicklung abzuwarten. Ende Juli wurden auch noch keine Vorkontrakte für das Jahr 2023 vom Handel angeboten, der Kontraktpreis für den Rest des Jahres 2022 lag laut Auskunft eines größeren Händlers in Schleswig-Holstein bei 2,09 €/l inklusive Mehrwertsteuer.


Die Empfehlung für Diesel lautet somit: Abwarten. Allerdings ist der Dieselpreis nicht der entscheidende Kostenfaktor im Ackerbau. Geht man von 90 l Diesel pro Hekt­ar aus, ist der Kostentreiber schon deutlich, gegenüber der Verteuerung von Dünger aber überschaubar.

Fazit

Hält man sich an den berühmten Schriftsteller Mark Twain, der sagte: „Voraussagen sollte man unbedingt vermeiden, besonders solche über die Zukunft“, dann wäre der Artikel überflüssig. Doch das Abschließen von Kontrakten hat immer etwas mit der persönlichen Risikoeinstellung und auch mit den finanziellen Ressourcen des Betriebes zu tun. Je enger diese sind, desto eher sollte der sichere, planbare Weg beschritten werden. Entscheidend ist es somit, sich Gedanken über Vorkontrakte zu machen und das Für und Wider abzuwägen, um dann zu einer Entscheidung zu kommen.

Klaus-Peter Lucht ist Präsident

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Nach dem Ausscheiden von Werner Schwarz, der in der neuen Kieler Landesregierung das Landwirtschaftsministerium übernommen hat, hat der Landeshauptausschuss des Bauernverbandes Schleswig-Holstein heute (16. August) Klaus-Peter Lucht aus Mörel, Kreis Rendsburg-Eckernförde, den bisherigen Vizepräsidenten des Verbandes, zum Präsidenten gewählt. 

Auf die dadurch freigewordene Position des ersten Vizepräsidenten wählte das höchste Gremium des Verbandes das bisherige Vorstandsmitglied Ludwig Hirschberg aus Perdoel, Kreis Plön. 

Neu in den Vorstand kommt Sönke Holling aus Osterstedt, Kreis Rendsburg-Eckernförde. Damit ist der neunköpfige Vorstand wieder vervollständigt bis zu den turnusmäßigen Verbandswahlen, die im Herbst auf Orts- und Kreisebene beginnen und im Januar mit der Neuwahl des Vorstandes enden. BVSH

Ludwig Hirschberg
Sönke Holling

Ein Naeve kommt selten allein

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In Bad Segeberg ging es nicht nur um die Landesmeisterschaften von Schleswig-Holstein und Hamburg in Dressur und Springen, auch die Landeschampionate der Reitpferde sowie die Fohlenchampionate der Trakehner und des Holsteiner Verbandes wurden im Rahmen des Landesturniers ausgetragen. Die Veranstaltung war wieder ein beliebter Schauplatz für alle Pferdezuchtinteressierten.

Die Landesmeisterschaften der Springreiter aus Schleswig-Holstein und Hamburg boten gleich am ersten Tag ein „Familienduell” in der ersten Wertung der großen Tour. Sieger der Auftaktprüfung wurde Robin Naeve aus Ehlersdorf, Kreis Rendsburg-Eckernförde, mit der Holsteiner Stute Casalia R. Der 24-Jährige ließ mit seinem Sieg sowohl seinen zweitplatzierten Onkel, Volkert Naeve mit der Oldenburger Stute Hubba Bubba, als auch seinen Vater, Jörg Naeve mit dem Deutschen Sportpferd Benur du Romet, hinter sich. Alle drei hatten fehlerfreie Runden geliefert, aber Robin war einfach am schnellsten. Vor Jörg Naeve reihte sich noch Peter Jakob Thomsen auf Platz drei ein.

In der zweiten Wertungsprüfung lief es ebenfalls gut für die Herren: Diesmal siegte Jörg vor Robin und dem drittplatzierten Volkert Naeve. Vor dem abschließenden S***-Springen mit Stechen sagte Jörg Naeve: „Wir wissen alle, dass das nicht leicht wird. Wenn ich mir was wünschen dürfte, dann, dass einer von uns den Großen Preis gewinnt und einer Landesmeister wird.” Doch um diesen Plan umzusetzen, hätte er am Sonntag nicht siegen dürfen. Nur die Naeves schafften es ins Stechen und am Ende wurde Jörg Naeve sowohl im Großen Preis als auch in den Landesmeisterschaften zum Sieger gekürt. Silber ging an Robin und Bronze an Volkert.

„Zu Hause haben sie mich geärgert und seit zwei Wochen Schnecke genannt”, erzählte Jörg Naeve schmunzelnd. Darum habe er sich dann „angestrengt”. Der Konter von Bruder Volkert kam prompt: „Das ist Jörg zu gönnen, er geht ja bald auch mal in den Ruhestand.” Doch daran ist noch lange nicht zu denken.

Spannung in der Damenwertung

Bei den Damen gestalteten sich die Platzierungen etwas abwechslungsreicher. Mit einem Doppel­erfolg startete Laura Jane Hackbarth ins Turnier. Die gebürtige Schleswig-Holsteinerin trat mit der 17-jährigen Carisma und dem neunjährigen My Mister an und belegte in der ersten Wertung die Plätze eins und zwei. Hackbarth hat LM-Routine: Sie war die erste Frau, die in Bad Segeberg die Landesmeisterschaften (LM) in der großen Tour gewinnen konnte. Das war 2014 mit Tequila Sunrise, als die LM erstmals nicht nur nach Herren und Damen getrennt ausgeschrieben wurde.

In der zweiten Wertungsprüfung kam Hackbarth mit dem Holsteiner Schimmelhengst My Mister auf den zweiten Platz, für Carisma gab es vier Fehler und Platz neun. Nele Kortsch aus Schulendorf, Kreis Herzogtum Lauenburg, die sich in der ersten Wertung noch mit dem dritten Platz hinter Hackbarth zufriedengeben musste, holte sich mit dem Oldenburger Wallach Cumberland AS den Sieg in dem Springen der Klasse S*.

Für beide Reiterinnen lief die dritte Wertungsprüfung dann gar nicht gut: Hackbarth sammelte zehn Strafpunkte und war nicht einmal platziert, Kortsch schied aus. Marieke Reimers vom Reit- und Fahrverein Nutteln und Umgebung, Kreis Steinburg, holte sich vor Miriam Schneider und der Schwedin Sofie Svensson den Sieg. Letztere wohnt in Grönwohld, Kreis Stormarn, und wurde am Ende mit Falika VA Landesmeisterin der Damen. Auf den zweiten Platz kam Marieke Reimers mit dem Holsteiner Wallach Caradosso. Bronze ging mit nur 0,1 Punkten Abstand an Jaqueline Reese. Sie saß im Sattel von Flora, einer braunen Holsteiner Stute.

Titelverteidigung im Viereck geglückt

Die Stute Quibelle ist ein routiniertes Dressurpferd und bescherte ihrem Reiter Felix Kneese in der ersten Wertung der Landesmeisterschaften Dressur einen Sieg. Das war nicht überraschend: Kneese und seine Pferdedame waren Titelverteidiger.

Felix Kneese aus Appen, Kreis Pinneberg, konnte im Sattel der Stute Quibelle seinen Titel als Landesmeister in der Dressur verteidigen. Foto: Tierfotografie Huber

Während die Naeves Sieg und Platz unter sich aufteilten, landete Pferdewirtschaftsmeister Kneese aus Appen, Kreis Pinneberg, einen Erfolg nach dem anderen: Mit dem zwölfjährigen San Simeon belegte der Dressurreiter auch Rang zwei in der ersten Wertung, gewann den Grand Prix de Dressage am Sonnabend mit Quibelle und holte Platz zwei mit San Simeon. Die Oldenburger Stute Quibelle war am Sonntag noch in bester Form und entschied auch die dritte Wertung für sich. Damit war dem Paar der Landesmeistertitel in der Dressur nicht mehr zu nehmen.

Aufholen konnte die Landesmeisterin von 2020, Ninja Rathjens aus Barmstedt, Kreis Pinneberg, mit ihrem Hannoveraner Wallach Emilio. Sie sicherte sich in der Kür Rang zwei und damit auch Silber in der Landesmeisterschaft vor Susanne Krohn aus Dätgen, Kreis Rendsburg-Eckernförde, mit dem Hannoveraner Titolas. Der Hengst ist ein Sohn des legendären Totilas.

Noch vor Kneese freute sich Christina Ellendt aus Heikendorf, Kreis Plön, über den Sieg im Landeschampionat der Reitpferde mit dem vierjährigen Robby Brown. Das Bewegungstalent kassierte Topnoten wie eine 9,5 für den Galopp und gewann mit der Note 8,8. „Er ist ein ganz tolles Pferd”, schwärmte die Reiterin. Nächstes Ziel: das Bundeschampionat im westfälischen Warendorf. Robby Brown stammt aus der Zucht der Familie Ellerbrock aus Kayhude, Kreis Segeberg.

Bei den dreijährigen Reitpferden gewann Nicole Vater vom Reit- und Fahrverein Schlamersdorf und Umgebung, Kreis Segeberg, mit Don Boniro, einem Hannoveraner von Don Martillo aus einer Bonifatius-Mutter, mit der Gesamtnote 8,3.

Viele Nachwuchsreiter am Start

Anlass zu Optimismus gaben die Starterfelder im Nachwuchsbereich, von der Altersklasse Children bis zu den Jungen Reitern. In den einzelnen Prüfungen gingen 15 bis 20 Paare an den Start, obwohl viele der erfolgreichen Europameisterschaftsreiter nicht dabei waren. Eine hatte sich anscheinend gut erholt: Vieca Sofie Bade aus Braderup, Kreis Nordfriesland, die gerade erst Mannschaftseuropameisterin der Children geworden war, holte sich mit ihrer Hannoveraner Stute Chades of Grey den Titel bei den Landesmeisterschaften der Children im Springen.

Bei den Junioren setzte sich Fynn Jesse Hess durch. Auf Centurano blieb er allerdings lediglich in der dritten Wertung fehlerfrei, holte sich damit aber den Titel. Auch bei den Jungen Reitern blieb kein Konto fehlerfrei. Mit nur vier Punkten siegte Janne Ritters auf Dithmarsia. Sie war auch die Erste, die sich am Sonntag den Titel holte und prompt im Wassergraben landete. Zu den Traditionen des Landesturniers zählt nämlich das Bad im kühlen Nass.

Dithmarsia stammt aus der familieneigenen Zucht, die dank der Olympiasieger Classic Touch und Marius berühmt ist. „Mein Papa hat sie geritten und ich habe sie dann übernommen”, sagte die neue Landesmeisterin. „Sie war ein klein wenig schwierig, sehr sensibel, aber ich habe herausgefunden, wie sie sich wohlfühlt: Viel auf der Wiese reiten und nicht zu viel Dressurarbeit, das hält sie bei Laune”, verriet Ritters mit verschmitztem Lächeln.

Im Viereck wurde Carl-Philip von Ludowig Landesmeister der Children. Das Mitglied des Fehmarnschen Ringreitervereins saß im Sattel von First Mandalore. Die neue Landesmeisterin der Junioren heißt Janne Marie David. Im Sattel von DeeJay holte sie den Sieg. Caroline Locklair wurde Landesmeisterin der Jungen Reiter. Sie hatte im Sattel des Holsteiner Wallachs Consus die zweite und dritte Wertung gewonnen. Silber ging an Franziska Haase, die mit De Nino die erste Wertungsprüfung für sich entschieden hatte.

Zweiter Teil folgt im September

Eingebettet in das sportliche Programm waren auch zwei Fohlenchampionate. Der Trakehner-Zuchtbezirk Schleswig-Holstein/Hamburg machte am Sonnabend den Anfang. Bei den Hengsten siegte ein Sohn des United Affair aus einer Kasparow-Mutter. Er stammt aus der Zucht von Dr. Dörte Foulmann. Bei den Stuten stellte sich eine Tochter des Blanc Pain-Elfado aus der Zucht von Hans-Wilhelm Bunte aus Hoffeld, Kreis Rendsburg-Eckernförde, als Beste heraus.

Bei den Trakehner Stuten siegte eine Tochter des Blanc Pain aus der Zucht von Hans-Wilhelm Bunte aus Hoffeld, Kreis Rendsburg-Eckernförde. Foto: Sigrun Wiecha

Am Sonntag gehörte der Platz dann den Holsteinern. Erstmals wurden hier drei Champions ermittelt. In der Abteilung der Stutfohlen freute sich Timm Peters aus Bargenstedt, Kreis Dithmarschen, über den Sieg der von ihm gezogenen Tochter des Cornet Obolensky-Colman. Die Klasse der Hengstfohlen wurde angeführt von einem Sohn des Verbandshengstes Cahil, den Bernd Börger in St. Michaelisdonn, Kreis Dithmarschen, aus seiner Clar­con-Stute gezogen hat. Erstmals wurden die dressurbetonten Fohlen extra bewertet. Hier gewann ein Fohlen mit bewährter Genetik: Der Vollbruder zum Holsteiner Verbandshengst und mehrfachen Landeschampion Fidano von Fidertanz-Silvano aus der Zucht der Zuchtgemeinschaft Pflügler in Weddingstedt, Kreis Ditmarschen, wurde zum Sieger gekürt.

Ein Sohn des Cahil wurde Sieger bei den Holsteiner Hengstfohlen. Er stammt aus der Zucht von Bernd Börger aus St. Michaelisdonn, Kreis Dithmarschen. Foto: Janne Bugtrup

Auch in Zukunft soll die Veranstaltung den Charakter eines Familienfestes behalten, auch wenn zum ungewohnten und von Hitze begleiteten neuen Termin im August weniger Pferdesportfans als üblich das Gelände bevölkerten. „Es war perfektes Ernte- und Strandwetter“, resümierte Matthi­as Karstens. Der Geschäftsführer des Pferdesportverbandes Schleswig-Holstein konnte es so „keinem verdenken, nicht nach Bad Segeberg gekommen zu sein“. Trotzdem war das Organisationsteam vor allem am Freitag und Sonnabend „etwas geknickt, weil so wenig los war“. Doch die sportlichen Bedingungen waren sehr gut und das ist natürlich die oberste Prämisse.

Nun werden die Gremien der beiden beteiligten Pferdesportverbände Schleswig-Holstein und Hamburg zügig in die Planung für 2023 eintreten. Die Wettkämpfe der Reitabteilungen von Schleswig-Holstein und das Mannschaftsspringen der Reiterbünde folgen am Wochenende, 16. bis 18. September. Schon am Wochenende, 19. bis 21. August, gibt es das nächste große Ereignis auf dem Landesturnierplatz in Bad Segeberg: das Landesbreitensportturnier.
pm

Anmutiger Tanz in den Herbst

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Die edlen Schalenblüten der Anemonen sind im Herbstgarten einfach unentbehrlich. Der natürliche Charme der reich blühenden Grazien begeistert ebenso wie ihre Langlebigkeit und Robustheit.

Eins gleich vorweg: In der Regel haben ­Herbstpflanzungen Schwierigkeiten, den Winter zu überstehen. Wer schon beim Anblick der Fotos die Herbst­anemone im eigenen Garten sieht, wartet mit der Neupflanzung besser bis zum Frühjahr. Und auch sonst ist etwas Geduld gefragt. Die volle Pracht der weißen, rosafarbenen oder karminroten Blüten entfaltet sich drei bis vier Jahre nach der Pflanzung. Doch einmal etablierte Herbstanemonen sind sicher winterhart, robust und langlebig.

Von zartem Rosa bis zum tiefen Karminrot reicht die Farbpalette. Foto: Karin Stern

Der Handel bietet verschiedene Arten, Auslesen und Kreuzungen der Herbstanemonen an (Anemone hupehensis, Japonica-Hybriden, Anemone tomentosa). Die Unterschiede liegen vor allem in der Wuchshöhe (60 bis 140 cm), dem Blühbeginn (frühe Sorten bereits im Juli, spätere im September), der Blütenform (einfach, halbgefüllt, gefüllt) und der Blütenfarbe. Die Sorte ‚Ouvertüre‘ öffnet bereits Mitte bis Ende Juli ihre großen, rundlichen, hellrosafarbenen Blüten. Sie zeichnet sich durch eine reiche Blüte und sehr gute Standfestigkeit aus. Mit 80 cm Wuchshöhe zählt sie wie die ebenfalls früh blühende ‚Praecox‘ zu den niedrigeren Sorten. ‚Prinz Heinrich‘ ist mit dem Blühbeginn im September der Spätzünder unter den Herbstanemonen. Die gefüllte Sorte bewährt sich seit über 100 Jahren und wurde bei der Staudensichtung mit „ausgezeichnet“ bewertet. Mit halb gefüllten, weißen Blütenschalen erfreut ‚Honorine Jobert‘ von August bis Oktober.

Wer weiße Blüten bevorzugt, wählt unter den Sorten 'Whirlwind' und 'Honorine Jobert'. Foto: Karin Stern

Sämtliche Arten bevorzugen sonnige bis lichtschattige Beete. Je heller der Standort ist, desto wuchs- und blühfreudiger zeigt sich die Herbstanemone. Wichtig ist ein humus- und nährstoffreicher Boden, der im Sommer mäßig feucht zu halten ist. Die grazilen Schönheiten vertragen weder Trockenheit noch Staunässe. In den ersten beiden Wintern nach der Pflanzung ist ein Schutz aus Herbstlaub oder Nadelreisig angebracht. Fühlt sich die Staude wohl, breitet sie sich über Ausläufer aus und kann dann schon mal 1 m in der Breite einnehmen. Dies gilt insbesondere für die Sorten von Anemone tomentosa, die starkwüchsig sind und viel Platz brauchen. Die Anemone-japonica-Hybriden wachsen dagegen eher zahm. Sie eignen sich daher gut für kleinere Beete.

Herbstanemonen lassen sich schön mit anderen Stauden vergemeinschaften. Besonders hübsch wirken sie neben kontrastreichen Pflanzpartnern. Weiß blühende Sorten passen gut zu Herbsteisenhut ‚Arendsii‘ (Aconitum carmichaelii), der Blauen Waldaster ‚Little Carlow‘ (Aster cordifolius), der Oktobersilberkerze ‚White Pearl‘ (Cimicifuga simplex) und dem China­schilf ‚Dronning Ingrid‘ (Miscan­thus sinensis). Für rosafarbene Sorten empfehlen sich das Chinaschilf ‚Beth Chatto‘ oder das Bergwaldgras ‚Aureola‘ (Hakonechloa macra) als Pflanzpartner. Nicht unerwähnt bleiben dürfen das Reitgras (Calamagrostis), und das Pfeifengras (Molinia). Hübsch wirkt auch die Kombination mit den tänzelnden Blüten des Patagonischen Eisenkrauts (Verbena bonariensis) und der Prachtkerze (Gaura lindheimeri). Ton-in-Ton-Effekte ergeben sich in der Nachbarschaft spät blühender Prachtspieren (Astilbe x arendsii) und buschiger Herbstastern (Aster dumosus). 

Quelle: Karin Stern

Özdemir gibt Flächen frei

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Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) spricht von einem Kompromiss zugunsten der Ernährungssicherung. Am Freitag, 5. August, hat er den Ländern seinen in der Bundesregierung abgestimmten Vorschlag zur Umsetzung der Kommissionsentscheidung zum Aussetzen von Fruchtwechsel und Flächenstilllegung unterbreitet und einer Aussetzung für 2023 zugestimmt.

Die Landwirtschaft in Deutschland habe ein Angebot gemacht, durch Beibehalten der Produktion die Getreidemärkte zu beruhigen, sagte Özdemir zur Vorstellung seines Vorschlages. Die EU hatte in der Woche zuvor den Rahmen für die Umsetzung geschaffen.

Der Vorschlag des Bundeslandwirtschaftsministeriums lautet: Die erstmalige verpflichtende Flächenstilllegung soll im kommenden Jahr ausgesetzt werden. Stattdessen soll weiterhin ein landwirtschaftlicher Anbau möglich sein, allerdings nur von Getreide (ohne Mais), Sonnenblumen und Hülsenfrüchten (ohne Soja). Das gilt nur für die Flächen, die nicht bereits 2021 und 2022 als brachliegendes Ackerland ausgewiesen waren. Die bestehenden Artenvielfaltsflächen werden dadurch weiterhin geschützt und können ihre Leistung für Natur- und Artenschutz sowie eine nachhaltige Landwirtschaft erbringen. Wissenschaftliche Berechnungen gehen davon aus, dass damit etwa 100.000 bis 180.000 ha Acker weiterhin für die Getreideproduktion zur Verfügung stehen. Damit können etwa 600.000 bis 1 Mio. t Getreide zusätzlich produziert werden.

Die Regelung zum Fruchtwechsel soll einmalig im Jahr 2023 ausgesetzt werden. Damit können Landwirte in Deutschland auch im Jahr 2023 Weizen nach Weizen anbauen. In den Vorjahren war dies auf etwa 380.000 ha der Fall. Nach wissenschaftlichen Berechnungen könnten damit bis zu 3,4 Mio. t Weizen mehr erzeugt werden.

Özdemir betonte, auf diese Art und Weise gelinge es am besten, die Getreideerträge in Deutschland konstant zu halten und damit zur Stabilität der Weltmärkte beizutragen.

Schwarz begrüßt Vorschlag aus dem BMEL

Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) sagte in einer Stellungnahme: „Ich begrüße den Vorschlag des Bundeslandwirtschaftsministeriums zur temporären Aussetzung der Flächenstilllegungen und zum Fruchtwechsel ausdrücklich und werde diesem zustimmen. Nachdem ich auf der Sonder-Agrarministerkonferenz Ende Juli auf mögliche Fallstricke für die Landwirtinnen und Landwirte im Land aufmerksam gemacht habe, konnten ein Großteil der offenen Fragen in intensiven Bund-Länder Gesprächen ausgeräumt werden. Die Landwirtinnen und Landwirte im Land haben keine Nachteile bei der Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung zu befürchten. Das war mir wichtig!“ Lediglich ein Hinweis fehlt in der aktuellen Beschlussvorlage: Trotz der Ausnahmeregelung muss spätestens im dritten Jahr auf jeder Fläche eine andere Kultur angebaut werden. Die Anwendung der Ausnahmeregelung unterbricht diese Anforderung beim Fruchtwechsel nicht.

Das Einlenken von Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir bei Stilllegung und Fruchtwechsel ist erwartungsgemäß durchwachsen aufgenommen worden.

Der Deutsche Bauernverband (DBV) begrüßte die Entscheidung des Ministers. Diese war nach den Worten von DBV-Präsident Joachim Rukwied „überfällig und kommt in letzter Minute“. Er wies darauf hin, dass die Bauern bereits mit der Anbauplanung für das kommende Jahr begonnen hätten und Planungssicherheit brauchten.

Sichere Versorgung braucht mehr

Eine Aussetzung für nur ein Jahr hält Rukwied deshalb für „ sicherlich nicht ausreichend“. Um weiterhin eine sichere Lebensmittelversorgung gewährleisten und in Krisenzeiten reagieren zu können, müssten die Bauern alle Flächen nutzen können, auf denen es landwirtschaftlich sinnvoll sei. „Die Bundesländer müssen dies jetzt zügig bestätigen“, forderte der DBV-Präsident.

Währenddessen warf Green­peace Özdemir vor, mit der Freigabe von Brachflächen zum Brotgetreideanbau dem Druck der Agrarlobby nachgegeben zu haben.

Greenpeace-Landwirtschaftsreferent Matthias Lambrecht monierte, dass die ohnehin viel zu geringen Flächen zum Schutz der Artenvielfalt in der Landwirtschaft wirtschaftlichen Interessen geopfert werden sollten. Nach seiner Auffassung ist die Ernährungssicherung in Kriegszeiten nur ein Vorwand, um wertvolle Biotope unterzupflügen. Dort angebauter Weizen werde erst im nächsten Jahr und zudem in nicht ausreichender Menge zur Verfügung stehen, um der akuten globalen Hungerkrise wirkungsvoll zu begegnen. Sinnvoller wäre Lambrecht zufolge ein konsequenter Ausstieg aus der Produktion von Biosprit.

FDP sieht erfolgreiche Überzeugungsarbeit

„Es ist gut, dass Cem Özdemir letztlich erkannt hat, wie ernst die globale Hungerkrise ist, und dass Landwirten jetzt ermöglicht werden soll, mehr Getreide anzubauen“, konstatierte die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Carina Konrad. Nach ihrer Einschätzung haben „die Überzeugungsarbeit und die zahlreichen Diskussionen in der Koalition sich in diesem Punkt gelohnt“. Nun müssten die Regelungen schnell und rechtssicher umgesetzt werden, denn die Aussaat stehe unmittelbar bevor, mahnte Konrad.

Umweltorganisationen kritisieren Özdemirs Vorschläge scharf. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) sprach von einem „Armutszeugnis“ für die deutsche Landwirtschaftspolitik. „Es ist völlig unverständlich, weshalb die für 2023 neu vorgesehenen Biodiversitätsflächen, die zudem ein geringes Ertragspotenzial aufweisen, dem Anbau von Getreide weichen sollen“, sagte Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Ohne diese Rückzugsräume für Insekten oder Vögel in der ausgeräumten Agrarlandschaft würden vielmehr die Ökosysteme weiter geschwächt, ohne die eine Ernährungssicherung langfristig undenkbar sei. Nach seinen Angaben könnten durch die Ausnahmeregelung zwischen 600.000 t und 1 Mio. t Getreide zusätzlich erzeugt werden. Produktionssteigerungen in dieser Größenordnung hätten jedoch kaum Einfluss auf den Weltmarktpreise. Von der Getreideernte des Vorjahres würden 25 Mio. t im Futtertrog landen; in der Reduktion dieser Mengen und der Verwendung für Biosprit liege daher der weitaus größere Hebel, um Getreide für die menschliche Ernährung zur Verfügung zu stellen.

Umweltverbände sparen nicht an Kritik

Auch der World Wide Fund for Nature (WWF) nahm den Treibstoff vom Acker ins Visier. Allein die Herstellung von Agrokraftstoffen in Deutschland nutze rund 2,5 Mio. ha landwirtschaftlicher Fläche weltweit. Die auf diesen Flächen angebauten Rohstoffe wie Weizen, Raps, Mais, Rüben und Soja könnten auch zur menschlichen und tierischen Ernährung verwendet werden.

„Bundesminister Cem Özdemir beugt sich offenbar dem Druck der Agrarlobby“, beklagte der agrarpolitische Koordinator des WWF, Johann Rathke. Nach seinen Worten wäre es sinnvoller, einen Sofortausstieg aus Agrokraftstoffen umzusetzen und unverzüglich die Weichen für eine ambitionierte Ernährungswende zu stellen. Stattdessen wähle die Bundesregierung „eine Variante, die erst in einem Jahr kaum Mehrertrag bringt, dafür aber die Artenkrise in der Agrarlandschaft weiter vorantreibt“.

Der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) kritisierte eine „rückwärtsgewandte Entscheidung“ und sprach ebenfalls vom Einknicken vor der Agrarlobby. „Resiliente Ernährungssysteme können wir nur erreichen, wenn wir langfristig unsere natürlichen Ressourcen sichern. Anstatt wichtige Umweltstandards aufzugeben, ist es dringend notwendig, ökologisch wertvolle Biodiversitätsflächen in der Agrarlandschaft zu sichern und auszubauen“, betonte DNR-Geschäftsführer Florian Schöne.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) warf der Bundesregierung vor, gegen den Geist des Koalitionsvertrags zu verstoßen. Die Ampel habe eine ökologischere Agrarpolitik vereinbart, setze nun aber das Gegenteil in die Realität um. Auch die DUH fordert, jegliche Förderung für Agrosprit sofort zu beenden und Flächen für die Lebensmittelproduktion umzuwidmen. age/mbw

Getreide ist im Krieg ein großes Geschäft

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Normalität am Getreidemarkt, die ein Ausbalancieren und die Preisbildung zwischen Angebot und Nachfrage abbildet, ist passé seit dem russischen Angriff auf die Ukraine. Aus Lieferungen „just in time“ wurde „just in case“, falls Ware vorhanden ist. Das hat die Märkte aufgeheizt. In Lägern der Ukraine lagern schließlich 20 Mio. t Getreide aus der Ernte 2021 die dem Markt entzogen wurden, durch die Zerstörung und Blockade der ukrainischen Hafenanlagen am Schwarzen Meer. Nach langen Verhandlungen zwischen der Ukraine, Russland, der UN und der Türkei, die die Rolle des Vermittlers übernahm, haben am 1. August die ukrainischen Schwarzmeerhäfen Odessa, Tschornomorsk und Pivdennyj ihre Arbeit nach gut fünfmonatiger russischer Blockade wieder aufgenommen. Nach Angaben der ukrainischen Hafenverwaltung sind in den ersten neun Tagen zwölf Schiffe mit einer Fracht von insgesamt 370.000 t Agrargütern ausgelaufen. Weitere Schiffe stehen zur Beladung bereit, sodass das angepeilte Ziel, monatlich bis zu 3 Mio. t umzuschlagen, in Reichweite gelangt.

Der Türkei übernimmt dabei eine nicht unwesentliche und womöglich eigennützige Rolle. Mit ihrer Moderations- und Überwachungstätigkeit muss die Türkei auch das Ziel verfolgen, zur Beruhigung der Lage im eigenen Land beizutragen. Denn das Land am Bosporus hat in dieser Saison wegen extremer Trockenheit einen ungewöhnlich hohen Importbedarf an Getreide. Die Erzeugung kann den Getreidebedarf der 85 Millionen Menschen im Land nicht decken. Besonders hoch ist der Weizenbedarf. Denn zur Inlandsnachfrage kommen seit Jahren mehrere Millionen Tonnen für die Exportvermahlung hinzu. Die Türkei zählt global zu den größten Weizenmehlexportländern und hält große Marktanteile vor allem im Irak und im Jemen. Entsprechend groß ist der türkische Importbedarf. Der Wertverfall der türkischen Lira verteuert diese Importe nun von Monat zu Monat. Auch die Verbraucher leiden unter der extremen Inflation und steigenden Brot- und Lebensmittelpreisen. Bei diesem Szenario wird die Erinnerung an den arabischen Frühling wach, an die Proteste, die schließlich in einer Revolution und mit dem Sturz des autokratischen Präsidenten Ägyptens Husni Mubaraks endeten. Während man in den vergangenen Jahren in der Öffentlichkeit eher über Energie oder Rüstungsgeschäfte mit Moskau diskutiert hat, ist die Abhängigkeit der Türkei im Bereich Getreideimport immer größer geworden. Wegen steigender Energie- und Personalkosten wanderten in den vergangenen Jahren viele türkische Firmen nach Russland ab. Dort gründen sie ihre Produktionsstätten für Getreide und Mehl. Bei der Eskalation der Ukraine-Krise sehen Experten keine klare Planung für die Krisenversorgung.  

Seitdem erste Schiffe durch die minenbestücken Häfen geleitet werden, lassen sich wieder zarte Marktmechanismen erkennen. „Weizen- und Maiskurse fallen, da immer mehr Schiffe aus der Ukraine auslaufen“, kommentieren Rohstoffhändler. Noch ist das Vertrauen in den Verschiffungskorridor vage, doch die Entwicklungen der vergangenen Tage deuten darauf hin, dass sich die Situation schneller verbessern könnte als erwartet. Darauf haben die Terminbörsen in Chicago (CBOT) und Paris (Matif) mit Kurskorrekturen reagiert. Die Weizenkurse an der Matif sind hin- und hergerissen zwischen den Fortschritten bei der Einrichtung des Seekorridors für ukrainische Transporte und der anhaltend regen Exportnachfrage nach europäischem Weizen.

Es besteht die Hoffnung, dass die Preisbewegungen am Getreidemarkt zukünftig wieder mehr auf Fundamentaldaten basieren, das heißt auf dem Grundkonzept von Angebot und Nachfrage und weniger auf angstbasierten psychologischen Faktoren. Doch solange der Export aus der Ukraine mit großen logistischen Herausforderungen verbunden ist, sind unerwartete Ausschläge in beide Richtungen weiter möglich.

Mechthilde Becker-Weigel

Marktkommentar, Marktlage und Markttendenz KW 3222

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Seit Monaten wird von steigenden Preisen und Lieferengpässen in vielen Bereichen berichtet. Auch die Betriebsmittel für die Landwirtschaft sind knapp und teuer geworden. Doch mittlerweile scheint es, als würde sich die Lage in vielen Bereichen beruhigen. Die heiß gelaufenen Märkte kühlen sich langsam ab. Dies gilt jedoch leider auch für die Erlöse der Marktfrüchte. Die Weizen- und Rapskurse haben sich seit dem Erntebeginn um ein Drittel reduziert. Der Rückgang der Betriebsmittelpreise, etwa für Düngemittel und Energie, hält sich jedoch in Grenzen. Dabei liegen die Kurse für Rohöl am Terminmarkt in New York wieder auf dem Niveau vor Kriegsausbruch in der Ukraine. Zu Wochenbeginn wurden hier 89 US-$/bbl notiert. Während die Dieselpreise zum Jahresbeginn bei 1,50 €/l lagen, werden aktuell immer noch 1,90 €/l an den Tankstellen verlangt. Dies ist auch unter Berücksichtigung des schwachen Eurokurses immer noch zu teuer. Im September drohen sogar weitere Preisaufschläge, da dann die vorübergehende Steuerermäßigung für Mineralölprodukte ausläuft.

Märkte beruhigen sich

Doch auch die Kurse für andere Rohstoffe tendieren wieder schwächer. So gilt der Kupferpreis als Gradmesser für die globale Konjunktur. Am Terminmarkt in London wurde Anfang März dieses Jahres ein Rekordwert von mehr als 10.800 US-$/t erreicht. Mittlerweile sackte er um mehr als 30 % auf zeitweise knapp 7.000 US-$ ab. Preise für andere Rohstoffe hatten schon vergangenes Jahr, als die Konjunktur in vielen Teilen der Welt noch besser lief, Rekordhöhen erreicht. Dazu gehört unter anderem Eisen­erz. Im Juli vergangenen Jahres kostete 1 t bis zu 220 US-$. Heute sind es nur noch rund 110 US-$/t. Ähnlich entwickelt sich der Stahlpreis, obwohl darin ja nicht nur der Rohstoff Erz, sondern auch jede Menge Energie steckt, deren Preis weiter auf Rekordniveau liegt. Sinkende Preise zeichnen sich aber keineswegs nur bei börsennotierten Rohstoffen ab. Selbst bei Computerchips, deren Knappheit inzwischen seit rund zwei Jahren weltweit Schlagzeilen macht, purzeln die Preise. Mit dem Blick auf die aktuelle Entwicklung in Taiwan könnten hier jedoch die Kurse demnächst wieder steigen.

Auch in anderen Bereichen sind weiterhin starke Preisschwankungen möglich. Die Märkte bleiben nervös. Man beobachtet die Entwicklung der Konjunktur und die globalen Konflikte. Eine Warnung vor verfrühter Hoffnung auf ein Ende der globalen Preisrallye ist der Kurs von amerikanischem Bauholz. Der für die US-Bauwirtschaft wohl wichtigste Rohstoff zeigte einen der ersten großen Lieferengpässe, der Teile der Wirtschaft lahmlegte. Dann platzte die Blase, der Preis brach innerhalb weniger Wochen um mehr als 70 % ein, um Ende vergangenen Jahres bis zu diesem Frühjahr allerdings erneut um etwa das Dreifache zuzulegen und dann wieder abzustürzen.

Dennoch sind Ökonomen der Meinung, dass viele Preise aktuell eher fallen werden als weiterzusteigen. Dies würde die Inflation wirksam begrenzen.

Sonderumlage für Energieversorger

In der EU und vor allem in Deutschland bleibt jedoch das Problem der hohen Energiekosten. Auch wenn die Preise an den Tankstellen etwas nachgeben, bleiben die Forderungen für Erdgas weiter sehr hoch. Russland drosselt die Zufuhr und versucht, damit die Öffnung der Gasleitung Nordstream ​2 zu erzwingen. Neben vielen privaten Verbrauchern ist dadurch auch die Industrie betroffen. Diese verbraucht einen Großteil der Erdgaseinfuhren. Die Politik muss jetzt abwägen, wie sie das knappe Gas verteilt. Einschränkungen sind in allen Bereichen notwendig. Zu den bereits erhöhten Kosten kommen jetzt zusätzliche Umlagen dazu, um die Energieversorger vor einer Insolvenz zu schützen. Die hiesigen Düngemittelhersteller haben sowieso schon das Problem, dass hierzulande günstige Importware angeboten wird. Dies betrifft zum Beispiel Harnstoff aus Nordafrika. Dort sind die Erdgaspreise um das Zehnfache niedriger. Der hiesige Handel setzt jedoch auf Qualitätsvorteile der im Inland erzeugten Ware.

Auch Strom bleibt teuer. Man rechnet damit, dass die Abschlagszahlungen im kommenden Jahr 2,5-mal so hoch wie im laufenden Jahr ausfallen könnten.

Marktlage für die Woche vom 8. bis 14.8.2022

Getreide: Die Weizenernte läuft mittlerweile landesweit. Die Exporte aus der Ukraine haben die Kurse in der Vorwoche reduziert.

Raps: Auch die Rapskurse gaben nach der Öffnung der Häfen in der Ukraine nach, konnten sich anschließend wieder erholen.

Futtermittel: Die US-Sojakurse schwanken auf dem zuletzt wieder erhöhten Niveau. Futtergetreide wird günstiger.

Kartoffeln: Die Rodungen der Anschlusssorten laufen. Die Nachfrage in den Urlaubsregionen bleibt rege.

Schlachtrinder: Die Kurse für Jungbullen wurden in der Vorwoche erhöht, da zu wenig Angebot vorhanden war.

Schlachtschweine/-sauen: Trotz des kleinen Angebotes blieben Preisaufschläge aus, da der Fleischabsatz sehr ruhig war.

Ferkel: Die Kurse blieben auch in der Vorwoche unverändert. Das Angebot an freien Ferkeln geht zurück.

Milch: Die Preise für Milchprodukte haben Anfang August sowohl auf der Fett- als auch auf der Eiweißseite nachgegeben.

Schlachtlämmer/-schafe: Die Nachfrage übersteigt etwas das Angebot. Die untere Spanne der Kurse steigt leicht an.

Markttendenz für die Woche vom 15. bis 21.8.2022

Getreide: Der Markt bleibt nervös. Die Kurse finden keine klare Richtung und reagieren auf jede Nachricht mit Preisausschlägen.

Raps: Pflanzliche Öle und Ölschrote bleiben weltweit gefragt. Trotz guter Ernten können sich die Notierungen behaupten.

Futtermittel: Sorge bereiten die Maisbestände. Vielerorts fehlen weitere Grassilageernten. Sojaschrot bleibt relativ teuer.

Kartoffeln: Insgesamt bleibt das Angebot für die saisonal ruhige Nachfrage zu groß. Die Kurse geben etwas nach.

Schlachtrinder: Das Angebot an Schlachtkühen bleibt bei den aktuellen Milchpreisen begrenzt, die Preise sind stabil.

Schlachtschweine/-sauen: Das Ferienende und der Export bringen Nachfrageimpulse. Höhere Auszahlungspreise sind möglich.

Ferkel: Vorerst bleiben die Kurse stabil. Je nach Entwicklung im Schweinehandel sind höhere Ferkelkurse möglich.

Milch: Die hohen Temperaturen und die Ferienzeit haben die Nachfrage verringert. Das Preisniveau bleibt jedoch relativ hoch.

Schlachtlämmer/-schafe: Die Grünlandflächen leiden unter der Trockenheit. Die Lämmer werden zum Teil zugefüttert.

Kräftiger Rückgang der Fleischerzeugung

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In Deutschland wird immer weniger Fleisch produziert. Die gewerbliche Fleischerzeugung nahm im ersten Halbjahr 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um gut 300.000 t oder 7,9 % auf 3,53 Mio. t ab, berichtet das Statistische Bundesamt (Destatis).

Der seit einigen Jahren anhaltende Negativtrend der Fleischproduktion hat sich verstärkt. Vor vier Jahren wurden gut 4 Mio. t Fleisch erzeugt, im ersten Halbjahr 2022 waren es noch 3,53 Mio. t. Alle wichtigen Tierarten verzeichneten im Berichtszeitraum Rückgänge, allerdings gab es große Unterschiede im Ausmaß.

Den Wiesbadener Statistikern zufolge waren die stärksten Einbußen im Bereich Schweinefleisch zu verzeichnen. Von Januar bis Juni kamen in den gewerblichen Schlachtbetrieben 23,78 Millionen Schweine an die Haken; das waren 2,33 Millionen oder 8,9 % weniger als in der Vorjahresperiode. Weil in Zeiten hoher Futterkosten die durchschnittlichen Schlachtgewichte um rund 1 kg auf 96,3 kg pro Tier fielen, nahm die Schweinefleischerzeugung um rund 254.000 t oder 10,1 % auf 2,27 Mio. t ab.

Schweinehaltung in Deutschland geht zurück

Ein wichtiger Grund dafür sei die rückläufige Schweinehaltung in Deutschland, erläuterte Destatis. Im Mai 2022 war der Bestand gegenüber der Vorjahreserhebung um 2,42 Millionen Tiere oder 9,8 % auf 22,29 Millionen Stück eingebrochen; das war das niedrigste Niveau seit der deutschen Vereinigung 1990. Werden auch Hausschlachtungen berücksichtigt, stammten im ersten Halbjahr 2022 in den Schlachtbetrieben rund 23,19 Millionen Schweine aus heimischen Ställen; im Vergleich zur Vorjahresperiode war das ein Minus von 2,36 Millionen Stück oder 9,2 %.

Nach dem Einbruch im vergangenen Jahr hat sich zwar die Zahl der hierzulande geschlachteten Schweine aus dem Ausland wieder um 3,9 % auf 622.100 Tiere erhöht, doch waren das im Vergleich zum ersten Halbjahr 2020 noch immer fast 844.000 Stück oder 59 % weniger. Hinzu kommt, dass im ersten Halbjahr 2022 auch weniger Ferkel nach Deutschland geliefert wurden, aus den Niederlanden beispielsweise 25 % weniger als im Vorjahreszeitraum.

Weniger Kühe und Schlachtkühe

Das Aufkommen an Schlachtrindern verringerte sich nach Angaben von Destatis gegenüber der ersten Jahreshälfte 2022 um 127.200 Tiere beziehungsweise 8,1 % auf etwas mehr als 1,44 Millionen Stück. Die daraus erzeugte Rindfleischmenge ging um 9,1 % auf 476.100 t zurück. Das mittlere Schlachtgewicht nahm dabei gegenüber der Vorjahresperiode um 3,6 kg auf 329,5 kg ab. Mitverantwortlich für das Minus bei der Rindfleischerzeugung waren die um gut 10 % auf 475.000 Stück gesunkenen Lieferungen von Kühen an die Schlachtbetriebe.

Aber auch bei Jungbullen einschließlich Ochsen fiel das Lebend­angebot mit einem Rückgang von gut 47.200 Tieren oder 7,9 % deutlich kleiner als im ersten Halbjahr 2021 aus. Zudem wurden 8,2 % weniger Färsen und 0,8 % weniger Kälber geschlachtet.

Bei Schafen beziehungsweise Lämmern war ebenfalls ein spürbarer Rückgang des Aufkommens zu verzeichnen. Die gewerblichen Schlachtungen nahmen hier um 9,0 % auf 552.500 Tiere ab, die erzeugte Fleischmenge sank um 8,1 % auf 11.400 t.

Weitaus weniger stark als bei den anderen Fleischsorten ging im Halbjahresvergleich die erzeugte Menge an Geflügelfleisch in den gewerblichen Unternehmen zurück, und zwar nur um 1.800 t oder 0,2 % auf 771.600 t. Trotz der deutlichen Produktionseinbuße blieb laut Destatis Schweinefleisch mit einem Anteil von 64,3 % an der Gesamt­erzeugung die wichtigste Fleischsorte in Deutschland.

Danach folgten Geflügelfleisch mit 21,9 % und Rindfleisch mit 13,5 %. Das Fleisch von Schafen, Ziegen und Pferden machte lediglich rund 0,3 % der Gesamtmenge aus. age

Fleischkonsum in Dänemark geht zurück

Die steigenden Preise verderben den Verbrauchern in Dänemark den Appetit auf Fleisch. Laut Coop, der zweitgrößten Supermarktkette des Landes, ist der Absatz von Schweine-, Rinder- und Kalbfleisch im Juni und Juli in den eigenen Filialen im Vergleich zum Vorjahr um etwa 10 % gesunken.

Gleichzeitig habe der Verkauf von Geflügelfleisch zugelegt, was jedoch nichts am gesamten Verkaufsrückgang um etwa 5 % geändert habe, so der Coop-Vertreter Lars Aarup gegenüber dem Wirtschaftsmagazin „Finans“. Ihm zufolge hat der Rückgang vor allem mit dem starken Anstieg der Fleischpreise zu tun.

Laut Aarup hat beispielsweise der Ladenpreis für Hackfleisch innerhalb von zwölf Monaten um etwa zwei Drittel auf umgerechnet rund 6,70 € pro Packung zugelegt. Gleichzeitig werde vermehrt zu Geflügelfleisch als preisgünstigerer Alternative gegriffen. age

Höhere Vergütung für neue Dachphotovoltaikanlagen

Für neue Photovoltaik (PV)-Anlagen auf Dächern gelten nun höhere Vergütungssätze. Das sieht das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2023 vor, dessen erste Regelungen am Freitag, 29. Juli, in Kraft getreten sind.

Wie das Bundeswirtschaftsministerium mitteilte, können entsprechende Solaranlagen, die frühestens am Tag nach Inkrafttreten in Betrieb genommen wurden, bis zu 13,4 ct/kWh für ihren Strom erhalten. Zugleich werde der Netzanschluss unter anderem für kleine Anlagen vereinfacht. Zur Beschleunigung des Ausbaus von Erneuerbaren Energien gilt dem Ministerium zufolge nun der Grundsatz, dass deren Nutzung im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient. Damit hätten Erneuerbare Energien bei Abwägungsentscheidungen Vorfahrt. Der Großteil der weiteren Regelungen des neuen EEG 2023 tritt laut Ministerium zum 1. Januar 2023 in Kraft.

„Angesichts der sich zuspitzenden Klimakrise und des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sind die Erneuerbaren Energien zu einer Frage der nationalen und europäischen Sicherheit geworden“, erklärte Ressortchef Dr. Robert Habeck (Grüne). Das Energiesystem müsse so schnell wie möglich von fossilen Energieträgern auf Erneuerbare Energien umgestellt werden. Von den höheren Vergütungssätzen für Dachsolaranlagen verspricht sich Habeck ein „klares Signal“ an den Markt und einen „entscheidenden Schub“. In Niedersachsen appellierte derweil der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Martin Bäumer, an Umweltminister Olaf Lies (SPD), bürokratische Hürden für die Inbetriebnahme von Solaranlagen abzubauen. „Es kann nicht sein, dass aufgrund formaler und bürokratischer Hürden weiterhin Gas aus den Speichern entnommen wird, während saubere Erneuerbare Energien nicht genutzt werden“, so Bäumer. Nach seinen Angaben gibt es in Niedersachsen betriebsbereite PV-Anlagen, die aber „mangels eines entsprechenden Zertifikats oder aus anderen Gründen“ nicht ans Netz gehen dürften. Fraglich blieb indes, ob mit der Inbetriebnahme nicht zumindest anteilig bis zum Inkrafttreten der höheren Vergütungssätze gewartet wurde.

Lähmender Streit um die richtige Zukunft

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Der Deichgraf ist eine Frau. Heike Hauschildt heißt sie, in Anspielung an Hauke Haien im „Schimmelreiter“. Als Schimmelreiterin reitet sie allerdings kein Pferd, sondern fährt auf einem weißen Quad über den Deich. Der, so ist sie tief besorgt, muss dringend erhöht werden, um dem Klimawandel standzuhalten. Die Musical Academy Schleswig-Holstein des Nordkollegs wurde durch Theodor Storms Novelle „Der Schimmelreiter“ zu einem Musical inspiriert, das in der nahen Zukunft spielt. Aufgeführt wurde es in der Winkelscheune im Freilichtmuseum Molfsee.

Wir schreiben das Jahr 2025. Heike Hauschildt kehrt nach 15 Jahren nach Koogmarschensiel zurück, ein fiktives Dorf an der Westküste Schleswig-Holsteins. Als versierte Ingenieurin ist sie Deichgräfin geworden statt ihres Konkurrenten, des Bauunternehmers Peter Olsen (bei Storm Ole Peters). Der strebt nur nach seinem Gewinn. Erst Gegner der Deicherhöhung, setzt er mit Intrigen durch, dass er schließlich den Bauauftrag bekommt.

Divergente Interessen

Peter Ole ist nicht der Einzige, der Stimmung gegen die neue Deichgräfin macht. Für den fanatischen Naturschützer Oke Dochtersen beeinträchtigt das geplante Bauwerk die Fauna des Naturerbes Wattenmeer, die Unternehmerin Franziska van Olden will ein Friesenhaus in das Wellnesshotel Atlantis ausbauen (sprechender Name, denn es wird untergehen) und fürchtet das Ausbleiben von Gästen. Und schließlich: Das Ganze soll 24 Mio. € kosten. „Wer soll das bezahlen? Wir Bauern stehn doch eh schon mit dem Rücken zur Wand“, sagt die Landwirtin Vera Kalkbrenner.

Wer hat Recht?

Da haben Stimmen, die um Ausgleich bemüht sind wie die des alten Mannes Manne Jevers (bei Storm Jewe Manners) oder des pragmatischen Bürgermeisters Arp Michelsen wenig Wirkung. Seine Tocher Liv, Freundin des Naturschützers Oke, weiß nicht, wo ihr der Kopf steht. In einem rasanten Rap macht sie ihrer Ratlosigkeit Luft: „Wo kann ich googeln, wer hier Recht hat? Wo mach ich die Welt auch wirklich besser?“ Eigentlich wollen alle lieber feiern, die Jugendlichen ganz besonders, und schlagen die Warnungen in den Wind. „Das mit dem Deich wird doch nicht so heiß gegessen.“

„Besser als jeder Trip“: Jane Trins (Daniela Feuerhak) hat Gesichte, die das kommende Unheil ankündigen.

Doch es ist Handlung geboten. Zunehmende Stürme, Unwetter und Sturmfluten werden per Radiowetterbericht eingespielt, dazu die Verkehrsmeldungen (kleiner Seitenhieb: Vor der Rader Hochbrücke ist immer noch ständig Stau). Dazu unterhöhlen Bisame den Deich, sie gehen unerklärlicherweise nicht mehr in die aufgestellten Fallen. Die alte Jane Trins (bei Storm Trien Jans) hat Gesichte, die das Unheil ankündigen. Erste Überflutungen finden statt, und nun sind die Bürger doch beunruhigt. „Ist es wahr? Halb Sylt ist weg? Dänemark ins Meer zurück?“ – „Wie kann es sein, dass ihr mir immer noch nicht glaubt?“, fragt die Deichgräfin. „Ich kann es nicht ertragen, dass hier jedes Haus mit Mann und Maus in der Nordsee untergeht!“

Billigbau rächt sich

Nun wird der Deich endlich doch erhöht – auf billige Weise, mit der Bauunternehmer Peter sich den Auftrag ergattert hat. In den Klei hat er Sand gemischt – Bäuerin Vera, die sich mit Böden auskennt, entdeckt es. Doch die größte Überraschung: Oke hat mit einer Eingabe erreicht, dass das Gericht die letzte Bauphase stoppt. Er war es auch, der die Bisame von den Fallen vergrämt hat. Naturschützer kommen nicht gut weg in diesem Stück.

15 Darstellerinnen und Darsteller (nur vier Männer darunter) agieren auf der Bühne, teils im Chor, teil mit Sologesang. Viel wird getanzt, und das in ausgereifter Choreografie. Die Darbietung ist rund und professionell. Was muss man an Können mitbringen, um bei so etwas mitmachen zu dürfen? „Nur Spaß am Singen und Spielen“, sagt Regisseurin Claudia Piehl, „die Ausbildung geschieht während des Projektes.“ Weitere Autoren und Komponisten sind Jan-Friedrich Conrad, Enno Johannsen und Band­leader Lars Scheffel – die achtköpfige Band spielt live auf der Bühne (hier sind nur zwei Frauen dabei).

Uneinigkeit lähmt die Zukunftsvorsorge – oben Deichgräfin Heike Hauschildt (Berit Evers), unten Naturschützer Oke Dochtersen (Arne Kers, li.), Bürgermeister Arp Michelsen (Sascha Urban), seine Tochter Liv (Vivien Schmieder)

Zeit für Veränderung

Es kommt, wie es bei so viel Zwietracht kommen muss: Im November 2026 bricht der Deich. Koogmarschensiel geht unter, vier Personen kommen in den Fluten um, darunter die Deichgräfin – hier folgt das Musical der Vorlage von Storm, während es sonst die Handlung sehr frei gestaltet und es bei ein paar Anspielungen auf die Novelle belässt.

„Zeit für Veränderung“ lautet der Schlusssong – eine eindrückliche Warnung vor dem Klimawandel. Vor allem aber eine Warnung vor der zersetzenden Kraft divergenter Teilinteressen in der Gesellschaft, die eine wirkungsvolle Vorsorge verhindern. „Was ist der Deich der Zukunft, wenn jeder eine andere Zukunft sieht?“

Das Stück wird noch einmal aufgeführt am Sonntag, 18. September, in der Sporthalle in Hanerau-Hademarschen und am Tag der Deutschen Einheit, Montag, 3. Oktober, in der schleswig-holsteinischen Landesvertretung in Berlin.