Landwirtschaft und Kirche sind tragende Säulen im ländlichen Raum. Das wird alljährlich bei gemeinsamen Veranstaltungen von Nordkirche und Bauernverband bekräftigt. Manchmal aber knirscht es im Kirchengebälk. Bei der Tagung der Landessynode im Februar wurde eine Beschlussvorlage diskutiert, die für Unruhe sorgt. Der Inhalt: detaillierte Maßgaben an die Kirchengemeinden für eine treibhausgasreduzierte Bewirtschaftung von Pachtland. Besonders gefordert wird dabei die Wiedervernässung ehemaliger Moore.
Es steht ganz obenan: Die Nordkirche will im Klimaschutz vorangehen. Dazu wurde der Klimaschutzplan 2022-2027 mit dem Untertitel „Jetzt die entscheidenden Schritte gehen“ erstellt, dazu ein Handbuch mit Empfehlungen für die konkrete Umsetzung. Beide zusammen 65-seitigen Dokumente behandeln alle internen Bereiche der Kirche, zum Beispiel Gebäudesanierung, Energiesparen oder Fuhrpark – und eben auch den Umgang mit dem kirchlichen Pachtland. Auf der nächsten Seite sind die Aussagen zum Thema Landwirtschaft in Auszügen dokumentiert.
Starke Vorgaben
Kirchenland soll gemäß der Beschlussvorlage treibhausreduzierter bewirtschaftet und damit klimatauglicher werden. Als konkrete Vorschläge für die Bedingungen neuer Pachtverträge findet sich dort unter anderem Folgendes: Vermeidung von mineralischem Dünger und „Pestiziden“, kein Umbruch von Dauergrünland, eine mindestens „fünfjährige Fruchtfolge“. Und ganz besonders sollen ehemalige Moore aus der Bewirtschaftung genommen und wiedervernässt werden. Sie bergen ein hohes Potenzial für die Vermeidung von CO2-Ausstoß – nach Berechnungen der Nordkirche wesentlich höher, als es Maßnahmen etwa in der Gebäudesanierung oder beim Fuhrpark erbringen würden, die natürlich ebenfalls umgesetzt werden sollen. Zur Erhebung ehemaliger Moore sollen Flächenkataster erstellt werden.
Sensible Umsetzung
Das erfüllt Landwirte mit Sorge. Zwar wurde auf der Synodentagung nur der Klimaschutzplan beschlossen, nicht aber das Handbuch mit den konkreten Vorschlägen. Zwar wird seitens der Kirche betont, dass in Gesprächen auf Kirchenkreisebene mit Bauernverbands- und anderen Landwirtschaftsvertretern taugliche und ortsbezogene Lösungen gefunden werden sollen. Das sei von vorneherein vorgesehen gewesen, und solche Gespräche finden auch bereits statt. Und schließlich wird die Erhebung ehemaliger Moorflächen einige Zeit in Anspruch nehmen. Kurzum: Es ist noch nichts in trockenen Tüchern. Doch gleichwohl macht sich Verunsicherung bei den Landwirten breit, was da auf sie zukommt. Der Bauernverband Schleswig-Holstein nimmt dazu auf der folgenden Seite Stellung.
Ein Zeitaufschub durch gründliches und besonnenes Vorgehen bringt Ruhe in die Angelegenheit, birgt aber auch Ungewissheiten: Wenn nach und nach alte Pachtverträge auslaufen, wie zurückhaltend oder kurzfristig werden sie unterdessen neu geschlossen? Je länger der Zustand andauert, desto mehr Flächen kommen durch Pachtauslauf in diesen Status. Und zum Beispiel eine Auflage mehrjähriger Fruchtfolge verträgt sich nicht mit einem kurzfristigen Pachtvertrag.
Entscheidungen vor Ort
Entscheidungsträger bei Pachtverträgen sind die jeweiligen Kirchengemeinden, sie stehen im Grundbuch. Es handelt sich dabei um sogenanntes Pfarrvermögen. Das bedeutet, Erträge aus dem Land werden hauptsächlich für die Besoldung von Pastorenstellen verwendet, zum Teil auch für Stipendien für Theologiestudenten. Diese Finanzierung läuft allerdings über den jeweiligen Kirchkreis. In der Praxis gehen der größte Teil der Pachteinnahmen an diesen, ein kleiner Teil bleibt als Verwaltungsentschädigung bei der Kirchengemeinde.
Die Kirchengemeinden stehen bei der Frage der Verpachtung ihrer Flächen in dem Zwiespalt, einerseits das Vorhaben der Klimatauglichkeit zu verfolgen und andererseits für genügend Einnahmen zu sorgen. Schließlich steht mit dem Vorhaben der energetischen Sanierung von Altgebäuden, welches ebenso Teil der Synodenempfehlung ist, ein teures Projekt an, das finanziert werden will. Andererseits könnte der Umstand, dass nur ein kleiner Teil der Pachteinnahmen bei der Kirchengemeinde verbleibt, diese dazu verleiten, den finanziellen Aspekt nicht allzu stark zu gewichten.
Letztlich kommt es immer auf die Entscheidung des örtlichen Kirchengemeinderates an und damit auf dessen Zusammensetzung. Die spiegelt entsprechend die vorherrschenden Ansichten in der örtlichen Bevölkerung wieder und wird sich hier so und dort anders ausrichten. Entscheidend wird sein, wie sich vor Ort Bauern und Kirchengemeinderäte sachlich verständigen können.
„Steine statt Brot für die Bauern“
Stellungnahme des Bauernverbands Schleswig-Holstein
Positiv zu bewerten ist grundsätzlich, dass man als Ansatzpunkt die Thesen der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZLK) gewählt hat, an dem sich der Bauernverband beteiligt und zu deren Ergebnissen sich ein breites gesellschaftliche Bündnis bekannt hat.
Kritisch zu beurteilen sind jedoch die ganz konkret formulierten Maßnahmenvorschläge, die sehr strikte Vorgaben an die Landwirte stellen, ohne dass zugleich die – in der ZKL beziehungsweise dem Dialogprozess auf Landesebene zur Zukunft der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein 2040 vereinbarten – finanziellen Anreize als Gegenleistung für diese Gemeinwohlleistungen benannt werden. Aktuell wirkt der Ansatz daher unvollständig und würde bedeuten, dass die Landwirte in Vorleistung gehen müssten, ohne zu wissen, ob die von ihnen zu realisierenden Einschnitte am Ende tatsächlich angemessen honoriert werden.
Klar muss auch sein, dass die darin angesprochenen Einschränkungen ganz erheblich in die Bewirtschaftungsmöglichkeiten des Pächters eingreifen. Als Manko stellt sich zudem dar, dass die angesprochenen Maßnahmen nicht nach den unterschiedlichen Gegebenheiten der verschiedenen Bundesländer in der Nordkirche differenzieren, obwohl aus agrarischer Sicht schon zwischen Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern Welten liegen können.
Man gibt den betroffenen Bewirtschaftern und den zuständigen Kirchengemeinden durch die als sehr strikt und wenig Spielräume belassende Zusammenstellung „Steine statt Brot“ für ihre Pachtvertragsverhandlungen, insbesondere weil mit Blick auf die Praxis bei diesen nicht immer eine Bereitschaft zur Aufnahme derart rigoroser Regelungen gegeben sein wird, alternative niedrigschwellige und in vielleicht in mehr Fällen taugliche Ansätze aber nicht vorgeschlagen werden.
Natürlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Landessynode hierbei wohl nicht nur landwirtschaftlich, sondern vor allem klimaschutzbezogen „den Stein weit hinauswerfen“ und zur Diskussion anregen wollte, zumal das Thema gesellschaftlich aktuell große politische Kreise zieht. Dieser Aspekt ist dem Bauernverband Schleswig-Holstein bewusst, weshalb sich der Verband selbst zu Moorschutz- und Wiedervernässungsmaßnahmen auf landwirtschaftlichen Flächen mit seinem Papier „Marksteine neuer Wege im Moorschutz“ umfassend positioniert hat.
Wichtig ist in der Gesamtbetrachtung, dass auch vonseiten des Bischofs ein noch ausstehender Austausch mit dem Bauerverband in der Landessynodensitzung besonders hervorgehoben wurde.
Dr. Lennart Schmitt, BVSH
Kirchenland soll klimagerecht bewirtschaftet werden
Auszüge aus der Vorlage für die Tagung der Landessynode der Nordkirche am 25./26. Februar 2022
Aus dem Klimaschutzplan: Verpachtung kirchlicher Ländereien
Bei der Verpachtung kirchlicher Ländereien muss in Zukunft der Klimaschutzaspekt eine starke Rolle spielen. Deshalb sollen Kriterien abgestimmt werden, die für eine treibhausgasreduzierte Bewirtschaftung Anreize geben. Ein zentraler Faktor ist dabei die Wiedervernässung von Mooren. Die für die landwirtschaftliche Nutzung in den letzten 150 Jahren trockengelegten Moorböden emittieren erhebliche Mengen von Treibhausgasen.
Erforderlich ist die Erarbeitung einer nationalen Moorschutzstrategie von Bund und Ländern im engen Austausch zwischen Landwirtschaft und Naturschutzverbänden. Dabei soll im Einklang mit dem Ziel „Klimaneutralität 2045“ eine weitgehende Wiedervernässung der derzeit trocken genutzten landwirtschaftlichen Flächen erreicht werden. Für den Nutzungsausfall müssen die entsprechenden Mittel bereitgestellt werden.
Aus dem Handbuch: Treibhausgasreduzierte Bewirtschaftung von Pachtland
Den Kirchengemeinden steht es frei, den Pächtern kirchlicher landwirtschaftlicher Grundstücke weitere Auflagen für die Bewirtschaftung zu machen, jedoch müssen sie sich darüber im Klaren sein, dass solche Auflagen fachlich zutreffend formuliert sein sollten. Zudem sollten die Kirchengemeinden in der Lage sein, diese Verpflichtungen auch zu kontrollieren.
Deshalb sind für folgende Maßnahmen rechtssichere und überprüfbare Formulierungen auszuarbeiten und den Kirchengemeinden zu empfehlen:
– Die Drainagen ehemaliger Moor- und Anmoorböden sind zu entfernen (insbesondere Plastikrohre), notfalls nur zu schließen, beziehungsweise sofern möglich, sind diese Flächen wieder zu vernässen und/oder extensiv (Paludikultur) zu bewirtschaften.
– Die Flächen sind mit Agroforstsystemen inklusive Knick/Wallhecke zu versehen. Die dazwischen liegenden landwirtschaftlich genutzten Parzellen sollen eine Größe von 5 ha nicht überschreiten.
– Das Gewicht eingesetzter Maschinen darf maximal 20 t Gesamtgewicht nicht überschreiten.
– Das Grünland soll extensiv und die Grünlandnarbe muss geschlossen sein, dabei soll der Umbruch von Dauergrünland nicht genehmigt werden.
– Eine ganzjährige Bodenbedeckung ist für Ackerböden zu gewährleisten.
– Am Anfang und Ende der Pachtzeit ist der Humusgehalt durch ein Fachlabor zu ermitteln.
– Eine mindestens fünfjährige Fruchtfolge ist anzuwenden.
– Dauerkulturen sind zugelassen.
– Die mineralische Düngung ist zu vermeiden, und der Boden soll nur minimal bearbeitet werden.
– Der Einsatz von Pestiziden ist zu vermeiden.
– Wird der Boden zudem sehr intensiv beackert, wird der gebundene Kohlenstoff oxidiert und als CO2 freigesetzt und gelangt in die Atmosphäre.
– Trocken gelegte Moorböden werden ermittelt. Ein entsprechendes Flächenkataster mit den potenziellen Treibhausgasemissionen durch trocken gelegte Moor- und Anmoorböden (Bodenatlas) ist dafür erforderlich.
Der Klimaschutzplan wurde auf der Tagung der Synode im Februar verabschiedet. Das Handbuch wurde diskutiert, aber nicht beschlossen. (Anm. d. Red.).
„Jetzt ist Start der Diskussion, nicht ihr Ende“
Interview mit Dr. Jan Menkhaus, Agrarbeauftragter der Nordkirche
Herr Dr. Menkhaus, in welcher Weise sind Sie mit dem Klimaschutzplan der Nordkirche und dem zugehörigen Handbuch betraut?
Dr. Jan Menkhaus: Ich habe in der Untergruppe Landbewirtschaftung an der Erstellung mitgewirkt und nehme für die Nordkirche an Dialogveranstaltungen mit den Vertretern der Landwirtschaft teil. Diese Gespräche waren von vorneherein vorgesehen, sie sind der Start einer Diskussion, nicht das Ende.
Mit dem Klimaschutzplan möchten wir die Klimaschutzziele des Dialogprozesses „Zukunft der Landwirtschaft“ gemeinsam mit den Praktikern und Praktikerinnen vor Ort umsetzen. Die Nordkirche hat ja am Dialogprozess aktiv mitgearbeitet und sich zu den Zielen, auch den Klimaschutzzielen, bekannt.
Die in den Papieren enthaltenen Inhalte sind also nur Vorschläge?
Der Klimaschutzplan der Nordkirche ist alle sechs Jahre neu aufzulegen und wurde jetzt beschlossen. Darin wurde das Ziel aufgenommen, dass bei der Verpachtung kirchlicher Ländereien in Zukunft der Klimaschutzaspekt eine starke Rolle spielen muss. Die Vorschläge im Handbuch über die weitere Vorgehensweise mussten nicht beschlossen werden, sondern wurden zur Kenntnis genommen.
Wer hat das Handbuch fachlich erstellt?
Das haben unsere Mitarbeiter der Nordkirche getan. Wir haben externe Fachleute eingeladen und angehört, aber wir haben es selbst formuliert.
Müssen die Kirchengemeinden neue Pachtverträge beim Kirchenkreis vorlegen und auf Klimatauglichkeit prüfen lassen?
Die Kirchengemeinden entscheiden über ihre Pachtverträge, sie müssen nicht Rechenschaft ablegen. Es gibt diesbezüglich auch keinerlei Sanktionen. Manche machen auch weiter wie bisher. Andererseits bekommen die Kirchengemeinden durch den Klimaschutzplan die rechtliche Grundlage, die vereinbarten Ziele umzusetzen.
Zur Wiedervernässung trockengelegter Moore: Um welche Dimension handelt es sich dabei?
Darüber gibt es noch keine Übersicht, ein Kataster muss erst erstellt werden. Es ist derzeit nicht beabsichtigt, dazu Gutachter herumgehen zu lassen, vieles kann durch Aktenstudium ermittelt werden, etwa im Umweltatlas. Summa summarum ist es vermutlich eine ganze Menge. Durch Wiedervernässung könnte mehr als das Doppelte des CO2-Ausstoßes eingespart werden als durch Maßnahmen in den Bereichen Gebäude, Mobilität und Beschaffung.
Der Bauernverband kritisiert, dass bei diesen Betrachtungen die Verhältnisse in Mecklenburg-Vorpommern auf Schleswig-Holstein übertragen wurden.
Mecklenburg-Vorpommern kann man mit Schleswig-Holstein nicht vergleichen. Natürlich sind da die Verhältnisse anders. Wir haben aber nicht für einzelne Regionen Vorschläge erstellt. Das soll ja in den kommenden Gesprächen herausgefunden werden. Es geht darum, vor Ort zu eruieren: Ist es möglich, hier etwas für die Renaturierung zu tun? Natürlich ist es unser Ziel, langfristig Moorschutz zu betreiben – so viel wie möglich. Wo aber alles gut ist, müssen wir auch nichts mehr machen.
Welcher Zeitrahmen ist dafür vorgesehen?
Wir wollen uns ein Jahr Zeit dafür nehmen, aber wenn es im August 2023 noch nicht fertig ist, darf es auch länger dauern.
Interview: Tonio Keller
Dr. Jan Menkhaus ist wissenschaftlicher Referent im Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) der Nordkirche.