Proteine sind in der Fütterung von Schweinen und Geflügel unverzichtbar. Bisher kommen sie selbstverständlich aus proteinreichen Eiweißpflanzen, aber bei steigenden Futtermittelpreisen und immer höheren Auflagen im Anbau sind Alternativen gefragt. Werden die Futterrationen bald durch Insekten ergänzt? Wie funktioniert die Produktion von Insekten für die Tierfütterung? Antworten auf diese Fragen gab es bei der Onlineveranstaltung „Tierwohlgerechte, nachhaltige und umweltschonende Fütterung mit Insekten“ des Netzwerks Fokus Tierwohl der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen.
Nach jahrelangem Verbot vor dem Hintergrund der BSE-Problematik ist seit September 2021 die Fütterung verarbeiteter tierischer Proteine wieder erlaubt sowie auch die Fütterung von Nutzinsekten. Ohnehin seien Schweine und Geflügel evolutionsbiologisch an die Aufnahme von Insekten angepasst, so Dr. Jochen Krieg. Er ist Referent für Schweine-, Geflügel- und Pferdefütterung der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. Laut EU-Liste dürfen folgende Insekten oder deren Mehl verfüttert werden: Schwarze Soldatenfliege, Stubenfliege, Mehlkäfer, Getreideschimmelkäfer, Heimchen, Kurzflügelgrille und Steppengrille. Bei den Käfern und den Fliegen werden die Larven verfüttert, bei den Grillen die adulten Tiere. Die Herstellung und das Inverkehrbringen von tierischem Protein aus Nutzinsekten sowie von Mischfuttermitteln, die solches enthalten, sind in verschiedenen EU-Verordnungen geregelt. Diese sind natürlich zu beachten, wenn man selbst auf dem eigenen Betrieb die Insekten als Futtermittel heranzüchten möchte.
Welche Nährstoffe sind enthalten?
Selbstverständlich muss dem Tierhalter bekannt sein, welche Nährstoffe das Futtermittel aus Insekten enthält. Diese sind über die Ernährung der Insekten steuerbar und sollten natürlich möglichst konstant sein. Vor allem der Protein- und der Fettgehalt können starke Schwankungsbreiten aufweisen.
Bei der Schwarzen Soldatenfliege gibt es Unterschiede in den Nährstoffgehalten, je nachdem ob es sich um Larven oder um Präpuppen handelt. Allgemein sind die Aminosäuremuster in Futtermitteln aus Schwarzer Soldatenfliege vergleichbar mit denen von Sojaextraktionsschrot, wobei der Anteil an Valin etwas höher ist. Auch die Verdaulichkeit für Mastschweine ist vergleichbar mit der von Sojaextraktionsschrot. Bei der Geflügelfütterung wurde in einer Studie festgestellt, dass die schwefelhaltigen Aminosäuren Methionin und Cystein, auf die beim Geflügel besonderer Wert gelegt wird, geringer verdaulich sind als die aus Sojaextraktionsschrot. Hier gebe es noch Klärungsbedarf, so Krieg. Zur Verfügbarkeit von Phosphor aus der Schwarzen Soldatenfliege gibt es offenbar kaum Untersuchungen.
Auch beim Gelben Mehlwurm sind die Aminosäuremuster „vergleichbar günstig“ wie bei Sojaextraktionsschrot. Für das Schwein sind diese Aminosäuren laut einer Studie alle über 90 % verdaulich. Für das Geflügel sind sie mit mindestens 73 % auch gut verdaulich. Die Phosphorgehalte könnten stark schwanken, zu ihrer Verfügbarkeit gebe es auch beim Mehlwurm kaum Untersuchungen, so der Experte.
Beim Heimchen sind die Aminosäurenmuster ebenfalls mit denen von Sojaextraktionsschrot vergleichbar. Zur Verdaulichkeit von Aminosäuren und Phosphor aus Heimchen für Schweine oder Geflügel liegen noch keine Angaben vor. Was hingegen bekannt ist, ist der relativ hohe Gehalt an Natrium in Heimchen.
Lässt sich der Futterwert beeinflussen?
Der Futterwert der Insekten werde beeinflusst durch das Futter, das sie aufnehmen, durch ihr Entwicklungsstadium (Schwarze Soldatenfliege) und durch ihre Haltung, erläuterte der Referent. Je nach Futtermittel lagern sie mehr oder weniger Fett, Vitamine, Carotinoide oder Mineralstoffe ein. Allerdings ist das von Insektenart zu Insektenart unterschiedlich. Das Aminosäurenmuster ist unabhängig von der Fütterung recht stabil, kann aber durch hohe Fettgehalte „verdünnt“ werden. Bei der Haltung spielt es beispielsweise für den Vitamin-D3-Gehalt eine Rolle, ob die Insekten belichtet werden oder nicht. Es gibt also ein paar Stellschrauben für den Futterwert von Insekten für Schweine und Geflügel.
Darüber hinaus ist die Art der Verarbeitung für den Futterwert der Insekten entscheidend. Da geht es beispielsweise darum, ob und wie vollständig das Fett abgepresst wird oder ob das Chitin (aus Häutungen) noch enthalten ist oder extrahiert wird. Auch gebe es Diskussionen darüber, ob die Aminosäuren im Verarbeitungsprozess durch Erhitzen geschädigt würden.
Mögliche Rationen
Welche Mengen an Insekten können denn nun in der Tierfütterung eingesetzt werden? Hier nannte Krieg Ergebnisse verschiedener Studien als Anhaltspunkte. Bei Masthähnchen können bis zu 10 % Schwarze Soldatenfliege dem Futter beigemischt werden. Dies habe positive Effekte auf die Futteraufnahme und das Wachstum, sprich höhere Schlachtgewichte. Die Fütterung mit Mehlwürmern zeigte in zwei Studien einen negativen Einfluss auf die Futterverwertung der Broiler; dies sei erneut zu überprüfen. Bei Legehennen habe eine Gabe von 50 g/kg Schwarze Soldatenfliege positive Effekte auf Legeleistung, Eierqualität und möglicherweise auch auf das Immunsystem. Eine andere Studie hält hier sogar den Ersatz von 50 % des Proteins durch Schwarze Soldatenfliege für möglich.
Noch dünner ist die Erkenntnislage bei der Fütterung von Schweinen. Offenbar können bis zu 20 % Insektenprotein ohne Probleme an Ferkel gegeben werden. Laut einer Studie führt der Einsatz von 5 % Mehlwürmern bei Ferkeln zu einem Rückgang der Durchfallerkrankungen. Auch kann die Fütterung lebender Larven der Schwarzen Soldatenfliege bei Ferkeln für Beschäftigung und somit zu einem positiven Einfluss auf ihr Verhalten sorgen. Für Mastschweine und Sauen gibt es nur relativ wenige, uneinheitliche Studien, aus denen sich kaum empfehlenswerte Rationen ableiten lassen.
Hinter den Kulissen
Wie die Produktion von Insekten erfolgt und welche Produkte daraus hergestellt werden können, darüber berichtete Dr. Jonas Finck, Geschäftsführer der madebymade GmbH, Pegau. Gemeinsam mit Betriebswirt Kai Hempel hat der Biologe Ende 2017 die Firma gegründet und nach diversen Testläufen in einer Pilotanlage Ende 2020 die erste Industrieanlage für die Produktion der Schwarzen Soldatenfliege gebaut. Heute wird auf 2.500 m² produziert mit dem Ziel von 3 t lebender Maden pro Tag bei einem Input von 18 t Reststoffen pro Tag. 15 Mitarbeiter sind mit Produktion und weiteren Entwicklungen beschäftigt. Der Absatz erfolgt an den Heimtiermarkt.
Warum Insekten? Weltweit fallen viele organische Reststoffe (Lebensmittelabfälle) an, die Insekten sehr effizient und schnell verwerten können. Weltweit steigt die Nachfrage nach tierischen Proteinen, und weltweit herrscht Ackerflächenknappheit. Die Produktion tierischer Proteine aus Insekten ist wesentlich platzsparender als aus herkömmlichen Nutztieren. Die Firma madebymade habe es sich daher auf die Fahnen geschrieben, einen Beitrag zum Upcycling organischer Reststoffe zu hochwertigen Zutaten für die Tier- und Pflanzenernährung zu leisten, wie Finck erläuterte.
Genutzt wird in Pegau vorerst ausschließlich die Schwarze Soldatenfliege. Die adulten Tiere brauchen keine Nahrung und werden zehn bis 14 Tage in Reproduktionscontainern gehalten, bis alle Weibchen ihre 400 bis 800 Eier abgelegt haben, danach sterben sie. Nach fünf Tagen schlüpfen die Larven in von der Firma eigens entwickelten Eiablagen. Danach kommen sie in die Vormast, anschließend in die Mast auf ein Futtersubstrat, das sie in etwa zwei Wochen komplett zersetzen. Die „erntereifen“ Maden werden mit einem Sieb von ihren Ausscheidungen, Chitinhüllen (aus den Häutungen) und eventuellen Futterresten getrennt. 5 % der Maden gehen wieder in die Reproduktion, der Rest wird verarbeitet.
Ein Teil der Tiere wird lebend verkauft. Alle anderen werden getrocknet. Wiederum ein Teil wird als getrocknete, ganze Maden verkauft. Der Rest wird entfettet und zu Pulver/Mehl mit 45 bis 55 % Proteingehalt verarbeitet, welches als nachhaltiger Ersatz für Soja- und Fischmehl gilt. Als Nebenprodukte werden unter anderem extrahierte Fette (Ersatz für Palmöl und Kokosfett), Chitin und die Ausscheidungen als Bodenverbesserer/Dünger vertrieben. Mit dem Dünger wurden bereits einige pflanzenbauliche Versuche erfolgreich gefahren. Da er auch Chitin enthält, stärkt er die Pflanzenabwehr. Mit seinem hohen Anteil organischer Substanz wirkt er humusanreichernd und stimuliert das Bodenleben. Der „Naturdünger“ ist als 100 % organisch auch bei FiBL (Forschungsinstitut für biologischen Landbau) und Gäa (Bioverband, der ökologisch hergestellte Rohstoffe und Lebensmittel zertifiziert) gelistet.
Ausblick
Insekten können bei Anpassung der Ration in der Fütterung von Schweinen und Geflügel eingesetzt werden. Über die Mengen besteht noch Uneinigkeit. Mit 10 % könne man zunächst nicht viel falsch machen. Noch herrsche eine hohe Variation in den Nährstoffkonzentrationen, was die Rationsplanung erschwere. Die Weiterentwicklung der Insektenhaltung in Deutschland werde aber voraussichtlich eine gewisse Konstanz hineinbringen. „Doppelte Veredelungsverluste“ sind zu vermeiden: Futter, das direkt an die Nutztiere gefüttert werden kann, sollte also nicht zur Aufzucht der Insekten verwendet werden. Diese sollten mit ansonsten nicht nutzbaren Koppelprodukten gemästet werden.
Künftig werde die Einsatzmöglichkeit von Insekten als Futtermittel für Nutztiere vor allem von den (aktuell noch recht hohen) Kosten, aber auch von ihrer Verfügbarkeit und Verarbeitung in konstanter Qualität und konstanten Mengen abhängen, prophezeite Dr. Krieg. Er geht aber davon aus, dass die Entwicklung rasch voranschreiten wird. Der Vorteil von Insekten als Futtermittel ist, dass sie in der Produktion wenig Platz brauchen bei weltweit knapper werdenden Agrarflächen pro Kopf. Die Fütterung mit Insekten trägt also zur Nachhaltigkeit bei.