Eckpunkte für eine Nationale Biomassestrategie haben das Bundeswirtschafts-, das Bundeslandwirtschaftsministerium und das Bundesumweltministerium in der vergangenen Woche vorgelegt. Ziel sei eine nachhaltige Biomasseerzeugung und -nutzung, die sich konsequent an den Klima-, Umwelt- und Biodiversitätszielen orientieren solle, heißt es in dem Papier. Die Strategie der drei grün geführten Ressorts soll die inhaltliche Grundlage für die künftige biomassebezogene Politik der Bundesregierung bilden.
Mit der Priorisierung der stofflichen Nutzung, einem Vorrang der Mehrfachnutzung sowie der Nutzung des Biomasseanteils an biogenen Abfallstoffen werden drei Leitprinzipien formuliert. Angestrebt wird die konsequente Kaskaden- und Mehrfachnutzung von Biomasse. Es gehe darum, stets der stofflichen Nutzung Vorrang zu geben, die eine möglichst langfristige Kohlenstoffbindung ermögliche, und erst am Ende der Kaskade energetische Nutzungen in den Blick zu nehmen. In der Agrar- und Forstbranche wurden die Eckpunkte zurückhaltend aufgenommen.
Zu defensiv im Hinblick auf die Bioenergie seien die Vorschläge, kritisierte der stellvertretende Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Udo Hemmerling. Waldeigentümer-Präsident Prof. Andreas Bitter warnte davor, die energetische Nutzung von Holz zu verteufeln. Kritik kam auch aus den Reihen der Ampel. Nach Auffassung von FDP-Agrarsprecher Dr. Gero Hocker atmen die Eckpunkte in weiten Teilen „den Geist veralteter Denkmuster“. Hocker vermisst einen Hinweis auf die Chancen der Biotechnologie und insbesondere neuer Züchtungsmethoden. Diese seien jedoch für die Erzeugung moderner und effizienterer Bioenergiepflanzen wesentlich.
Laut Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck (Grüne) soll die Strategie sicherstellen, dass Biomasse zukünftig nur noch in nachhaltig verfügbaren Mengen gezielter für den Klimaschutz und die Transformation der Wirtschaft in Richtung Treibhausgasneutralität eingesetzt werde. Damit schaffe man langfristig verlässliche Rahmenbedingungen für Investitionen, auch in ländlichen Räumen. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) bezeichnete die Biomassestrategie als ein wichtiges Instrument, um nachhaltig erzeugte Biomasse gezielt und systemdienlich nutzbar zu machen und ihre Potenziale zu sichern.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, sei eine sorgfältige Abwägung des zukünftigen Einsatzes begrenzt verfügbarer und nachhaltiger Biomassepotenziale erforderlich, die durch klare politische Leitprinzipien und konkrete Politikinstrumente unterstützt werden solle. Nach den Worten von Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) muss genau abgewogen werden, wofür die knapp bemessene Ressource Biomasse verwendet werden solle. Dies sei die Voraussetzung, um einen messbaren und nachhaltigen Beitrag zu Klima- und Biodiversitätsschutz zu leisten.
Stoffliche und energetische Holznutzung wichtig
„Heimisches Holz spielt für den Klimaschutz und eine stabile Versorgung eine ganz wichtige Rolle“, erklärte Bitter. Dazu leiste jede Art der Holznutzung einen Beitrag, also nicht nur die stoffliche, sondern eben auch die energetische. „Schon aus Eigeninteresse priorisieren die Waldeigentümer die stoffliche Nutzung von Holz, da diese in der Regel höhere Erträge bringt“, stellte Bitter fest. Vor allem Holz, das nicht zur stofflichen Nutzung verkauft werden könne, werde als Brennholz genutzt. Es falle vorrangig beim Durchforsten oder als Kronenholz bei der Erntenutzung an, vor allem auch bei kleineren Flächen von Waldeigentümern. Das habe eine erhebliche Bedeutung für die Pflege von Kleinprivatwald.
Der Vorsitzende der Familienbetriebe Land und Forst, Max von Elverfeldt, bezeichnete Holzenergie als „einen wichtigen Baustein der Zeitenwende“. Dies gelte umso mehr, weil Holz nachwachse und erneuerbar sei. Außerdem sei ein Großteil des energetisch genutzten Holzes Rest- oder Schadholz, für das es keine stoffliche Verwendung mehr gebe. Dieses Potenzial müsse die Bundesregierung in der weiteren Ausgestaltung der Nationalen Biomassestrategie nutzen.
Für Johann Rathke vom World Wide Fund for Nature Deutschland wird hingegen nicht hinreichend beachtet, dass Biomasse ein elementarer Bestandteil der Ökosysteme sei. So werde der ökologische Wert des Waldes für den Arten-, Ressourcen- und Klimaschutz nicht ausreichend berücksichtigt.
Zwar seien die Eckpunkte relativ ergebnisoffen formuliert, räumte Hemmerling ein. Gleichzeitig komme in dem Papier jedoch eine „gewisse Angst vor zu viel Nachwachsenden Rohstoffen und zu viel Bioenergie in Deutschland“ zum Ausdruck. Er forderte die Bundesregierung dazu auf, sich von überkommenen „Teller-oder-Tank-Narrativen“ zu lösen und mehr Mut für die Zukunft einer nachhaltigen Bioökonomie zu fassen. Nach seiner Überzeugung wäre ein deutscher Sonderweg mit einer Einengung auf die Nutzung von biogenen Abfall- und Reststoffen falsch: „In einer künftigen klimaneutralen Wirtschaft ohne fossilen Kohlenstoff werden neben dem Recycling grundsätzlich alle biogenen Kohlenstoffe gebraucht.“ Dabei werde die Erzeugung von Lebensmitteln selbstverständlich Vorrang behalten vor Nachwachsenden Rohstoffen und Bioenergie. „In der Biomassestrategie muss stärker standortbezogen gedacht werden“, mahnte Hemmerling.
Potenziale der Bioenergie nicht gefährden
Die wichtige Rolle der Bioenergie bei der künftigen Verwendung von Biomasse unterstreicht das Hauptstadtbüro Bioenergie (HBB). „Die Bioenergie ist unverzichtbar für die notwendige Transformation unseres Wirtschaftssystems, unsere langfristigen Klimaschutz- und Biodiversitätsziele sowie zur Erreichung der Energiewende im Ganzen“, so die im Hauptstadtbüro kooperierenden Verbände DBV, Bundesverband Bioenergie, Fachverband Biogas und Fachverband Holzenergie zu den vorgelegten Eckpunkten. Die Verbände kritisieren den Ansatz der Ressorts, einen Vorrang der stofflichen vor der energetischen Nutzung festzuschreiben. Sie weisen darauf hin, dass für qualitativ unterschiedliche Biomassesortimente auch unterschiedliche Verwertungspfade benötigt würden.