Miriam Boyens kommt aus Schleswig-Holstein, doch seit sieben Jahren hat sie Leben und Beruf nach Neuseeland verlegt. Dort hält sie mit ihrem Lebensgefährten Rotwild, und nebenher hat sie eine Vermittlung für deutsche Erntehelfer aufgebaut, die es nach „Down under“ zieht, wie der Kontinent genannt wird.
Majestätische Hirsche vor dem landschaftlichen Panorama Neuseelands: Was wie eine Szene aus dem Hollywood-Blockbuster „Herr der Ringe“ klingen mag, ist für Landwirtin Miriam Boyens in ihrer Wahlheimat Neuseeland Teil der täglichen Arbeit. Geboren und aufgewachsen in Schleswig-Holstein, lernte die heute 32-jährige Landwirtin 2014 bei einem Auslandsaufenthalt in Australien ihren jetzigen Lebensgefährten kennen. Nun betreiben die beiden Hirschzucht in Neuseeland.
Doch das ist noch nicht alles. Dass der Schritt in die weite Welt so einige Tücken bereithalten kann, weiß Miriam aus eigener Erfahrung. Heute kennt sie die Anlaufschwierigkeiten, kulturellen Unterschiede und Besonderheiten der Landwirtschaft in Neuseeland und Australien, und so hat sie eine Vermittlung aufgebaut, die angehenden deutschen Landwirten bei der Verwirklichung ihrer Work-and-Travel-Träume in Down under hilft. Dafür hat sie eine Agentur aufgebaut, die Kontakte herstellt und Informationen bereitstellt.
Für asiatische Medizin
Doch zunächst zu den Hirschen. Rotwild im Gehege zu halten, ist auch in Deutschland möglich, doch ungewöhnlich ist die Nutzung, die man in Neuseeland betreibt. „Das Fleisch ist für uns ein Nebenprodukt“, sagt Miriam, „wir vermarkten die Geweihe.“
Wie das? „Auf dem asiatischen Markt ist Geweihpulver gefragt als Lebens- und Heilmittel.“ Nach dem in der chinesischen Medizin geläufigen Motto „Du bist, was du isst“ soll es gut gegen Knochen- und Gelenkleiden sein. Einige Produkte sind ebenfalls in Neuseeland erhältlich. Auch die Züchtung des Rotwildes geht in die beiden Richtungen Fleisch- oder Geweihgenetik – für Boyens eben in die letztere, hin zu gleichmäßigem Wuchs und gutem Gewicht.
Ernte der Geweihe
Nur die männlichen Tiere tragen ein Geweih. Bevor sie es im Frühjahr nach der Brunft auf natürliche Weise abwerfen, wird es vom Tierarzt vom betäubten Tier abgetrennt. Dann wird es eingefroren und später vom Käufer abgeholt. Die Verarbeitung zu vorwiegend Pulver erfolgt dann in Asien. „Man kann vom Geweih fast alles verwerten, aber es hat unterschiedliche Qualität und unterschiedlichen Preis“, sagt Miriam, „Das Geweih ist der schnellst nachwachsende Knochen eines Tieres.“
Neuseeland besteht im Wesentlichen aus zwei großen Hauptinseln. Sie und ihr Partner arbeiten auf der Südinsel in der Region Canterbury auf dem Hof in Windwhistle (Windflüstern) von dessen Onkel. Der Ortsflecken („in Deutschland wäre es gar kein Dorf“) ist etwa 20 km von der Stadt Methven entfernt und 80 km von Christchurch an der Ostküste, der größten Stadt der Südinsel, von der noch die Rede sein wird.
Die beiden bewirtschaften auf dem Hof rund 1.450 Hirsche und Kühe plus Kälber auf zwei Flächen – knapp die Hälfte auf 130 ha als Manager für den Onkel und gut die Hälfte als eigenen Betrieb auf weiteren 130 ha, die sie vergangenes Jahr gepachtet haben. „Die Tiere sind, bis auf wenige Exemplare, nach wie vor wild, sie fressen nicht aus der Hand, sind aber an den Menschen gewöhnt.“ Das Geweih wird ab dem zweiten Lebensjahr jährlich entnommen und kann ein Gewicht von bis zu 4,5 kg erreichen. Bei ihrer Herde ergibt das eine Ernte von mehreren Tonnen pro Jahr. Die Tiere werden generell genutzt, bis sie zehn Jahre alt sind, teilweise bis 15 Jahre.
Herkunft vom Westensee
Miriam Boyens ist geboren in Preetz und aufgewachsen in Bossee, Quarnbek und Flemhude beim Westensee. Immer hat sie als Erntehelferin gearbeitet. „Ich wollte immer Landwirtschaft betreiben, Rübenroder und Bagger haben mich von Kindheit an begleitet.“ In Osnabrück studierte sie Landwirtschaft mit Bachelorabschluss, dann kam der erste landwirtschaftlich geprägte Aufenthalt in Australien und Neuseeland. Zurück in Deutschland, machte sie ihren Master in Göttingen. Auch ihr Freund kam eine Weile nach Deutschland, um ebenfalls die kulturellen Unterschiede kennenzulernen.
Was macht diese Unterschiede aus? „Deutsche sind oft sehr direkt, das kann als unfreundlich empfunden werden. Neuseeländer sprechen heikle Sachen eher durch die Blume an. Sie betreiben auch mehr Small Talk, während die Deutschen gleich zur Sache kommen und loslegen wollen.“ Was sie zu schätzen gelernt hat, ist eine gelassenere Lebenseinstellung. „Man macht, wonach einem ist, und wenn es nicht mehr gefällt, sucht man sich etwas anderes.“
Die Küche sei englisch beeinflusst, Fisch and Chips gängig. Es gibt um 10 Uhr eine Art zweites Frühstück, genannt Morning Smoko, mit Muffins und Tee. Kaffee und Kuchen am Nachmittag seien nicht üblich, die Hauptmahlzeit abends. Was sie am meisten vermisse – außer Familie und deutschen Freunden: „Deutsche Backwaren, das Brot hier ist eher wie Toast. Und das Tanzen. Das ist hier nicht verbreitet. Selbst eine Hochzeit ist um Mitternacht zu Ende.“
Hilfe für die Helfer
Von ihrer Erfahrung in zwei Welten sollen auch junge deutsche Erntehelfer profitieren. Deshalb hat Miriam eine Vermittlungsagentur gegründet. Die speist sich aus ihrem Netzwerk, das sie während ihres Studiums, bei ihren eigenen Aufenthalten und dem Leben vor Ort aufgebaut hat. Bei Bewerbern fragt sie, was sie vorhaben, welche Erfahrungen sie mitbringen, wie gut die Englischkenntnisse sind. Sie müssen schon mal mindestens eine Ernte mitgemacht haben.
Dann schaut sie, welche Betriebe passen könnten. In Neuseeland arbeitet sie mit etwa 20, in Australien mit etwa zehn zusammen. Sie holt immer ein Feedback ein, auf beiden Seiten. Wenn es ein schlechtes Bild abgibt, vermittelt sie den Betrieb nicht mehr oder lernt dazu, welche Kriterien Erntehelfer noch erfüllen sollten. Vergangenes Jahr hat sie 20 Erntehelfer vermittelt, ihr Ziel sind 40 pro Jahr. Sie nutzt ein Büro in Christchurch, wo sie einmal pro Woche hinfährt und außerdem für eine Zuchtberatung arbeitet, der Rest erfolgt per Homeoffice.
Außerdem hat Miriam einen Leitfaden mit organisatorischen Informationen zusammengestellt – für Visum, Versicherung, Steuer, Kontoanmeldung. „Viele Backpacker aus Deutschland wollen nach Neuseeland, doch der Bedarf an motivierten Erntehelfern ist noch größer.“
Atemberaubende Natur
Was viele reizt und auch sie fasziniert, ist die Natur in Neuseeland. „Sie ist atemberaubend. Es gibt alles von Strand bis Gebirge, Gletscher und Regenwald.“ Nicht umsonst wurden dort die Herr-der-Ringe-Filme gedreht, gleich ein paar Kilometer weiter. Es ist eben doch auch ein Hobbit-Land.
Infos zur Erntehelfervermittlung unter www.int-harvesthands.com