Heikle politische Gemengelagen, Inflationsdruck und ein turbulentes Marktumfeld sorgen nicht nur deutsche Landwirte. Auch Industrieunternehmen leiden unter den derzeitigen Entwicklungen im Weltgeschehen. Die Bundesregierung will mit dem sogenannten Wachstumschancengesetz einer konjunkturellen Abschwächung entgegenwirken und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft sicherstellen.
Der Bundesrat hat am 17. November 2023 das Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovationen sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness – kurz „Wachstumschancengesetz“ – verabschiedet. Das übergeordnete Ziel sind die Sicherstellung der Liquiditätssituation und die Stützung der konjunkturellen Lage. Weiterhin sollen Anreize für Unternehmen geschaffen werden, innovative und richtungweisende Investitionen für die Zukunft zu wagen. Geht es nach dem Willen des Gesetzgebers, werden die gesetzlichen Neuerungen ab dem 1. Januar 2024 in Kraft treten. Nach derzeitigem Stand ist das Gesetzesvorhaben jedoch ausgebremst. Das mit den Stimmen der Ampel-Koalition vom Bundestag verabschiedete Wachstumschancengesetz hat der Bundesrat vorerst gestoppt.
Unter anderem soll das Wachstumschancengesetz zahlreiche steuerrechtlich relevante Formulierungen enthalten.
Änderungen für landwirtschaftliche Betriebe
Auch für landwirtschaftliche Unternehmer gibt es einige bedeutende Änderungen der Gesetzesformulierungen. Dieses betrifft sowohl ertrag- als auch umsatzsteuerliche Themenfelder. Vor allem bei den ertragsteuerlichen Themen ist das Augenmerk des Gesetzgebers bezüglich der Liquiditätssicherung deutlich erkennbar. So gibt es diverse Änderungen, die eine erhöhte Inanspruchnahme des Abschreibungsvorlumens auf Investitionen zulassen.
Im Folgenden werden die aus landwirtschaftlicher Sicht bedeutendsten Änderungen dargestellt.
• Anhebung der GwG-Grenze, § 6 Absatz 2 EStG
Derzeit können Anschaffungs- oder Herstellungskosten geringwertiger Wirtschaftsgüter sofort abgezogen werden, wenn sie nicht mehr als 800 € netto betragen. Dieser Wert wird auf 1.000 € angepasst werden.
• Rückkehr der degressiven Abschreibung, § 7 Absatz 2 EStG
Bereits in Zeiten, die durch die Unwägbarkeiten der Corona-Pandemie gezeichnet waren, konnte diese degressive Abschreibung für Investitionen (AfA), die zwischen dem 1. Januar 2020 und dem 31. Dezember 2022 getätigt worden sind, in Anspruch genommen werden. Dies gilt fortan wieder für Investitionen, die nach dem 30. September 2023 und vor dem 1. Januar 2025 getätigt worden sind beziehungsweise getätigt werden. Die degressive AfA soll das maximal Zweieinhalbfache der linearen Abschreibung ermöglichen, dabei aber 25 % nicht überschreiten.
• Erhöhung der Sonderabschreibungsmöglichkeit, § 7g Absatz 5 EStG
Derzeit können Unternehmen unter Einhaltung der Gewinngrenze in Höhe von 200.000 € bis zu 20 % zusätzliche AfA im Wirtschaftsjahr der Anschaffung und in den darauffolgenden vier Jahren geltend machen. Künftig erhöht sich der Prozentsatz auf 50 %.
• Absenkung des Pauschalsteuersatzes für land- und forstwirtschaftliche Betriebe, § 24 Absatz 1 UStG
Mit Wirkung zum 1. Januar 2024 wird der Pauschalsteuersatz für Land- und Forstwirte auf voraussichtlich 8,4 % für Ausgangsleistungen abgesenkt werden. Somit wird dieser von ursprünglich 10,7 % zum wiederholten Mal gemindert und für viele Betriebe weiterhin unattraktiver. Bereits zum 1. Januar 2022 wurde er von 10,7 % auf 9,5 % und mit Wirkung zum 1. Januar 2023 von 9,5 % auf 9,0 % gemindert. Die Umsatzgrenze in Höhe von 600.000 € bleibt unberührt.
• Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten, § 20 Absatz 1 UStG
Bislang konnten Unternehmer, deren Umsätze 600.000 € im Kalenderjahr nicht überschreiten, ihre Umsätze nach vereinnahmten Entgelten ermitteln. Diese Grenze wird nunmehr auf 800.000 € erhöht werden.
• Einführung der Klimaschutz-Investitionsprämie
Mit der Einführung der Investitionsprämie soll die Transformation der Wirtschaft in Richtung von mehr Klimaschutz gefördert werden. Gefördert werden 15 % der förderfähigen Kosten (mindestens 10.000 €) für die Anschaffung oder Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens, wenn dies dazu beiträgt, die Energieeffizienz des Unternehmens nachgewiesenermaßen zu verbessern. Der Nachweis hat durch einen zugelassenen Energieberater zu erfolgen. Ausgenommen von dem Kreis der Begünstigten sind ausdrücklich Unternehmen des Fischerei- und Aquakultursektors und der Sektor der landwirtschaftlichen Primärproduktion.
Was gilt es sonst zu beachten?
Ab dem 1. Januar 2025 soll die Verwendung elektronischer Rechnungstellung (E-Rechnung) für den sogenannten Business-to-Business-Bereich (B2B) eingeführt werden. Dies gilt somit auch fast flächendeckend für landwirtschaftliche Unternehmer, da sich die Mehrheit der Umsätze im B2B-Bereich befinden. Eine E-Rechnung stellt Rechnungsinhalte statt auf Papier oder in einer Bilddatei wie zum Beispiel als PDF in einem strukturierten, maschinenlesbaren XML-Datensatz dar.
Die verpflichtende Verwendung der E-Rechnung ab dem Jahr 2025 soll die Voraussetzung für die zu einem späteren Zeitpunkt einzuführende Verpflichtung zur transaktionsbezogenen Meldung von Umsätzen durch Unternehmer an ein bundeseinheitliches elektronisches Meldesystem der Verwaltung sein. Die Einführung der E-Rechnung soll schrittweise erfolgen.
Für den Zeitraum 1. Januar 2025 bis 31. Dezember 2026 sollen sonstige Rechnungen auf Papier weiterhin geduldet werden. Vorgaben in Bezug auf die Wahl eines geeigneten Dateiformats liegen derzeit nicht vor. Bereits ab dem 1. Januar 2025 gilt ebenso, dass jeder zumindest in der Lage sein muss, elektronische Rechnungen im Empfang zu nehmen. Anders als bisher ist die elektronische Rechnungsstellung auch nicht an eine Zustimmung des Rechnungsempfängers geknüpft.
Vom 1. Januar 2027 bis 31. Dezember 2027 dürfen nur die Unternehmer, deren Gesamtumsatz im Vorjahr 800.000 € nicht übersteigt, weiterhin Papierrechnungen oder Rechnungen übermitteln, deren Format nicht dem vorher bestimmten elektronischen Format entspricht. Ab dem 1. Januar 2028 sind die technischen Anforderungen und ihre technische Übermittlung zwingend einzuhalten.
Obgleich es derzeit berechtigte Zweifel an der zeitlichen Umsetzung der verpflichtenden E-Rechnung gibt, so ist die Marschrichtung doch sehr deutlich. Jedem Unternehmer sollte klar sein, dass der Weg zur E-Rechnung zwangsweise auch den Schritt in Richtung Digitalisierung bedeutet. Es soll ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass dieser Zwang auch als Chance oder Gelegenheit aufgefasst werden kann, bislang kaum hinterfragte Prozesse zu durchleuchten und zu verschlanken. Der Markt hält bereits viele brauchbare digitale Bürolösungen bereit. Für viele Unternehmer sind digitale Prozessabläufe auch in Zusammenarbeit mit den Steuerbüros bereits heute nicht mehr wegzudenken.
Fazit
Das Wachstumschancengesetz lässt einige deutliche Signale erkennen. Aus ertragsteuerlicher Sicht ist erfreulich, dass durch die Anpassungen im Bereich der Abschreibungen mehr Flexibilität geschaffen werden soll. So kann in volatilen Zeiten den damit verbundenen steuerlichen Ausschlägen besser entgegengewirkt werden. Hingegen wird vor allem die umsatzsteuerliche Pauschalierung als Privileg für landwirtschaftliche Unternehmer zunehmend unattraktiver. Die geplanten Vorhaben in Bezug auf die verpflichtende Einführung der E-Rechnung sollten als Chance für den Einstieg in die Digitalisierung gesehen werden. Über das tatsächliche Inkrafttreten des Wachstumschancengesetzes in der derzeitigen Fassung wird der Vermittlungsausschuss erst noch beraten müssen.