In Schleswig-Holstein gibt es rund 240 Museen. Darunter befinden sich auch Heimatmuseen, die oft nur durch den Einsatz von Ehrenamtlichen am Leben erhalten werden. In loser Folge stellt das Bauernblatt diese Kleinode vor. Heute geht es nach Hanerau-Hademarschen im Kreis Rendsburg-Eckernförde.
Mit flottem Schritt kommt Fritz Hermann Barnstedt über den Parkplatz. Der 89-Jährige ist Ehrenamtler mit Leib und Seele. Sein „zweites Zuhause“ nennt Ehefrau Waltraut augenzwinkernd das Heimatmuseum, in dem er nun schon seit vielen Jahren mit Sachverstand und Leidenschaft wirkt. Barnstedt öffnet die Tür und führt den Gast gleich rechts vom Foyer in die Storm-Stube.
Foto: Silke Bromm-Krieger
Dieser Raum mit Sitzecken, Ausstellungsstücken und Bibliothek hält die Erinnerung an den Dichter Theodor Storm (1817–1888) wach. Er lebte nach Jahren in Husum von 1880 bis zu seinem Tod 1888 in Hademarschen. „Hier an seinem Alterssitz entstand sein bekanntestes Werk ,Der Schimmelreiter‘“, erzählt der agile Senior und klärt in diesem Zusammenhang über ein kleines, meist nicht erwähntes Detail auf. „Der vom damaligen Holzschnitzer-Lehrling und späteren Maler Emil Nolde verzierte Schreibtisch, den Storm zum 70. Geburtstag geschenkt bekam und an dem er den ,Schimmelreiter‘ schrieb, steht heute zwar im Husumer Storm-Haus, stammt aber ursprünglich aus Hademarschen.“
Ein weiteres Mal öffnet sich die Eingangstür und Dr. Erika Hartmann, Vorsitzende des Museumsvereins, und ihr Mann Ewald Zimmermann kommen herein. Schnell sind wir mittendrin in einem anregenden Austausch über die Museumsarbeit, die den dreien sehr am Herzen liegt.
Die Mitglieder des Museumsvereins Heimatmuseum Hanerau-Hademarschen haben seit ihrer Vereinsgründung 2018 im Auftrag der Gemeinde die Aufgabe übernommen, sich um das Heimatmuseum zu kümmern und so dessen Erhalt zu sichern. Dabei werden sie von zwei Stundenkräften unterstützt.
Foto: Silke Bromm-Krieger
Das Heimatmuseum wurde 1984 im Gebäude der ehemaligen Schule von 1884 eingerichtet und von der Gemeinde bis zur Übergabe an den Museumsverein betrieben. „Es ist in den 1970er Jahren aus einer Sammlung von Flüchtlingen und Vertriebenen aus den Ostprovinzen entstanden, die zunächst im Aussichtsturm ‚Auf den Bergen‘ untergebracht war. Im Laufe der Jahre wurde es immer wieder erweitert“, taucht Barnstedt in die Entstehungsgeschichte ein. 1998 kamen Räumlichkeiten in einem Nebenhaus, dem gemeindlichen Kulturzentrum, hinzu.
So umfasst das Heimatmuseum heute neun Räume auf 600 qm. Dazu gehört eine angrenzende Remise mit gespendeten landwirtschaftlichen und handwerklichen Gerätschaften. An jedem ersten Sonntag im Monat ist das Museum, Im Kloster 12–12 a, von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Weitere Öffnungszeiten und Führungen sind nach Vereinbarung möglich. Ergänzend finden in den Wintermonaten Autorenlesungen statt.
„In der Lokalgeschichte findet sich immer auch Gesellschaftsgeschichte wieder. Deshalb wollen wir örtliche Geschichte und Geschichten bewahren, lebendig halten und begreifbar machen“, benennt Hartmann die Motivation für das freiwillige Engagement des Fördervereins. Zimmermann und Barnstedt nicken zustimmend. Die beiden setzen sich schon seit Jahrzehnten ebenfalls in weiteren Ehrenämtern für das Gemeinwohl ein. Dabei ist es ihnen allen ein Anliegen, besonders das Interesse der jungen Menschen für die Lokalgeschichte und Museumsarbeit zu wecken. Zimmermann berichtet lebhaft von einer Veranstaltung mit der hiesigen Schule.
Mit 19 Schülern der 5. bis 9. Klassen ging es auf eine zünftige Fahrradtour. Ziel waren die Hademarscher Berge, auf denen sich bronzezeitliche Hügelgräber befinden. Einer dieser Hügel wurde 1912 ausgegraben. „Das geöffnete Großsteingrab gibt uns Einblicke in die damalige Bestattungskultur“, so der 82-Jährige. Intensiv hat er sich für Führungen in die Prähistorie eingearbeitet. „Es war schön, den Schülern hautnah ein Stück Historie aus der Region näherzubringen“, freut er sich rückblickend über den gelungenen Ausflug.
Barnstedt, der von 2004 bis 2024 Vorsitzender des Museumsvereins Rendsburg-Eckernförde und später bis 2024 auch des Museumsvereins Heimatmuseum Hanerau-Hademarschen war, widmet sich seit Langem der Verwaltung des Archivs, das in einen der Ausstellungsräume integriert ist. Es beherbergt gesammelte Akten, Berichte und Schriften der elf Gemeinden des alten Amtsbezirks. Akribisch übertrug er bereits unzählige alte Protokolle, die in der Sütterlinschrift verfasst waren, in die lateinische Schrift.
Foto: Silke Bromm-Krieger
Doch jetzt möchte das Trio „sein“ Heimatmuseum präsentieren. Zunächst geht es von der Storm-Stube in einen Raum mit Exponaten zum Nord-Ostsee-Kanal. Für diesen Bereich und für die Storm-Stube gibt es seit einiger Zeit Audioguides für die Besucher. Eine Vitrine fällt sofort ins Auge, in der sich das älteste Stück des Hauses befindet. „Dies ist ein mehr als 100.000 Jahre alter Backenzahn eines Waldelefanten, der Einblicke in die Tierwelt der Eem-Warmzeit bietet. 1947 wurde er auf einer Kippe bei Oldenbüttel gefunden, die durch den Aushub des Kanalbaus entstanden war“, informiert Hartmann. Der Fund sei seinerzeit an das Geologische Institut in Kiel weitergeleitet worden, das Heimatmuseum erhielt ein Replikat. Momentan sei aber das Original als Leihgabe zu sehen.
Von unten führt eine steile Holztreppe ins erste Obergeschoss. Hier berichten zwei Räume eindrucksvoll und bewegend von der Flucht und Vertreibung der Menschen aus den ostdeutschen Provinzen ab Januar 1945. Für die Konzipierung dieser Abteilung zeichnete die frühere ehrenamtliche Mitarbeiterin und Ausstellungsmacherin Marianne Hansen (†) verantwortlich, die selbst Vertriebene war. „Viele Menschen fanden nach dem Krieg in Hanerau-Hademarschen und Umgebung eine neue Heimat. Insgesamt wuchs die Bevölkerung damals auf das Doppelte an“, weiß Zimmermann. Ebenso befinden sich in diesem Stockwerk neben einer aktuellen Sonderausstellung zum früheren örtlichen Ziegelwerk eine historische Schusterwerkstatt und eine Uhrmacherei. Noch einmal heißt es Treppensteigen. In einem Raum des Dachgeschosses steht ein original Klassenzimmer aus dem Jahr 1946. In einem anderen gibt es Exponate aus verschiedenen Sachgebieten, zum Beispiel archäologische Funde aus der Steinzeit.
Foto: Silke Bromm-Krieger
Doch damit nicht genug. Wir kehren zum Foyer zurück und verlassen das Museum, um ins Nebengebäude zu gelangen. Dort zeigt eine Vielzahl landwirtschaftlicher Gerätschaften die Entwicklung der Landwirtschaft vom 19. Jahrhundert bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts. Daneben gibt es ein bürgerliches Wohnzimmer aus der Jugendstilzeit vor 1900 und einen Raum mit Inventar aus der alten Hademarscher Kirche. Außerdem sind Einzelstücke zu sehen, die nach einem Kirchenbrand 2003 gerettet und restauriert wurden.
Die übrige Ausstellungsfläche beschäftigt sich mit Kultur und Wohnkultur. Was für eine breite Themenvielfalt und welch eine große Zahl von Sammlerschätzchen! Da verwundert es kaum, dass der Museumsverein sich sehnlich einen zusätzlichen Raum wünscht. „Ebenso wünschen wir uns neue, gern auch jüngere Mitstreiter, alle sind willkommen“, betont Vorsitzende Erika Hartmann.
Zum Ende der fast dreistündigen, kurzweiligen und spannenden Zeitreise, von der hier nur ein Bruchteil wiedergegeben werden kann, fällt ein letzter Blick über den Museumshof. „Wollen wir die Zukunft gestalten, dürfen wir die Vergangenheit nicht vergessen“, sind sich die drei Ehrenamtlichen einig. Mehr Infos gibt es in einem virtuellen Museumsrundgang auf YouTube und unter hanerau-hademarschen.de




