Start Blog Seite 12

Eine neue Kennzahl in der Milchkontrolle

0

Seit einiger Zeit taucht neben der herkömmlichen somatischen ­Zellzahl ein neuer Wert in den Milchkontrollberichten auf: der Differential Somatic Cell Count (zu Deutsch: differenzierte somatische Zellzahl), kurz DSCC. ­Viele Landwirte fragen sich: Was ­bedeutet dieser neue Prozentwert? Wofür ist er gut? Und ab wann wird er kritisch?

Die somatische Zellzahl beschreibt die Gesamtanzahl der Körperzellen in der Milch. Diese werden im DSCC weiter aufgeschlüsselt. Unterschieden wird hier zwischen zwei Zellgruppen: Makrophagen auf der einen Seite sowie Lymphozyten und polymorphkernige neutrophile Granulozyten auf der anderen. Der DSCC ist ein Prozentwert und gibt den Anteil der zweiten Gruppe an der gesamten Zellzahl an. Gerade die neutrophilen Granulozyten spielen eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Krankheitserregern. Sie reagieren sehr schnell auf Infektionen und steigen bei einer Entzündung in einem Euterviertel sprunghaft an. Das bedeutet: Der DSCC-Wert kann sich bereits verändern, bevor die Gesamtzellzahl überhaupt steigt. Technisch ist jedoch zu beachten, dass eine zuverlässige Differenzierung erst bei Zellzahlen über 50.000 je Milliliter möglich ist.

Was sagt der Prozentwert aus?

Als erste grobe Orientierung gelten folgende Schwellenwerte:

unter 60 %: meist unauffällig

60 bis 65 %: Graubereich

über 65 %: möglicher Hinweis auf Entzündung

über 68 bis 70 %: deutlicher Hinweis auf aktive Immunabwehr

Diese Einteilung soll eine schnelle Einordnung ermöglichen, ersetzt aber nicht die genaue Interpretation im Einzelfall.

Über die Milchkontrolle wird der DSCC mit erhoben. Foto: Reiner Thomas

Einschränkungen: Was der DSCC nicht kann

Der DSCC ist kein Diagnoseinstrument im Alleingang. Wie alle Einzelwerte muss er im Zusammenhang mit dem Tier, seiner Vorgeschichte, dem Laktationsstadium und der Gesamtzellzahl betrachtet werden.

Beobachtungen zeigen: Ab der dritten Laktation steigt der DSCC tendenziell an. Auch erstlaktierende Kühe zeigen oft höhere Werte – möglicherweise durch eine noch nicht ausgereifte Immunabwehr oder durch mehr Stress in der Frühlaktation. Die niedrigsten DSCC-Werte finden sich meist bei zweitlaktierenden Tieren. Sie bieten so einen möglichen Anhaltspunkt für die Herdenbewertung.

Im Laktationsverlauf verändert sich der DSCC ebenfalls, wobei die Literatur hierzu uneinheitlich ist. Von der somatischen Zellzahl ist bekannt, dass sie zum Laktationsende häufig ansteigt, weil die Milchmenge sinkt und dadurch die Zellkonzentration steigt. Beim DSCC, der nur das Verhältnis der Zellarten abbildet, sollte dieser Verdünnungseffekt keine Rolle spielen. Dennoch sind in Studien unterschiedliche Verläufe dokumentiert; tendenziell wird ein abnehmender DSCC im Verlauf der Laktation beschrieben. Jedoch empfiehlt eine andere Studie, in den ersten 100 Laktationstagen einen Grenzwert von 66 % anzusetzen und danach einen von über 69 %. Hier wird der Einfluss von Herde, Rasse und Management deutlich.

Im Sommer konnte außerdem beobachtet werden, dass der DSCC-Wert erhöht war, ohne dass gleichzeitig die Zellzahl anstieg. Dies könnte auf einen erhöhten Erregerdruck durch Hitze, Fliegen oder Stallklima hinweisen. Somit hätte der DSCC auch eine mögliche Indikatorfunktion für Stress.

Ein weiterer Punkt, der zu beachten ist, ist die Zeit zwischen den einzelnen Melkungen. Nach bisherigen Erkenntnissen neigt der Wert dazu, etwas höher zu sein, wenn die Zwischenzeit kürzer ist – ohne dass diese höheren Werte direkt alarmierend sein müssen.

Klarheit durch Kombi von Zellzahl und DSCC

Die Kombination aus somatischer Zellzahl und DSCC soll dabei helfen, zwischen akuten und chronischen Prozessen zu unterscheiden.

Ein Beispiel zur Einordnung:

200.000 Zellen je Milliliter und DSCC > 65 %: Hinweis auf akute Entzündung, Immunsystem aktiv

erhöhte Zellzahl, aber DSCC < 65 %: möglicherweise chronische Entzündung mit geringer Immunaktivität

Allerdings gilt diese Regel nicht immer. Neuere Studien weisen darauf hin, dass die Werte auch stark vom jeweiligen Erreger abhängen. So verursachen einige Keime, zum Beispiel Streptococcus uberis, dass der DSCC auch bei einer chronischen Infektion über längere Zeit erhöht bleibt.

Probenentnahme: Was wirklich gemessen wird

Ein weiterer wichtiger Punkt: Der DSCC wird bei der Milchkontrolle aus der gemischten Milchprobe aller Euterviertel erhoben. Wenn dieser Wert also eine Auffälligkeit zeigt, bedeutet das nicht automatisch, dass alle Viertel betroffen sind – es kann auch nur eines sein.

Gerade bei Kühen ohne sichtbare Krankheitsanzeichen – also ohne Fieber, Schwellung oder auffällige Milch – kann der DSCC ein wertvoller Hinweis auf beginnende oder verborgene Entzündungen sein. Er ermöglicht es, früher gezielt nachzufassen, etwa durch Viertelgemelksproben, anstatt abzuwarten, bis sich eine Infektion klinisch zeigt oder eine subklinische Mastitis unentdeckt bleibt und chronisch wird.

Zudem kommt es zu einer Verzögerung, da die Probe erst ins Labor muss. Der DSCC könnte ein guter Frühindikator für Euterentzündungen sein, wenn er bei jeder Melkzeit erhoben würde. Dann wären sprunghafte Anstiege ein deutlicher Hinweis auf beginnende Infektionen. Bisher steht solch eine Technik jedoch noch nicht zur Verfügung.

Fazit

Der DSCC liefert zusätzliche Informationen zur Eutergesundheit, insbesondere im Zusammenspiel mit der Zellzahl. Er kann frühe Hinweise auf Entzündungen geben, ersetzt aber keine weiterführende Diagnostik und muss im Kontext bewertet werden.

Eine erfolgreiche Unkrautbekämpfung beginnt im Herbst

0

Theoretisch ist die Bekämpfung von Unkräutern mit Korvetto oder anderen clopyralidhaltigen Produkten teilweise im Frühjahr noch möglich, praktisch war das in den vergangenen Jahren aber nicht immer erfolgreich: Niedrige Temperaturen, oft auch verbunden mit Nachtfrost, sorgten häufig für schlechte Anwendungsbedingungen und damit auch für ungenügende Wirkungsgrade der Herbizide sowie mangelnde Verträglichkeit für die Kulturpflanzen. Außerdem war das mögliche Zeitfenster für Nachbehandlungen nach milden Wintern oft sehr kurz. Besonders rapserdflohgeschädigte Bestände boten aufgrund der geringeren Konkurrenzkraft des Bestandes Platz für den Neuauflauf von Unkräutern im Herbst. Somit muss der Fokus der Unkrautbekämpfung im Herbst liegen und für die Wahl der „richtigen“ Herbizide auch die Kenntnis des möglichen Unkrautspektrums auf der jeweiligen Fläche bestehen.

In den letzten Jahren gewinnen mit der Zunahme von Wetterex­tremen und Schädlingsdruck weitere Aspekte an Relevanz, die auch die Herbizidstrategie beeinflussen, da ein möglicher Rapsumbruch mittlerweile oft im Hinterkopf behalten werden muss.

Der Einsatz von Nachauflauf-Herbiziden mit dem positiven Nebeneffekt, dass man auf einige Unkrautarten situativer reagieren kann, hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Allerdings ist ein gänzlicher Verzicht auf die Bodenwirkstoffe, zum Beispiel Metazachlor und/oder Clomazone, nicht immer ratsam, wenn Unkräuter, wie Wegrauke, Ochsenzunge und Kamille, oder Ungräser (Ackerfuchsschwanz, Einjährige Rispe, Windhalm und Weidelgras) eine Rolle spielen.

Welche Herbizide wann einsetzen?

Zum Abdecken größtmöglicher Eventualitäten werden häufig kostenintensive Komplettlösungen angeboten beziehungsweise bevorzugt, die mitunter aber nicht überall erforderlich sind. Die Wirkstoffe haben zum Teil ein gut abgegrenztes Wirkungsspektrum mit klaren Stärken und Schwächen.

Empfehlungen der Kammer im Einzelnen

Der Wahl der Herbizid-Strategie muss sich vorzugsweise an den Problemunkräutern orientieren. So kommt man beim Auftreten der Wegrauke nicht am Wirkstoff Clomazone vorbei, vorausgesetzt die Auflagen lassen den Einsatz des Wirkstoffs zu. Das ist nach wie vor die sicherste Möglichkeit, dieses Unkraut, das zur Ernte massive Probleme bereitet, zu bekämpfen. Ähnlich verhält es sich mit der Ochsenzunge, Ackerkrummhals und Klatschmohn über den Wirkstoff Pendimethalin. Im Vorauflauf eingesetzt, benötigt man nur einen Bruchteil der Aufwandmenge und läuft nicht Gefahr, für den späten Einsatz (Vegetationsruhe!) keinen Termin zu finden. Für die Ungräser, wie Ackerfuchsschwanz, Rispe und Weidelgras, ist es der Wirkstoff Metazachlor (auch Dimetha­chlor, Napropamid und Pethoxamid), der bei feuchten Bodenbedingungen und ausreichender Aufwandmenge schon eine gute Bekämpfung erzielen kann. Dies wirkt sich dann positiv auf den nachfolgenden Einsatz der DIM und/oder der propyzamidhaltigen Produkte (Kerb FLO) aus.

Allerdings können die Bodenwirkstoffe bei stärkeren Regenereignissen auch dazu führen, dass die Rapsbestände kurzzeitig in ihrer Entwicklung gehemmt sind und somit auch Schwierigkeiten haben, beispielsweise bei Schäden durch Rapserdfloh, Kleine Kohlfliege oder auch Blattläuse, weiterzuwachsen.

In den vergangenen Jahren verschoben sich infolgedessen die Einsatzstrategien der Herbizide dahingehend, dass je nach Standort immer öfter nur eine reduzierte Bodenherbizid-Maßnahme und anschließende gezielte Nachbehandlung durchgeführt wurden.

Das Vorkommen von Hundskerbel hat in den letzten Jahren zugenommen.
Diese kleinen Storchschnabel-Pflanzen werden nachfolgend zum Problem und müssen nachbehandelt werden.
Wegrauke (li.) hat ein gerades Blattende, Hirtentäschel (r.) ein spitzes Blattende. Die Unkräuter zu erkennen, ist enorm wichtig für die Nachbehandlung.
Ausfall-Ackerbohnen können sehr schnell zum Konkurrenzproblem für Raps werden und müssen deshalb konsequent mit Effigo oder LaDiva bekämpft werden.
Hirtentäschel und Babarakraut – beides Kreuzblütler, aber nur Hirtentäschel ist einfach zu bekämpfen.
Kam kein Clomazone zum Einsatz, muss Wegrauke konsequent nachbehandelt werden.
Aufgrund von Trockenheit und klutigem Saatbett konnte das Bodenherbizid sein Potenzial nicht ausschöpfen und Ackerfuchsschwanz ist frühzeitig aufgelaufen. Eine erste Ungras-Maßnahme wird notwendig.


Beispiele für Spritzfolgen im Überblick

Breite Mischverunkrautung mit Wegrauke, aber ohne Ackerfuchsschwanz und Einjähriger Rispe:

0,25 bis 0,3 l/ha Clomazone 360 CS im VA

→ Wegrauke, Hirtentäschel/Ackerhellerkraut, Klettenlabkraut, Vogelmiere; Lücke: Clomazone hat unter anderem eine Kamille-Schwäche und ein Nachauflauf-Herbizid ist zwingend notwendig, zum Beispiel:

0,2 l/ha Runway (Kamille, Kornblume, Klatschmohn) oder

0,35 l/ha Effigo (Kamille, Kornblume, Klettenlabkraut) oder

0,25 l/ha LaDiva ab ES 12 (+ Storchschnabel, Hundskerbel)

Breite Mischverunkrautung mit Wegrauke und Ackerfuchsschwanz, Einjähriger Rispe:

1,0 l/ha Fuego + 0,25 bis 0,3 l/ha Clomazone 360 CS im VA

→ Schwerpunkt: Wegrauke, Hirtentäschel/Ackerhellerkraut, Kamille, Klettenlabkraut, Ackerfuchsschwanz, Rispe; Lücke: Klatschmohn, Storchschnabel-Arten, Ackerstiefmütterchen, Ochsenzunge/Ackerkrummhals, Hundskerbel, (Kornblume-Nebenwirkung durch Clomazone oft nicht ausreichend)

→ Tipp: bei stärkerem Klettenlabkrautdruck und/oder Geflecktem Schierling sollte anstelle von Fuego alternativ Fuego Top (+ Wirkstoff Quinmerac) zum Einsatz kommen; darüber auch gute Zusatzwirkung gegen Hundskerbel

Möglichkeiten, um Lücken zu schließen:

+ 0,2 l/ha Runway VA  + Kornblume, Klatschmohn und/oder

+ 0,5 bis 0,7 l/ha Stomp Aqua  + Ochsenzunge/Ackerkrummhals, Klatschmohn oder

ab BBCH 12 der Kultur 0,25 l/ ha LaDiva  Storchschnabel-Arten, Hundskerbel, Klatschmohn (siehe oben)

2,0 bis 2,5 l/ha Butisan Kombi + 0,25 bis 0,3 l/ ha Clomazone 360 CS im VA

→ Wegrauke, Hirtentäschel, Ackerhellerkraut, Kamille, Storchschnabel-Arten, Klettenlabkraut; Lücke: Kornblume, Stiefmütterchen, Ochsenzunge/Krummhals, stärkerer Hundskerbel-Besatz

→ Die aufgrund der Abstandsauflagen clomazonefreien Ränder/Bereiche müssen später gegen Wegrauke mit Fox nachbehandelt werden.

Wegraukenfreie Standorte, aber mit Ackerfuchsschwanz

Vorauflauf (VA)

2,0 bis 2,5 l/ha Butisan Gold  Kamille, Storchschnabel-Arten, Klettenlabkraut (normaler Besatz), (Klatschmohn); Lücken: Wegrauke, Kornblume, Ackerstiefmütterchen, Ochsenzunge/Ackerkrummhals

1,5 l/ha Fuego Top + 0,2 l/ha Runway VA  Kamille, moderater Besatz Klatschmohn, Kornblume, Ackerstiefmütterchen, Klettenlabkraut nicht immer ausreichend; Lücken: Wegrauke, Storchschnabel-Arten

1,5 l/ha Fuego Top + 0,5 bis 0,7 l/ ha Stomp Aqua (Kombination muss im VA fallen)  Kamille, Ochsenzunge/Krummhals, Klatschmohn, Teilwirkung Ackerstiefmütterchen, Klettenlabkraut nicht immer ausreichend; Lücken: Wegrauke, Kornblume, Storchschnabel-Arten

→ bei Bedarf Nachlage: Splitting-Nachlage mit Fox 0,3 und 0,7 l/ha  Wegrauke, Ackerstiefmütterchen, (Ochsenzunge/Ackerkrummhals), bei frühem Einsatz gute Teilwirkung auf Storchschnabel-Arten
und/oder Runway 0,2 l/ha → vor allem Kornblume, Ackerstiefmütterchen (NG 349 beachten!)
(inklusive Synergismus von Fox und Runway)

Breite Mischverunkrautung ohne Wegrauke oder stärkeren Druck von Ochsenzunge/Ackerkrummhals oder Ungräsern wie Ackerfuchsschwanz, Weidelgräsern und Einjähriger Rispe

ab BBCH 12 der Kultur: 0,25 l/ha LaDiva (Unkräuter müssen aufgelaufen sein), dann Nachlage mindestens 14 Tage später mit 0,25 l/ ha Belkar in BBCH 16

Einsatzbedingungen für die Fox-Anwendung

Ein Splitting im frühen Stadium zeigt höhere Wirkungsgrade, als die Einmalbehandlung.

0,3 l/ha in BBCH 14, gefolgt von 0,5 bis 0,7 l/ ha in BBCH 16

Mischpartner ausschließlich Runway oder Effigo

trockene Blätter zum Zeitpunkt der Behandlung (Wachsschicht) und möglichst sonniges Wetter zum Zeitpunkt der Anwendung und danach

Zwischen der Herbizidmaßnahme und dem Einsatz eines Wachstumsreglers, Insektizids oder Gräserherbizids sollten (fünf bis) sieben Tage liegen.

Übersicht im Internet zum Download

Eine Übersicht über die zugelassenen Herbizide mit den dazugehörigen Auflagen findet sich unter: https://t1p.de/ki7wu

Bekämpfung von Ausfallgetreide

Je nach Bodenbearbeitung, Gräserdruck und jahresbedingtem Auflaufverhalten sind meist ein bis zwei Anwendungen gegen Ausfallgetreide und weitere Ungräser notwendig. Durch die Vorauflauf-Behandlung mit Bodenwirkstoffen, wie oben beschrieben, werden zwar frühzeitig auflaufende Ungräser zum Teil erfasst, das Ausfallgetreide allerdings kaum.

Bei sehr trockenen Raps-Aussaatbedingungen läuft im Vorwege meist wenig Ausfallgetreide auf. Der Auflauf erfolgt dann erst nach der Saat nach einsetzendem Regen, sodass ein früher Einsatz eines FOP-Herbizids (zum Beispiel Agil-S, Targa Super und anderen) erforderlich wird, da sonst der Raps sehr schnell unterdrückt würde. Die Applikation sollte erst erfolgen, wenn das Ausfallgetreide zwei bis drei Blätter hat. Wurde im Vorauflauf mit Clomazone gearbeitet, muss erst das erneute Durchgrünen des Ausfallgetreides für eine ausreichende Wirkung der Produkte gegen Gräser abgewartet werden. Eine notwendige zweite Behandlung kann dann meist mit einem Wachstumsregler- und/oder Insektizideinsatz gegen Rapserdfloh kombiniert werden. Die Wachstumsregler wirken dabei zusätzlich oft wie ein Additiv und verbessern die Wirkstoffaufnahme. Gelistete Zusatzstoffe bringen nur bei Soloanwendungen einiger Graminizide eine Wirkungsverbesserung.

Fazit

Der Schlüssel einer erfolgreichen Unkrautbekämpfung liegt im Herbst. Dabei sind die Bodenherbizide nach wie vor ein wesentlicher Bestandteil der Herbizid-Strategie, bestehende Bekämpfungslücken können gezielt über den Einsatz von Nachauflauf-Herbiziden geschlossen werden.

Erlebnisreiche Tagestour

0

Das Interesse war ziemlich groß: Insgesamt 49 LandFrauen wollten sich unsere tolle Tagestour nicht entgehen lassen und so ging es Richtung Schenefeld im Kreis Steinburg, um den Landhandel Röschmann, die älteste Kirche Schleswig-Holsteins und den Altenjahner Kräutergarten in Grauel zu besichtigen.

Beim Futtermittelhersteller gab es nach einer herzlichen Begrüßung einen Rundgang durch die Produktions- und Lagerstätten. Der Betrieb wird seit 2015 von Kristin Röschmann geführt und hat sich im Zuge von Automatisierung und Digitalisierung unter anderem auf die Produktion von landwirtschaftlichen Nischenprodukten spezialisiert, zum Beispiel Kälberfutter oder individuell zusammengestelltes Pferdemüsli.

Ein volles Programm erfordert zwischendurch auch eine kleine Stärkung. Fotos:
LandFrauen Wankendorf u. U.

Zweiter Stopp unserer Tour war die Schenefelder Bonifatiuskirche, wo wir eine sehr interessante Führung über die Entstehung und Geschichte dieses Bauwerkes durch Reinhard Heesch von der Stiftung Krinkberg e. V. erhielten. Bei einem Mittagessen im nahe gelegenen Gasthof „Zum Nordpol“ konnten wir uns anschließend mit leckeren Schnitzeln und Beilagen wieder stärken. Danach ging es mit dem Bus zum Kräutergarten von Traute Struve. Auf einem 5.000 m² großen, hügeligen Gelände findet man einen der schönsten Gärten Norddeutschlands. Gegenüber dem Bauernhof, den sie gemeinsam mit Mann und Sohn bewirtschaftet, hat sie seit 2006 eine ehemalige Kuhkoppel in einen zauberhaften Ort verwandelt, der uns alle staunen ließ.

Nach dem Motto „Mein Garten ist mein Leben“ finden sich neben der riesigen Vielfalt an Blumen, Kräutern, Büschen und Gemüsepflanzen auch lauschige Plätze, Figuren, Steine und Wege. Traute Struve gab uns einen Einblick in ihr kreatives Schaffen und beantwortete ausführlich jede unserer Fragen zu der Entstehung dieses Gartens.

Im Anschluss konnten wir noch eine der vielen Sitzgelegenheiten aufsuchen und bei Kaffee und Kuchen eine Pause einlegen. Mit diesen vielen Eindrücken kehrten wir schließlich gegen 18 Uhr nach Wankendorf zurück.

Spaten und Spaß mit Sinn

LandFrauen packen an für die Baumpflanz-Challenge

Ninette Lüneberg, Geschäftsführerin des LandFrauenverbandes, hat die drei Bäume für unsere Baumpflanz-Challenge sorgsam ausgesucht.

Nominiert von den Jungen LandFrauen aus Rendsburg-Eckernförde, hat der Vorstand des LandFrauenverbandes Schleswig-Holstein natürlich nicht lange gefackelt: Challenge accepted!

Nach unserer Juli-Vorstandssitzung wurden die Gartengeräte geschultert und im fröhlichen Tross ging es zum neuen Veranstaltungsgelände der Deula in Rendsburg – im Gepäck hatten wir unsere drei sorgfältig ausgesuchten grünen Schützlinge – zwei Zieräpfel und einen wunderschönen Fliederbaum. Mit vereinten Kräften wurde gebuddelt, gelacht und gepflanzt, was das Zeug hält. Denn Bäume sind nicht nur schön, sondern sie sind auch echte Klimahelden. Die Baumpflanz-Challenge, ins Leben gerufen von der Landjugend für mehr Klimaschutz, verbindet Generationen und zeigt, wie gemeinsames Handeln nachhaltig Wirkung zeigen kann. Wir sagen: tolle Aktion, voller Energie und Engagement für unsere Umwelt. Meike von der Goltz

Vorstand und Geschäftsstelle haben mit angepackt und hoffen nun, dass die Bäume auf dem Deula-Gelände wachsen und gedeihen. Fotos: Meike von der Goltz

Unterstützung für Waldbesitzer noch bis Ende August

0

Der Aufbau artenreicher, stabiler Mischwälder ist das Ziel von „WeReforest“. Private und kommunale Wiederaufforstungsprojekte in Deutschland erfahren dabei Unterstützung. Sie können sich bis 31. August bewerben.

Das Projekt „WeReforest“ fördert die Wiederbewaldung und den klimaresilienten Umbau deutscher Wälder. Im Fokus stehen artenreiche, stabile Mischwälder mit hoher CO2-Bindung, ökologischer Vielfalt und wirtschaftlicher Tragfähigkeit. Ab sofort können sich kommunale sowie private Waldbesitzer um Unterstützung zur Wiederaufforstung ihrer Flächen in Deutschland bewerben. Unterstützt werden Projekte, die sich dem nachhaltigen Wiederaufbau von Waldflächen widmen und einen aktiven Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten. Die Anträge werden online entgegengenommen, Bewerbungsschluss ist der 31. August.

Finanziert wird der gemeinnützige Verein durch Spendengelder. Zudem können auf den Messen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) sogenannte Green Tickets erworben werden. Das so generierte Geld wird gezielt für „WeReforest“ verwendet. Im Rahmen des ersten Wiederaufforstungsprogramms, das 2023 gestartet wurde, konnten bereits 10 ha Waldfläche mit Bäumen und Sträuchern aufgeforstet werden. Für 2025 sind weitere Pflanzungen in derselben Größenordnung geplant.

Aufgrund der Kalamitätsereignisse der letzten Jahre liegen in Deutschland rund 600.000 ha Wald brach, die nun wiederaufgeforstet werden müssen. „WeReforest“ hat sich zum Ziel gesetzt, Waldbesit­zende bei dieser Mammutaufgabe zu unterstützen. Dazu werden Spendengelder gesammelt, mit denen die Wiederaufforstung auf Kalamitätsflächen finanziert wird. Als Hauptunterstützerin des Projekts bietet die DLG auch bei der diesjährigen Agritechnica erneut Green Tickets zum Verkauf an. 3 € pro Green Ticket fließen in das Wiederaufforstungsprogramm.

Fast 60.000 Bäume gepflanzt

Mit den bisher gesammelten Spendengeldern konnten bereits 58.450 Bäume und 3.600 Sträucher gepflanzt werden. Jetzt ist die nächste Bewerbungsrunde gestartet. Interessierte Besitzer von kommunalen oder privaten Waldflächen, die sich in Deutschland befinden, können ihre Bewerbungen bis zum 31. August hier: https://t1p.de/enyyr einreichen. Dort finden Waldbesitzende detaillierte Infos zum Bewerbungsverfahren. Eine unabhängige Expertenkommission wählt in einem anonymisierten Verfahren die Bewerbungen aus, die gefördert werden.

Green Tickets auf der Agritechnica 2025

Besucher der Agritechnica 2025 haben in diesem Jahr erneut die Möglichkeit, ein Green Ticket zu erwerben. Gegen einen Aufpreis von 3 € gegenüber dem regulären Ticket werden so die Wiederaufforstungsprojekte von „WeReforest“ unterstützt – lokal, regional und nachvollziehbar direkt in Deutschland.

Deutsche essen immer weniger Brot

0

Deutschland gilt als das Land des Brotes, 2014 wurde die deutsche Brotkultur von der Unesco sogar als immaterielles Kulturerbe anerkannt. Die Kunst des Brotbackens hat in Deutschland eine über Jahrhunderte bestehende Tradition und wurde in den vergangenen Jahrzehnten stetig weiterentwickelt. Traditionelle Verfahren, bei denen die Bäcker den Brotteig über mehrere Stadien hinweg zubereiten und längere Zeit ruhen lassen, werden allerdings immer seltener. Im deutschen Brotregister sind weit über 3.000 Brotsorten verzeichnet. Mischbrot liegt aktuell an der Spitze der beliebtesten Brotsorten. Dicht dahinter folgen Mehrkornbrot, Vollkornbrot und Schwarzbrot. Besonders stark im Trend liegt seit nunmehr sechs Jahren das Dinkelbrot. Alljährlich ermittelt das Marktforschungsunternehmen YouGov Daten für den Brotmarkt. In der letzten Erhebung wurde bestätigt, dass deutsche Bürger seltener zum Brot greifen als früher. 2024 kauften die etwa 41 Millionen privaten Haushalte in Deutschland je zirka 40,0 kg jährlich, insgesamt rund 1,55 Mio. t Brot. Dies entspricht einer Abnahme von etwa 10 % innerhalb der vorigen fünf Jahre. Auch wenn der Wandel der Gesellschaft weiter voranschreitet, es also immer mehr Ein- oder Zweipersonenhaushalte gibt und die drei Hauptmahlzeiten am heimischen Tisch längst durch viele kleine Snacks zwischendurch ersetzt worden sind, erfreut sich das Brot nach wie vor einer großen Beliebtheit bei den Konsumenten. Die Käuferreichweite für Brot lag bei 97,5 %, das heißt von 1.000 Haushalten in Deutschland kauften 975 im Jahr 2024 mindestens einmal Brot, allerdings immer weniger. Zudem verändern sich die Gewohnheiten der Bürger. Kunden greifen zu alternativen Produkten, frühstücken teils nicht mehr zu Hause und nehmen über den Tag eher kleinere Snacks zu sich. Yougov erfasst diese fertigen Waren wie belegte Brote, die Menschen außer Haus kaufen und verzehren, übrigens nicht. Klassische Mahlzeiten wie Frühstück, Pausen- oder Abendbrot finden immer seltener statt. Die Zahlen der Studie zeigen auch, dass Bürger ab 45 Jahren öfter Brot konsumieren als Menschen zwischen 18 und 34 Jahren.

Kunden zahlen im Supermarkt weniger als beim Bäcker

Gründe für die sinkende Einkaufsmenge, wobei der Rückgang die klassischen Bäckereien besonders stark trifft, sind aber auch Preisanstiege. Laut dem Statistischen Bundesamt kostet Brot 34 bis 37 % mehr als noch vor fünf Jahren. Der Preis für Mehl stieg sogar um 47 %, während die allgemeinen Verbraucherpreise in dem Zeitraum um 17,3 % zulegten.

Kostentreibend bei den Bäckern wirken auch die politikgetriebenen Energiekosten und die Bürokratie: Energiereports für jede Maschine durch teure Berater sowie „Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen durch Statistikpflichten“.

In Bäckereien zahlten Kunden zuletzt durchschnittlich 5,03 €/kg Brot. Bereits verpacktes Brot im Supermarkt kostete 3,19 € und Ware aus der Backstation 2,77 €, so die „Lebensmittel Praxis“. Die Preisschere zwischen Bäckereien und Handel ging immer weiter auf, weswegen die Supermärkte und Discounter von dem Wandel aktuell mengenmäßig profitieren. Für die Bürger, die ihr Brot trotzdem beim Bäcker um die Ecke kaufen, sind die Qualität und der Service wichtig.

Über 90 % der Käufer versorgen sich aus den Selbstbedienungsangeboten des Handels. Deutsche kaufen mehr als ein Drittel ihres Brotes, 34,9 %, an Frische-Backstationen in den Supermärkten.

Brot bleibt wichtiger Teil der Ernährung

Trotz des Rückgangs bleibt Brot für viele Deutsche ein wichtiger Teil der Ernährung. Die Yougov-Umfrage ergab, dass 14 % der Befragten mehrmals täglich und 30 % einmal pro Tag Brot oder Brötchen essen. Weitere 48 % greifen ein- oder mehrmals pro Woche zu diesen Backwaren.

Der dänische Weg – hyggelig geht anders

0

Das älteste Königreich der Welt geht einen neuen Weg in der Umwelt- und Klimapolitik. Es ist nicht der erste Feldversuch, der das politische Risiko auf die Landwirtschaft verlagert. Zwei Jahrzehnte lang hatte das Land eine restriktive Düngepolitik gefahren. Weniger Nährstoffeinträge wurden mit einem Rückgang der Eiweißgehalte im Getreide auf 8,4 % erkauft. Vor zehn Jahren gab Dänemark den Sonderweg auf. Man hätte auch gleich auf die Bauern hören können. Denen ist der Zusammenhang zwischen Düngung und Ertrag seit Justus von Liebigs Minimum-Tonne klar.

Auch beim neuesten Versuch, die Welt von Dänemark aus zu retten, steht die Landwirtschaft im Fokus: Die weltweit erste CO2-Steuer für Landwirte, massive Aufforstungen und wieder einmal eine strikte Düngeregelung sollen Vorteile schaffen. Es wurde sogar ein neuer Ministerposten geschaffen für die grüne Gesetzgebung. Kopenhagen meint es ernst. Doch schon in der Umsetzung hapert es – und zwar dort, wo die Losung zur Weltrettung ausgegeben wurde: Der Staat schafft es nicht, alle notwendigen rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen zu schaffen. Das zerstört das Vertrauen gerade bei denen, die die Hauptlast tragen sollen. Feldversuche am grünen Tisch sind selten von Erfolg gekrönt.

Seit dem 1. Juli hat Dänemark die EU-Ratspräsidentschaft inne. Es wird keine Kopie des dänischen Wegs geben, aber die Zielrichtung ist gleich: Klima- und Umweltschutz vorantreiben, Emissionsreduktionen erreichen und den ökologischen Fußabdruck verringern. Ebenfalls unter dänische Moderation fallen die Debatten rund um die Bürokratievereinfachung, die Planung des Mehrjährigen Finanzrahmens und das Chemikalienpaket. Eine Herkulesaufgabe.


Leitfrage: Müssen wir das wirklich regeln?

Etwas Pragmatismus hat sich Kopenhagen aber erhalten: Mehr Umweltschutz auf Kosten der Lebensmittelproduktion solle es nicht geben. Diese Lücke würde man gern über Biotechnologien schließen. Ob das mit Deutschland machbar ist? Als einer der weltweit größten Exporteure von Schweinefleisch kennt Dänemark die wirtschaftliche Bedeutung des Sektors. Dennoch wünscht sich der Kopenhagener Landwirtschaftsminister, dass Dänemarks Strategie für pflanzliche Lebensmittel in der EU Nachahmereffekte auslöst.

Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) und Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) sind sich nicht einig in der Bewertung des dänischen Wegs. Das war absehbar. Das Knirschen zwischen den Zahnrädern des Kieler Politikbetriebes, MLLEV und MEKUN, wird in den Interviews in der Bauernblattausgabe 31 offensichtlich. Pragmatismus ist dem Umweltminister ein Fremdwort, „I love Ordnungsrecht“ sein Motto. Werner Schwarz stellte seine Leitfrage „Müssen wir das wirklich regeln?“ auf dem Kreisbauerntag Steinburg (siehe Ausgabe 28). Anreize statt Ordnungsrecht nimmt die Landwirte mit. Doch die Bauern warten auf die Umsetzung in praktische Politik.

Wohin führt der dänische Weg? „Hyggelig“ – gemütlich wird es sicher nicht. Eine Umkehr ist nicht in Sicht. Vielleicht hilft es zumindest Deutschland, wenn das skandinavische Nachbarland das Versuchskaninchen gibt. Auch Politik kann aus Fehlern lernen – es müssen ja nicht immer die eigenen sein.

Sönke Hauschild Foto: bb

Interview mit Minister Schwarz: Ambitioniert, aber praxistauglich

0

Der Grüne Weg Dänemarks (siehe Ausgaben 25 und 27) beschäftigt auch die Kieler Politik. Wie bewertet Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) die Politik der Nachbarn?

Dänemark wird grün: CO2-Abgabe für die Landwirte, Herausnahme von 10 % der Nutzflächen, Stickstoffreduktion: Sehen Sie das als Blaupause für Schleswig-Holstein?

Werner Schwarz: Dänemark geht einen sehr ambitionierten Weg. Für Schleswig-Holstein sehe ich aber eher einen Ansatz, der auf Kooperation, Praxistauglichkeit und wirtschaftliche Tragfähigkeit setzt. Klimaschutz darf nicht zur Überforderung führen. Entscheidend ist, dass Maßnahmen an der Realität der Betriebe anknüpfen. Wir brauchen Lösungen, die praktikabel, wirtschaftlich tragfähig und gemeinsam mit der Landwirtschaft entwickelt sind.

Was kann man auf Deutschland übertragen, was nicht? Wo sind wir besser als Dänemark?

Dänemark ist ein interessantes Beispiel – allerdings unterscheiden sich die Rahmenbedingungen deutlich. Als vergleichsweise kleines Land kann Dänemark zentral gesteuerte Maßnahmen schneller und einheitlicher umsetzen. Deutschland hingegen ist föderal strukturiert. Das macht Prozesse mitunter komplexer, eröffnet aber auch die Chance, gezielt regionale Lösungen zu entwickeln. Und genau darin sind wir stark: wissenschaftlich fundiert, praxisnah und angepasst an die Bedingungen vor Ort.

Ist es sinnvoll, Flächen aus der Erzeugung zu nehmen, oder bevorzugen Sie den produktionsintegrierten Naturschutz?

Naturschutz und Landwirtschaft dürfen kein Widerspruch sein. Ich halte klar abgegrenzte Schutzflächen, also eine segregative Herangehensweise, für wirksamer. So schaffen wir Raum für Artenvielfalt und ermöglichen zugleich eine effiziente landwirtschaftliche Produktion für unsere Ernährungssicherung. Beides braucht es!

Landwirtschaftsminister Werner Schwarz Foto: sh

Ist die CO2-Strafsteuer das richtige Prinzip oder können Sie sich sinnvolle Anreize vorstellen?

Wir brauchen einen Wandel durch Anreize. Betriebe, die in gesellschaftlich gewünschte Leistungen investieren, etwa in Umwelt- und Klimaschutz, müssen dafür angemessen honoriert werden. Das schafft Motivation und Akzeptanz. Genau dafür setze ich mich auch bei den aktuellen Verhandlungen zur Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ein.

Geht der Aktionsplan Ostsee in eine vergleichbare Richtung?

Mit dem Aktionsplan Ostseeschutz 2030 verfolgt Schleswig-Holstein einen eigenständigen, aber ambitionierten Weg. Im Zentrum steht die Reduzierung der Nährstoffeinträge – ein zentrales Ziel der Landesregierung. Wir setzen dabei auf einen kooperativen, praxisorientierten Ansatz: Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Landwirtschaft arbeiten gemeinsam an umsetzbaren Lösungen. Ein bundesweit einmaliger Rahmen ist die Zielvereinbarung zwischen Landesregierung und Landwirtschaftsverbänden. Sie schafft Verbindlichkeit, ohne auf pauschales Ordnungsrecht zu setzen. In fünf Modellregionen leisten Ostseebeiräte wertvolle Arbeit – sie entwickeln regionale Maßnahmen, die sich an den tatsächlichen Bedingungen in den Betrieben orientieren. Das stärkt die Umsetzbarkeit und die Bereitschaft zum Mitmachen.

Christian Kock, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Hauptvereins für Nordschleswig (LHN), hat seinen Betrieb wegen der drohenden CO2-Abgabe nach Jahrzehnten ökologischer Wirtschaftsweise rückumgestellt. Können Sie das nachvollziehen?

Ich kann die Sorgen gut nachvollziehen. Unsere Landwirtschaft steht derzeit vor großen Herausforderungen, ob beim Klimaschutz, im Tierwohl oder im Umgang mit zunehmend extremen Wetterlagen. Umso wichtiger ist es, dass wir als Politik stabile Rahmenbedingungen schaffen, die den Betrieben Planungssicherheit und Entwicklungsperspektiven bieten. Dazu zählen verlässliche Förderkulissen und ein gezielter Bürokratieabbau.

Kock meint: „Wir Landwirte wollen Verantwortung übernehmen und innovativ arbeiten, aber nur mit Lösungen, die realistisch und wirtschaftlich tragfähig sind.“ Betonung auf „nur“. Gehen Sie mit?

Wir brauchen ambitionierte, aber praxistaugliche Lösungen. Nur wenn Maßnahmen wirtschaftlich tragfähig sind, können sie sich flächendeckend durchsetzen und ihre Wirkung für Umwelt, Klima und Tierwohl tatsächlich entfalten. Dazu zählen etwa die Weiterentwicklung standortangepasster Bewirtschaftungsstrategien, der gezielte Einsatz von Digitalisierung und Technik oder die Förderung klima- und ressourcenschonender Fruchtfolgen.

In Schleswig-Holstein wurde im April der Dialogprozess zur Zukunft der Landwirtschaft abgeschlossen. Bis 2040 sei nachhaltige, ressourcenschonende, klima- und tierfreundliche Landwirtschaft möglich. Wie geht es jetzt weiter?

Der Dialogprozess hat gezeigt: Landwirtschaft und Umwelt können gemeinsam Lösungen finden – das ist ein starkes Signal. Jetzt gilt es, die im Dialog erarbeiteten Vorschläge konkret weiterzuentwickeln und Schritt für Schritt in die Praxis zu bringen. Erste Schritte sind etwa die Planung und Umsetzung von Modell- und Demonstrationsvorhaben, die gezielte Förderung innovativer Bewirtschaftungskonzepte sowie die enge Begleitung durch Beratung, Wissenschaft und Verwaltung.

Gleichzeitig stärken wir den Dialog mit der Gesellschaft, unter anderem durch unsere Bildungsoffensive zu Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz. Und wir machen gute Ideen sichtbar: Mit dem Zukunftspreis Landwirtschaft zeichnen wir innovative Projektkonzepte aus. Besonders Agrarstudierende an der FH Kiel und der Uni Kiel wollen wir damit ermutigen, kreative und praxistaugliche Lösungen für die Landwirtschaft von morgen zu entwickeln.

Was ist der Lösungsweg, um Klima- und Naturschutz mit Effizienz und Wirtschaftlichkeit zu verbinden?

Wir brauchen einen ausgewogenen Ansatz. Weder pauschale Reduktionen noch rein technologische Lösungen führen allein zum Ziel. Entscheidend sind Maßnahmen, die ökologisch wirksam, wirtschaftlich tragfähig und in der Praxis umsetzbar sind. Klar ist: Umwelt- und Klimaschutz gelingen nur im Schulterschluss mit der Landwirtschaft – und sie müssen sich für die Betriebe lohnen. Deshalb ist es richtig, diese Leistungen in der Weiterentwicklung der GAP ab 2028 gezielt zu honorieren. Dafür setze ich mich ein.

Ministerpräsident Daniel Günther sagte auf dem CDU-Parteitag im Herbst: CDU und Grüne haben im Naturschutz unterschiedliche Ansätze: Wir stehen eher für Freiwilligkeit, wollen die Menschen mitnehmen. Hat er recht?

Ja, die CDU steht für ein Miteinander. Freiwilligkeit und Dialog haben für uns einen hohen Stellenwert. Wenn wir die Menschen mitnehmen, erreichen wir unsere Ziele nachhaltiger – und in vielen Fällen auch schneller.

Interview mit Minister Goldschmidt: Antworten für Menschheitsherausforderungen

0

Der Grüne Weg Dänemarks (siehe Ausgaben 25 und 27) beschäftigt auch die Kieler Politik. Wie bewertet Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) die Politik der Nachbarn?

Dänemark wird grün: CO2-Steuer für Landwirte, Herausnahme von 10 % der Nutzflächen, weitere deutliche Stickstoffreduktion: Da kommt doch Begeisterung auf beim Landesumweltminister?

Tobias Goldschmidt: Dänemark ist schon lange grün und wird in Deutschland oft für Pragmatismus, zupackende Art und unbürokratisches Denken bewundert. Das dänische Dreierabkommen ist ein Beispiel dafür. Wir brauchen solch große Antworten für Menschheitsherausforderungen wie die eskalierende Klimakrise und den Zusammenbruch der Artenvielfalt. Ich habe den zuständigen dänischen Minister Jeppe Bruus vor einigen Monaten zum Gespräch getroffen und war beeindruckt von seiner klaren Agenda.

Was kann man auf Deutschland übertragen, was nicht? Wo sind wir besser als Dänemark?

Ich kann der dänischen Landwirtschaft zu ihrem Reformwillen nur gratulieren. Sie ist bereit, heute unbequeme Schritte zu gehen, damit sie gut für die Zukunft aufgestellt ist. In Dänemark scheint es gelungen zu sein, ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln, dass alle in einem Boot sitzen. Jedes Kilo CO2, das in einer Branche nicht eingespart werden kann, muss ja von jemand anderem eingespart werden. Deshalb ist auch die Industrie Teil des Abkommens. Klimaschutz gelingt nur mit Gebermentalität und in dem Wissen, dass jede heutige Emission eine schwere Hypothek für künftige Generationen ist.

Umweltminister Tobias Goldschmidt Foto: sh

Ist es sinnvoll, Flächen aus der Erzeugung zu nehmen, oder bevorzugen Sie den produktionsintegrierten Naturschutz?

Ein Entweder-oder ergibt keinen Sinn. Jeden Tag gehen uns weltweit etwa 150 Arten unwiederbringlich verloren. Daher brauchen wir mehr Wildnis und unberührte Natur einerseits. Andererseits sind mehr als die Hälfte der bedrohten oder gefährdeten Tier- und Pflanzenarten in Deutschland an traditionelle Agrarlebensräume gebunden, die wir brauchen, um Nahrung zu produzieren. Unsere Heimat besteht aus abwechslungsreichen Landschaften mit offenen Feldern, Wiesen, aber auch Knicks, Hecken oder Wällen. All das haben Landwirtinnen und Landwirte über Jahrhunderte geschaffen. Wir brauchen also einen guten Mix aus Stilllegung von Flächen einerseits und produktionsintegrierten Naturschutzmaßnahmen andererseits. Die Landwirtschaft hat ja längst verinnerlicht, dass sie nur dann eine Zukunft hat, wenn sie mit der Natur wirtschaftet und nicht gegen sie.

Ist die CO2-Strafsteuer das richtige Prinzip oder können Sie sich sinnvolle Anreize vorstellen?

Das ist keine Strafsteuer, sondern ein marktwirtschaftlicher und bürokratiearmer Politikansatz. Es ist überparteilicher Konsens, dass auf dem Weg zur Klimaneutralität vor allem auf solche Preisanreize gesetzt werden soll. Dänemark zeigt uns nun, was schon in kleinen Regionen als nationale Lösung möglich ist. Wer Natur verbraucht und Treibhausgase freisetzt, erzeugt für die Gesellschaft Kosten. Diese Kosten zahlt in Dänemark künftig der jeweilige Verbraucher und nicht mehr die Allgemeinheit. Noch besser wäre natürlich eine EU-weite Lösung. Das Leitbild, alle Treibhausgase und Sektoren gleichmäßig der CO2-Bepreisung zu unterziehen, führt zu fairem Wettbewerb für alle, der natürlich sozial ausgestaltet werden muss. Dann gilt insgesamt: Preise sagen wieder etwas mehr die Wahrheit.

Geht der Aktionsplan Ostseeschutz in eine vergleichbare Richtung?

Die Ostsee ist eines der kränksten Meere der Welt. Wir haben mit dem Aktionsplan Ostseeschutz ein starkes Programm aufgestellt, um die Ostsee schnell und umfangreich zu schützen. Dazu gehört viel freiwilliges Engagement, etwa seitens der Landwirte, um den Eintrag von Nährstoffen zu reduzieren, aber auch klare Regeln in den neuen Meeresschutzgebieten.

Was ist der Lösungsweg, um Klima- und Naturschutz mit Effizienz und Wirtschaftlichkeit zu verbinden?

Ich gehöre nicht zur Bullerbü-Fraktion. Natürlich brauchen wir Technologien zur Lösung der Herausforderungen in der Landwirtschaft. Technik kann aber nicht alle Probleme lösen. Die Technisierung wird absehbar den Wettbewerbsdruck in der Landwirtschaft weiter erhöhen. Und nicht in allen Bereichen wird sie für intakte Agrarökosysteme sorgen können.

Deswegen brauchen wir auch Extensivierung. Die neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) muss das endlich honorieren – „öffentliches Geld für öffentliche Leistung“ muss das Motto der Zukunft sein. Die Subventionierung von Landbesitz mit Steuermitteln muss beendet werden. Ich fände es auch eine gute Idee, wenn Landwirtinnen und Landwirte zusätzlich zu den klassischen landwirtschaftlichen Erzeugnissen auch mit dem Produkt Naturschutz Geld verdienen könnten.

Ministerpräsident Daniel Günther sagte auf dem CDU-Parteitag im Herbst: CDU und Grüne haben im Naturschutz unterschiedliche Ansätze: Wir stehen eher für Freiwilligkeit, wollen die Menschen mitnehmen. Hat er recht?

Naturschutzpolitik ist immer Politik für die Menschen. Alle lieben ihre Heimat, alle genießen unberührte Natur, alle wollen saubere Luft atmen und gesundes Wasser trinken und alle wollen wirksame Medikamente, deren Wirkstoffe sich bis heute großteils aus dem Schatz der Natur speisen. Deshalb engagieren sich Millionen Menschen in Deutschland im Naturschutz.

Ich weiß, dass Verbote und Regeln politisch gerade nicht in Mode sind. Sie haben in Kombination mit Preisanreizen aber den Vorteil, dass man auf bürokratische Berichtspflichten und komplizierte Förderanträge verzichten könnte und viele Unternehmer weniger Zeit am Schreibtisch verbringen müssten. Meine Haltung ist daher klar: Wenn es um Sicherheitsfragen geht, und dazu zählen gesunde Lebensbedingungen, dann kann und darf Politik nicht allein auf Freiwilligkeit setzen. Es reicht nicht, sich auf die Organisation Runder Tische zu beschränken. Politik ist in der Demokratie dafür da, verbindliche Entscheidungen für die Gesellschaft als Ganzes zu treffen.

Agrarökonomen kritisieren Pläne der EU-Kommission

0

Der Vorschlag der EU-Kommission zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2027 wird von deutschen Agrarökonomen überwiegend skeptisch bewertet. Mehrere Wissenschaftler äußern deutliche Kritik daran, dass die Direktzahlungen weiter fortgeführt werden sollen. Dass den Mitgliedstaaten mehr Spielräume zur Politikgestaltung eingeräumt werden, werten sie dagegen tendenziell positiv.

Nach Ansicht des Direktors der Denkfabrik Agora Agrar, Prof. Harald Grethe, hat die Kommission mit ihrem ersten Aufschlag eine Chance verpasst. Anstatt die GAP auf die Honorierung gesellschaftlich gewünschter Leistungen auszurichten, halte sie am „Auslaufmodell“ der flächenbasierten Einkommensstützung fest. Damit falle sie hinter das Ergebnis der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) zurück, kritisiert Grethe. Ihm zufolge flössen aktuell zwei Drittel der GAP-Gelder in pauschale Zahlungen wie Flächenprämien, lediglich ein Drittel in Gemeinwohlleistungen. „Dieses Verhältnis sollte umgekehrt werden“, empfiehlt der Berliner Agrarökonom. Eine Chance sieht Grethe in der größeren Flexibilität, die den Mitgliedstaaten eingeräumt werden soll. Für Deutschland biete dies die Gelegenheit, „die Gelder gezielter einzusetzen und stärker an regionalen Prioritäten und Gegebenheiten zu orientieren“.

Zweifel an Legitimation der Zahlungen

Für Prof. Peter Feindt von der Berliner Humboldt-Universität kehrt die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag zum alten Vorrang der Einkommensstützung zurück. Die bisherige Zweite Säule trete hingegen in einen Verteilungskampf im Rahmen der geplanten nationalen und regionalen Partnerschaftsfonds. Würden dann auch noch die Glöz-Standards wegfallen, werde die Begründung der Agrarzahlungen durch Leistungen für Umwelt und Nachhaltigkeit weitgehend aufgegeben, so Feindt. „Ob das zur Legitimation so gewaltiger Geldsummen ausreichen wird, ist eine offene Frage“, gibt der Wissenschaftler zu bedenken. Er weist darauf hin, dass die Direktzahlungen zudem in erheblichem Maße an Landbesitzer und den vor- und nachgelagerten Sektor durchgereicht würden und letztlich nicht in den Betrieben verblieben.

Der Professor für Agrarpolitik an der Universität Göttingen, Stephan von Cramon-Taubadel, begrüßt, dass in Brüssel über weitreichende Reformschritte nachgedacht werde: „Es ist gut, dass die Kommission eine grundsätzliche Diskussion über europäische Prioritäten und darüber, welche agrarpolitischen Zuständigkeiten in Brüssel und welche besser national und regional anzusiedeln sind, anstößt.“

Kommission im Blindflug

Von Cramon-Taubadel hält der Kommission zugleich vor, sie setze mit den Flächenprämien die falschen Prioritäten. Auch wenn durch Degression und Kappung eine Umverteilung hin zu kleineren Betrieben beschlossen werden sollte, bleibe die Einkommensstützung nicht ausreichend zielgerichtet. „Klein bedeutet nicht automatisch bedürftig“, gibt er zu bedenken. Der Europäische Rechnungshof (EuRH) habe mehrfach festgestellt, dass die Kommission über keine repräsentativen Daten zum verfügbaren Einkommen der landwirtschaftlichen Haushalte in der EU verfüge. Zwar gebe es Daten zu deren landwirtschaftlichen Einkommen, aber nicht über ihre „in vielen Fällen erheblichen nicht-landwirtschaftlichen Einkommen“. Laut dem Wissenschaftler befindet sich die Kommission in dieser Hinsicht „größtenteils im Blindflug“.

Etwas abgewinnen kann der Göttinger Agrarökonom dagegen dem Vorschlag, mehr Verantwortung auf die Mitgliedstaaten zu übertragen. Es sei angesichts der Heterogenität der Landwirtschaft „nicht unbedingt falsch, bestimmte Aufgaben stärker in nationale und regionale Verantwortung zu geben“. Die Kommission müsse allerdings wachsam bleiben, dass es auf dem Binnenmarkt nicht zu Wettbewerbsverzerrungen komme.

Zahlungen stärker an Klimaschutz koppeln

Der Leiter des Forschungsbereichs „Klimaresilienz“ am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Prof. Hermann Lotze-Campen, sieht im Entwurf für die GAP „einige interessante Ansätze“. So gebe es beispielsweise klare Bekenntnisse zu den übergeordneten EU-Zielen in den Bereichen Klimaschutz, Bodenschutz und dem Schutz von Gewässern, Feuchtgebieten und Mooren. Für Lotze-Campen bleibt allerdings abzuwarten, „wie die weiteren politischen Verhandlungen zu diesem Entwurf vorangehen und ob die Mitgliedstaaten ihre Spielräume tatsächlich nutzen, um zum Beispiel das Ambitionsniveau beim Klimaschutz hoch zu halten“.

„Für die Einhaltung der Klimaziele sind die nächsten 20 Jahre von größter Bedeutung, um zukünftige hohe klimabedingte Schäden zu vermeiden“, mahnt Lotze-Campen. Seinen Angaben zufolge wäre es daher wünschenswert, wenn die Direktzahlungen deutlich stärker an Klimaschutz, den Erhalt der Artenvielfalt und den Abbau von Stickstoffüberschüssen gekoppelt würden. Nach Ansicht des Wissenschaftlers wäre es zudem sinnvoll, die Einbindung der Agrar- und Ernährungswirtschaft in das europäische Emissionshandelssystem voranzutreiben. „Hier ergäbe sich die Chance, einen langfristig verlässlichen Politikrahmen für den Klimaschutz im Agrar- und Ernährungssektor zu schaffen“, so Lotze-­Campen.

Umverteilung in Deutschland

Kritisch gegenüber den Vorschlägen der EU-Kommission hatte sich zuvor auch der Direktor des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien, Prof. Alfons Balmann, gezeigt. Nach seiner Einschätzung droht durch Degression und Kappung der Direktzahlungen eine Umverteilung von Geldern vom ökonomisch schwachen Osten der Bundesrepublik in die wohlhabenderen südlichen Bundesländer. Zudem würden strukturelle Probleme der europäischen Landwirtschaft verfestigt anstatt gelöst.

Eine späte Homage an einen fast vergessenen Künstler

0

Der Flensburger Hans Christiansen (1866-1945) ist nicht nur Namensgeber eines der beiden Ausstellungsgebäude auf dem Museumsberg Flensburg. Er war einer der bedeutendsten Künstler des Jugendstils, dessen Nachlass seit den 1950er Jahren auf dem Museumsberg bewahrt und ausgestellt wird. Durch eine glückliche Fügung fand nun auch der bislang unveröffentlichte Nachlass eines seiner wichtigsten Schüler, Robert Gercke, den Weg nach Flensburg. In der neuen Ausstellung „Jugendstil hoch zwei“ zeigt der Museumsberg Flensburg erstmals das Werk von Lehrer und Schüler gemeinsam, ergänzt um weitere Werke von Schülern und Schülerinnen Hans-Christiansens, der sich selbst nie als Lehrer sah.

Museumsleiter Michael Fuhr strahlt bei der Vorstellung der neuen Ausstellung, die er selbst für die wahrscheinlich schönste Ausstellung hält, die auf dem Museumsberg je gezeigt wurde. An seiner Seite, extra aus Aachen angereist, freut sich Irmgard Gercke, Enkelin von Robert Gercke, ebenfalls sehr, denn endlich erhält ihr Opa mit der Ausstellung die Aufmerksamkeit, die er immer verdient hatte: „Sie ist eine späte Homage an meinen Großvater, das hat mich sehr berührt.“ Gerckes Nachlass umfasst Gemälde, Zeichnungen und zahlreiche Entwürfe für Kunstgewerbe, Illustrationen und Plakate. Die Rose als Motiv zieht sich wie ein roter Faden durch die Ausstellung, sowohl bei Hans ­Christiansen als auch bei Robert Gercke, „da war der Lehrer Vorbild“, ­
so ­Fuhr. 

Die Rose als Motiv zieht sich durch die gesamte Ausstellung und durch die Werke beider Künstler.
Foto: Iris Jaeger

Der neue Stil, benannt nach der Münchener Kulturzeitschrift „Jugend“, galt als mehr denn nur eine neue Stilrichtung oder Formensprache – „er war vielmehr die sichtbare Erscheinung einer grundsätzlichen ästhetischen Neuorientierung, verbunden mit der Hoffnung auf einen Neubeginn auf allen Gebieten: Technik, soziale Gerechtigkeit, Ästhetik“, schreibt Michael Fuhr in einem seiner Beiträge im aufwendig erarbeiteten Katalog zur Ausstellung. „Es sollte Schluss sein mit der Wiederholung traditioneller Formen und Motive, mit dem eklektischen Stilmischmasch der Gründerzeit.“ Der industrielle Fortschritt, die Begeisterung für moderne Technik, für eine reduzierte Formen- und Farbsprache prägten die Jugendstilkünstler. Die Künstler hatten die Idee, mit ihrer Arbeit die Welt zu verbessern. Man glaubte daran, dass eine schöne Umgebung bessere Menschen mache. „Wer sich mit schönen Dingen umgibt, wird kultivierter und der Charakter wird besser, davon war man überzeugt“, erklärt Fuhr.

Hans Christiansen gehörte zu den Darmstädter Sieben, einer Künstlerkolonie in der beginnenden Jugendstil-Epoche, die seinerzeit von Großherzog Ernst Ludwig Karl Albrecht Wilhelm von Hessen und bei Rhein auf Anregung des Kunstverlegers Alexander Koch 1899 beauftragt wurden, für eine Ausstellung als Objekte individuelle Künstlerhäuser im neuen Stil als neuzeitliche und zukunftsweisende Bau- und Wohnformen zu bauen. Dafür hatten sie ein Jahr Zeit.

Replik eines Dielenfensters aus dem „Haus in Rosen“, „Das Pfauenauge“
Foto: Iris Jaeger

Die Ausstellung unter dem Titel „Ein Dokument deutscher Kunst“ fand von Mai bis Oktober 1901 statt und verhalf dem Jugendstil in Darmstadt zu einem Aufschwung. Der Flensburger Hans Christiansen hatte, wie die anderen Jugendstilkünstler auch, Hilfe von Assistenten, denn allein war diese Aufgabe nicht zu schaffen, zumal Christiansen vom Gebäude über die Einrichtung bis hin zum Geschirr alles selbst entwarf: Möbel, Teppiche, Tapeten, Gläser, Teller, Fenster. Er war jedoch der Einzige, der das auch zugab und im Ausstellungskatalog aufschrieb. Einer seiner Assistenten war Robert Gercke, der zuvor bereits bei Christiansen in Hamburg eine Lehre zum Dekorationsmaler absolviert hatte. Die Häuser waren für Besucher der Ausstellung zugänglich, Christiansens Haus stach dabei gesondert heraus und sorgte für Furore allein schon durch die innige Farbigkeit im Innern. Das Haus wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, doch war Christiansen 1911 bereits ausgezogen und hatte vieles mitgenommen, was im Nachlass bewahrt wurde und nun gezeigt werden kann. Eine Reise durch spannende Biografien zweier Künstler und deren Familien, durch eine Zeit voller Veränderungen, eine Reise durch Farben, Formen, Ideen, Geschichten und Inspirationen. Weitere Informationen unter ­museumsberg.de

Christansen malte das „Haus in Rosen“ auf der Darmstädter Mathildenhöhe. 
Foto: Museumsberg Flensburg
Nachgenähtes Empfangskleid mit Rosenapplikation, dahinter ein Tapetenentwurf von Hans Christiansen
Foto: Iris Jaeger
Blumenstillleben von Robert Gercke
Foto: Iris Jaeger
Tapetenmuster, entworfen von Hans Christiansen
Foto: Iris Jaeger
Blumen-Illustrationen von Robert Gercke
Foto: Iris Jaeger
Auch auf dem Essgeschirr befindet sich Rosen-Dekor.
Foto: Iris Jaeger
Entwurf für ein Buntglasfenster von Robert Gercke
Foto: Iris Jaeger
Porträts von Berta und Robert Gercke
Foto: Iris Jaeger
Ein von Hans Christiansen entworfener Spitzenkragen
Foto: Iris Jaeger
Nachgearbeitetes Reformkleid nach einem Entwurf von Berta oder Robert Gercke
Foto: Iris Jaeger
Speisezimmer, Haus in Rosen, von Hans Christiansen
Foto: Iris Jaeger