Seit einiger Zeit taucht neben der herkömmlichen somatischen Zellzahl ein neuer Wert in den Milchkontrollberichten auf: der Differential Somatic Cell Count (zu Deutsch: differenzierte somatische Zellzahl), kurz DSCC. Viele Landwirte fragen sich: Was bedeutet dieser neue Prozentwert? Wofür ist er gut? Und ab wann wird er kritisch?
Die somatische Zellzahl beschreibt die Gesamtanzahl der Körperzellen in der Milch. Diese werden im DSCC weiter aufgeschlüsselt. Unterschieden wird hier zwischen zwei Zellgruppen: Makrophagen auf der einen Seite sowie Lymphozyten und polymorphkernige neutrophile Granulozyten auf der anderen. Der DSCC ist ein Prozentwert und gibt den Anteil der zweiten Gruppe an der gesamten Zellzahl an. Gerade die neutrophilen Granulozyten spielen eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Krankheitserregern. Sie reagieren sehr schnell auf Infektionen und steigen bei einer Entzündung in einem Euterviertel sprunghaft an. Das bedeutet: Der DSCC-Wert kann sich bereits verändern, bevor die Gesamtzellzahl überhaupt steigt. Technisch ist jedoch zu beachten, dass eine zuverlässige Differenzierung erst bei Zellzahlen über 50.000 je Milliliter möglich ist.
Was sagt der Prozentwert aus?
Als erste grobe Orientierung gelten folgende Schwellenwerte:
• unter 60 %: meist unauffällig
• 60 bis 65 %: Graubereich
• über 65 %: möglicher Hinweis auf Entzündung
• über 68 bis 70 %: deutlicher Hinweis auf aktive Immunabwehr
Diese Einteilung soll eine schnelle Einordnung ermöglichen, ersetzt aber nicht die genaue Interpretation im Einzelfall.
Einschränkungen: Was der DSCC nicht kann
Der DSCC ist kein Diagnoseinstrument im Alleingang. Wie alle Einzelwerte muss er im Zusammenhang mit dem Tier, seiner Vorgeschichte, dem Laktationsstadium und der Gesamtzellzahl betrachtet werden.
Beobachtungen zeigen: Ab der dritten Laktation steigt der DSCC tendenziell an. Auch erstlaktierende Kühe zeigen oft höhere Werte – möglicherweise durch eine noch nicht ausgereifte Immunabwehr oder durch mehr Stress in der Frühlaktation. Die niedrigsten DSCC-Werte finden sich meist bei zweitlaktierenden Tieren. Sie bieten so einen möglichen Anhaltspunkt für die Herdenbewertung.
Im Laktationsverlauf verändert sich der DSCC ebenfalls, wobei die Literatur hierzu uneinheitlich ist. Von der somatischen Zellzahl ist bekannt, dass sie zum Laktationsende häufig ansteigt, weil die Milchmenge sinkt und dadurch die Zellkonzentration steigt. Beim DSCC, der nur das Verhältnis der Zellarten abbildet, sollte dieser Verdünnungseffekt keine Rolle spielen. Dennoch sind in Studien unterschiedliche Verläufe dokumentiert; tendenziell wird ein abnehmender DSCC im Verlauf der Laktation beschrieben. Jedoch empfiehlt eine andere Studie, in den ersten 100 Laktationstagen einen Grenzwert von 66 % anzusetzen und danach einen von über 69 %. Hier wird der Einfluss von Herde, Rasse und Management deutlich.
Im Sommer konnte außerdem beobachtet werden, dass der DSCC-Wert erhöht war, ohne dass gleichzeitig die Zellzahl anstieg. Dies könnte auf einen erhöhten Erregerdruck durch Hitze, Fliegen oder Stallklima hinweisen. Somit hätte der DSCC auch eine mögliche Indikatorfunktion für Stress.
Ein weiterer Punkt, der zu beachten ist, ist die Zeit zwischen den einzelnen Melkungen. Nach bisherigen Erkenntnissen neigt der Wert dazu, etwas höher zu sein, wenn die Zwischenzeit kürzer ist – ohne dass diese höheren Werte direkt alarmierend sein müssen.
Klarheit durch Kombi von Zellzahl und DSCC
Die Kombination aus somatischer Zellzahl und DSCC soll dabei helfen, zwischen akuten und chronischen Prozessen zu unterscheiden.
Ein Beispiel zur Einordnung:
• 200.000 Zellen je Milliliter und DSCC > 65 %: Hinweis auf akute Entzündung, Immunsystem aktiv
• erhöhte Zellzahl, aber DSCC < 65 %: möglicherweise chronische Entzündung mit geringer Immunaktivität
Allerdings gilt diese Regel nicht immer. Neuere Studien weisen darauf hin, dass die Werte auch stark vom jeweiligen Erreger abhängen. So verursachen einige Keime, zum Beispiel Streptococcus uberis, dass der DSCC auch bei einer chronischen Infektion über längere Zeit erhöht bleibt.
Probenentnahme: Was wirklich gemessen wird
Ein weiterer wichtiger Punkt: Der DSCC wird bei der Milchkontrolle aus der gemischten Milchprobe aller Euterviertel erhoben. Wenn dieser Wert also eine Auffälligkeit zeigt, bedeutet das nicht automatisch, dass alle Viertel betroffen sind – es kann auch nur eines sein.
Gerade bei Kühen ohne sichtbare Krankheitsanzeichen – also ohne Fieber, Schwellung oder auffällige Milch – kann der DSCC ein wertvoller Hinweis auf beginnende oder verborgene Entzündungen sein. Er ermöglicht es, früher gezielt nachzufassen, etwa durch Viertelgemelksproben, anstatt abzuwarten, bis sich eine Infektion klinisch zeigt oder eine subklinische Mastitis unentdeckt bleibt und chronisch wird.
Zudem kommt es zu einer Verzögerung, da die Probe erst ins Labor muss. Der DSCC könnte ein guter Frühindikator für Euterentzündungen sein, wenn er bei jeder Melkzeit erhoben würde. Dann wären sprunghafte Anstiege ein deutlicher Hinweis auf beginnende Infektionen. Bisher steht solch eine Technik jedoch noch nicht zur Verfügung.
Fazit
Der DSCC liefert zusätzliche Informationen zur Eutergesundheit, insbesondere im Zusammenspiel mit der Zellzahl. Er kann frühe Hinweise auf Entzündungen geben, ersetzt aber keine weiterführende Diagnostik und muss im Kontext bewertet werden.