Deutschland verfolgt in seinem Klimaschutzgesetz das Ziel, bis 2045 Treibhausgasneutralität zu erreichen. Dafür müssen die Emissionen aller Bereiche bis 2030 um 65 % gegenüber 1990 reduziert werden. Der Weltklimarat der Vereinigten Nationen (IPCC) stellt regelmäßig die weltweiten Treibhausgasemissionen zusammen. Aktuell werden aus dem Bereich Land- und Forstwirtschaft (inklusive verbundener Landnutzungsänderungen) netto 23 % Kohlenstoffdioxid-Äquivalente aller anthropogenen Treibhausgase freigesetzt (12 Gt CO2eq).
In einem Interview von „top agrar“ mit dem QS-Chef Dr. Alexander Hinrichs am 14. Januar erwähnte dieser, dass Landwirte um den CO2-Fußabdruck ihres Betriebes nicht herumkämen, da große Unternehmen der Agrar- und Ernährungswirtschaft, zum Beispiel die Meiereiindustrie oder die Schlachtunternehmen, entsprechend regulatorischen Vorgaben zu ihren Klimaleistungen berichten müssen. Die CO2-Emissionen von landwirtschaftlichen Betrieben sind ein wichtiger Bestandteil dessen.
Obwohl die weltweiten Rinderbestände von zum Beispiel 1,098 Milliarden im Jahr 1990 auf 944 Millionen im Jahr 2024 gesunken sind (Statista 2024) und der gleiche Trend auch in Deutschland zu verzeichnen ist, kombiniert mit einer gestiegenen Produktivität, bleibt als große globale Aufgabe, die Treibhausgasemissionen zu senken.
Methanbildung beim Wiederkäuer
Die Hauptnahrung von Wiederkäuern ist pflanzliches Material, das zum größten Teil aus Gerüstsubstanzen, vor allem Hemizellulose und Zellulose, besteht. Bei der bakteriellen Fermentation dieser Kohlenhydrate im Pansen entstehen vor allem die kurzkettigen Fettsäuren Essig-, Propion- und Buttersäure. Den Hauptanteil der gesamten Menge an Fettsäuren bildet Essigsäure.
Während die Essigsäuresynthese Wasserstoff freisetzende Reaktionsschritte umfasst, sind die Propionsäure- und Buttersäuresynthese von Wasserstoff verbrauchenden Reaktionsschritten gekennzeichnet. Das bedeutet: Je mehr Essigsäure entsteht, desto mehr entsteht auch Wasserstoff. Mit größerer Wasserstoffkonzentration würde der Partialdruck im Pansen ansteigen und damit das Gasvolumen zu groß werden. Daher muss der Wiederkäuer zur Aufrechterhaltung der Verdauungsprozesse den gebildeten Wasserstoff aus dem Pansen entfernen.
Dies geschieht vor allem über Wasserstoff konsumierende Bakterien, die methanogenen Archaeen, die aus Wasserstoff (H2) und Kohlenstoffdioxid (CO2) oder aus Wasserstoff, Methanol oder Methylaminen letztlich Methan (CH4) bilden (Methanogenese: CO2 + 4 H2 → CH4 + 2 H2O und 1 H2 + Methanol oder Methylamine → CH4).
Methan ist also ein natürliches, von den Methanogenen hergestelltes Nebenprodukt, vor allem beim Abbau von Kohlenhydraten. Daher geht der größte Einfluss auf die Methanbildung von den Kohlenhydraten aus und hier hauptsächlich von den Hemizellulosen. Indem der Wiederkäuer (hemi-)zellulosereiche Nahrung verdauen und veredeln kann, stellt er hiermit keine Nahrungskonkurrenz zum Monogastrier, also auch dem Menschen, dar. Diesem Vorteil steht als Nachteil gegenüber, dass eben diese (hemi-)zellulosereiche Nahrung zu einer Methanbildung führt. Das verdeutlicht einen großen Zielkonflikt.
Reduzierung von Methan
Methan bleibt etwa zwölf Jahre in der Atmosphäre. Obgleich die Lebensdauer von CH4 deutlich kürzer als die von CO2 ist, ist sein Treibhauspotenzial größer. Daher erproben internationale und nationale Wissenschaftler verschiedene Strategien, um die Methanproduktion von Wiederkäuern zu senken.
Der Stand der verfügbaren Strategien zur Verringerung des CH4-Ausstoßes und deren Chancen und Hindernisse beziehungsweise Risiken werden in zwei Übersichtsartikeln von Beauchemin et al. (2022) und Lileikis et al. (2023) gut beschrieben.
Ein großer Effekt geht von leistungs- und effizienzsteigernden Maßnahmen aus, da hiermit die notwendige Tierzahl verringert werden kann und demnach neben einer Methanreduzierung je Produkteinheit auch eine grundsätzliche Methanmengenreduzierung verbunden ist. Letzteres gilt auch, wenn aufgrund längerer Nutzungsdauer der Tiere weniger Jungrinder gehalten werden müssen.
Neben diesen Aspekten werden unter anderem Möglichkeiten der Rationsgestaltung (Grobfutter: Kraftfutterverhältnis, Futterart und -qualität, Fettzusätze, sekundäre Pflanzeninhaltstoffe), der Einsatz von Algen, ätherischen Ölen, Probiotika, Nitraten und 3-Nitrooxypropanol (3-NOP) beschrieben, die ein mehr oder weniger großes Methanreduktionspotenzial darstellen. Gerade auf dem Einsatz von 3-NOP zur Methanreduzierung liegen große Hoffnungen.
3-Nitrooxypropanol (3-NOP)
3-NOP ist eine synthetische organische Verbindung, die von Duval und Kindermann entwickelt und im Jahr 2012 als potenter Methanhemmer patentiert wurde. Seit April 2022 ist 3-NOP in der EU zugelassen. Seine molekulare Struktur ähnelt der von methyliertem Coenzym M (Methyl-CoM). Das Coenzym M hat eine große Bedeutung im letzten Schritt der Methanbildung. Die letzte Reaktion im Methanogeneseweg, nämlich die Übertragung von Wasserstoff auf Methyl, wird durch das Enzym Methyl-CoM-Reduktase (MCR) katalysiert. Genau hier wirkt 3-NOP, indem es die Methyl-Coenzym-M-Reduktase inaktiviert. Das geschieht durch molekulares Andocken von 3-NOP an der Bindungsstelle von Methyl-Coenzym M (Duin et al. 2016).
Versuche mit 3-NOP
Eine der ersten mit 3-NOP durchgeführte Studien war die von Wissenschaftlern der PennState University (Hristov et al. 2015). 48 Kühen mit einer Leistung von mehr als 40 kg am Tag wurden über eine Versuchsdauer von zwölf Wochen abwechselnd 0, 40, 60 oder 80 mg 3-NOP/kg Trockenmasse (TM) gegeben. Die ermittelten Methanmengen beliefen sich bei den Kontrolltieren auf 481 g pro Kuh und Tag. Bei der Gabe von 40, 60 oder 80 mg 3-NOP/kg TM verringerten sich die Methanausscheidungen auf 363, 333 beziehungsweise 319 g pro Kuh und Tag, also um 25, 31 beziehungsweise 34 %.
Vor allem in den vergangenen Jahren sind zahlreiche weitere Untersuchungen, wiederholt von Wissenschaftlern derselben Universität, zum Beispiel von Melgar et al. (2020) oder Pitta et al. (2022), aber auch in den Niederlanden (van Gastelen et al. 2020, 2022, 2024), in Deutschland (Schilde et al. 2021) oder Dänemark (Kjeldsen et al. 2023) veröffentlicht worden, um nur einige Studien zur Wirksamkeit von 3-NOP bei Wiederkäuern zu nennen.
Viele dieser Einzelversuche wurden bereits in einigen Metastudien, zum Beispiel von Dijkstra et al. (2018), Kim et al. (2020) und Kebrab et al. (2022), zusammengefasst und damit ein gewisser Trend aufgezeigt. Mit einer 3-NOP-Gabe von zirka 80 mg/kg TM bei Milchkühen und zirka 140 mg/kg TM bei Mastrindern scheint eine um zirka 30 % geringere Methanausscheidung verbunden zu sein.
Wo bleibt der Wasserstoff?
Wie bereits erwähnt, ist die Essigsäurebildung im Pansen eines Wiederkäuers die vorherrschende aller Säuresynthesen. Und hierbei wird Wasserstoff freigesetzt. Eine zu hohe H2-Konzentration in der Pansenflüssigkeit würde das Gasvolumen und damit den Partialdruck im Pansen unphysiologisch erhöhen. Daher muss H2 entfernt werden, und zwar hauptsächlich über Wasserstoff konsumierende Bakterien, die methanogenen Archaeen.
Die Methanogenese ist also für den Wiederkäuer eher ein Mittel zum Zweck. Man könnte auch sagen, dass die Bildung von Methan ein notwendiges Übel ist, ein „Übel“, weil dem Wiederkäuer mit diesem Gärgas auch Energie verloren geht, „notwendig“ aber, um H2 aus dem Pansen zu entfernen.
Wenn nun aber durch die Zugabe von 3-NOP die Methanogenese gehemmt wird, ist die Frage, wo der Wasserstoff abbleibt. Gibt es bisher nicht identifizierte alternative Stoffwechselwege, die den Wasserstoff einfangen können, wenn er von den Methanogenen im Pansen verschont bleibt?
Diesen Fragen ging insbesondere eine Untersuchung von Pitta et al. (2022) nach. Bisherigen Hinweisen von Hristov et al. (2015) und Melgar et al. (2020) zufolge waren zwar während der 3-NOP-Supplementierung von Milchkühen über einen Zeitraum von 15 Wochen die CH4-Emissionen dauerhaft um 26 bis 30 % reduziert, aber sowohl gasförmiger H2, der in Atemproben über GreenFeed-Stationen gemessen wurde, als auch die Konzentration an gelöstem H2 im Pansen stiegen von der Woche eins bis neun progressiv an, um anschließend bis zur 15. Versuchswoche wieder abzufallen. Dies wurde als Hinweis auf eine gewisse H2-Dynamik gewertet.
In der PennState University durchgeführte Untersuchungen von Pitta et al. (2022) gaben dann die Erklärung dafür. Bei der von den Autoren als erste Phase beschriebenen Reduktion der Methanbildung kommt es in den ersten Wochen nach einer 3-NOP-Zufütterung zu einem Konzentrationsanstieg von H2. Dieser wiederum könnte dazu führen, dass mehr wasserstoffsensible Hydrogenasen gebildet werden.
Hydrogenasen sind Enzyme, die in vielen Mikroorganismen vorkommen und eine wichtige Rolle im H2-Stoffwechsel spielen. Werden also aufgrund eines Wasserstoffanstiegs und des damit einhergehenden höheren Partialdrucks im Pansen mehr bestimmte Hydrogenasen gebildet, kann die H2-Konzentration im Pansen wieder sinken. Das wäre die zweite Phase dieser H2-Dynamik.
Die Wissenschaftler fanden ebenfalls heraus, dass die Verschiebung des Partialdrucks mit einem Ethanolanstieg im Vormagen einherging. Das deutet darauf hin, dass die Menge an freigesetztem H2 in Wasserstoff produzierenden Bakterien unter gehemmter Methanogenese tatsächlich reguliert wird. Weiterhin zeigten die Untersuchungen bei der Fütterung von 3-NOP eine Abnahme des Essigsäureanteils und eine Zunahme des Buttersäureanteils in der Pansenflüssigkeit.
Diese Ergebnisse lassen darauf schließen, dass die infolge der Gabe von 3-NOP gehemmte Methanbildung zu mehreren Veränderungen im Laufe der Pansenfermentation führt.
Was ist zu berücksichtigen?
Gerade in jüngerer Zeit sind zahlreiche Studien mit Milchkühen und einige mit Mastrindern durchgeführt worden, um den Einfluss von 3-NOP auf die Methanbildung zu quantifizieren. Bis auf ganz wenige Studien ist hierbei oftmals die kurze Versuchsdauer (mitunter Tage bis wenige Wochen) zu beachten, des Weiteren die vielfach sehr geringe Tierzahl. Auch wurden viele Studien in einem „Cross-over-Design“ durchgeführt. Dies bedeutet, dass in einem ersten Versuchsabschnitt eine Tiergruppe die entsprechende Behandlung erfährt, in diesem Fall also eine 3-NOP-Zugabe. Die andere Tiergruppe dient als Kontrollgruppe und erhält keinen Zusatz beziehungsweise in der Regel ein Placebo.
Nach diesem Versuchsabschnitt gibt es eine Pause, die sogenannte Washout-Periode. Diese wird von den verschiedenen Versuchsanstellern unterschiedlich lang gehandhabt. Auf jeden Fall aber müsste die Zeitdauer dieser Periode sicherstellen, dass im Anschluss daran keine der Behandlungen noch weiterwirkt. Bei einem Wiederkäuer ist diese Einschätzung deutlich schwieriger als bei einem Monogastrier.
Im zweiten Versuchsabschnitt tauschen dann die Tiergruppen die Behandlungen, also die Futterrationen. Die Gruppe, die in der ersten Versuchsphase die Behandlung, also die Ration mit 3-NOP, erhielt, bekommt nun die Kontrollbehandlung, also die Ration ohne den Zusatz, und umgekehrt.
Solch ein Cross-over-Design hat den Vorteil, dass alle teilnehmenden Tiere beide Behandlungen (nacheinander) erhalten und somit als ihre eigenen Kontrollen dienen können. Dadurch wird die Anzahl an auswertbaren Tieren (mathematisch) verdoppelt und die Variabilität zwischen den Versuchstieren reduziert. Ein derartiger Versuchsansatz sollte aber nur dann gewählt werden, wenn sichergestellt ist, dass die Wirkungen einer entsprechenden Behandlung, in diesem Fall mit 3-NOP, schnell abklingen, wenn der Futterzusatz nicht mehr verabreicht wird.
Nicht zuletzt sei darauf hingewiesen, dass bei sehr vielen Versuchen wenig detaillierte Informationen über den Gesundheitszustand der Versuchstiere publiziert wurden.
Fazit
Mittlerweile haben bereits zahlreiche Untersuchungen zum Einsatz von 3-NOP stattgefunden und einen methanmindernden Effekt nachgewiesen. Dennoch bescheinigen selbst Fachleute sich ein begrenztes Wissen über die funktionelle Rolle von Archaeen und über die Wechselwirkungen zwischen Bakterien und Archaeen im Pansen.
Jede Strategie zur Reduzierung der Methanogenese kann jedoch die symbiotische Beziehung zwischen Archaeen und anderen Mikroben stören, was möglicherweise – vielleicht auch erst längerfristig – Auswirkungen auf die Pansenfermentation der Tiere haben könnte.
Daher ist ein besseres Verständnis der Auswirkungen von Methanminderungsstrategien auf die Beziehung des Mikrobioms und deren selektive Hemmung von mikrobiellen Genen/Enzymen, die die Methanerzeugung steuern, notwendig, bevor Futterzusätze in landwirtschaftlichen Betrieben empfohlen werden können.