Der gewöhnliche Hanf (Cannabis sativa) ist eine der ältesten Nutzpflanzen der Welt. Erste Hinweise auf eine Nutzung als Nahrungsmittel finden sich bereits vor 12.000 Jahren in China. Auch in Europa wurde Nutzhanf über Jahrhunderte angebaut und hatte eine starke Bedeutung für die Herstellung von Textilien, Papier und Seilen. Im 20. Jahrhundert verlor der Hanfanbau dann aber an Bedeutung, da andere Natur- und Kunstfasern kostengünstiger wurden. Durch seine rauschauslösende Wirkung geriet Hanf in Verruf und wurde schließlich 1929 in Deutschland verboten. Seit 1996 ist der Anbau von Nutzhanf als Sommerungskultur und seit 2017 als Winterzwischenfrucht wieder erlaubt.
Allerdings müssen Anbau und Beginn der Blüte beim Bundesamt für Ernährung und Landwirtschaft gemeldet werden, wobei nur speziell zugelassene Sorten mit einem Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) von unter 0,3 % angebaut werden dürfen. In höheren Konzentrationen kommt das psychoaktive Cannabinoid THC vor allem in Blüten und Blättern solcher Sorten vor, die für medizinische Zwecke oder den Freizeitkonsum bestimmt sind. Durch den niedrigen Grenzwert von 0,3 % ist es aber mit den entsprechenden Sorten nicht möglich, einen Rausch bei erwachsenen Menschen auszulösen. Die Legalisierung des privaten Anbaus von Hanf zum Eigenkonsum durch das Cannabisgesetz (CanG) vom 1. April 2024 hat keine Auswirkung auf die rechtlichen Rahmenbedingungen für den landwirtschaftlichen Nutzhanfanbau.
Der Anbau von Nutzhanf bietet pflanzenbaulich viele Vorteile. Die anspruchslose Kultur zeichnet sich durch eine hohe Biomasseproduktion aus. Um jedoch optimale Erträge zu erzielen, sollten lockere, humose und nährstoffreiche Böden bevorzugt, Staunässe und verdichtete Böden jedoch gemieden werden. Durch das schnelle Auflaufen kann in der Regel auf den Einsatz von Herbiziden verzichtet werden. Fungizide und Insektizide sind ebenfalls kaum erforderlich. Während der Jugendentwicklung benötigt der Hanf eine ausreichende Wasserversorgung, wird in fortgeschrittenen Stadien aber trockentoleranter. Die schnell wachsenden Blätter verschatten den Boden und vermindern so die Verdunstung, aber auch das Wachstum von Beikräutern.
Hanf lässt sich vielseitig in bestehende Fruchtfolgen integrieren, da außer zu Hopfen keine Verwandtschaft zu anderen Kulturen besteht. Er besitzt einen guten Vorfruchtwert, da die tiefen Wurzeln den Boden lockern. Der Anbau von Nutzhanf kann auch dazu beitragen, dem Klimawandel entgegenzuwirken. Aufgrund seiner hohen Biomassebildung nimmt Hanf größere Mengen an CO2 aus der Atmosphäre auf und bindet es in Form von Kohlenhydratverbindungen in den Zellwänden. Hanf ist so in der Lage, 15 bis 22 t/ha CO2 zu binden. Auch Insekten profitieren, da die Hanfblüten eine begehrte Pollenquelle für Bienen darstellen.
Die Nutzungsmöglichkeiten der geernteten Hanfpflanze sind vielfältig. Die Blüten dienen beispielsweise zur Gewinnung von Cannabinoiden wie Cannabidiol (CBD), das in kosmetischen oder pharmazeutischen Produkten eingesetzt wird. Die Samen der Hanfpflanze enthalten kaum Cannabinoide, dafür aber alle für den Menschen essenziellen Aminosäuren und wichtige Vitamine. Die Samen sind reich an ungesättigten Fettsäuren und besitzen ein günstiges Omega-6-zu-3-Verhältnis. Sie dienen als wertvolles Futtermittel, insbesondere für Ziervögel und Nutzgeflügel. Das aus den Samen gewonnene Öl hilft, das Feder- beziehungsweise Haarkleid von Tieren zu verbessern und Stresssituationen leichter zu bewältigen. Der Fütterungszusatz von Hanföl oder -samen kann auch die Ei- und Fleischqualität oder das Fettsäuremuster der Milch verbessern.
Und Wiederkäuer?
Der bei der Ölgewinnung anfallende proteinreiche Hanfkuchen oder das Hanfextraktonsschrot sind ebenfalls hochwertige Futtermittel für Wiederkäuer. Sie zeichnen sich durch eine geringe Abbaubarkeit im Pansen, aber eine hohe Dünndarmverdaulichkeit aus. Auch der Einsatz als Futtermittel für langsam wachsende Schweinerassen ist denkbar. Bei schnell wachsenden Rassen ist die Verwendung durch die niedrigen Lysinkonzentrationen aber nur bedingt möglich. Aus den Stängeln können widerstandsfähige Fasern gewonnen werden. Die robusten Fasern eignen sich als Rohstoff für die Textil- oder Papierindustrie. Ebenso gefragt sind sie im Bauwesen zur Herstellung von CO2-neutralen, diffusionsoffenen Materialien zur Schall- und Wärmedämmung. Die Fasern werden auch zur Herstellung von naturfaserverstärkten Kunststoffen verwendet, vor allem in der Automobilindustrie. Aufgrund des hohen Zellulosegehalts von 65 bis 70 % ist ebenfalls eine Faserverarbeitung zu Bioplastik möglich. Bei der Aufreinigung der Pflanzenstängel fallen die sogenannten Schäben an, die aus dem verholzten Mark stammen. Diese können ebenfalls in Bau- und Dämmstoffen Verwendung finden, zum Beispiel im sogenannten Hanfbeton, einer Mischung aus Kalk und Schäben, oder als besonderes saugfähiges Einstreumaterial in der Tierhaltung.
Die Hanfblätter werden bis jetzt kaum genutzt. In geringen Mengen dienen sie allenfalls der Teeherstellung. Die Blätter weisen jedoch einen hohen Rohprotein- und Rohfasergehalt auf. Zudem sind sie reich an essenziellen Aminosäuren und enthalten zahlreiche bioaktive Inhaltsstoffe. Neben den verschiedenen Cannabinoiden lassen sich Terpene und Phenole nachweisen, die antioxidative und antientzündliche Eigenschaften aufweisen. Diese Inhaltsstoffe machen die Hanfblätter zu einer interessanten und potenziell alternativen Rohproteinquelle in der Rinderfütterung. Erste Studien zur Fütterung von Industriehanf an Mastrinder belegen eine Verlängerung der Liegedauer und deuten auf ein geringeres Entzündungsgeschehen hin. Nach Fütterung von Nutzhanf-Ganzpflanzensilage an Milchkühe zeigten sich allerdings unerwünschten Effekte wie gerötete Augen, vermehrter Speichelfluss, Schläfrigkeit und ein Übergang von THC aus dem Futter in die Milch. Diese Beobachtungen wurden auf die mit der Silierung zunehmenden Gehalte an THC zurückgeführt. Bislang gibt es jedoch noch keine Erkenntnisse, ob die Fütterung THC-armer Hanfblätter an Milchkühe ebenfalls derartige Effekte hervorruft und wie diese die Verdaulichkeit der Ration und die Milchleistung der Tiere beeinflussen. Aus zwei In-vitro-Studien lässt sich zudem vermuten, dass Nebenerzeugnisse aus der Hanfverarbeitung die Methanproduktion senken.
EIP-Projekt zu Hanf
Die Eignung von Hanfblättern als alternative Proteinquelle für Milchkühe wurde in dem von der Europäischen Innovationspartnerschaft (EIP-Agri) geförderten Projekt „ZwiHanf“ am Forschungsinstitut für Nutztierbiologie (FBN) in Dummerstorf untersucht. Dazu erhielten zwölf erstlaktierende Holsteinkühe, die zu Beginn des Versuches 170-259 Tage in Milch waren, zwei Rationen mit vergleichbarem Rohprotein- (153 g/kg TM) und Energiegehalt (11,45 MJ/kg ME). In der ersten Versuchsperiode erhielt die Hanfgruppe für drei Wochen eine Totale Mischration (TMR), die 7,4 % getrocknete Hanfblätter der Sorte ,Santhica 27‘ enthielt. Diese Hanfsorte wies mit 0,0005 % einen extrem niedrigen THC-Gehalt auf. Die Vergleichsgruppe erhielt im gleichen Zeitraum eine TMR mit 3,5 % Sojaextraktionsschrot. Nach einer zweiwöchigen Auswaschphase wurden die Tiere mit der jeweils anderen Ration gefüttert. Die Tiere wurden zunächst im Laufstall gehalten. In der letzten Woche der Fütterung wurden sie in eine Respirationskammer eingestallt, um die Methanproduktion, die Kot- und Urinausscheidung zu messen.
In unserer Studie konnten wir keine negativen Auswirkungen der Hanfzugabe auf die Tiergesundheit feststellen. Die Fütterung der THC-armen Hanfration führte nicht zu geröteten Augen oder vermehrtem Speichelfluss, und auch die Atem- und Herzfrequenz waren nicht von der Ration beeinflusst. Im Laufstall wurde auch die Aktivität der Tiere erfasst. Die Auswertung ergab, dass die Tiere der Hanfgruppe 54 min länger lagen und 50 min weniger wiederkauten. Die Fressdauer war in beiden Gruppen vergleichbar, jedoch nahmen die Kühe der Hanfgruppe durchschnittlich 18,7 kg und die der Kontrollgruppe 20,4 kg Trockenmasse pro Tag auf. Die verringerte Futteraufnahme wirkte sich natürlich auf die Milchleistung aus. Die Hanfgruppe produzierte 27,4 kg energiekorrigierte Milch, während die Kontrollgruppe 1,4 kg pro Tag mehr produzierte. Dennoch war die Futtereffizienz der Hanfgruppe um zirka 5 % größer. Die Milcheiweiß-, Fett- und Laktosegehalte wurden durch die Hanfzulage nicht beeinflusst. Allerdings gingen die im Hanf enthaltenen Cannabinoide in die Milch über (siehe Tabelle), was bereits bei der Fütterung THC-reicherer Sorten beobachtet wurde. Die Analyse der Futteraufnahme und Kotausscheidung ergab eine vergleichbare Verdaulichkeit der organischen Masse und des Rohproteins beider Rationen. Besonders interessant waren die Ergebnisse der Stickstoffanalysen. Die Zulage von Hanf verringerte die Stickstoffausscheidung mit dem Urin um 24 %. Die Stickstoffnutzungseffizienz, die als Verhältnis aus Stickstoffabgabe mit der Milch und Stickstoffaufnahme mit dem Futter definiert ist, unterschied sich jedoch nicht zwischen den Fütterungsgruppen. In der Respirationskammer zeigte sich zudem, dass die Zugabe von Hanf die Methanemission bezogen auf die Trockenmasseaufnahme tendenziell um 3 % senkte.
THC-arme Hanfblätter erwiesen sich als interessante alternative Proteinquelle zur Fütterung von Wiederkäuern. Im Vergleich zu Sojaextraktionsschrot geht der Einsatz zwar mit einer leichten Verringerung der Futteraufnahme und Milchleistung einher, jedoch können die Stickstoff- und Methanemissionen durch den Einsatz von Hanf reduziert werden. Inwieweit eine Kennzeichnungspflicht für Milch aus Hanffütterung besteht, ist noch zu klären, da Cannabinoide aus dem Futter in die Milch übergehen können.




