Ein Entwurf der agrarpolitischen „Vision“ von EU-Agrarkommissar Christophe Hansen wurde in Brüssel geleakt. Der Plan soll in der kommenden Woche offiziell vorgestellt werden. In dem Papier werden für die nächste GAP-Reform mehr Förderanreize in Aussicht gestellt. Gleichzeitig soll am Instrument der Direktzahlungen festgehalten werden. Zudem dürfte deren Obergrenze wohl weiterhin fakultativ bleiben. Darüber hinaus hat sich Hansen das Thema Generationenerneuerung auf die Fahnen geschrieben.
Werden den Landwirten in der nächsten Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) mehr anreizbasierte Fördersysteme als bisher angeboten? Darauf könnte zumindest ein Entwurf der für den 19. Februar angekündigten agrarpolitischen Vision von EU-Agrarkommissar Christophe Hansen hindeuten. In einer vorab bekannt gewordenen Version, heißt es unter der Überschrift „gerechtere und besser ausgerichtete öffentliche Unterstützung“, dass das Gleichgewicht zwischen ordnungspolitischen und anreizbasierten Maßnahmen verbessert werden soll.
Demnach soll die GAP-Unterstützung nach 2027 stärker auf Landwirte ausgerichtet werden, die „aktiv zur Ernährungssicherheit, zur wirtschaftlichen Lebensfähigkeit der Betriebe und zum Erhalt unserer Umwelt beitragen“.
Gleichzeitig scheint die Kommission aber weiterhin auf das Instrument der Direktzahlungen setzen zu wollen. So wird unter anderem darauf verwiesen, dass beispielsweise im Jahr 2020 die Direktbeihilfen im Durchschnitt etwa 23% des landwirtschaftlichen Einkommens ausgemacht hätten. Möglicherweise wird damit auf eine klarere Trennung von Beihilfen zum Umweltschutz und sozioökonomischen Beihilfen wie den Direktzahlungen gezielt. Dies hatte in vergleichbarer Form auch der Strategische Dialog (SD) in seinen Abschlussempfehlungen angeregt.
Kappung bleibt wohl fakultativ
Ohne konkrete Details zu nennen, wird im Entwurf der agrarpolitischen Vision auch das Thema Vereinfachung angesprochen. Die Instrumente der künftigen GAP sollten „einfacher und gezielter“ eingesetzt werden, um eine ehrgeizige und zukunftsorientierte EU-Agrarpolitik zu unterstützen. Dies soll insbesondere für kleine und mittlere Landwirte gelten. Hingewiesen wird auf deren besondere Bedeutung für „das soziale Gefüge des ländlichen Raums“ und den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Dem Leak zufolge soll es kleineren landwirtschaftlichen Betrieben ermöglicht werden, ohne administrative Überlastung zu wirtschaften. Dazu könnten unter anderem die bisherigen GAP-Kontrollen stärker „gestrafft“ werden.
Wie der SD-Abschlussbericht sieht auch der Entwurf der Vision vor, die GAP-Beihilfen noch stärker auf diejenigen Landwirte auszurichten, die sie am dringendsten benötigen. Als Beispiele genannt werden hier Betriebe in benachteiligten Gebieten, Jungbauern, Neueinsteiger sowie Gemischtbetriebe.
Auch das umstrittene Thema einer Obergrenze der Direktzahlungen wird im vorliegenden Entwurf nicht ausgespart. Wer auf einen konkreten EU-weit gültigen Betrag gehofft hat, dürfte allerdings enttäuscht werden. Eine Kappung soll lediglich „unter Berücksichtigung der unterschiedlichen strukturellen und sektoralen Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten“ zum Einsatz kommen. Das weist nicht auf eine Änderung des Status quo hin. Aktuell liegt die Obergrenze in der GAP fakultativ bei jährlich 100.000 € je Betrieb. Agrarkommissar Hansen dürfte hier den konservativen Mehrheiten im Europaparlament entgegenkommen wollen.Zudem soll es weiterhin Instrumente wie Zahlungen für Ökosystemleistungen geben, die „gestrafft und vereinfacht werden“. Auch soll offenbar an Instrumenten für das Krisen- und Risikomanagement festgehalten werden. Darüber hinaus soll den Mitgliedstaaten mehr Verantwortung im Hinblick auf gemeinsam definierte Ziele übertragen werden.
Investitionsrückstände angehen
Unterstrichen werden im vorliegenden Visionsentwurf zudem die erheblichen Investitionsrückstände in vielen landwirtschaftlichen Betrieben. Laut dem Leak fehlten dem Agrarsektor allein im Jahr 2022 rund 62 Mrd. € an Finanzmitteln. Zudem sei es insbesondere für Junglandwirte und Frauen ein Problem, entsprechendes Fremdkapital zu erhalten. Gründe seien unter anderem die wirtschaftliche Lage kleiner Betriebe, die stark schwankende Rentabilität und Risiken wie die Volatilität beim Wetter und auf den Rohstoffmärkten. Erneut wird daher auf die geplante verstärkte Zusammenarbeit mit der Europäischen Investitionsbank (EIB) verwiesen. Ziel soll es sein, Investitionen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nicht nur in der Landwirtschaft anzukurbeln.
EU-Beobachtungsstelle für landwirtschaftliche Nutzflächen
Wie Hansen in mehreren Redebeiträgen bereits hat durchblicken lassen, soll in den kommenden fünf Jahren auch das Thema Erneuerung der Generationen verstärkt in Angriff genommen werden. Um die Attraktivität des Agrarsektors für Junglandwirte und Neueinsteiger zu verbessern, müssten vor allem Themen wie der Zugang zu Agrarland angegangen werden, heißt es im Entwurf. In diesem Zusammenhang will die Kommission auf die Einrichtung einer EU-Beobachtungsstelle für landwirtschaftliche Nutzflächen hinarbeiten. Diese soll die Transparenz bei Landtransaktionen, Rechten, Preistrends und anderen Faktoren verbessern.
Gestärkt werden sollen auch der Beitrag der EU zur globalen Ernährungssicherheit sowie die europäische Ernährungssouveränität. Vor allem sollen die strategische Abhängigkeit verringert und Lieferketten breiter aufgestellt werden. Als Negativbeispiel wird auf die Situation bei Futterproteinen hingewiesen; hier soll ein Maßnahmenplan Abhilfe schaffen.
Erzeuger in der Kette stärken
Im Abschnitt über eine „faire und gerechte Lebensmittelkette“ wird die Forderung der Agrarbranche nach einem höheren Markteinkommen unterstrichen. Im Einklang damit stehen die bereits im Dezember vorigen Jahres präsentierten Vorschläge zur Anpassung der Rechtsvorschriften in der Gemeinsamen Marktordnung (GMO) und der Durchsetzung grenzüberschreitender Vorschriften der Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken (UTP). Laut dem Visionsentwurf sollen damit die derzeitigen Ungleichgewichte in der Lebensmittelkette, die vor allem zulasten der Primärerzeuger gingen, korrigiert werden.
Zudem wird für Ende 2025 die Vorlage einer Bioökonomie-Strategie angekündigt. Deren Ziel soll es sein, die Europäische Union als weltweit führenden Akteur auf diesem Gebiet zu positionieren. Darüber hinaus wird erneut Carbon Farming als „zusätzliche Einkommensquelle“ genannt. age