Mit gleich drei Ausstellungen startet die Herbert-Gerisch-Stiftung in Neumünster in die neue Saison. Vergangenen Sonntag fand die Frühjahrseröffnung mit Führungen durch die Ausstellungen von Rainer Gröschl in der Villa Wachholtz, Renate Löding im Gerisch-Souterrain sowie herman de vries in der Remise statt.
Drei Künstler, die unterschiedlicher nicht sein könnten, und doch einen alle in irgendeiner Form die Natur und der Alltag, die sich thematisch wie ein roter Faden durch die Ausstellungen ziehen. Der Kieler Grafiker und Maler Rainer Gröschl möchte mit seinen Werken Geschichten erzählen, will aber mit seiner Symbolhaftigkeit den Betrachtern genug Raum für eigene Interpretationen geben. Seine „Musterunterbrechungen“, wie die Ausstellung in der Villa Wachholtz betitelt ist, reduzieren sich auf Formen und Farbe. Stilisierte Umrisse, Linien, Andeutungen lassen Objekte wie ein Haus, eine Waldlichtung, Köpfe oder Muster erkennen, gleichzeitig wirken sie durch Weglassen und Aussparen wenig konkret, laden dadurch zum Hinschauen, Entdecken, Interpretieren und Nachdenken ein.
Einige der Bilder haben keinen Titel: „Um die Besucher damit nicht zu sehr zu beeinflussen, jeder soll für sich selbst die Bilder deuten“, erklärt der Künstler, der aus dem grafischen Genre kommend die Malerei mit in sein Werk integriert hat und die vielfältigen Möglichkeiten von beidem nutzt. Viele seiner Arbeiten sind erst kurz vor Ausstellungsbeginn fertig geworden wie das Werk „Der Traum ist aus“, in dem er den Ukraine-Krieg thematisiert. Es wirkt farbenfroh und leuchtend, sei aber ein Protestbild. „Aktiv zu malen und Kunst zu machen, hilft mir, belastende Situationen aufzulösen“, erklärt Rainer Gröschl.
Zur Ausstellungseröffnung ließ er die Besucher selbst am Anfertigen eines Kunstwerkes teilhaben, indem er eine Tiefdruckplatte auslegte, auf der die Besucher mit entsprechendem Werkzeug Botschaften und Wünsche an die Politik formulieren konnten. Diese Platte geht in die Druckerei, das Ergebnis auf Papier wird in einigen Wochen zu sehen sein. Eine Idee, die auch Brigitte Gerisch, Vorsitzende der Herbert-Gerisch-Stiftung, begeisterte: „Durch die interaktive Teilnahme beziehen wir unsere Besucher in die Kunst mit ein.“
Zeitlos wie die Natur stellen sich auch die filigranen Porzellanarbeiten der Neumünsteraner Künstlerin Renate Löding im Gerisch-Souterrain dar. Schalen, Wandobjekte und Installationen, zum Teil in Kombination mit Glas, orientieren sich an der vielfältigen Schönheit der Natur.
Die Oberflächen und Strukturen der hauchdünnen Arbeiten weisen Risse, Brüche, Materialeinschlüsse, Poren und offene Ränder auf. „Dadurch vermitteln die Objekte den Eindruck von Vergänglichkeit und Gebrochenheit“, erklärt Brigitte Gerisch, die sich für die Arbeiten der Keramikerin begeistert und selbst einige ihrer Werke ihr Eigen nennt.
„Ich töpfere seit mehr als 40 Jahren und habe eine eigene Werkstatt mit Ofen im Haus“, erzählt Renate Löding. Sie töpfere aus Freude, das Handwerk verschaffe ihr ein tiefes Gefühl von Zufriedenheit. Sie setze dabei verschiedene Themen künstlerisch um. Ihr bevorzugtes Material sei dabei das Paperporzellan. „Dazu mische ich Porzellanpulver mit Papier und Wasser und bringe diese Mischung in dünnen Schichten auf“, erläutert sie ihre Arbeitsweise. Durch das Papier verändere sich die Eigenschaft der Masse. Sie reiße nicht so leicht beim Trocknen und Brennen und habe eine höhere Formbeständigkeit. „Beim ersten Brand verbrennt das Papier, die Keramik wird dadurch leichter und fester. Dann reibe ich die Objekte mit Oxiden, Engoben oder Glasuren ein und brenne sie ein zweites Mal.“ Einem ihrer ausgestellten Objekte hat sie Glasscherben mit beigegeben. Durch das geschmolzene Glas wirken die Paperporzellanförmchen je nach Lichteinfall so, als ob Wasser darin schimmert.
Der Titel der Ausstellung des niederländischen Künstlers herman de vries lautet „aus der natur”. Sie wurde 2006 das erste Mal in der Stiftung gezeigt und präsentiert sich nun erneut in der Remise mit Objekten aus der eigenen Sammlung, ergänzt um Leihgaben. Wer den Raum betritt, wird sogleich von einem bezaubernden Lavendelduft empfangen, der von einem kreisrunden Lavendelblütenteppich stammt, den de vries auf dem Boden in der Mitte des Raumes ausstreuen ließ. „In Anlehnung an seine bekannten Damaszener Rosenfelder“, erläutert Brigitte Gerisch. Nur, dass der Lavendel auch farblich besser zu den ausgestellten Werken und zum Boden passe als die Rosen. Zu sehen sind Zeichnungen, Erdausreibungen und Blattcollagen sowie die Steigerwalder Holzbibliothek als eine Leihgabe der Galerie Müller-Roth aus Stuttgart. Der leidenschaftliche Naturphilosoph und Mitbegründer der Zero-Gruppe „nul“ lege Wert auf eine ganzheitliche Betrachtung der Natur. Sein Leitspruch laute dabei „Zeigen, was ist“, erklärt Gerisch. Er verarbeitet Naturmaterialien wie Blätter, Gräser, Blüten und andere Strukturen zu Collagen, ohne sie in ihrer Form zu verändern. „So lenkt er den Blick auf das Wesentliche. Wie oft laufen wir über Blätter hinweg, ohne genau zu sehen, wie schön sie sind? So aufgereiht als Bild an der Wand, bekommt man einen ganz anderen Blick auf die Schönheit der Natur“, findet die Stiftungsvorsitzende. Weltweit sammelte der Künstler mehr als 8.000 verschiedene Erden, von denen er Hunderte als Erdausreibungen auf Papier festhielt.
Er sei bekannt dafür, sich bis heute keinem ideologischen Diktat zu beugen, und lege Wert auf die Kleinschreibung seines Namens und seiner Texte: „indem ich dinge aus der primären wirklichkeit, aus der natur präsentiere, lenke ich den blick auf dinge, die geschehen, und auf die poesie, die darin liegt, auf die erstaunlichen vorgänge, die zu sehen wir nicht fähig sind …“, lautet ein Zitat. Weitere Informationen unter gerisch-stiftung.de