Vor 15 Jahren wurden die Drillmaschine am Schlepper noch über eine Taste und der Spuranzeiger über ein Steuergerät gesenkt, den Rest regelte der Fahrer. Heutzutage ist die Technik so weit fortgeschritten, dass die Arbeit durch verschiedenste Assistenzsysteme präziser und effizienter geworden ist, die Anwendung zumindest bis zur richtigen Einstellung jedoch auch komplizierter. Die Wissensplattform Farmwissen, die über das Projekt „BeSt-SH“ entwickelt wurde, schafft Abhilfe.
Die Landwirtschaft ist wie kaum ein anderer Sektor Innovationstreiber und hoch technisiert. Während vor 25 Jahren ein Schlepper noch ohne viel Elektronik als reine Zugmaschine diente, sind es mittlerweile intelligente, vernetzte Maschinen. Von der Spurführung über Lenksysteme, vom Austausch von Applikationskarten und Aufträgen mit der Ackerschlagkartei bis zur Maschinenkommunikation über Isobus haben die auf Computertechnologie basierenden Anwendungen am Schlepper stetig zugenommen.
Gleichermaßen ist auch in der Tierhaltung die Entwicklung alles andere als stehen geblieben. Während in der Milchviehhaltung unter anderem autonome Fütterungen und verschiedenste Tiersensoren Einzug halten, wird in der Schweinehaltung ein großer Wert auf Bilderkennung mittels Künstlicher Intelligenz über Kameras gelegt.
Innovationen und Techniken gibt es viele – und es kommen nahezu täglich neue hinzu. Dementsprechend schwer ist es für Landwirte, Berufsschüler, Berufsschullehrkräfte, Studierende, Landmaschinenmechatroniker und auch Beratungskräfte, auf dem aktuellen Stand zu bleiben und den Durchblick zu behalten, welche Systeme einen tatsächlichen Mehrwert darstellen.
Wissensplattform Farmwissen
Hier kommt die Wissenstransferplattform Farmwissen ins Spiel. Sie ist ein Ergebnis des Projekts „BeSt-SH“ („Betriebsleitung und Stoffstrommanagement – vernetzte Agrarwirtschaft in SH“), das am Grünen Kamp in Rendsburg in Zusammenarbeit des Fachbereichs Agrarwirtschaft der Fachhochschule Kiel, des Berufsbildungszentrums, der Landwirtschaftskammer, der Deula und des Instituts für landwirtschaftliche Verfahrenstechnik der Christian-Albrechts-Universität (CAU) zu Kiel entwickelt wurde. Es teilt sich in die Bausteine FarmWiki, FarmPraxis und OpenDataFarm.
FarmWiki ist ein Glossar der Landwirtschaft von heute. Über 100 elementare Begriffe des Precision-Farming werden nach einem ähnlichen Aufbau wie bei Wikipedia erklärt. Der Unterschied ist, dass alle Beiträge von qualifiziertem Fachpersonal aus dem Agrarbereich verfasst und mit wissenschaftlichen Quellen belegt sind und einen aufwendigen Korrekturprozess durchlaufen haben. Damit ist die fachliche Richtigkeit sichergestellt. Mehr als 25.000 Seitenaufrufe seit der Veröffentlichung im März 2022 zeigen die Relevanz von FarmWiki nicht nur in Deutschland, sondern europaweit.
Neben FarmWiki ist FarmPraxis der Teil von Farmwissen, der Hand in Hand mit Landwirten entsteht. Hier erwachen die Fachbegriffe von FarmWiki zum Leben. Anhand von Beispielen wird veranschaulicht, wie Techniken in der Praxis eingesetzt werden können. Dabei geht es von der Beschaffung über die Installation bis zur Anwendung. Die Anleitungen können Schritt für Schritt nachgearbeitet werden, um die Erfolgskonzepte anderer Praktiker auf dem eigenen Betrieb umzusetzen.
Die OpenDataFarm ist der dritte Baustein von Farmwissen. Hierbei handelt es sich um die virtuelle Abbildung des Hofguts Neumühle in Rheinland-Pfalz. Die OpenDataFarm ist vor allem für Berufsschulen konzipiert. Am PC oder Tablet kann man sich frei über den Hof bewegen, die Vielfalt der Landwirtschaft vom Pflanzenbau über die Tierhaltung bis zur Imkerei entdecken und mittels eingeblendeten Fachwissens die Zusammenhänge verstehen.
Lerninhalte für Unterricht und Ausbildung
Die Inhalte von Farmwissen werden bereits direkt im Unterricht von Berufsschulen integriert und bieten damit praxisnahe Lernmöglichkeiten. Ein Beispiel hierfür ist der Kurs, in dem angehenden Landwirten der Einsatz von Drohnen in der Landwirtschaft vermittelt wird. Zu den behandelten Anwendungen gehören Flächenkartierung, um Wildschäden zu schätzen, Auffinden von Drainagen sowie die Rettung von Rehkitzen.
Ein Beispiel: Linus Mustermann ist 17 Jahre alt und in diesem Jahr in die Ausbildung zum Landwirt gestartet. Während es für die Prüfung vielleicht noch ausreicht zu wissen, wie die Drillmaschine abgedreht wird, reicht das seinem Chef im Betriebsalltag nicht. Linus soll mit Lenksystem drillen, um perfekte Reihenanschlüsse zu garantieren.
Um zu verstehen, was überhaupt ein Lenksystem ist und wie die Spurführung funktioniert, kann er sich in FarmWiki informieren. Im Glossar findet er einen Eintrag „Parallelführungs- und Lenksysteme“. Dort erfährt er unter anderem, dass er Satellitenempfang am Schlepper benötigt. So kommt er über die Verlinkung zum Glossareintrag „Globales Navigationssatellitensystem“. Durch die Korrektheit der Einträge ist der Auszubildende nicht nur für die Aussaat gewappnet, sondern auch für den Unterricht gut vorbereitet.
Sein Chef Florian Ackermann hat zur diesjährigen Wintergetreideaussaat eine neue Drillmaschine gekauft. Neben der Aussaat mit Lenksystem möchte er ab sofort auch jedes Säaggregat elektronisch schalten, um Überlappungen am Keil zu vermeiden und Saat zu sparen. Sein Landmaschinenhändler sagte ihm, das könne über Section Control umgesetzt werden.
In FarmWiki kann der Landwirt sich fachlich korrekt und herstellerunabhängig darüber informieren, was Section Control ist, wie es funktioniert und was er dafür benötigt. Als Voraussetzung stellt sich Isobus heraus, ebenfalls in FarmWiki genauestens erklärt. Durch eine Verlinkung vom Isobus-Glossareintrag zu passenden Beispielen auf FarmPraxis stößt der Anwender auf das Erfolgskonzept eines anderen Praktikers zur automatischen Dokumentation von Applikationsmengen über Isobus.
Der Betriebsleiter ärgert sich schon lange darüber, dass er zunächst am PC die Düngebedarfsermittlung rechnen und die Anwendungen planen muss. Dann muss er am Düngerstreuer alles einstellen, die tatsächliche Düngung im Alltagsstress noch auf Zetteln dokumentieren, um sie dann wieder händisch in die Ackerschlagkartei zu übertragen. Wenn er so oder so Isobus nutzt, um mit Section Control zu drillen, kann er darüber auch die Applikationsmengen automatisch dokumentieren und sich doppelte Arbeit sparen.
Komplexes einfach erklärt
Auf FarmPraxis sieht Florian Ackermann im Praxisbeispiel „Applikationsmengen automatisch mit Telemetrie und Isobus dokumentieren“, welche technischen Voraussetzungen er auf seinem Betrieb benötigt und wie kompliziert die Umsetzung ist. Im Praxisbeispiel ist dann Schritt für Schritt mit Bildern beschrieben, wie das System installiert und umgesetzt wird: wie das Telemetriemodul am Iso InCab angeschlossen wird, wie die Einstellungen in der Software vorgenommen werden müssen und wie die Applikationsmenge nach der Anwendung automatisch in die Ackerschlagkartei überspielt wird.
So entwickelt Florian Ackermann seinen Betrieb weiter und löst eine seiner praktischen Fragestellungen, ohne sich groß durch Betriebsanleitungen zu lesen oder unverständliche Terminals zu durchsuchen – schnell installiert, erfolgreich in der Anwendung.
Versuchsergebnisse in die Praxis bringen
Eine große Herausforderung bei vielen Projekten ist es, die gewonnenen Erkenntnisse am Ende auch in die Praxis zu transportieren. Farmwissen dient auch hier als Schnittstelle. Deutschlandweit erstellen landwirtschaftliche Projektmitarbeiter bereits Inhalte als Glossarbeiträge oder Praxisbeispiele. Dadurch bleiben Versuchsergebnisse auch nach dem Förderzeitraumende erhalten, und es kann auf sie zugegriffen werden. Durch die Förderung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ist Farmwissen herstellerunabhängig, kostenfrei zugänglich, und die Plattform wird nicht für kommerzielle Zwecke genutzt.
Mitmachen und profitieren
Aktuell ist die Weiterführung von Farmwissen.de über die Programme „Zukunftsbetriebe“ und „Zukunftsregionen“ gesichert, die vom BMEL gefördert werden. Ein Antrag für ein neues Projekt wurde bereits gestellt, um auch zukünftige Herausforderungen mit gezielten Weiterentwicklungen anzugehen. Alle Landwirtinnen und Landwirte sind eingeladen, die Plattform aktiv zu nutzen und Feedback zu geben. Erfahrungen und Anregungen sind entscheidend, um die Plattform kontinuierlich zu verbessern und noch praxisnäher zu gestalten. Das Projektteam freut sich, wenn mitgeteilt wird, wie die angebotenen Informationen und Tools den Betrieb unterstützen können und welche Inhalte noch fehlen.
Zugang zur Wissenstransferplattform Farmwissen: https://farmwissen.de
Fazit
Durch den gigantischen Fortschritt in der Landtechnik fühlen sich viele Landwirte von dem Funktionsumfang und den Einstellungsmöglichkeiten der Systeme überfrachtet. Ob Schlepperterminals oder Herdenmanagementprogramme – die Anwendungen werden immer komplexer und die Bedienung anspruchsvoller. Auf der Wissenstransferplattform Farmwissen werden entscheidende Fachbegriffe in einem Glossar erklärt und anhand von Praxisbeispielen verschiedene Anwendungsfälle nach einer Schritt-für-Schritt-Anleitung beschrieben.