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Mistkanone und Hackteufel

Sonderausstellung im Landwirtschaftsmuseum zeigt „Eigenbau & Eigenartiges – Kurioses in der Landwirtschaft“
Von Iris Jaeger
Museumsleiter Alexander Eggert, Werkstattleiter und Kulturvermittler Lutz Christiansen und ­Hauke Mehlert von den Alttraktorenfreunden Westküste (v. li.) auf einem Kombi Rekord der Firma Schmotzer Fotos: Iris Jaeger

Maschinen sollen die landwirtschaftliche Arbeit im Stall oder auf dem Feld erleichtern. Doch nicht immer entsprachen die Vorstellungen der Hersteller denen der Bauern. Also wurde selbst Hand angelegt und das Gerät oder die Maschine für den entsprechenden Bedarf umgebaut. Dabei entstand so manch kurioser historischer Eigenbau. Mit einem Aktionstag am Sonntag, 13. Oktober, sowie einer Sonderausstellung, beides unter dem Titel „Eigenbau & Eigenartiges – Kurioses in der Landwirtschaft“, zeigt das Schleswig-Holsteinische Landwirtschaftsmuseum in Meldorf eine Zusammenstellung von merkwürdig anmutenden Fahrzeugen und Geräten – Staunen, Wundern und Kopfschütteln inklusive.

Kombi Rekord der Firma Schmotzer mit Präzsionsdrillmaschine

Die Idee für diese Ausstellung entstand bei einem Blick in den museumseigenen Fahrzeugbestand. Dort im Depot stehen einige einzigartige Gerätschaften und Maschinen, die es wert sind, gezeigt zu werden. Der Werkstattleiter des Museums, Lutz Christansen, brauchte nicht lange, um Museumsleiter Alexander Eggert von einer Sonderausstellung zu überzeugen, und ließ darüber hinaus seine Kontakte zu Landwirten, Lohnunternehmen, Privatsammlern und Vereinen wie den Alttraktorenfreunden Westküste spielen. „So manch einer hat in seiner Scheune noch Schlepper oder Gerätschaften der Marke Eigenbau zu stehen, mitunter auch Eigentümlichkeiten, die auf den ersten Blick nicht selbsterklärend sind“, so Alexander Eggert. Sie werden nun zusammengetragen und mit den museumseigenen Kuriositäten zur Sonderausstellung zusammengestellt.

Aber auch moderne Landtechnik werde es an dem Aktionstag zu sehen geben, „denn vieles von dem, was damals konstruiert, erfunden oder umgebaut wurde, sich aber nicht durchsetzte und belächelt wurde, dient heute als Basis für die moderne Landtechnik“, so Lutz Christiansen. Eigenbauten habe es schon immer gegeben, oft blieb Landwirten nichts anderes übrig als zu improvisieren. Vor allen Dingen im Osten habe man viel mehr selbst gebaut als im Westen, so Christiansen. Doch auch hier habe es findige Landwirte gegeben, die mit handwerklichem Geschick und Einfallsreichtum sich zu helfen wussten. Entweder weil die Maschine im Einkauf zu teuer war oder am Bedarf vorbei konstruiert wurde und einer bedarfsgerechten Anpassung bedurfte.

Aus einem Eicher-Stapler wurde die Mistkanone.

So wie bei der Mistkanone. „Die Firma Eicher hatte eigentlich einen Gabelstapler, gebaut, der in erster Linie Landwirten dienen sollte. Doch ließ er sich nicht so recht vermarkten“, erzählt Lutz Christiansen. Dann merkte man, dass sich der Stapler gut zum Entmisten eignete, da er schmal und niedrig gebaut war. „Damals hatte man noch Festmist, der in einem Mistgang im Stall zusammengeschoben wurde, um ihn dann nach draußen auf den Haufen zu befördern. Allerdings war der Arm zu kurz, um den Mist auf den Haufen zu befördern.

Also baute man eine große Feder ein, die sich beim Heben der Schwinge spannte, gleichzeitig befand sich eine zweite Rückwand in der Schaufel, die nach vorne schnellte, wenn man an einem Seil zog, das die Feder entspannte. Auf diese Weise wurde der Mist von der Schaufel auf den Haufen geschleudert. „Das Ganze war eine mehr als gewagte Konstruktion und würde heute wohl keiner Prüfung durch die Berufsgenossenschaft standhalten. Durch die Dreirädrigkeit war das Gefährt instabil und ist ständig umgekippt. Und doch findet man noch einen Aufkleber der Berufsgenossenschaft auf dem Gerät, was mich persönlich am meisten fasziniert“, so Christiansen.

Auch Hersteller wollten durch pfiffige Innovationen glänzen, konstruierten aber mitunter am Bedarf oder an der Zeit vorbei. Wie die Firma Winterhoff, die den „Hackteufel“ zum Unkrauthacken oder Rübenverziehen auf den Markt brachte und grandios damit scheiterte. Zapfwellengetriebene, schwingende Hackmesser sollten die Arbeit erleichtern. Die Mitarbeiter brauchten die Stiele mit den selbstschwingenden Messern nur hin- und herzuführen. Und damit sie nicht hinterherlaufen mussten, hatte man zusätzlich vier Sitze angebracht. „Allerdings haben die Mitarbeiter nach spätestens einer halben Stunde gestreikt, da ihnen durch die Vibrationen die Handgelenke und Arme wehtaten, sodass sie die Stiele der Hacken nicht mehr halten konnten“, erzählt Christansen. Das Gerät wurde abgestellt und die Felder mit einer konventionellen Hacke weiterbearbeitet.

Am Bedarf vorbei ging der „Hackteufel“ der Firma Winterhoff. Das Schwingen der Hacken verursachte Schmerzen in den Armen der Bediener.

An der Zeit vorbei konstruierte die Firma Buschhoff aus Ahlen in Westfalen die selbstfahrende Dreschmaschine. Diese wurde seinerzeit erst durch Pferde, dann Dampfmaschinen und später von Treckern von Hof zu Hof gezogen, um vor Ort zu dreschen. Um den Transport zu erleichtern, wurde aus der Dreschmaschine ein Selbstfahrer. „Allerdings waren da schon moderne Mähdrescher auf den Feldern unterwegs.“ Als Buschhoff 1960 die Buschhoff PD 10 SHS auf einer Ausstellung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft präsentierte, war Hersteller Claas aus dem Nachbarort Harsewinkel bereits Weltmarktführer im Mähdrescherbau. Dreschmaschinen hatten ausgedient. Und auch technisch sei der Selbstfahrer eine glatte „Sechs“ gewesen, denn man hatte für die 8,5 t schwere Maschine nur einen 37 PS starken Motor verbaut, inklusive Schaltgetriebe aus einem VW-Käfer.

Mit einem Gerät gleich mehrere Tätigkeit gleichzeitig ausführen – diese Idee hatte die Firma Henri Lüdemann aus Hamburg in den 1940er Jahren. Sie bot diversen Schlepperherstellern ein Kombi-Sägerät mit Pflug, Packer, Saatkiste, Egge und Düngerstreuer mit Anbaumöglichkeit an fast allen Schleppern an. Damals setzte sich das Prinzip nicht so richtig durch, heute gehört es zum Standard, in nur einer Überfahrt mehrere Arbeiten gleichzeitig auszuführen. Diese und weitere spannende Geschichten zu kuriosen Maschinen sowie ein buntes Veranstaltungsprogramm gibt es am 13. Oktober im Landwirtschaftsmuseum in Meldorf. Weitere Informationen unter landwirtschaftsmuseum.sh

Die Firma Buschhoff baute die selbstfahrende Dreschmaschine in einer Zeit, in der bereits moderne Mähdrescher im Einsatz waren.
Foto: Iris Jaeger
Auf der Idee eines Kombi-Sägeräts der Firma Lüdemann basiert die heutige moderne Landtechnik.
Foto: Iris Jaeger
Lutz Christiansen (li.) und Hauke Mehlert zeigen eine Dengelmaschine der Marke Eigenbau zum Schärfen von Sensenblättern . Als Antrieb dient ein Waschmaschinenmotor.
Foto: Iris Jaeger
Ein Schwadleger für Raps von der Firma Hesston
Foto: Iris Jaeger


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