Stickstoff ist nicht erst seit der Einschränkung der erlaubten Einsatzmenge im Zuge der Düngeverordnung (DÜV) ein wertvoller Nährstoff, mit der Mengenbeschränkung sind der Wert und vor allem das Bewusstsein dieses Wertes jedoch deutlich gewachsen.
In den sogenannten Roten Gebieten mit weiterer Einschränkung der N-Menge nimmt der Wert des letzten Kilogramms Stickstoff, das zusätzlich ins Anbausystem kommt oder dem Anbausystem nicht verloren geht, noch einmal deutlich zu. Die nachfolgende Übersicht zeigt für Rote Gebiete, welcher „Schaden“ beim Verlust je Kilogramm N in den einzelnen Kulturen entsteht oder welchen „Wert“ jedes zusätzlich zur Verfügung stehende Kilo in den dargestellten Kulturen hat.
Ausgangsgröße ist die in den Roten Gebieten erlaubte Düngung von 80 % des N-Bedarfes. Der Weizen reagiert je nach Annahmen zur Qualitätsveränderung mit 1,33 bis 2,69 €/kg N über den Kaufpreis des Stickstoffes hinaus auf die Veränderung der Düngung, die Wintergerste mit 2,01 bis 2,64 €/kg N und der Raps mit 3,12 bis 3,68 €/ kg N. Datengrundlagen sind N-Steigerungsversuche der Landwirtschaftskammer sowie von der Fachhochschule Kiel errechnete Produktionsfunktionen.
Je knapper der Faktor Stickstoff wird, desto höher ist der Wert von 1 kg N, und desto lohnender sind Maßnahmen zur Effizienzsteigerung des Stickstoffeinsatzes.
Unter den Rahmenbedingungen der zurzeit geltenden hohen Düngemittelpreise, aber auch Getreide- und Rapspreise würden die oben genannten Werte noch höher ausfallen.
Welchen Beitrag kann der Einsatz von Wirtschaftsdüngern leisten, um die N-Effizienz in Ackerbausystemen und das wirtschaftliche Ergebnis zu verbessern? Diese Frage soll für schnell verfügbare Wirtschaftsdünger (Gülle, Gärreste) diskutiert werden.
Welchen Wert hat Wirtschaftsdünger?
Unter Annahme der zurzeit hohen Düngemittelpreise ergeben sich folgende Werte für eine Schweinegülle mit Standardwerten. Folgende Werte werden den Nährstoffen zugeordnet:
In der nachfolgenden Übersicht wurden verschiedene Wirtschaftsdünger mit diesen Nährstoffwerten für die Hauptnährstoffe bewertet.
Für die Ausbringung des Wirtschaftsdüngers wurden 4 €/m³ angesetzt. Dieser Wert ist betriebsindividuell zu bewerten. Vor allem ist zu bedenken, dass die eingesetzte Technik aufwendiger sein wird, um hohe Ausnutzungsgrade zu erreichen und den eingeschränkten Ausbringzeiten Rechnung zu tragen (Schleppschuh, Verschlauchung, sensorgesteuerte Ausbringmenge).
Über diese Hauptnährstoffe hinaus können 15 m³ Gülle/Gärrest folgende Spurennährstoffe enthalten (laut Kerschberger, Franke 2001):
15 bis 60 g Bor
30 bis 300 g Kupfer
120 bis 450 g Mn
150 bis 1000 g Zink
Der Wert dieser Inhaltsstoffe kann je nach Bewertung zusätzlich zirka 0,50 bis 1,50 €/m³ Gülle/Gärrest ausmachen.
Transportkosten von Wirtschaftsdünger
Dem Düngerwert stehen die Transportkosten zur Ausbringfläche entgegen, die aktuellen Kraftstoffpreise tragen ihren Anteil dazu bei. Ein Transport-Lkw mit einem Fassungsvolumen von 25 m³ kostet zirka 80 € pro Stunde zuzüglich Mehrwertsteuer und Diesel. Daraus ergeben sich zurzeit Gesamtkosten von zirka 120 € pro Stunde einschließlich Mehrwertsteuer. Ein Lkw benötigt jeweils zirka 5 min zur Be- und Entladung und erreicht auf der Strecke je nach Länge und Beschaffenheit der Wege eine Durchschnittsgeschwindigkeit von maximal 40 bis 50 km/h. Ein Bespiel aus der Praxis: Ein auf dem Feld fahrender Güllewagen mit einem Fassungsvolumen von 20 m³ erreicht eine Ausbringmenge von zirka 120 m³ pro Stunde bei Entnahme aus dem Feldrandcontainer. Zur Versorgung des Feldrandcontainers werden bei einer Entfernung von 30 km sechs bis sieben Transportfahrzeuge benötigt. Es entstehen Transportkosten von zirka 10 €/m³. Bei großen Transportentfernungen sollte also bewertet werden, inwieweit der Wert des Wirtschaftsdüngers die Transportkosten deckt oder welche Regelungen zwischen Abgeber und Aufnehmer getroffen werden, um für beide Seiten ein positives Ergebnis zu erzielen. Wird nicht just in time angeliefert, sondern der Wirtschaftsdünger außerhalb der Ausbringzeiten in ein in der Nähe befindliches Lager transportiert, wird der Streckentransport aufgrund möglicher Rückfrachten günstiger, der Wirtschaftsdünger muss dann allerdings auf kurzer Strecke erneut zum Feld transportiert werden.
Für welche Kulturen funktioniert es?
Je weiter die N-Aufnahme einer Pflanze in den Sommer hineinreicht, desto eher ist sie in der Lage, den aus Frühjahrsgaben nachmineralisierten Stickstoff aus Wirtschaftsdüngern zu verwerten. Als Beispiele sind hier Mais, Rüben, Kartoffeln oder auch Gras zu nennen. Je weiter die Ausbringtermine im Frühjahr nach hinten verlegt werden müssen (keine Ausbringung bei Frost), desto schwieriger wird der Einsatz in Kulturen wie zum Beispiel Wintergerste, die schon im zeitigen Frühjahr ihre Hauptstickstoffaufnahme haben.
Zu Sommerungen wird die Wirkung dann gut sein, wenn die Gülle vor der Saat eingearbeitet wird, damit der Umsetzungsprozess im Boden schneller einsetzt und die Nährstoffe dichter am sich entwickelnden Wurzelsystem sind.
Auch im Sommer gedrillte Zwischenfrüchte können den nachmineralisierten Stickstoff binden. Die entscheidende Frage ist, wie der aus dem Abbau der Organik der Zwischenfrüchte freigesetzte Stickstoff von den Folgekulturen aufgenommen werden kann, sofern die Zwischenfrüchte nicht genutzt werden. Auch hier gilt: Je aktiver der Boden ist, desto schneller steht der mineralisierte Stickstoff im Frühjahr den Folgefrüchten zur Verfügung.
Wie gelangen Nährstoffe in die Pflanze?
Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass der Boden sich an die Verwertung/Umsetzung von Wirtschaftsdüngern „gewöhnen“ muss. Versuche hierzu sind verständlicherweise schwer zu konzipieren und auch schwer zu reproduzieren, da die Umsetzung von Wirtschaftsdüngern stark von den jährlichen Rahmenbedingungen abhängt. Nichtsdestotrotz erscheint es plausibel, dass sich die Bodenbiologie auf organische Düngergaben einstellen muss. Mit zunehmend organisch gebundenen Nährstoffen (in Mist, Kompost oder Ähnlichem) wird sich dieser Effekt verstärken.
Auf der anderen Seite ist in der Praxis zu beobachten, dass langjährig mit Gülle versorgte Böden unter Extrembedingungen (Trockenheit, Nässe und so weiter) besser durchhalten und auch Bodenunterschiede zum Teil ausgeglichen werden. Durch den Wirtschaftsdüngereinsatz scheint ein Nährstoffpool in Form von organisch gebundenen Nährstoffen vorhanden zu sein, aus dem Nährstoffe nachfließen und aus dem die Pflanzen schöpfen können. Eine durch langjährige organische Düngung aktivierte Bodenbiologie wird diesen Prozess unterstützen.
Verbessern Wirtschaftsdünger also das Bodenleben und die Ertragsstabilität? Die Meinung des Autors: Es kommt darauf an! Je besser der Zustand des Bodens ist (Struktur und Stabilität, Wasserführung et cetera), desto besser kann er sich auf die Verwertung von Wirtschaftsdüngern einstellen und desto stärker kommen die positiven Effekte organischer Düngung zum Tragen. Der Einsatz von Wirtschaftsdüngern wird aus einem im schlechten Zustand befindlichen Boden auf der anderen Seite keine Hochertragsfläche machen, wenn nicht auch andere Faktoren verbessert werden.
Was spricht gegen Wirtschaftsdünger?
Die Befahrbarkeit der Flächen ist ein zentrales Thema in Hinblick auf den Wirtschaftsdüngereinsatz. Da auf gefrorenem Boden kein Stickstoff ausgebracht werden darf, verlagern sich die Ausbringungstermine im Frühjahr in der Regel nach hinten. Die schweren Güllewagen können ohne Frost erst später fahren als die leichteren Düngerstreuer. Späte Ausbringtermine verschlechtern jedoch besonders bei Wirtschaftsdüngern die Umsetzung und Verfügbarkeit von Stickstoff für die Pflanzen. Spurschäden und damit verbundene Bodenverdichtungen sind weitere Argumente gegen den Einsatz von Wirtschaftsdüngern. Die Befahrbarkeitsprobleme haben umso mehr Gewicht, je hügeliger Standorte sind und je mehr moorige, nasse Senken die Flächen durchziehen.
Extrem breit bereifte oder mit Laufbändern ausgestattete Ausbringfahrzeuge oder die Verschlauchung von Gülle und Gärresten können diesen Nachteilen entgegenwirken, wenn die Technik mit entsprechender Schlagkraft termingerecht zur Verfügung steht.
Reserven durch Kombinationsdüngung
Eine intelligente Kombination von mineralisch und organisch gedüngtem Stickstoff kann die Effizienz der N-Düngung deutlich erhöhen. Geringe Mengen an Nitrat-N können reichen, um die Pflanzen zu aktivieren und aufnahmebereit für Ammonium-Stickstoff zu machen. Wird die Schwefeldüngung zum Beispiel auf ASS anstelle von SSA umgestellt oder zur SSA-Gabe eine geringe Menge KAS gedüngt, kann die Folgedüngung großenteils auf organischer Düngung basieren.
Um die Dynamik der Nachlieferungsprozesse nachvollziehen zu können, helfen Fenster mit reduzierter N-Düngung. Das Aufhellen und auch das Wiederergrünen dieser Fenster machen die N-Dynamik sichtbar. N-Sensoren und auch andere Schnellverfahren der N-Bestimmung können ebenso helfen. Nur so kann der Landwirt Nachlieferungsprozesse für seinen Standort nachvollziehen und gezielt handeln.
Dünger aus Tierhaltung in Ackerbauregionen?
Tierhaltungsbetriebe haben den Einsatz von Wirtschaftsdüngern oft bis zur Grenze ausgereizt. Dort geht es nicht darum, mehr Wirtschaftsdünger einzusetzen, vielmehr geht es darum, den vorhandenen Wirtschaftsdünger effizient zu verwerten und überschüssige Mengen abzugeben. Bisher haben Ackerbaubetriebe ob der oben genannten Nachteile Wirtschaftsdünger eher zurückhaltend auf ihren Flächen ausgebracht. Mit dem Einzug des Maisanbaus in Marktfruchtbetrieben kam eine Ackerkultur zum Anbau, die zum einen den Stickstoff aus Wirtschaftsdüngern ausgesprochen gut ausnutzt. Zum anderen stellten die Abnehmer von Silomais Gülle beziehungsweise Gärrest kostengünstig zur Verfügung, die Vorteile der organischen Düngung waren offensichtlich.
Mit dem extremen Anstieg der Mineraldüngerpreise rücken die Wirtschaftsdünger noch mehr in den Fokus der Marktfruchtbetriebe, größere Transportentfernungen und/oder die Schaffung von Lagerraum in den Ackerbauregionen und höhere Ausbringkosten werden durch den deutlich erhöhten Düngewert überkompensiert.
Fazit
Gelingt es dem Anwender, die Ausnutzung des Stickstoffes aus Wirtschaftsdüngern durch intelligente Begleitmaßnahmen (Fruchtfolge, Nitratdüngung, Zwischenfruchtanbau, verlustarme Ausbringung) über die gesetzlich vorgesehene Ausnutzung hinaus zu verbessern, kann der Wirtschaftsdüngereinsatz die N-Bilanzen entlasten. So ist der Einsatz von Wirtschaftsdüngern auch für Marktfruchtbetriebe interessant, und die Zusammenarbeit zwischen Ackerbauer und Tierhalter kann sich nachhaltig intensivieren.