Der internationale Getreidemarkt zeigt sich wieder einmal in seiner vollen Unwägbarkeit. Die Äußerungen des russischen Präsidenten über das Ausfuhrabkommen für Getreide aus der Ukraine haben die Märkte seit vergangenem Mittwoch ins Wanken gebracht. Um bis zu 12 €/t täglich schwankte der Weizenkurs an der Matif: aufwärts nach abwärts nach aufwärts. Auch Mais folgte diesem Rhythmus. Rund sieben Wochen nach dem Abschluss des Exportabkommens, das zwischen der Ukraine, Russland, den Vereinten Nationen und der Türkei verhandelt wurde, steht es wieder auf der Kippe. Der russische Präsident sieht die Bedingungen des Abkommens nicht erfüllt. Zum einen sei nicht auf die Forderungen nach einer Linderung von Sanktionen eingegangen worden, welche die russischen und belarussischen Agrarausfuhren (Dünger!) behinderten. Zum anderen kauften westliche Staaten bedürftigen Ländern die Lieferungen weg, das sei nicht der Zweck des Abkommens gewesen. Offenbar stimmt der türkische Präsident dieser Aussage zu, es heißt, beide Länder wollten das Abkommen neu verhandeln. Am Markt keimte eine Unsicherheit über die Ausfuhren auf, die sich vor allem in vermehrten Short-Positionen äußerte: Damit spekulieren Börsenteilnehmer auf steigende Kurse.
Getreideabkommen
Die zunehmende Abfertigung von Exportschiffen aus der Ukraine schien die knappe Marktversorgung zu entspannen. Mais, Gerste, Weizen oder Öl(-saaten) gingen auf die Reise, etwa in die Türkei, nach Ägypten, China und Korea. An erster Stelle der Empfänger stehen aber tatsächlich zusammengerechnet bisher Länder der EU. Kaum verwunderlich, dass die hiesige Leitbörse in Paris Marktentspannung signalisierte, die Donautransporte noch hinzugenommen. Unterfüttert wurde dies durch die vielerorts besseren Getreideerträge als im Vorjahr trotz der Trockenheit, der Angebotsdruck stieg. Dazu kamen als Konkurrenz bei möglichen Käufern europäischer Lieferungen die Rekordzahlen für Produktion und Exportziel aus Russland. Die Weizenproteine sind am (europäischen) Markt ein Problemthema, jedoch kein unlösbares. Importeure können durchaus ihre Anforderungen senken und Bäckereien können sich mit weniger Rohprotein abfinden, solange die Eiweißqualität stimmt. Das Ganze ist eben vielmehr eine Preisfrage. Generell schienen sich die Getreidepreise irgendwo im weiten Feld zwischen den Vorjahren und den diesjährigen Höchstnotierungen einzupendeln nach dem Motto „die Marktsituation bleibt ungewöhnlich, aber jetzt haben wir erst mal Ware“. Dieser Zeithorizont ist unglücklicherweise nur so weit, wie es die konfuse gesamtwirtschaftliche Lage derzeit erlaubt.
Marktversorgung
Aktuelle Hochrechnungen des Internationalen Getreiderates sehen die globale Bilanz zwischen Produktion und Verbrauch bei Weizen, Mais und Reis im Jahr 2022/23 um mehrere Millionen Tonnen im negativen Bereich. Über die Verteilung sagt das wenig aus, eine Disbalance ist vorprogrammiert. Bei den größten Exporteuren der Welt wird es offenkundig zu einem Bestandsabbau kommen. Die EU ist mit einem Lagervorrat an Getreide und Mais von 36 Mio. t in die Saison gestartet und wird wahrscheinlich mit 26 Mio. t enden, vor allem durch Ausverkauf beim Weizen. An der Terminbörse in Paris weichen die Notierungen bis 2024 nur wenig vom Frontmonat ab. Es bestehen deutliche Chancen auf ein hochpreisiges, weil knapp versorgtes Frühjahr 2023. Die Maisernte hat begonnen und komplettiert nachher die gesammelten Erntedaten der Nordhalbkugel als Ausgangslage für die Marktsaison. Eine Korrektur der Maisernte hat im neuen Wasde-Bericht auch das USDA vorgenommen, einige Länder können jedoch Dürreeinbußen kompensieren. Letzten Endes sind die physischen Ergebnisse von Ernte und Handel nur ein Teil der Geschichte. Viele Länder haben derzeit Gründe, die Steuerung der Inlandspreise in die Hand zu nehmen und dafür Märkte zu regulieren. Gerät aber Russland weiter in die Rolle des Kriegsverlierers, so sind Ausfälle des Staatsoberhauptes zu erwarten und die platziert Putin bewiesenermaßen gern am Getreidemarkt.
Marktlage für die Woche vom 12. bis 18.9.2022
Getreide: Die Matif-Weizenkurse stiegen Ende vergangener Woche wieder spürbar an, da Russland die Ukraineexporte infrage stellt.
Raps: Die Matif-Rapskurse sind in der Vorwoche unter die 600-€-Marke gefallen. Die Pflanzenölkurse standen unter Druck.
Futtermittel: Die Kurse für Sojaschrot gaben in der Vorwoche deutlich nach. Die Forderungen für Mischfutter bleiben hoch.
Kartoffeln: Die Regenfälle erleichtern die Rodungen. Das Angebot nimmt zu, die Kurse können sich jedoch behaupten.
Schlachtrinder: In der Vorwoche wurden die Kurse für abfallende Kuhqualitäten nochmals deutlich reduziert.
Schlachtschweine/-sauen: Gerüchte über neue Exportmöglichkeiten haben die Kurse in der Vorwoche nochmals steigen lassen.
Ferkel: Die Nachfrage bleibt rege. Die Ferkelkurse wurden in der Vorwoche leicht heraufgesetzt, da das Angebot nicht reicht.
Milch: Nach dem Ferienende hat sich die Nachfrage nach Milchprodukten belebt. Der Fettgehalt der angelieferten Milch ist niedrig.
Schlachtlämmer/-schafe: Die laufenden Ablieferungen sorgen für Angebots- und Preisdruck. Die Lammfleischnachfrage ist verhalten.
Markttendenz für die Woche vom 19. bis 25.9.2022
Getreide: Europaweit wird mit einer schwachen Körnermaisernte gerechnet. Der schwache Eurokurs erleichtert Getreideexporte.
Raps: Im Zuge der jüngsten Erholung der Soja- und Rohölkurse könnten auch die Rapskurse wieder Aufwind bekommen.
Futtermittel: Die US-Sojaernte sorgt vorerst für Angebots- und Preisdruck. Futtergetreide wird wieder teurer.
Kartoffeln: Ein Großteil der Ernte wird eingelagert. Überregional wird von hohen Absortierungen berichtet.
Schlachtrinder: Die Nachfrage nach Jungbullen kann durch das Angebot nur knapp bedient werden.
Schlachtschweine/-sauen: Der hiesige Fleischmarkt hat Probleme mit den Preisaufschlägen. Der Lebendhandel zeigt sich weiter knapp versorgt.
Ferkel: In der laufenden Woche gab es wieder einen deutlichen Preisaufschlag. Die Ferkelkurse folgen den Schweinenotierungen nach oben.
Milch: Die Molkereien beklagen die hohen Energiekosten. Butter und MMP bleiben jedoch gefragt. Viele Grundpreise steigen über 60 ct/kg Milch.
Schlachtlämmer/-schafe: Ablieferungstermine müssen zum Teil verschoben werden. Die Schlachtzahlen liegen jedoch deutlich unter dem Vorjahr.