Einlagern oder verkaufen? Diese Fragen stellen sich viele Landwirte mit Blick auf ihre Getreidevorräte zu Beginn des Monats September. Auf der einen Seite wird mit einer schwachen europäischen Körnermaisernte und erhöhten Futtergetreideimporten gerechnet, auf der anderen Seite hat der Getreideexport aus der Ukraine an Fahrt gewonnen und Russland meldet einen deutlichen Preisrückgang für Weizen durch eine große Ernte.
Seit der Öffnung der ukrainischen Schwarzmeerhäfen für den Getreideexport sind bis zum Ende der Vorwoche 86 Schiffe in See gestochen. Obwohl die Lieferungen damit die Erwartungen übersteigen, wird es noch einige Zeit dauern, bis sich der Angebotsstau in der Ukraine aufgelöst hat. Die Lieferungen gehen derzeit meist in die Türkei oder in die EU. Die Hauptimportländer im Nahen Osten und in Afrika warten anscheinend noch ab und rechnen mit weiter nachgebenden Kursen.
Verdrängt EU-Weizen heimisches Getreide?
Es gibt viele Stimmen, die die große Abhängigkeit dieser Länder von Weizenimporten für ziemlich kritisch halten. Die in den Vorjahren recht günstigen Weizenimporte haben heimische Getreidearten wie Hirse, Mais oder Reis in diesen Ländern verdrängt. Aus der EU sollte auch im laufenden Jahr ein umfangreicher Teil der Weizenernte für den Export zur Verfügung stehen. Im vorigen Jahr wurden jeweils 29 % der Ernte für die menschliche Ernährung und für die Fütterung genutzt. 7 % gingen an die Industrie, unter anderem für Stärke und Biosprit. Für Saatgut wurden 3 % benötigt und als Endbestand blieben 9 %. So konnten 23 % der EU-Weizenmenge im Vorjahr auf den Weltmarkt exportiert werden. Für steigende Weizenpreise spricht eine weltweit sehr rege Nachfrage durch den steigenden Bedarf. Aus China kommen Meldungen über hohe Ertragsausfälle durch eine heftige Dürre. Auch die Landwirte in Argentinien warten auf Regen für ihre Weizenbestände, die im November geerntet werden sollen. Am Terminmarkt in Paris bewegen sich die Weizenkurse seit Wochen im Bereich von 320 €/t. Auch im Handel vor Ort liegen die Gebote seit dem Erntebeginn zwischen 300 und 335 €/t. Vereinzelt wurde auch schon die Marke von 300 €/t unterschritten. Bemerkenswert sind die hohen Trocknungskosten durch die hohen Energiepreise in diesem Jahr.
Hohe Proteingehalt wirklich erforderlich?
Viel Diskussion gab es auch zum Thema Eiweißgehalt im Weizen. Während die einen die Einschränkungen bei der Stickstoffdüngung als Hauptursache für nicht ausreichende Eiweißgehalte sehen, sprechen andere von einer Wechselwirkung zwischen Sortenwahl, Witterung und Ertrag. Da auch in anderen Regionen der Welt die Eiweißgehalte im Weizen unterdurchschnittlich blieben, haben einige Importländer die Anforderungen gesenkt. Dass man für gute Backeigenschaft nicht unbedingt Proteinwerte von über 12 % benötigt, zeigt auch eine Pressemitteilung des Verbandes der freien Bäcker. Die bezweifeln, dass die bisherigen Beurteilungskriterien für die Weizenqualität ausreichen. Entscheidend für gute Backwaren sei nicht der Rohproteingehalt, sondern die Qualität des Kleberproteins (Feuchtkleber). Dieser wird eher durch die Weizensorte beeinflusst. So gebe es eine Reihe von Weizensorten, die mit Mehlproteingehalten von deutlich unter 13 % Rohprotein „sehr gute“ Backqualitäten liefern, auch mit weniger Stickstoffdüngung. Lediglich für die Herstellung bestimmter Weizenbackwaren aus Auszugsmehl würden hohe Gehalte an Kleberprotein benötigt.
Vor dem Hintergrund der aktuell sehr kritischen weltpolitischen Lage sind Prognosen über den weiteren Verlauf der Weizenkurse sehr schwierig. Der Markt reagiert mit empfindlichen Preisausschlägen auf jede neue Nachricht. Die gute deutsche und europäische Weizenernte sorgt dabei für Druck auf die Notierungen. Dagegen wirken die reduzierten Ertragsprognosen für Körnermais. Die schlimmste Dürre seit Jahren wird sich besonders in den wichtigen Maisanbauländern Rumänien, Frankreich, Bulgarien und Ungarn auswirken. Allein in Frankreich und Rumänien werden jeweils 30 % der Vorjahresmenge an Körnermais fehlen.
Marktlage für die Woche vom 5. bis 11.9.2022
Getreide: Die Matif-Weizenkurse gaben in der vorigen Woche wieder nach. Das Angebot aus dem Schwarzmeerraum steigt deutlich an.
Raps: Die Matif-Rapskurse gaben in der Vorwoche nach, konnten sich jedoch noch über der Marke von 600 €/t halten.
Futtermittel: Die Schwankungen der US-Sojakurse setzen sich fort. Sojaschrot bleibt hierzulande weiter sehr teuer.
Kartoffeln: Die Trockenheit erschwert die Rodungen. Die Abreife ist weit fortgeschritten. Der Angebotsdruck erhöht sich.
Schlachtrinder: Das Angebot hat sich etwas erhöht. Die Kurse gaben für Schlachtkühe deutlicher nach als für Jungbullen.
Schlachtschweine/-sauen: Die Kurse sind in der Vorwoche nicht weiter gestiegen, da die Kurse im Fleischmarkt nur zögernd anziehen.
Ferkel: Eine lebhafte Nachfrage hat die Ferkelkurse in der Vorwoche nochmals steigen lassen.
Milch: Die Milchanlieferung nimmt saisonbedingt weiter ab, bleibt jedoch knapp über der Vorjahreslinie.
Schlachtlämmer/-schafe: Hierzulande nimmt das Angebot laufend zu, auch durch Futtermangel. Es gibt Wartezeiten bei der Lieferung.
Markttendenz für die Woche vom 12. bis 18.9.2022
Getreide: Vor allem die Prognose für die russische Ernte wurde deutlich erhöht. Die Exportnachfrage hat sich reduziert.
Raps: Die schwachen Sojakurse und rückläufige Rohölpreise sorgen vorerst für Druck auf die Rapsnotierungen.
Futtermittel: Da derzeit nicht sicher von sinkenden Kursen ausgegangen wird, hat die Nachfrage nach Kontrakten zugenommen.
Kartoffeln: Die Erträge bleiben unterdurchschnittlich, dazu kommen hohe Absortierungen. Vorerst stehen die Kurse unter Druck.
Schlachtrinder: Früh in der Saison dreht sich die Nachfrage von den Schlachtkühen weg hin zu den Jungbullen.
Schlachtschweine/-sauen: Das Schweineangebot bleibt vorerst knapp ausreichend. Der Fleischabsatz bremst jedoch mögliche Preisaufschläge.
Ferkel: Entsprechend den unveränderten Schweinepreisen sind auch die Ferkelpreise in dieser Woche gleich geblieben.
Milch: Experten sehen für die nächsten Monate weiter hohe Preise, vor allem für Spotmilch und Vorprodukte.
Schlachtlämmer/-schafe: Das hiesige Angebot wird durch Lieferungen aus Irland ergänzt. Die Kurse bleiben unter Druck.