Vernunft versus Hamsterbacken
Eine Packung Mehl mit einer roten Schleife könnte derzeit ein ganz besonderes Gastgeschenk für eine Einladung sein. Dieser Gedanke beschleicht einen, wenn man die leeren Regale in den Lebensmittelgeschäften sieht. Produkte wie Nudeln, Mehl, Speiseöl und Klopapier, die eigentlich Massenware sind, werden in großen Mengen von den Verbrauchern gehortet. In Kellern, Garagen und Abseiten drohen diese Produkte dann zu verderben, anstatt der Versorgung aller zu dienen. Dieser künstlich gemachte Mangel ist ein Zeichen der großen Unsicherheit in diesen Krisenzeiten. Obwohl Experten immer wieder beteuern, dass es keinen Anlass zum Horten von Produkten gibt, handeln viele Bürger ignorant und unsozial. Ein solches Einkaufsverhalten sorgt für unnötige Engpässe und zerstört Lieferketten für lebensnotwendige Güter.
„German Angst”
Dies scheint offensichtlich vor allem ein deutsches Problem zu sein. In den Nachbarländern wie in Dänemark sind die Regale noch voll. In Deutschland ist man dagegen sehr empfänglich für negative Nachrichten. Man neigt hierzulande in Krisensituationen zu irrationalen Handlungen. Es zeigt sich eine Verunsicherung, die im Gegensatz zu den objektiven Daten steht. Und diese Daten sind gut: Schätzungen zufolge werden in Deutschland insgesamt ein Drittel mehr Nahrungsmittel produziert als benötigt. Der Export von Lebensmitteln und Agrargütern ist ein wichtiger Faktor der hiesigen Wirtschaft. Dies hat sich weder durch Corona noch durch den Krieg in der Ukraine gravierend verändert. Neu ist allerdings das Preisniveau. Vor allem durch Unsicherheit und Spekulation sind die Kurse deutlich gestiegen. Es agieren die Händler im Großhandel ähnlich vorratsbetont wie die Verbraucher im Supermarkt. Mittlerweile haben sich die Warenströme neu geordnet. Es ist genügend Angebot vorhanden, auch wenn die Preise stark gestiegen sind.
Zu wenig für die Ernährung?
Derzeit läuft die Diskussion, ob man die Feldfrüchte besser für die Energieproduktion, als Viehfutter oder für die Ernährung nutzen solle. Von der hiesigen Getreideernte gingen bislang 60 % in die Futtertröge der Tiere, 9 % wurden für die Energiegewinnung verwendet, 8 % gingen an die Industrie (unter anderem Braugerste und Stärke) und 2 % benötigt man als Saatgut. Damit bleiben 20 % für die menschliche Ernährung. Die rückläufigen Viehbestände (Schweine) haben die Mischfutterproduktion schon deutlich reduziert. Also steht bereits mehr Getreide für andere Verwendungszwecke zur Verfügung. Besonders wichtig für die Ernährung ist vor allem Weizen. Hier wird der hiesige Bedarf mehr als gedeckt. Auch wenn die Mühlen derzeit auf Hochtouren laufen, um den aktuell hohen Mehlbedarf zu decken, können 25 % der Weizenernte exportiert werden. Damit leistet man einen wichtigen Beitrag, um den Nahrungsmittelbedarf in anderen Regionen der Welt zu decken. Importiert wird dagegen vor allem Futtergetreide. Aus der Ukraine kamen zum Beispiel große Mengen an Körnermais nach Deutschland. Derzeit laufen die Lieferungen wieder an. Per Lkw und Bahn hofft man dort, noch einen Teil der sonst üblichen Mengen aus der Ukraine ausführen zu können.
60 Prozent Raps für Biodiesel
Besonders hoch schlagen die Wogen in der Diskussion um die Biodieselproduktion aus Raps. Angesichts der geräumten Bestände an Pflanzenölen im LEH und der entsprechenden Preisaufschläge gibt es Vorschläge, die Produktion von Biodiesel auf Basis von Raps und anderen Ölfrüchten zu begrenzen. In Deutschland geht bislang mehr als die Hälfte der Rapsernte in diesen Bereich. Mit dem Argument, dass Agrarflächen weltweit begrenzt seien, gibt es einen Vorschlag des Bundesumweltministeriums, den Einsatz von Biokraftstoffen aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen zu verringern. Die Befürworter des Einsatzes von Agrarprodukten als Energielieferanten betonen dagegen, dass man sich damit auch unabhängiger von fossiler Energie mache. Zwischen diesen beiden Positionen sollte sich jetzt ein Kompromiss finden lassen.
Meldungen über eine reduzierte Biodieselproduktion und ausreichende Getreide- und Mehlvorräte helfen jedoch gegen die Angst vor Knappheit und begrenzen die übertriebene Bevorratung. Frei nach dem Motto: „Es sind genug Hamster für alle da!”
Marktlage für die Woche vom 2. bis 8.5.2022
Getreide: Die Matif-Weizenkurse blieben auch in der Vorwoche auf hohem Niveau. Ein weiterer Anstieg konnte sich nicht behaupten.
Raps: In der vergangenen Woche gaben die Matif-Kurse etwas nach, blieben jedoch noch über 1.000 €/t. Die Kurse für Pflanzenöle geben nach.
Futtermittel: Die Kurse für Sojaschrot gaben in der Vorwoche etwas nach. Die US-Sojanotierungen blieben bislang sehr hoch.
Kartoffeln: Der Handel ist ruhig und ausgeglichen. Die Kurse blieben unverändert. Die Pflanzungen schreiten gut voran.
Schlachtrinder: Der Markt hat sich in der Vorwoche wieder stabilisiert. Das Angebot ist erneut zu knapp ausgefallen.
Schlachtschweine/-sauen: Auch Ende April blieb der Vereinigungspreis unverändert. Der Unmut der Schlachter steigt jedoch.
Ferkel: In der Vorwoche blieben die offiziellen Kurse erneut unverändert. Importtiere und freie Ferkel gaben im Preis nach.
Milch: Am Weltmarkt und im hiesigen Großhandel sind die Kurse nicht weitergestiegen. Zum Teil geben die Notierungen schon nach.
Schlachtlämmer/-schafe: Die Kurse wurden in der Vorwoche leicht reduziert. Das Angebot war vergleichsweise reichlich.
Markttendenz für die Woche vom 9. bis 15.5.2022
Getreide: Regenfälle in Mitteleuropa und in den USA haben den Kursanstieg gebremst. Die Ukraine exportiert mit Bahn und Lkw.
Raps: Die Exporteinschränkungen von Palmölprodukten durch Indonesien haben die Rapskurse nur kurzfristig erhöht.
Futtermittel: Die Kurse geben etwas nach, bleiben jedoch auf einem vergleichsweise sehr hohen Preisniveau.
Kartoffeln: Das Angebot aus dem Vorjahr ist noch ausreichend. Hierzulande wird jetzt Regen benötigt.
Schlachtrinder: Sowohl die Kurse für Jungbullen als auch für Schlachtkühe zeigen eine wieder steigende Tendenz. Die Schlachtkapazitäten übersteigen das Angebot.
Schlachtschweine/-sauen: Durch reduzierte Schlachtungen steigen die Überhänge wieder an. Es sind umfangreiche Bestände an Grillware vorhanden.
Ferkel: Zum Wochenbeginn gab es zum Teil deutliche Preisabschläge. Damit soll der stockende Absatz belebt werden.
Milch: Die Erzeugerpreise sollten vorerst noch weiter steigen. Der LEH hat weitere Preisaufschläge für Milchprodukte angekündigt.
Schlachtlämmer/-schafe: Durch das Ende des Ramadans wird mit einer Nachfragebelebung gerechnet.