StartNachrichtenMarktMarktkommentar, Marktlage und Markttendenz 2322

Marktkommentar, Marktlage und Markttendenz 2322

100 Tage Ordnungsverlust
Von Caroline Hertell, LK-Markt
Foto: Pixabay

Seit mehr als 100 Tagen wird in der Ukraine Krieg geführt. Eine Zeitspanne, die schnell und langsam zugleich vergangen ist und vieles verändert hat. Der einstige Plan eines russischen Blitzkrieges, um die Ukraine innerhalb von wenigen Tagen einzunehmen, ist gescheitert. Einen konkreten Plan B scheint es nicht zu geben. Der Konflikt ist in einen hässlichen Abnutzungskrieg übergegangen. Der Stratege Helmuth von Moltke (19. Jahrhundert) sagte, es gebe im Krieg nur einen Plan bis zum ersten Angriff, nicht aber darüber hinaus . Wie lange wird es jetzt dauern, bis dieser Krieg so etwas wie ein Ende findet? In der Ukraine hält man eine Befriedung noch in diesem Kalenderjahr für möglich, vielleicht möchte man damit auch den ukrainischen Widerstand füttern. Ebenso könnte sich eine Lösung noch Jahre hinauszögern. Das Risiko einer internationalen Eskalation ist genauso da wie zu Beginn des Krieges. In 100 Tagen ist auch die wirtschaftliche Stabilität der westlichen Welt immer weiter aus den Fugen geraten.

Schwierige Lage der globalen Wirtschaft

Die grundsätzliche Unkenntnis über das zeitliche Ausmaß des Krieges steuert die Aktien- und Terminmärkte. Der Rohölkurs ist wieder auf Rekordniveau gestiegen, es ist der zweithöchste Stand seit Beginn des Krieges und seit jeher. Auch deshalb ist von den Tankrabatten an deutschen Zapfsäulen kaum etwas zu merken. Für Getreide werden bis ins Jahr 2023 hinein Höchstpreise aufgerufen, welche zudem von einigen rückläufigen Ernteprognosen rund um den Globus gestützt werden. Die Inflation in Deutschland wie auch anderswo steigt unaufhörlich und schnell. In vielen Ländern werden die Zinsen bereits angehoben, zum Beispiel in den USA. Das lässt den Dollar steigen und zieht Investorinnen an. So ist in den letzten Wochen zu beobachten, dass systematisch Gelder aus Anleihen in Schwellenländern abgezogen werden und in Richtung sicherer Alternativen fließen. Dadurch verschlechtert sich die Kaufkraft solcher Länder weiter, die oftmals als Importierende am globalen Getreidemarkt agieren. Die Wahrscheinlichkeit von Hungernöten steigt, die des Staatsbankrotts gleich mit, zu sehen am Beispiel Sri Lanka. Als weiteres Hindernis für die Weltwirtschaft kommt hinzu, dass die internationale Logistik im Krisenzustand verweilt – nicht zuletzt wegen der erneuten Corona-Lockdowns in China, das sich als Nadelöhr der Handelslogistik erweist. Der immense Stau an Schiffen, Containern und Waren löst sich so nicht auf, Satellitenbilder im Netz zeigen das Ausmaß. Tatsächlich ziehen sich Investorinnen auch aus China systematisch zurück, das Land nimmt für seine Null-Covid-Politik schwere wirtschaftliche Einbußen hin. Für globale Warenströme, unter anderem im Agrarbereich, ergeben sich aus den Staus in chinesischen Häfen und den Spitzenkursen für Rohöl weiter erhöhte bis steigende Frachtkosten. Auch deshalb zeigen die Terminmärkte, dass in diesem Jahr wohl kaum Entspannung bei den Rohstoffpreisen zu erwarten ist.

Gefahr der Stagflation

Rohstoffe und der Energiebereich sind die Zugpferde der Inflation. Die Inflationsrate europäischer Länder übersteigt das derzeitige Wirtschaftswachstum bei Weitem, eine Stagflation im Euro-Raum ist die Gefahr. Der Begriff bezeichnet eine Spirale, in der ein verringertes Wirtschaftswachstum und eine steigende Geldentwertung zu vermehrter Arbeitslosigkeit und also verringerter wirtschaftlicher Erholungsfähigkeit führen (Stagnation und Inflation). Die Europäische Zentralbank scheint seit Monaten nicht wahrhaben zu wollen, dass der Geld­regen zur Hilfe für die Ukraine und zur kurzfristigen Verbesserung der europäischen Kon­sumfähigkeit nicht von alleine aus dem Finanzmarkt verschwindet. Die für Juli geplante Anhebung der Zinsen ist eher ein Tropfen auf den heißen Stein und wird die Geldentwertung nicht aufhalten. Die Probleme werden sich nicht mit Geld zukleistern lassen, die sich auf der Weltbühne zusammenbrauen.

Marktlage für die Woche vom 6. bis 12.6.2022

Getreide: Durch höhere Ernteschätzungen und die Diskussion über die Öffnung ukrainischer Häfen gaben die Weizenpreise in der Vorwoche nach.

Raps: Die Terminmarktkurse gaben zuletzt leicht nach, lagen jedoch noch über der Marke von 800 €/t. In Australien wird die Aussaatfläche deutlich erhöht.

Futtermittel: Die US-Sojakurse bewegen sich knapp unter dem jüngsten Preishoch. In China wurde viele Corona-Auflagen aufgehoben.

Kartoffeln: Das geringe Angebot aus dem Vorjahr steht einer ruhigen Nachfrage gegenüber. Die Kurse können sich weiter behaupten.

Schlachtrinder: Die Kurse sind weiter gesunken. Das Lebendangebot überstieg erneut den Bedarf der Schlachtereien.

Schlachtschweine/-sauen: Die Nachfrage bleibt weiter sehr ruhig. Die Kurse konnten sich jedoch behaupten.

Ferkel: Die Ferkelnachfrage bleibt ruhig, da die Futterkosten sehr hoch bleiben. Die Notierungen blieben unverändert.

Milch: Die Anlieferung liegt auf dem Saisonhoch. Die Erzeugerinnenpreise für Mai bleiben auf dem zuletzt erreichten Niveau.

Schlachtlämmer/-schafe: Der Handel mit frischen Lämmern entspricht nicht den Erwartungen der Schäferinnen.

Markttendenz für die Woche vom 13. bis 19.6.2022

Getreide: Da Schiffslieferungen aus der Ukraine vorerst wohl ausbleiben, und durch die Unwetter in Frankreich und Süddeutschland ziehen die Preise wieder an.

Raps: Die stabilen Sojakurse und der erhöhte Rohölpreis stützen die Rapsnotierungen.

Futtermittel: Obwohl Futtergetreide günstiger geworden und der Euro etwas gestiegen ist, bleibt Mischfutter weiter sehr teuer.

Kartoffeln: Das Angebot an Frühware nimmt zu. Noch ist die Ware losschalig. Erste festschalige Ware wird Ende Juni erwartet.

Schlachtrinder: Sollte das Angebot an Jungbullen zurückgehen, könnte sich der Markt stabilisieren.

Schlachtschweine/-sauen: Die Grillsaison enttäuscht. Bis zum Beginn der Ferien bleibt nur noch wenig Zeit für eine Nachfragebelebung.

Ferkel: Viele Mästerinnen und Mäster warten auf weiter rückläufige Ferkelkurse oder haben die Schweinemast eingestellt.

Milch: Im Produkthandel lassen sich für die späteren Termine nur die bisherigen Kurse erzielen. Die Verwertung bleibt hoch.

Schlachtlämmer/-schafe: Höherpreisige Lammspezialitäten sind weniger gefragt. Die Lämmerkurse geben nach.

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