Über 100 Landwirte, Berater und Vermarkter aus ganz Deutschland sowie den Niederlanden und Österreich diskutierten aktuelle Entwicklungen am Bioschweinemarkt auf einer Tagung Ende Juni, die gemeinsam vom Aktionsbündnis Bioschweinehalter Deutschland sowie der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen und der Arbeitsgemeinschaft ökologischer Landbau Baden-Württemberg organisiert wurde.
Im Vergleich zu konventionellen Lebensmitteln fielen die Teuerungsraten bei den meisten Biolebensmitteln geringer aus, erklärte Diana Schaack von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI). Der Rückgang des Umsatzes setzte bei Biolebensmitteln Anfang des Jahres ein und stieg bis Mai auf 14 %. „Der Umsatzrückgang ist jedoch auch auf die Anteile der einzelnen Einkaufsstätten zurückzuführen“, betonte Schaack.
Während insbesondere der Naturkosthandel ein Minus von 22 % zu verzeichnen hat, konnten die Discounter mit 12,5 % zulegen. „Der Umsatzrückgang muss aber auch zeitlich eingeordnet werden“, hob Schaack hervor. Betrugen in den Jahren 2020 und 2021 die Wachstumsraten teilweise bis zu 40 % gegenüber 2019, also vor der Pandemie, so liegt der Umsatz mit Biolebensmitteln aktuell immer noch etwa 9 % höher. Schaack analysierte auch die Einkaufsmengen und stellte fest, dass die Rückgänge bei Bioprodukten dem Gesamtmarkt folgen.
Biofleischabsatz weniger stark eingebrochen
Bei Fleisch besteht jedoch ein deutlicher Unterschied: Während konventionell die Einkaufsmengen privater Haushalte im Zeitraum Januar bis Mai um 19 % sanken, lag dieser Wert bei Biofleisch bei unter 10 %. „Biofleisch hat beim Discounter einen hohen Umsatzanteil“, begründete Schaack diesen Unterschied.
Zum Abschluss gab sie einen Überblick über den Bioschweinemarkt. Die höhere Nachfrage der vergangenen Jahre wurde häufig mit Importen gedeckt. Mit 4,26 € für Handelsklasse E und 4,17 €/kg SG für pauschal abgerechnete Bioschweine hat sich der Bioschweinemarkt seit vielen Jahren von der Preisentwicklung am konventionellen Markt losgelöst. Bioferkel erzielen im Schnitt 164 €.
Heinrich Rülfing, Vorsitzer des Aktionsbündnisses Bioschweinehalter Deutschland, stellte das Projekt „Markttransparenz durch Europäisches Bioschweineforum“ vor, dessen Ziel es ist, Veränderungen der Bioschweinebestände möglichst frühzeitig vorhersagen zu können, um insbesondere eine Überversorgung, aber auch eine Unterversorgung des Marktes zu verhindern. Dabei meldeten 26 Bioferkelerzeuger monatlich die Zahl der abgesetzten Ferkel an die AMI. Im Jahr 2021 setzten die Betriebe 3,2 % mehr Ferkel ab als im Jahr 2020. Hochgerechnet auf ganz Deutschland müssten somit 2021 etwa 7.000 Biomastschweine mehr erzeugt worden sein, ohne dass sich die Tierbestände vergrößert hätten.
„Bio und die Transformation der Tierhaltung sind wichtige Themen bei Tönnies“, erklärte Thomas Dosch, Geschäftsführer der Tönnies Bio GmbH & Co. KG. Man strebe im Unternehmen die Verwertung des gesamten Schlachtkörpers an, wenngleich es bei Bioschweinen nicht möglich sei, alle Teile des Tieres auch als Bio zu vermarkten. „Unser Ziel sind Bioschweine aus Deutschland“, betonte Dosch, aber vielfach seien nicht genug deutsche Bioschweine beziehungsweise Bioferkel verfügbar gewesen.
Tomás Sonntag von der Marktgesellschaft der Naturlandbauern zeigte auf, wie man das Naturland-Warenzeichen im Handel etabliert habe. „Im Naturkosthandel wird das Zeichen schon lange genutzt, und im Jahr 2009 konnten wir mit Rewe einen langjährigen Kooperationsvertrag schließen“, stellte Sonntag vor. Bis Anfang des Jahres habe man viele Kunden nicht ausreichend mit Ware bedienen können, sodass es jetzt durch den Umsatzrückgang mit Biofleisch gerade gut passe. Bei allen aktuell bestehenden Unsicherheiten ist er sich aber sicher: „Der Trend zu mehr Bio bleibt.“
Bio bleibt weiter im Trend
„Jede Handelskette hat mittlerweile ihre eigene Biomarke, aber Bio allein reicht häufig nicht mehr aus“, erklärte Irina Michler vom Bioland-Verband. „Der Handel sucht nach Profilierungsmöglichkeiten, und die Marke Bioland wird dabei der Erwartungshaltung der Verbraucher im Hinblick auf Tierschutz, Biodiversität und Herkunft gerecht.“ Die seit mehreren Jahren bestehende Zusammenarbeit mit Lidl wird grundsätzlich positiv bewertet. Bioland-Fleisch ist momentan noch nicht Teil dessen, aber es laufen intensive Gespräche mit den Partnern.
Dr. Eva-Maria Görtz vom Bildungs- und Wissenszentrum Boxberg berichtete von Erfahrungen mit 6 m2 großen Abferkelbuchten, in denen die Sauen ohne Fixierung abferkeln. Im vollständig überdachten, 4 m2 großen Außenklimabereich befindet sich auch der Futtertrog. Mittels Videoaufzeichnungen 24 Stunden vor dem Abferkeltermin bis zehn Tage nach Abferkelbeginn wurde erfasst, an welchen Stellen in der Bucht Ferkel erdrückt werden. 43 % der Ferkel wurden in der Buchtenmitte erdrückt.
Rohstoffknappheit ist Herausforderung
Die Bio-Eichenmühle, die Carsten Pohl als Geschäftsführer leitet, produziert jährlich etwa 40.000 t Biofutter. Auch ihn bewegen neben der 100-%-Biofütterung, die Anfang des Jahres umgesetzt wurde und wegen der Krisenlage seit April bis Ende des Jahres ausgesetzt ist, die Rohstoffknappheit und die hohen Energiepreise. „Als Ersatz für konventionelles Kartoffeleiweiß benötigen wir die doppelte Menge an Biosojakuchen“, erklärte Pohl. „Durch die geringeren Aminosäurengehalte erhöht sich der Proteingehalt, sodass diese Vorschriften nicht effizient und nachhaltig sind“, warnte Pohl. Zur Abmilderung der Preissteigerungen setzt er auf den Einsatz anderer konventioneller Eiweißträger, wie Fischmehl und Bierhefe, und einen Verzicht auf die energieintensive Pelletierung.
Sojaanbau in Deutschland steigt deutlich
„Ich habe auch gute Nachrichten in der Tasche“, machte Hans-Albrecht Müller, Geschäftsführer der Saatbau Deutschland GmbH, den Zuhörern Mut. „Der Sojaanbau weitet sich immer weiter aus. In Österreich ist die Sojabohne mittlerweile die viertwichtigste Kultur“, berichtete Müller. Von 2015 bis 2021 hat sich die Sojaanbaufläche in Deutschland auf 35.000 ha verdoppelt. Für 2022 erwartet Müller bis zu 50.000 ha Anbaufläche. In einer neuen unternehmenseigenen Biosojamühle können jährlich bis zu 20.000 t schonend aufbereitet werden. „Wir unterstützen die Landwirte vom Anbau bis zum Verkauf als Service aus einer Hand“, bot Müller abschließend an.
Ihren 2007 auf Naturland-Richtlinien umgestellten Betrieb bewirtschaftet Adelheid Zinner zusammen mit ihren Eltern und ihrem Bruder. Aktuell werden 140 Sauen gehalten und 47 ha Fläche bewirtschaftet. Mit zwei in der Region liegenden Biobetrieben besteht eine gut funktionierende Futter-Mist-Kooperation. Die hofeigenen beziehungsweise über die Kooperation zugekauften Komponenten Gerste, Weizen, Triticale, Hafer, Roggen und Gerste sowie Heu werden durch zwei Eiweißergänzer aufgewertet.
Um die Auswirkungen der 100-%-Biofütterung in der Mast beurteilen zu können, hat Zinner für Sauen und Ferkel in Kooperation mit einer Futtermühle und einem Handelsunternehmen schon im vergangenen Jahr ökologisches Kartoffeleiweiß zugekauft, sodass sich an der Versorgung ihrer eigenen Tiere nichts geändert hat und Veränderungen am Schlachtkörper oder bei den Leistungen nur in der Mast zu suchen sind. Hier liegen aber noch keine Ergebnisse vor. Zinner wies darauf hin, dass es wichtig sei, das richtige Mineralfutter einzusetzen. „Viele Biomineralfutter sind auf die Versorgung von 20 Ferkeln ausgelegt. Wir setzen aber mehr als 23 Ferkel ab“, berichtete sie. Die Anpassung des Mineralfutters an den höheren Bedarf der Sauen verbesserte die Tiergesundheit deutlich.
Nach einem Audit durch die EU war es in Österreich erforderlich, den Umfang des überdachten Anteils der Auslaufüberdachung anzupassen, wie Dr. Werner Hagmüller, Leiter der Abteilung Bioschweine bei der HBLFA Raumberg-Gumpenstein, vorstellte. Vor dem Audit mussten mindestens 10 % der Mindestauslauffläche in Österreich unüberdacht sein, die EU legte als Wert 50 % fest, wobei bei Ferkel führenden Sauen und in der Ferkelaufzucht mindestens 25 % unüberdacht sein müssen. Bestehende Ausläufe müssen bis 2031 angepasst werden.
Und wie läuft es in Dänemark?
Wie es um die Bioschweinehaltung in Dänemark bestellt ist, konnte man von Simme Eriksen erfahren, der dort das Center für Frilandsdyr leitet. 12 % der dänischen Betriebe und damit etwas mehr als in Deutschland wirtschaften ökologisch. Im vergangenen Jahr wurden 240.000 Bioschweine erzeugt. „Grundlage in Dänemark ist wie in Deutschland die EU-Bio-Verordnung, aber fast alle Betriebe folgen einer freiwilligen Branchenempfehlung“, berichtete Eriksen. Dazu gehören das freie Abferkeln in Hütten im Freiland, ein Beschattungsangebot auf der Fläche und eine Säugezeit von mindestens sieben Wochen. Neben der Stallhaltung gibt es bei Biomastschweinen auch die Haltung in größeren Mobilställen.
Traditionell endete die Bioschweinetagung mit einem Blick über den Tellerrand, dieses Mal mit dem Thema „Ein ganzheitliches Wirtschafts- und Qualitätsverständnis für eine Welt im Umbruch“, vorgestellt von Dr. Alexander Gerber vom Verband Demeter. „Mit unserer heutigen Landbewirtschaftung ist eine dramatische Verringerung der Biodiversität verbunden, und wir verbrennen uns gewissermaßen selbst“, stellte Gerber fest. Das europäische System der Tierernährung beruhe auf Futtermittelimporten von anderen Kontinenten. Ökolandbau als Alternative setze auf eine Flächenbindung der Tierhaltung und die Versorgung mit Stickstoff aus der Luft. „Der ideale Ökobetrieb ist ein individueller, weitgehend in sich geschlossener Betriebsorganismus, der standortangepasst wirtschaftet“, so Gerber.